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Miro76
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Österreich

Bewertungen

Insgesamt 187 Bewertungen
Bewertung vom 08.11.2025
Monstergott
Schmitt, Caroline

Monstergott


ausgezeichnet

Die Geschwister Ben und Esther sind in einer christlichen Freikirchengemeinde aufgewachsen. Als Kinder hat ihnen die Kirchengemeinschaft Halt gegeben und das Leben mit Jesus versprach ein erfülltes zu werden.

Doch mit zunehmendem Alter beginnen die beiden die engen Grenzen, die ihre Kirche zieht zu hinterfragen. Esther sieht sich nicht in der klassischen Frauenrolle, die sich unterzuordnen hat und deren Berufung es ist zu dienen. Sie beginnt ihre Freundschaften zu hinterfragen und beäugt kritisch die Ehen, die diese eingehen.

Ben kämpft mit ganz anderen Problemen. Er unterdrückt seine sexuelle Orientierung und versucht sogar diesen Dämon auszutreiben. Diese Szenen sind ziemlich gruselig. Das Männlichkeitsseminar scheint aus dem letzten Jahrhundert zu stammen und manche Praktiken grenzen an Folter.

Ben und Esther treten abwechseln als Ich-Erzähler auf. Das erlaubt uns Leser*innen einen Blick auf ihre inneren Konflikte, Zweifel und Sehnsüchte. Gleichzeitig erleben wir sie von außen aus der Sicht des jeweils anderen. Dadurch wird, trotz des eher nüchternen Stils, eine große Nähe zu den Protagonisten geschaffen.

Als die beiden beginnen ihre engen Grenzen zu hinterfragen und schließlich ihre religiösen Ketten zu sprengen, habe ich das Buch mit noch mehr Freude gelesen. Und natürlich bietet uns die Autorin am Ende auch noch ein bisschen Drama vor dem großen Knall.

Mir hat das Buch sehr gut gefallen. Die kritische Auseinandersetzung mit dem Glauben ist zeitgemäß und es gefällt mir, dass hier mal eine Form des Christentums genauer unter die Lupe genommen wird. Wo Religion zu stark in den Alltag der Menschen eingreift, ist Vorsicht geboten! Egal von welcher religiösen Ausrichtung die Rede ist.

Der Weg, den Ben und Esther hier zurücklegen ist beträchtlich. Sie zeigen Mut und werden mit einem positiven Ausblick belohnt. Ich mag dieses Happy End!

Bewertung vom 08.11.2025
Der Rache Glanz
Ventura, Maud

Der Rache Glanz


sehr gut

Über Ruhm, Rache und Selbstverlust
Cleo weiß schon als kleines Kind, dass sie zur Berühmtheit berufen ist. Sie hat eine tolle Singstimme und beträchtliches musikalisches Talent. Schnell steht für sie fest, dass sie Sängerin wird. Mit vorsichtigen Versuchen gibt sie sich nicht ab. Sie geht ihren Weg äußerst straight, absolviert eine solide Ausbildung und veröffentlicht ihren ersten Song erst, als sie sicher ist, dass er sie direkt in den Pophimmel führt.

Ihr Antrieb ist ihre Rache an einer Mitschülerin. Diese eine Freundin, die in der Schule alle angehimmelt haben und der sie damals nicht das Wasser reichen konnte.

Auf ihrem Weg überlässt sie nichts dem Zufall. Sie arbeitet an ihrer Außenwirkung, ihrem Charisma, achtet darauf, wen sie nochmal brauchen könnte und verzichtet auf eine Beziehung zu allen anderen. Ihr Social Media Kanal ist eine einzige Inszenierung. Ein authentisches Leben bleibt dabei komplett auf der Strecke.

Mit zunehmendem Ruhm wird sie immer unerträglicher. Ihre Ansprüche sind komplett überhöht und kaum jemand kann es ihr noch recht machen. Sie benutzt alle in ihrem Umfeld und trampelt über alle anderen, die ihrer Meinung nach eh keine Berechtigung haben, die selbe Luft zu atmen wie sie.

Das Buch ist ein Psychogramm eines Starlets, wo Außenwirkung wichtiger ist als Innenschau. Ventura setzt sich mit der Scheinwelt von Social Media auseinander und zeigt die Rückseite dieser Medaille. Und wie schon in ihrem ersten Buch gelingt ihr das mit bittersüßem Humor. Sie treibt alles auf die Spitze. Leider geht sie dabei für meinen Geschmack etwas zu weit.

Stilistisch ist das Buch wieder top. Ich liebe den schwarzen Humor der Autorin und ihre pointierte Sprache und ich freue mich schon jetzt auf das nächste Buch aus ihrer Feder!

