Amerikanische Geschichte eines besorgten Bürgers
„Der demokratische Rückschritt beginnt heute an der Wahlurne“ (S.13). Ungarn, Polen, Türkei, Russland, aber auch Peru, Venezuela und Kolumbien werden als weitere Beispiele angeführt. Selbst eine Wahl muss nicht demokratisch sein, wenn wie in
Ungarn eine Zwei-Drittel-Mehrheit dazu genutzt wird die Wahlbezirke so zu manipulieren, dass die…mehrAmerikanische Geschichte eines besorgten Bürgers
„Der demokratische Rückschritt beginnt heute an der Wahlurne“ (S.13). Ungarn, Polen, Türkei, Russland, aber auch Peru, Venezuela und Kolumbien werden als weitere Beispiele angeführt. Selbst eine Wahl muss nicht demokratisch sein, wenn wie in Ungarn eine Zwei-Drittel-Mehrheit dazu genutzt wird die Wahlbezirke so zu manipulieren, dass die Fidesz-Partei trotz Verlusten mit 44,5% der Stimmen immer noch zwei Drittel der Mandate hat (vgl. S.105).
Dieses Buch definiert 4 Punkte, woran ein autoritärer Herrscher zu erkennen ist:
1. Ablehnung demokratischer Spielregeln
2. Leugnung der Legitimität politischer Gegner
3. Tolerierung von oder Ermutigung zur Gewalt
4. Bereitschaft die bürgerlichen Freiheiten einschließlich der Medien einzuschränken
(Leider wiederholen die Autoren diese lange Tabelle von S.32ff auf S.78ff nur, dass fett gedruckt wird, was auf Trump zutrifft).
Trump erfüllt alle 4 Punkte. Aber es ist die Frage, ob in Amerika trotz Trump nicht der amerikanische Rechtsstaat funktioniert. Zwar verstößt Trump gegen die ungeschriebenen Gesetze der Politik wie gegenseitige Achtung und Zurückhaltung, aber noch stoppt das Oberste Gericht Trump. Einige Republikanische Senatoren haben ihre rote Linie gezogen, wie weit sie mit Trump gehen wollen.
Besorgnis macht den Autoren, dass Putin und Erdogan erst nach Krisensituation zu autoritären Herrschern wurden (es bleibt fraglich, ob z.B. Erdogan nicht den Putsch gegen ihn gewollt hat). Trotzdem sind sie in der Bevölkerung weiterhin beliebt (vgl. S.223).
Wir lernen aus der amerikanischen Geschichte, dass frühere Präsidenten wie z.B. Washington ihr Amt sehr zurückhaltend ausgeübt haben. Erst unter Roosevelt wurde in der Verfassung verankert, dass ein Präsident nur zwei Amtszeiten regieren darf. Nach dem Bürgerkrieg gab es ein interessantes Phänomen: „Viele Südstaatendemokraten empfanden die Bürger- und Wahlrechte von Afroamerikanern als fundamentale Bedrohung. Erst als beide Parteien darauf verständigten, diese Rechte nicht mit Zwang durchzusetzen, schuf das die Basis, die gegenseitige Achtung wiederherzustellen. Die Entrechtung von Afroamerikanern rettete die weiße Vorherrschaft und die Dominanz der Demokratischen Partei im Süden, was zum Überleben der Demokraten auf Bundesebene beitrug. Nachdem die Rassengleichheit von der Tagesordnung gestrichen war, versiegten die Ängste der Südstaatendemokraten. Erst danach begann die Feindschaft zwischen den politischen Lagern abzuflauen (S.146f).“
In den 60er Jahren wandelte sich das Wählerverhalten. Ethnische Minderheiten wählen heute überwiegend die Demokraten, während die weißen, religiösen Menschen vor allem die Republikaner wählen. Die Autoren sind ziemlich sauer auf die Republikanische Partei, weil diese ihre „Wächterfunktion“ nicht ausgeübt hat. Trump hätte gar kein Präsidentschaftskandidat werden dürfen. Das liegt auch daran, dass die Republikaner sich davor fürchten, dass die Wählerschichten der Demokraten in Zukunft demographisch bedingt stärker wächst. Sie bekämpfen dies in den Südstaaten undemokratisch mit eine Verschärfung der Wahlgesetze, so dass nicht mehr alle Afroamerikaner zur Wahl gehen können (s.o.).
Leider hat in den letzten Jahrzehnten der Respekt zwischen den Parteien abgenommen. Der Präsident nutzt mehr seine Macht und die Opposition filibustert viel häufiger, d.h. es werden endlos lange Reden im Senat gehalten. Dass diese Polarisation weiter zunimmt sehen die Autoren als wahrscheinlichstes Zukunftsmodell. Dagegen würde die Einführung eines Sozialstaates wie in Skandinavien helfen.
Andere Modelle sind ein Wahlsieg der Demokraten und die Regierung Trump bleibt eine Episode oder das Horrorszenario, dass die Republikaner ihre Macht dazu nutzen auch die Mehrheit im Obersten Gericht zu gewinnen, so dass dieses einen autoritären Präsidenten nicht stoppen kann.
Insgesamt ein inhaltsreiches Buch. Aber nur 4 Sterne, da es zu viele Wiederholungen gibt.