Zum Inhalt:Konstantin Hermann: Sachsen und der »Prager Frühling«. Ein VorwortWolfgang Schwarz: DDR und CSSR: eine verordnete Freundschaft?Konstantin Hermann: »In der nächsten Zeit werden Sie vor dem Tribunal stehen«:Das »Tribunal der Fünf« in DresdenChristiane Schmitt-Teichert: »Zweifel an der Überlegenheit des Sozialismus«.Sachsen und der »Prager Frühling« - ein StimmungsbildRüdiger Wenzke: Sachsen als militärischer Aufmarsch- und Handlungsraum von NVA und Sowjetarmee im Sommer 1968Claus Röck: Störer ohne Hörer: der Geheimsender »Radio Moldau«Konstantin Hermann: Verbrannt wegen einer Zeitung: die Dresdner Zeitung »Zprávy« gegen den Prager Frühlin
Dem 1952 aufgelösten Sachsen (in die Bezirke Karl-Marx-Stadt, Leipzig und Dresden) kam wegen der unmittelbaren Nachbarschaft zur Tschechoslowakei im Sommer 1968 eine besondere Bedeutung zu: zum einen als Aufmarschraum für die Interventionstruppen des Warschauer Paktes, zum anderen als Zentrum der Propaganda. In dem sehr informativen Sammelband "Sachsen und der ,Prager Frühling'" widmet sich Claus Röck dem ostdeutschen Geheimsender "Radio Moldau", der während und nach dem Einmarsch vom 20./21. August 1968 in tschechischer und slowakischer Sprache gegen Protagonisten der Reformbewegung und deren vermeintliche Helfer im Westen hetzte. Schon die mangelhaften Sprachkenntnisse der Radiosprecher und der aggressive Argumentationsstil hätten bei den meisten Hörern nur Spott oder Wut erzeugt. In mehreren Aufsätzen wird daran erinnert, dass sich die militärische Beteiligung der DDR an der Invasion - entgegen der offiziellen SED-Darstellung bis 1989 - auf die logistische Unterstützung der Sowjetarmee beschränkte. Zwischen dem 23. August und dem 25. Oktober 1968 "waren lediglich rund 20 Nachrichtensoldaten der NVA in Böhmen stationiert". Allerdings hielten sich zwei in Wäldern versteckte NVA-Divisionen mit 16 500 Mann und 500 Panzern bereit, um auf Befehl in die CSSR einzumarschieren. Bis zum 21. Oktober kehrten sie in ihre Kasernen zurück. Immerhin erfuhren die Soldaten - so Rüdiger Wenzke - in der Zwischenzeit eine einmalige Truppenbetreuung. "Schauspieler und Schriftsteller wie Hans-Peter Minetti, Helene Weigel, Walter Flegel, Helmut Sakowski, Erik Neutsch und Anna Seghers traten vor Armeeangehörigen auf." Daneben gab es ein umfangreiches Filmprogramm. So wollte das Ulbricht-Regime auf "Motivationsverluste" reagieren: "Vor allem das Gefühl der Sinnlosigkeit des weiteren Aufenthaltes beherrschte in zunehmendem Maße die Stimmung in den Feldlagern." (Konstantin Hermann [Herausgeber]: Sachsen und der "Prager Frühling". Sax-Verlag, Beucha 2008. 152 S., 14,50 [Euro].)
RAINER BLASIUS
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