Produktdetails
- Anzahl: 1 Audio CD
- Erscheinungstermin: 26. April 2004
- Hersteller: Universal Vertrieb - A Divisio / Interscope,
- EAN: 0602498621622
- Artikelnr.: 20038429
- Herstellerkennzeichnung Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
| CD | |||
| 1 | Git Up | 00:04:03 | |
| 2 | Loyalty | 00:05:53 | |
| 3 | Just Like U | 00:03:31 | |
| 4 | I'll Be Damned | 00:04:22 | |
| 5 | Dude | 00:01:12 | |
| 6 | My Band | 00:04:58 | |
| 7 | U R The One | 00:04:19 | |
| 8 | 6 In The Morning | 00:04:38 | |
| 9 | How Come | 00:04:09 | |
| 10 | Leave Dat Boy Alone | 00:05:23 | |
| 11 | Get My Gun | 00:04:34 | |
| 12 | Bizarre | 00:01:22 | |
| 13 | Bitch | 00:04:56 | |
| 14 | Steve's Coffee House | 00:00:51 | |
| 15 | D12 World | 00:03:10 | |
| 16 | 40 Oz. | 00:04:02 | |
| 17 | Commercial Break | 00:01:12 | |
| 18 | American Psycho 2 | 00:03:44 | |
| 19 | Bugz 97 | 00:01:05 | |
| 20 | Good Die Young | 00:05:55 | |
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| 21 | Keep Talkin' | 00:04:30 | |
Paradigmenwechsel im Hip-Hop: Eminem ist wieder da und mit ihm eine neue Heiterkeit
Wenn man nur lange genug wartet - sagen wir ein, zwei Jahre -, sieht man im Musikfernsehen auch schon mal ein lustiges Video. Zum Beispiel "My Band" von D12, welches wiederum die Gruppe von Eminem ist, diesem blonden Rapper, über den sich früher immer alle so aufgeregt haben, vor allem Schwulenverbände und Frauenschützer. Eminem wurde mal bekannt, weil er Texte schrieb, die so hart an der Wahrheit des kleinen amerikanischen Mannes entlangrammten, den wir hierzulande aus amerikanischen Vormittags-Talkshows kennen, in denen er beispielsweise erfährt, daß der Vater seines Kindes in Wahrheit sein Sohn ist, weshalb es zu einer Prügelei kommt, die erst dadurch gestoppt wird, daß seine Frau plötzlich verkündet, sie lebe in Zukunft als Mann - an dieser Realität also schrammten die Texte so wahrheitsgetreu entlang, daß viele den Autor mit seinen Worten verwechselten und Eminem selbst für das hielten, was er da so ungeschönt beschrieb: Sie hielten ihn für white trash.
Dabei war Eminem, der in Wahrheit den seltsamen Namen Marshall Mathers III. trägt, von Anfang an alles andere als ein dummer Junge, der unreflektiert seine Meinung herausschreit. 1999 betrat er die Hip-Hop-Bühne mit dem Album "The Slim Shady LP" als scharf beobachtender Kritiker der Verhältnisse, die ihn umgaben. Ein Jahr später veröffentlichte er "The Marshall Mathers LP", und so etwas hatte es vorher nun wirklich noch nie gegeben. Das war kein Hip-Hop mehr, das waren kleine Dokudramen, das waren in Strophen gegossene, sozialkritische Miniaturen mit Beats. In "Stan" ging es um einen Fan, der sich das Leben nimmt, "Kim" schilderte einen gewalttätigen Ehestreit. Allein in der ersten Woche verkaufte sich die Platte 1,7 Millionen Mal, Eminem war der neue Superstar des Hip-Hop. Und zu Recht. Dieser junge Mann mit der falsett-satten Stimme beherrschte Rollenprosa, Dialogform und Reim. Er verstand etwas von Ironie, Satire und Poesie. Und er war stinksauer.
Eine weitere Platte und einen Kinofilm über sein Leben später ("8 Mile", 2002, Regie: Curtis Hanson), sehen wir Eminem nun im neuen Video von D12 wieder, seiner früheren Gruppe aus Detroit, die vor drei Jahren mal einen kleinen Hit hatte mit dem Song "Purple Pills". Insgesamt besteht die Gruppe aus sechs Rappern, Eminem ist natürlich der bekannteste, und die neue Single "My Band" handelt genau davon: von den Schwierigkeiten, die es mit sich bringt, wenn in einer Popgruppe einer der alleinige Star ist. Gut, es gibt wichtigere Dinge, über die man einen Text schreiben könnte - es sind aber auch schon unwichtigere Dinge zum Gegenstand von Popsongs geworden, ohne daß das ihrem Erfolg geschadet hätte (Beatles "Obladi Olada"; Queen "Bicycle"; Doors "Light my fire", um nur drei Beispiele zu nennen), also warum denn nicht.
Beim Video hat Eminem Co-Regie geführt. Es zeigt Szenen im Leben von Superstar Eminem und seiner unbekannten Begleitband. In der ersten Szene sieht man Eminem, den einzigen Weißen unter den erfolgreichen Rappern weltweit, auf der Sonnenbank; etwas später kniet er auf der Bühne, in huldvoll demütiger Heldenpose, gesenktes Haupt, ausgestreckter Arm, jemand legt ihm einen Umhang um; dann tritt er auf und wird fast begraben unter einem Berg von Unterhosen, sehr großen, sehr vielen Unterhosen, mit dem ihn das vorwiegend weibliche Publikum bewirft. Im Rest des Videos sieht man ihn in albernen Rockstarposen - er begattet den Bühnenboden, tanzt wie ein Mitglied einer Boyband, läßt sich von Pornomädchen massieren -, während die anderen fünf im Hintergrund herumstehen und Magazine lesen, auf deren Titelseiten Eminem zu sehen ist. Sogar der jüngste Skandal der Popgeschichte wird persifliert: Da reißt Eminem einem fülligen D12-Kollegen in Anspielung auf Janet Jackson den Stoff von der Brust und ein Piercing gleich mit.
