Zum Einen hat der Vedutenmaler Luigi Kasimir das nostalgische Wien-Bild geprägt wie kein anderer. Zum Anderen war er Nationalsozialist der ersten Stunde und Arisierungsprofiteur. Der Graphiker Luigi Kasimir hielt das Wien der Monarchie und der Zwischenkriegszeit in seinen Farbradierungen im Stil der Jahrhundertwende fest. Seine tausendfach vervielfältigten Bilder von einem traditionellen und katholischen Österreich ermöglichten die Popularisierung und weltweite Verbreitung dieses Wien-Bilds. Als Erinnerung an die Heimat dienten sie Emigranten in Amerika zur Kontemplation und Österreichern zur Bebilderung ihres nach dem Krieg wiedergewonnenen Selbstbewusstseins. Sie wurden, Botschafter Österreichs, als Staatsgeschenke verteilt. Als Diener vieler Herren arrangierte sich Kasimir (1881-1962) mit den Regierungen seiner Zeit. Dass der Künstler nach dem Anschluss die jüdische Kunsthandlung arisierte, die ihn jahrzehntelang vertreten hatte, und sich Teile der größten jüdischen Kunstsammlung Wiens von moderner Kunst sicherte, war im Optimismus der Nachkriegsjahre bald vergessen. In einem Volksgerichtsprozess wurde er vom Verbrechen der missbräuchlichen Bereicherung freigesprochen.
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Instruktiv findet Rezensent Klaus Nüchtern diese Studie über den Wiener Künstler Luigi Kasimir (1881-1962), die die Kunsthistorikerin Catherine Tessmar nun vorgelegt hat. Wie er berichtet, stellt die Autorin Kasimir als skrupellosen, vom Kaiser ausgezeichneten, von den Nazis geschätzten und Nachkriegsösterreich geliebten Künstler vor, dem mit seinen zahllosen gefühligen und romantisierenden Wien-Bildern großer Erfolg beschieden war. Tessmar beleuchte aber nicht nur mit die "restaurative Ästhetik" dieser Werke, sondern befasse sich auch mit den politischen und ökonomischen Aspekten von Kasimirs Karriere, die geradezu prädestiniert sei, ein "unschönes Stück österreichischer Geschichtskontinuität" zu verdeutlichen. Nüchtern attestiert der Studie "akademische Sachlichkeit" und verschweigt nicht, dass er sich bisweilen eine "stärkere essayistische Zuspitzung" und den Verzicht auf den einen oder anderen historischen Exkurs gewünscht hätte.
© Perlentaucher Medien GmbH
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