Havanna im 19. Jahrhundert. Eine Stadt, die von Sklaven, Mulatten, Freigelassenen und Entlaufenen wimmelt. Und von einer unüberschaubaren Kinderschar, in die Welt gesetzt von niemand anderem als dem Bischof der Stadt, dem tatsächlichen Engel vom Engelsberg. Hier treibt's der Don mit der Mulattin, die Doña aus Rache mit dem schwarzen Koch. Cecilia will einen weißen Mann. Leonardo sein Vergnügen und Isabels Geld. Isabel will Ordnung halten, Jose Dolores die Geliebte Cecilia erobern. Und die Engländer wollen, daß endlich Schluß ist mit der Sklaverei. Bigotterie und Grausamkeit bestimmen das tägliche Leben in Havanna, dazwischen aber scheint jeder einzelne auf der Suche zu sein nach dem idealen geliebten Wesen, das letztendlich doch ein Spiegelbild seiner selbst sein müßte. Und so ist es dann fast zwangsläufig der ungekannte weiße Stiefbruder, in den sich die scheinbar elternlose Mulattin Cecilia rettungslos verliebt... Reinaldo Arenas zeichnet mit fast magischer Fabulierkunst und bitterbösem Humor ein Sittengemälde der havannischen Gesellschaft. Ein Generalangriff auf alle Konventionen und Vorurteile der damaligen Zeit und zugleich die traurig-schöne Geschichte von Menschen voller Sehnsucht nach Anerkennung und Liebe, auf der Suche nach Erlösung, einer Suche, die trotz immer neuer Niedertracht - oder gerade wegen ihr - niemals enden wird.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Florian Borchmeyer sieht eine Neuerzählung von Cirilo Villaverdes "Cecilia Valdes oder der Engelsberg", eine Art literarisches "Nationalemblem" Kubas, von vornherein mit vielen Risiken behaftet. Umso mehr würdigt er den Erfolg, den der Kubaner Reinaldo Arenas mit seinem 1987 erschienenen Roman "Engelsberg" feierte, drei Jahre vor seinem Tod. Arenas folge dem Vorbild aus dem 19. Jahrhundert sowohl inhaltlich als auch strukturell "minutiös". Doch scheue sich der als "Enfant terrible" bekannte Autor nicht, die Geschichte um eine Beziehung zwischen einem Feudalherrn mit einer Mulattin mit ihren "breiten realistischen Beschreibungen" und "ausladenden Dialogen" rigoros auf ihr Handlungsskelett zusammenschrumpfen zu lassen, stellt der Rezensent fest, der gerade darin den "einzigartigen Mut" Arenas' bewundert. In der Raffung der Ereignisse, die den Rezensenten mitunter an einen "amerikanischen Zeichentrickfilm erinnert", gewinnt die Handlung enorm an "Drastik". Zudem entstehe ein in dieser Prägnanz "selten" dargestelltes Bild der "menschenverachtenden Absurdität" des spanischen Kolonialsystems. Zudem lobt Borchmeyer die "hohe literarische Qualität der Übersetzung" von Klaus Laabs sowie Ottmar Ettes kenntnisreiches Nachwort.
© Perlentaucher Medien GmbH
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