Der erste Band des Arbeitsjournals des im Osten Berlins lebenden Volker Braun endet mit dem letzten Tag des Jahres 1989. In ihm war zu erleben, wie der Prosaist, Essayist, Lyriker und Theaterautor mit seinen genuinen Themen und der entsprechenden Form beharrlich seinen literarischen Weg geht. Ab 1990 ändern sich die Anforderungen an das Werk von Volker Braun radikal. Ein Autor, bei dem die radikale Gleichheit einer der Antriebskräfte seiner vielfältigen Produktivität ist, hat seine Arbeit auf ein Gesellschaftssystem zu orientieren, in dem seine Ziele verneint werden. Und schließlich muß jemand, der wie er mit seinen literarischen Mitteln dagegen ankämpft - auch und trotz der Verleihung des Georg-Büchner-Preises -, damit rechnen, daß seine Produktionsverhältnisse erodieren: das Publikum, die Bühnen, die Medien. Um so mehr Achtung verdient die neue Folge der »Werktage«: Hier ist zu verfolgen, welcher intellektuellen, ästhetischen und menschlichen Anstrengungen es bedarf, sich und dem eigenen Werk, und damit den Denkern und Lesern, treu zu bleiben. Bei aller Mühsal darf eine Geste dieses Buches aufmuntern - die pikareske Einstellung des Autors und seiner Figur: Der Schelm als die lustige Gestalt, die den Leser zum Weinen bringt?
Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
Eine Rezension kann Volker Brauns Arbeitsbüchern kaum gerecht werden, zu vielstimmig sind sie, zu viele Fragen werden aufgeworfen, die Antworten verdienen, auch wenn es keine gibt, gibt Peter Hamm zu. In den Bücher aus den Jahren 1990 bis 2008 verarbeitet Braun unaufhörlich die deutsche Einheit, die er zunächst vor allem als Lüge empfand, auch als Okkupation, berichtet der Rezensent. Einer, der zu Zeiten der DDR "Außenseiter und Aushängeschild" zugleich war - immerhin neun Stasi-Offiziere und zweiunddreißig IM waren auf ihn angesetzt, verrät Hamm - beklagt die Harmlosigkeit der zeitgenössischen Literatur, die das große Ganze aus dem Blick verloren hat und jede Dringlichkeit vermissen lässt, wettert gegen die "geschichtsvergessene Infamie" der deutschen Militäreinsätze, gegen den Krieg gegen den Terror - "als wäre krieg kein terror!", zitiert Hamm - und stellt eben jene Fragen, die nur dem als skandalös erscheinen, der die skandalösen Verhältnisse verkennt, denen sie gelten, so der Rezensent. Volker Brauns Werk ist untrennbar mit der DDR verbunden, mit ihrer Auflösung ist es umso gewichtiger geworden, findet Hamm.
© Perlentaucher Medien GmbH
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» Braun schreibt diskret, engagiert, immer mehr am Nächsten und an der Welt interessiert als an sich selbst.« Volker Weidermann Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung 20141109