Wahrscheinlich war alles ein riesiges Mißverständnis. Amerikanischer Hip-Hop, so dachte man hierzulande, sei größtenteils chauvinistisch und humorlos, und amerikanische Rapper würden zum Lachen in die Waffenkammer gehen. Der erfolgreichste Rapper des vergangenen Jahres, 50 Cent (bei Eminems Plattenlabel unter Vertrag), ist ein harter Gangster, der angeblich bereits mehrmals angeschossen wurde. In seinen Texten geht es um Geld, um Ruhm und um Zuhälterei, und wer die Ironie darin finden möchte, der sollte am besten einen Privatdetektiv engagieren. Immer wieder mal werden amerikanische Rapper erschossen; alle paar Wochen muß einer von ihnen wegen Waffen- oder Drogenbesitzes vor Gericht aussagen; eben erst wurde P. Diddy vom Vorwurf der Körperverletzung freigesprochen, schon steht Lil' Kim mit einem Fuß im Gefängnis, bei ihr geht es um Falschaussage, Meineid und Rechtsbehinderung.
Und mitten hinein in diese düstere, von Gangstern und leichten Mädchen bevölkerte Szenerie meldet sich Eminem nun mit einem Video zurück, über das sich auch Fans von Dieter Hallervorden freuen können. Humor im amerikanischen Hip-Hop, ein Rapper, der sich selbst nicht ernst nimmt - und es ist ausgerechnet Eminem, derselbe Eminem, der eben noch auf der schwarzen Liste des amerikanischen Geheimdiensts stand, weil er in einem unveröffentlichten Song etwas über einen Präsidenten rappte, den er lieber tot sähe. Derselbe Eminem, der mehrmals wegen unerlaubten Waffenbesitzes zu Bewährungsstrafen verurteilt wurde. Derselbe Eminem, der von seiner eigenen Mutter auf zehn Millionen Dollar Schmerzensgeld verklagt wurde, weil sie sich, und vielleicht nicht ganz zu Unrecht, in seinen Texten verunglimpft sah.
Anzeichen dafür, daß Eminem Humor hat, hatten sich in letzter Zeit verdichtet. Zeigte er sich in früheren Videos als Britney-Spears-Lookalike, schickte Hunderte Eminem-Doppelgänger durchs Bild oder ließ Christina Aguilera als Gummipuppe auftreten, so konnte man ihn zuletzt im Video zu "Without me" fröhlich als Bin Ladin verkleidet in einer Höhle herumtanzen sehen. Und auch in seinen Texten blitzte immer wieder ein irrer Wortwitz durch, zum Beispiel in "Criminal": "Hey, it's me, Versace - whoops, somebody shot me! And I was just checkin' the mail; get it? Checkin' the ,male'." Aber wo Eminem sich bislang noch brav an allen Klischees eines harten Rappers abarbeitete und Ziel seiner Witze also vor allem Frauen und Schwule waren, so macht er sich in "My Band" zum ersten Mal über sich selbst lustig. Selten war Hip-Hop so entspannt.
Eminem hat einmal gesagt, die Hälfte seiner Reime schreibe er nur, um die Leute zum Lachen zu bringen, und es werde ja wohl jeder, der auch nur ein halbes Gehirn habe, erkennen können, wann er Witze mache und wann er etwas ernst meine. Anscheinend hat er die Geistesleistung vieler Hörer überschätzt. Es sind wohl nur wenige Musiker so gründlich und konsequent mißverstanden worden wie Eminem, und das, obwohl er sich des sichersten Stilmittels für Satire bedient, das es überhaupt nur gibt: Er rappt in verschiedenen Rollen, als Slim Shady beispielsweise - Gesagtes wird damit eigentlich dick und fett in Anführungszeichen gesetzt. Irgendwann habe er eingesehen, daß die Leute die Ironie nicht verstehen, erzählte er in einem Interview: "Da habe ich gedacht: Okay, wenn ihr mich so seht, dann sollt ihr mich so kriegen." Trotzig trat er fortan bei Konzerten mit Hannibal-Lecter-Maske und Kettensäge auf.
Daß er die Pose des harten Rappers inzwischen wieder aufgegeben hat, konnte man vor wenigen Tagen im deutschen Fernsehen sehen. Da war Eminem zusammen mit D12 in der Stefan-Raab-Show zu Gast. Mehr als einmal ließ er dort die Hosen runter und zeigte dem Publikum seinen nackten Hintern, dazu rief er deutsche Ausdrücke, die Eltern ihren Kindern zu sagen verbieten. Wer genau hinsah, konnte sogar ein Lächeln seine Mundwinkel umspielen sehen. Für den Herbst ist eine neue Eminem-Solo-Platte angekündigt. Wenn er so weitermacht, landet er damit noch in den Comedy-Charts.
JOHANNA ADORJÁN
Das D12-Album "World" erscheint am 26. April bei Universal, die Single "My Band" ist bereits erschienen. Außerdem wird dieser Tage eine neue Eminem-Biographie veröffentlicht: David Stubbs "Cleaning out my closet". Rockbuch Verlag. 139 Seiten. 19,80 Euro.
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