Auch wenn Norma Curtis zu den renommierten britischen Schriftsteller*innen zählt, war sie mir kein Begriff. Umso mehr habe ich mich darauf gefreut, eine literarische Entdeckung machen und ihren neuen Roman "Das Geheimnis vergangener Tage" lesen zu dürfen, der von komplizierten Beziehungen zwischen
mehreren Generationen und einem streng gehüteten Familiengeheimnis erzählt.
Das dezente Cover…mehrAuch wenn Norma Curtis zu den renommierten britischen Schriftsteller*innen zählt, war sie mir kein Begriff. Umso mehr habe ich mich darauf gefreut, eine literarische Entdeckung machen und ihren neuen Roman "Das Geheimnis vergangener Tage" lesen zu dürfen, der von komplizierten Beziehungen zwischen mehreren Generationen und einem streng gehüteten Familiengeheimnis erzählt.
Das dezente Cover wirkt wie eine Reminiszenz an eine längst vergangene Epoche. Eine schlicht gekleidete Frau unbekannten Alters schaut sinnend auf ein altes Cottage, in ihren Händen hält sie einen abgewetzten Koffer aus braunem Leder. Der gut gewählte Titel lässt aufhorchen. Von welchem Geheimnis mag die Rede sein?
Der Roman spielt in England und Deutschland, auf zwei zeitlichen Ebenen. Er pendelt zwischen der aktuellen Gegenwart und einer dunklen Epoche der Weltgeschichte, die in Rückblenden vergegenwärtigt wird. Thematisiert wird die Befreiung des deutschen Konzentrationslagers Bergen-Belsen und das Ende des Zweiten Weltkriegs. Das Geschehen wird aus mehreren Perspektiven vermittelt, zu Wort kommen Thea, Hedi und Harry.
Thea ist eine moderne junge Frau, die - ausgelöst durch die Bitte ihrer Mutter um Teilnahme an der Beerdigung ihres Großvaters Harry - ihre Großmutter Hedi kennen- und schätzen lernt. Hedi ist eine alte Dame, die ihren geliebten Mann nach einer glücklichen, langen Ehe verloren hat. In ihrer Jugend musste sie unvorstellbares Grauen im deutschen Konzentrationslager Bergen-Belsen erleben, aber sie hatte die Hoffnung auf das Überleben niemals aufgegeben und ihre ethischen Werte inmitten einer unmenschlichen Zeit hochgehalten. Mit ihrer einzigen Tochter hat sie niemals über ihre Vergangenheit gesprochen; sie hat sich für das Leben in der Gegenwart entschieden und alle schrecklichen Erlebnisse verdrängt, aber nicht vergessen. Aus der Sprachlosigkeit resultieren Missverständnisse, die zu Entfremdung und Kontaktabbruch von Tochter (plus Enkelin) und Eltern führen; bis zum Tod von Harry herrscht Schweigen zwischen ihnen. Hedi ist eine starke Persönlichkeit, nicht frei von Schwächen, die man für ihren Mut und ihre Menschlichkeit in einer unmenschlichen Zeit bewundern muss. Auch Harry ist ein außergewöhnlicher Mensch. Als britischer Soldat hat Harry an der Befreiung des Konzentrationslagers Bergen-Belsen mitgewirkt; er hat sich für die Bestrafung der Verbrecher und den Schutz der Überlebenden eingesetzt. Während seines Einsatzes im Konzentrationslager Bergen-Belsen hat er Hedi kennengelernt und eine emotionale Bindung zu ihr aufgebaut, die in eine wahre Liebe mündete.
Mich hat das neue Buch von Norma Curtis tief beeindruckt. Es ist ein Familien-Roman, der die bewegende Geschichte von mehreren Generationen einer deutsch-britischen Familie erzählt und ethische Werte wie (Mit-) Menschlichkeit in den Fokus rückt. Diese Lektüre ist ein besonderes Lese-Erlebnis, das alle Leser*innen gefangen nimmt, sie bleibt im Gedächtnis haften und hallt lange nach.