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Der Sommer ist noch in vollem Gange, als die Niederländerin Hanna Piccard in Rom ankommt. Es ist das Rom der späten siebziger Jahre, die spannungsreiche, politisch bewegte Zeit der Roten Brigaden. Nach einer gescheiterten Beziehung hat Hanna sich dazu entschlossen, die Stelle einer Auslandskorrespondentin anzunehmen. Nach kurzer Zeit begegnet sie dem sensiblen Kunsthistoriker Andrea Simonetti. In seiner stillen Zurückhaltung ist er ganz anders als sie, und obwohl er ihre heftigen Gefühle erwidert, scheint in seinem Leben für Hanna kein Platz zu sein.

Produktbeschreibung
Der Sommer ist noch in vollem Gange, als die Niederländerin Hanna Piccard in Rom ankommt. Es ist das Rom der späten siebziger Jahre, die spannungsreiche, politisch bewegte Zeit der Roten Brigaden. Nach einer gescheiterten Beziehung hat Hanna sich dazu entschlossen, die Stelle einer Auslandskorrespondentin anzunehmen. Nach kurzer Zeit begegnet sie dem sensiblen Kunsthistoriker Andrea Simonetti. In seiner stillen Zurückhaltung ist er ganz anders als sie, und obwohl er ihre heftigen Gefühle erwidert, scheint in seinem Leben für Hanna kein Platz zu sein.
Autorenporträt
Oek de Jong, geboren 1952, lebt in Amsterdam. Er ist einer der bedeutendsten niederländischen Autoren der Gegenwart. Seine Romane "Ein Kreis im Gras" und "In der äußersten Finsternis" wurden vielfach übersetzt. Doch es war sein Debüt "Flatternde Sommerkleider", das ihn 1977 über Nacht berühmt machte und heute eines der meistgelesenenen Bücher der niederländischen Literatur ist.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.10.1999

Und sie bewegt uns doch
Duell der Signale: Oek de Jong erklärt die Liebe

Zwar stehen Liebeserklärungen weniger unter Originalitätsdruck als Romane. Für beide aber gibt es Sätze, die sich von selbst verbieten, zum Beispiel die Beteuerung: "Ich meine es ernst." Die Journalistin Hanna, als Auslandskorrespondentin für zwei Jahre nach Rom versetzt, riskiert diesen heiklen Satz. Doch sie äußert ihn unter zwei Umständen, die zusammen genommen für unbedingte Wahrhaftigkeit bürgen. Hanna sitzt auf dem Klo, und sie spricht zu Gott. Ein Liebesgebet, auf der Toilette zu verrichten. "Meines Herzens Herz. Dein Name ist Liebe. Steh mir bei."

Auf solche Offenbarungen haben wir gelernt, mit größter Skepsis zu reagieren. Aber wie oft balanciert das Pathos der Liebe am Rande des Unsäglichen. Und bewegt uns doch. "Sie war nicht mehr in der Lage, etwas aufzuräumen, weder in ihrem Kopf noch in ihrem Appartement . . . Sie stolperte, Messer fielen ihr aus der Hand." Es gibt, mit unverständlichen vierzehn Jahren Verspätung, Oek de Jongs wunderbar kräftigen Roman über das labilste Gefühl der Welt nun auf Deutsch zu lesen. Zur Zeit des Erscheinens war der Holländer, was man hier zu Lande einen Nachwuchsautor zu nennen pflegt.

Unerhört ist, wie wenig de Jong "macht". Er will zur Sache kommen, beweist Mut zu konventionellen, ja trivialen Handlungsmustern. "Der Sommer war noch in vollem Gange, als Hanna Piccard in Rom ankam." Kein sonderlich diskreter Einstieg, denn schon sehen wir alles Weitere ab. Eine Holländerin in Italien: Sie wird sich verlieben (in einen Gedichte schreibenden Kunsthistoriker), sie wird um ihre Liebe kämpfen (zwei ganze Sommer lang), und sie wird am Ende dahin zurückkehren, von wo sie kam. De Jong erzwingt unser Mitgefühl mit denkbar einfachen Mitteln, fast wie das Wetter, das ja auch jene seiner Wirkung unterwirft, die es kommen sehen. Natürlich tut das Zauberwort Italien das Seine, das muss genügen, denn nicht Landeskunde ist gefragt, sondern ein Tatort. Rom ist - wenn man von einer wichtigen Ausnahme absieht - nur die Bühne für den Liebesangriff auf Signore Simonetti, einen dichtenden Gelehrten und allein erziehenden Vater, athletisch gebaut und im Besitz einer hinreißenden Maisonettewohnung an der Piazza Farnese. Augenscheinlich eine Kunstfigur.