Bewertung vom 26.10.2025
Phantasma - Spiel um dein Leben, fürchte die Liebe / Wicked Games - Verfluchte Spiele Bd.1
Smith, Kaylie

Phantasma - Spiel um dein Leben, fürchte die Liebe / Wicked Games - Verfluchte Spiele Bd.1


sehr gut

Ophelia Grimm ist Nekromantin und ihre Magie erwacht mit dem Tod ihre Mutter, der viel zu früh und viel zu plötzlich eingetreten ist. Doch das ist nicht der einzige Schock. Sie und ihre Schwester Genevieve erfahren tags darauf, dass das Haus verschuldet ist und die Bank bereits Abrisspläne hegt. So landen die beiden Schwestern in Phantasma - dem Spiel um Leben und Tod.

Neun Level gilt es zu bezwingen und wer als letztes übrig ist, darf sich vom Teufel einen Wunsch erfüllen lassen. Für die meisten Teilnehmer*innen sind es finanzielle Motive, die sie in dieses schauerliche Spiel getrieben haben. Freundschaften werden hier kaum geschlossen und wer die Liebe findet, dem blüht ein noch schlimmerer Fluch.

Doch Ophelia geht recht rasch einen Pakt ein, der sie vielleicht ins Verderben stürzen wird. Ein Phantom erobert ihr Herz im Sturm und begleitet sie durch ihre ganz persönlich Hölle.

Phantasma ist ein New Adult Romance Roman, das alles mitbringt, was dieses Genre braucht. Es gibt heiße Geister, tödliche Abenteuer, eine Menge Blut und große Gefühle. Aber die Autorin lässt ihre Protagonistin auch eine steile Entwicklung durchleben. Sie findet Selbstvertrauen und lernt mit ihren mentalen Problemen umzugehen. Sie darf erfahren, dass sie trotz ihrer Unangepasstheit liebenswert ist und es verdient begehrt zu werden.

Ich habe das Buch gerne gelesen und es hat mich großartig unterhalten, obwohl die Geschichte stellenweise sehr grausam war. Doch die speziellen Räume, wie die Flüstergasse oder die geheimen Kammern, die Ophelia und Blackwell entdecken, lassen die Grausamkeiten in den Hintergrund treten. Und das Ende ... Da gibt es eigentlich nichts dazu zu sagen. Wen dieses Genre anspricht, dem kann ich das Buch guten Gewissens empfehlen.

Ach ja, fast hätte ich es vergessen: New Orleans als Schauplatz finde ich perfekt gewählt!

Bewertung vom 24.10.2025
Fabula Rasa oder Die Königin des Grand Hotels
Kaiser, Vea

Fabula Rasa oder Die Königin des Grand Hotels


ausgezeichnet

Glamour, Glanz und Gewissen

In Fabula Rasa lässt Vea Kaiser eine junge Buchhalterin zur Königin des Grand Hotel Frohner aufsteigen, um sie dann wieder ganz tief fallen zu lassen. Doch sie scheint auch im Gefängnis noch Haltung zu bewahren.

Angelika Moser ist in den 20ern, als sie als junge Buchhalterin dem Direktor Frohner auffällt. Er übergibt ihr ein paar delikate Aufgaben und ist begeistert, dass sie Stillschweigen bewahren kann. Eine ganz besondere Aufgabe lässt sie unentbehrlich werden und zeigt ihr gleichzeitig, wie leicht es geht, in die Kriminalität abzudriften.

Die junge Angelika ist eine Partyqueen. Sie liebt es im berühmten U4 zu tanzen, ist dem Alkohol nicht abgeneigt und genauso nicht den Männern. So endet sie als Alleinerzieherin, wie ihre Mutter, denn der Kindsvater ist ein Lebemann; lieb aber nicht besonders stabil. Als Ernährer ist er nicht zu gebrauchen.

Da Anglika von einem Desaster ins nächste stolpert und immer auf sich gestellt ist, beginnt sie sich Geld vom Hotel zu "borgen". Es fängt alles an mit bloßem Überleben. Sie braucht Geld für ihren Sohn, um ihm Obdach und Nahrung zu sichern. Doch später darf es auch mal ein Chanel-Täschchen sein, eine Rolex oder ein Kleid von Lagerfeld. Angelika ist angesehen und hat es geschafft, sich über ihre Herkunft zu erheben. Als Leser*in hat man Mitleid mit ihr. Sie will ihrer Mutter, die an Vergesslichkeit leidet einen guten Lebensabend bereiten und vor allem ihrem Sohn ein besseres Leben ermöglichen. Was klein beginnt, wird immer größer und Angelika verliert den Boden unter den Füssen. Ihre Betrügereien gelingen extrem lange. Sie ist wirklich eine hervorragende Buchhalterin. Was sie schlußendlich ihre Redlichkeit kostet, ist wiederum ihre Sorge um ihren Sohn.

Mit diesem Roman stellt Vea Kaiser die Frage, wie weit eine Mutter gehen kann und darf für ihr Kind. Mit für sie typischem Sprachwitz lässt sie uns eintauchen in die Welt von Glanz und Glamour der Reichen und Schönen und lässt uns in deren Abgründe blicken. Mit Angelika Moser hat sie eine Protagonistin geschaffen, die sich nicht so leicht beeindrucken lässt und die immer auch hinter den schönen Schein blickt.

