"Mord im Halteverbot" war mein Lesehighlight 2025. Nie zuvor hat mich ein Krimi so spielerisch leicht und zugleich so erbarmungslos an den Polizeialltag herangeführt.
Das Buch lebt von den Perspektiven der beiden Hauptpersonen: Camille, die Reporterin, die bislang mit der Polizei eher negative
Erfahrungen gesammelt hat; und Alex, der Polizist, dem Schichtdienst und Bürokratie normalerweise…mehr"Mord im Halteverbot" war mein Lesehighlight 2025. Nie zuvor hat mich ein Krimi so spielerisch leicht und zugleich so erbarmungslos an den Polizeialltag herangeführt.
Das Buch lebt von den Perspektiven der beiden Hauptpersonen: Camille, die Reporterin, die bislang mit der Polizei eher negative Erfahrungen gesammelt hat; und Alex, der Polizist, dem Schichtdienst und Bürokratie normalerweise stärker zu schaffen machen als der Umgang mit den eigentlichen Verbrechen. Hinzu kommt Dexter, Polizeihund und Alex' eigenwilliger, aber bedingungslos loyaler Partner auf vier Pfoten.
Der eigentliche Krimi-Plot ist zunächst recht konventionell und erinnert an so manche "Tatort"-Folge. Auf Streife stößt Alex auf Camille, die sich am Kofferraum eines geparkten Wagens zu schaffen macht und dabei eine Leiche zutage fördert. Camille gibt ihr Bestes, sich verdächtig zu verhalten, sodass sie und Alex zwangsläufig in näheren Kontakt treten – zunächst rein dienstlich und in gegenseitiger Abneigung. Für Alex bleibt die Sache Routine, für die er nicht einmal zuständig ist, bis sein Kollege und bester Freund Matthias unter Mordverdacht gerät ...
Was diesen Roman von der ersten Seite an besonders macht, ist die Authenzität. Beide Perspektiven werden beleuchtet und wecken Verständnis: Camilles anfängliche Verachtung für "die arroganten Bullen" im Gegensatz zu Alex' Alltag, in dem es überlebenswichtig ist, nicht jeden Mitmenschen an sich heranzulassen – durchaus im wörtlichen Sinn, wenn das Gegenüber ein Messer haben könnte. Wir erleben Alex als Menschen, der seinen Hund liebt und sich auf seine Kollegen verlässt und Camille als treue Freundin einer ACAB-Anarchistin seit ihrer Jugend.
Im Gegensatz zu vielen anderen Krimis stimmt aber bei Rothfuchs die Dosierung. Man merkt jedem Satz an, wie intensiv die Autorin über Polizeialltag recherchiert hat, wie viele Gespräche mit Polizisten sie geführt und wie einfühlsam sie sich über deren Sorgen und Nöte informiert hat. Alex ist kein alkoholkrankes Wrack wie so viele überzeichnete Film-Noir-Ermittler, sondern einfach ein normaler Mensch mit einem harten Job. Camille ist keine grimdarke Streetfighterin, sondern nur eine Frau aus ärmeren Verhältnissen, die hier und da schon mal mit dem Gesetz in Konflikt kam. Beide sind glaubwürdige Charaktere und Dexter ein glaubwürdiger Hund, der weder als tierischer Sidekick nervt noch als vierbeiniger Superheld den Fall alleine löst.
Hinzu kommt, dass Rothfuchs den Kriminalfall als solchen wirklich meisterhaft aufbaut. Die Indizien, die auf den Täter hindeuten, führen in kleinen Schritten voran, bei denen das Tempo zu 100% stimmt. Es gibt weder Durststrecken noch die "eine, große Enthüllung", die den Spannungsbogen abschießt. Selbst die Sequenzen, in denen Alex einfach seine Routinefälle als Streifenpolizist bearbeitet, entpuppen sich hinterher als Puzzleteile des Plots.
"Mord im Halteverbot" hat sogar vollbracht, was zuvor noch keinem Krimi gelungen ist: mich zu Tränen gerührt. Wir erleben etwas, das selbst den toughen Polizisten Alex bis ins Mark erschüttert. Und beim Lesen habe ich diese Erschütterung selbst gefühlt. Sie ist glaubwürdig und stimmig.
Alles in allem ist "Mord im Halteverbot" mehr als nur ein großartiger Krimi. Es ist ein Buch über Menschen und Menschlichkeit im Umgang mit menschlichen Abgründen. Von mir eine ganz klare Leseempfehlung.