Denkt man an Japan, so kommen einem zunächst einmal vor allem Stereotype in den Sinn. Das "Land des Lächelns" gilt als Kulturraum, in dem die Menschen bis zum Umfallen arbeiten, strenge Förmlichkeit das Verhalten bestimmt und Tradition und Moderne eine eigenartige Symbiose eingegangen sind. Entsprechend changiert unsere Vorstellung von Japan zwischen Zen-Buddhismus und Japan-Pop, zwischen Kalligraphie und Manga. Ausgehend von der doppelten Frage, was an der japanischen Kultur japanisch und was kulturell ist, zeigt Florian Coulmas, was die heutige japanische Kultur von anderen unterscheidet, und verdeutlicht, was unter Kultur zu verstehen ist: das Verhalten im Alltag und die sozialen Beziehungen (Umgangsformen, Verwandtschaft etc.); Werte und Überzeugungen (vor allem religiöser Art); Institutionen wie der Jahreszyklus, die Schule oder die Firma; schließlich Formen materieller Kultur (u.a. Kleidung und Mode, Behausung und Architektur, Essen und Ästhetik). Die Analyse des geistigen Hintergrunds kultureller Traditionen ermöglicht es, Verhaltensweisen, Wertvorstellungen und Formen der ästhetischen Gestaltung zu verstehen, die auch dem hyper-modernen Japan von heute einen ganz eigenen, unverwechselbaren Platz in der zunehmend globalisierten Welt erhalten haben.
Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension
Rezensentin Irmela Hijya-Kirschnereit zeigt sich insgesamt zufrieden mit Florian Coulmas' Buch über die "Kultur Japans", einer "materialreichen" anthropologischen Einführung und ethnologisch-soziologischen Landeskunde zugleich. Positiv findet sie die ausgewogene Themenauswahl und die Vielzahl an vermittelten Informationen. So biete Coulmas Einblicke in Übergangsriten, Verwandtschaft, in Etikette und die Praxis des Schenkens, gebe einen Abriss der wichtigsten Religionen in Geschichte und Gegenwart und hebe Schule und Firma als zentrale Institutionen der Sozialisation hervor. Zudem skizziere er die materielle Kultur (Körper, Kleidung, Mode, Behausung Architektur, Töpferei usw.). Für problematisch hält Hijya-Kirschnereit den "bis zur Unkenntlichkeit verbreiterten Kulturbegriff", der Coulmas' Arbeit zugrunde liege. Kultur im engeren Sinn wie Literatur und bildende und darstellende Künste erwähne der Verfasser dagegen nur als "kulturelle Subsysteme", ohne wirklich auf sie einzugehen. Bedauerlich findet es Hijya-Kirschnereit zudem, dass trotz einer langen Literaturliste die Angabe wichtiger Referenzwerke, Handbücher, einschlägiger Forschungsliteratur sowie vorhandener deutscher Übersetzungen zitierter japanischer Quellen fehlt.
© Perlentaucher Medien GmbH
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