Der Wissenschaftsverlag Walter de Gruyter agierte während der NS-Herrschaft überaus erfolgreich. Angelika Königseder zeigt, wie er unter der Führung von Herbert Cram die ideologische Neuausrichtung von Staat und Gesellschaft akzeptierte, daran partizipierte und erheblich davon profitierte. Der deutschnational gesinnte Herbert Cram war kein Nationalsozialist, das hinderte ihn aber nicht daran, sich als Verleger mit den neuen Machthabern zu arrangieren. Der Verlag bemühte sich einerseits darum, die Qualitätsstandards eines wissenschaftlichen Universalverlages aufrecht zu erhalten, suchte aber zugleich die Nähe zu staatlichen Institutionen und dort angesehenen Wissenschaftlern. Er trennte sich in vorauseilendem Gehorsam von jüdischen und politisch missliebigen Autoren und Herausgebern, ohne vorhandene Handlungsspielräume zu nutzen. Wenn Autoren dem ökonomischen Erfolg eines Projektes im Wege zu stehen schienen, rückte der Verlag von ihnen ab. Die Geschäftspolitik des Verlages Walterde Gruyter unterschied sich damit nicht von der vieler anderer mittelständischer Unternehmen im nationalsozialistischen Deutschland.
Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Christoph Jahr lobt Angelika Königseders Studie, die erstmals die Geschichte des Walter de Gruyter Verlags im Nationalsozialismus darstellt. Von der Walter-de-Gruyter-Stiftung für Wissenschaft und Forschung in Auftrag gegeben, macht die Arbeit laut Rezensent deutlich, wie sich der Verlag den Wünschen des Regimes unterwarf, ja diese sogar übererfüllte, indem er etwa Thomas Mann, Else Ury und Erich Kästner aus dem "Kürschner" strich, dem Deutschen Literaturkalender, und sich so wirtschaftlich schadlos hielt. Der Verlag erscheint Jahr als Musterbeispiel eines Unternehmens, das Gewinnstreben über ethische Grundsätze stellte und dem NS-Staat diente. Die Autorin hat all das solide recherchiert und genau belegt, findet Jahr. Etwas mehr erzählerische Raffinesse hätte dem Buch nicht geschadet, meint er.
© Perlentaucher Medien GmbH
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