Um ihn herum geht es großzügig zu und elegant. Mit seinen Freunden führt Simonetti erlesene Gespräche über griechische Inseln und mittelalterliche Geschichte. Demgegenüber hat der Auftritt der Journalistin aus dem Flachland etwas Ordinäres. Ihre Nachstellungen sind plump, rauben dem männlichen Opfer Luft und Freiraum - und eine Einkaufstasche, mit der Hanna ersatzweise ins Bett geht, wodurch die Angelegenheit Fahrt und Farbe bekommt. Wie die meisten seiner zeitgenössischen Kollegen schert sich de Jong nicht groß um Fragen der Perspektive oder Erzählhaltung. Sympathie verbindet den Erzähler allein mit seiner Heldin, die er beim Vornamen nennt, während ihr geliebtes Opfer "Simonetti" bleibt und damit eben irgend so ein Italiener. Die physische Nähe, die das Buch zu dieser Frau aufbaut, ist unnachahmlich.

Die Liebe fährt ihr durch Mark und Bein, sie schwitzt und zittert, wird zudringlich. "Kommt da aufgetakelt wie ein Schlachtschiff in mein Büro und fordert meine Übergabe." Der zunehmend raschere Wechsel "diplomatischer" Noten, Briefe hin, Boten her, ist allein schon ein dramaturgisches Kabinettstück. Ein Duell der Signale. Da ist zum Beispiel der von Simonetti geschickte Laufbursche, der in Hannas Küche auf Antwort wartet; standhaft wehrt er es ab, mit ihrer Katze zu schmusen, weil sie ihm fremd ist. Natürlich ist ihre Replik dann in Wirklichkeit auf Simonetti gemünzt. "Aber Benedetto, wie willst du sonst eine Katze kennen lernen, wenn du sie nicht auf den Schoß nimmst?"

Ob es die guten Argumente oder die halbstarken Drohungen sind, die zum Erfolg führen, braucht hier nicht untersucht zu werden. Kaum ist Simonetti erobert, zieht sie auch schon zu ihm. Die Ordnung der Zahnbürsten und die Aufteilung der Bettseiten treten an die Stelle des Krieges, werden zum neuen Krieg. Erste Risse zeigt ein gemeinsamer Kurzurlaub in Holland, "um Hannas Hintergrund kennen zu lernen", wie Simonettis eifersüchtige Tochter so lange aufsagt, bis der gute Vorsatz weidlich schlechtgeredet ist. Überhaupt die Wiederholungen, de Jong scheut sie nicht. Häufig sagen die Figuren zweimal genau dasselbe vor sich hin, geistesabwesend oder penetrant. Das kann einen rasend machen.

In die grundlose Tristesse des Alltäglichen platzt eine Meldung, die der Korrespondentin einige hektische Wochen bereitet. Mit der Entführung des christdemokratischen Spitzenpolitikers Aldo Moro durch die Roten Brigaden greift der Liebesroman nach der Zeitgeschichte, die ihm bis dahin gleichgültig war. Auch erzählerisch geht nun ein Riss durch die kleine Welt. Zu dem öffentlichen Ereignis stehen die Figuren in einem Unverhältnis, das sie lähmt. Das Schicksal des Verschleppten, den seine Parteifreunde mit heuchlerischen Verbrämungen opfern, wird den Liebenden zum stummen Spiegel. Als die Leiche Moros im Kofferraum gefunden wird, haben sich Hanna und Simonetti bereits getrennt. Aus der Parallelität beider Linien geht nichts hervor, und genau das ist ihre Bedeutung. All das konnte wenige Straßenzüge entfernt geschehen und ragt nur als Fremdkörper in ihr Leben. Was an der Unmöglichkeit, Anteil zu nehmen, am meisten schockiert, ist die Nutzlosigkeit räumlicher Nähe.

"Die Liebe entsteht im Gebrauch", schreibt Hanna einmal, resignierend. Zwischen zwei Buchdeckeln sammeln sich mit zärtlicher Pedanterie registrierte Nebensächlichkeiten, die zu nichts führen. Wie die Arme der ineinander Verkrallten zu liegen kommen oder ihre Beine klammern, ist einzig unter einer Voraussetzung von Belang - der unerklärlichen Lust, ein paar Atemzüge oder Schwimmbewegungen mit ihnen zu teilen.

ALEXANDER HONOLD

Oek de Jong: "Ein Kreis im Gras". Roman. Aus dem Niederländischen übersetzt von Thomas Hauth. Piper Verlag, München/Zürich 1999. 458 S., geb., 46,- DM.

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