In ihrem ersten Erzählungsband konfrontiert uns die Französin Marie NDiaye mit Menschen, die man vielleicht doch lieber nicht zu seinen Freunden zählen möchte. Da ist der Lehrer aus der Titelerzählung, der mit seinen Lieblingsschülern ganz eigene Pläne verfolgt und auch vor Mord nicht zurückschreckt. Andere der hier versammelten Menschenfreunde benutzen ihre Kinder, um Eindruck zu schinden ("Der Tod von Claude François"), oder schieben sie ab ins Heim ("Offenbarung ") vorausgesetzt, sie lassen sich nicht verkaufen ("Die Jungen"). Sicher scheint vor allem eines: Das Leben läßt keinen entkommen ("Ein Tag in Brulards Leben"). Die genaue Ausleuchtung der zwischenmenschlichen Abgründe ist Marie NDiayes Spezialität. Doch immer behalten ihre Texte ein Geheimnis, der Horror liegt im Schweigen, in der Abwesenheit von Gefühlen, die den Menschen zum Menschen machen. Im Unheimlichen der Geschichten von Marie NDiaye stoßen wir auf Dämonisches, das, wenn wir ehrlich sind, uns vertraut ist.
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Durchaus fasziniert zeigt sich Joseph Hanimann von diesem Erzählband Marie Ndiayes, die für ihn zu den "prominenten Damen" der französischen Gegenwartsliteratur zählt. Auf die Gesellschaft der Freunde, von denen die Erzählungen handeln, kann er allerdings gern verzichten. Denn die Geschichten muten ihn doch recht abgründig an. Da werden Kinder ins Heim geschickt, für Internetsex verkauft, und ein Lehrer stellt seine bestgehasste Schülerin als Kindermädchen ein, um sie zu ermorden. Das Unheimliche dieser Erzählungen liegt für Hanimann indes nicht in den "narrativ dafür hergerichteten Nischen dunkler Ahnung", sondern im "Ordentlichen, das außerordentlich spielt". Er lobt die Darstellung von "Realitäten" sowie den Einsatz von "seltsamen" Leerstellen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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