Stilistisch ist das Buch ausgesprochen wienerisch. Mit morbidem Schmäh und Liebe zum Detail werden Menschen und Orte recht plastisch geschildert. Aber auch die Wiener Ruppigkeit hat Platz in diesem Buch und findet sich in vielen Dialogen. Für Nicht-Wiener gibt es daher auch ein kleines Wörterbuch zum Nachschlagen.

Mir hat der Roman hervorragend gefallen. Wiederholt hat mich Vea Kaiser königlich unterhalten und ich hoffe inständig, dass ich diesmal nicht so lange auf den nächsten Roman warten muss.

Bewertung vom 14.10.2025
Grand Hotel Avalon
Stiefvater, Maggie

Grand Hotel Avalon


sehr gut

June Hudson - Hoss - ist die Direktorin des Grand Hotel Avalon in den Appalachen in West Virginia. Das Avalon ist das nobelste Hotel in ganz Amerika und die High Society liebt es, dort eine Auszeit zu verbringen, denn June und ihr Hotel verstehen es, Luxus auf eine ganz besondere Weise zu gewähren. Hier werden Wünsche erfüllt, bevor sie überhaupt gedacht werden.

Wer dieses Buch liest, taucht tief in die Welt des Avalon ein und bei mir hat es definitiv den Wunsch geweckt, dort ein paar Tage zu verbringen. Die Autorin schildert das Leben in und um das Hotel so plastisch, dass man fast meint, die Gerichte zu schmecken, die aus der "Grotte" kommen.

Just das Avalon muss nun, 1942, kurz nach dem Angriff auf Pearl Harbour, eine Delgation deutscher und japanischer Diplomaten aufnehmen, die man irgendwo festsetzen muss. June hatte sich gewehrt gegen diesen Beschluss, doch sie hatte keine Chance. Sie muss sich in das Dilemma fügen, den verhassten Angehörigen der Achsenmächte einen Luxushotelaufenthalt zu gönnen. Zwischen der Fürsorge für ihr Personal und den Ansprüchen der speziellen Gäste verliert sich June fast selbst aus den Augen.

Und hinzu kommt noch die geheime Kraft des Süßwassers. Es hat ein Fünkchen Magie in sich, scheint belebt und es entspinnt sich eine Wechselwirkung zwischen dem Wasser und den Gästen. Das Wasser muss beruhigt werden, wenn so viel Spannung herrscht im Haus. Keine leicht Aufgabe für June, die ihr Leben dem Hotel und dadurch auch dem Wasser verschrieben hat.

Somit verwebt die Autorin dieses magische Element mit historischen Tatsachen. Die Wirren des Krieges zwingen die Protagonistin einen kühlen Kopf zu bewahren, um die globalen Konflikte, die sich nun in ihrem Hotel abspielen in geregelte Bahnen zu lenken und Herz und Verstand in Einklang zu halten. Sie bringt den Mut auf Menschlichkeit in diesen unmenschlichen Zeiten zu leben und trifft eine Entscheidung, die viele Leben verändert. Das Wasser als magisches Element durchdringt die ganze Geschichte, bleibt aber immer mysteriös und nebulös.

Bewertung vom 21.09.2025
No Way Home (deutschsprachige Ausgabe)
Boyle, T. C.

No Way Home (deutschsprachige Ausgabe)


gut

Dr. Terrence Tully ist Assistenzarzt in der Notaufnahme und gerade im Dienst, als er telefonisch über den plötzlichen Tod seiner Mutter informiert wird. Sofort macht er sich auf den Weg nach Boulder City, eine Kleinstadt in Nevada, wohin die Mutter nach dem Tod seines Vaters gezogen ist. Terry kennt die Stadt kaum und ist wenig motiviert, sie kennenzulernen, denn die Wüste mag er nicht.

Doch dann lernt er Bethany kennen, die sich in sein Leben schleicht und in seiner Abwesenheit in sein Haus einzieht. Terry verliebt sich Hals über Kopf doch Bethany hängt auch noch an Jesse, ihrem Ex-Freund. Ein Motorradrowdy, der zu Gewalt neigt und Bethany zurückgewinnen möchte.

Terry ist eigentlich ein guter Mensch, doch diese Dreiecksbeziehung drängt ihn in eine Abwärtsspirale, die die schlechtesten Seiten an ihm hervorkehrt. Jesse und Terry bedrohen sich, verletzen sich und verklagen sich gegenseitig und Bethany schafft es, mit ihrem leichtsinnigen Verhalten, das Ganze noch auf die Spitze zu treiben. In ihrer Co-Abhängikeit verzeiht sie Jesse jede Gewalttat und stellt Terry damit in ein negatives Licht. Vielleicht liegt es auch daran, dass Jesse ein Einheimischer ist und Terry ein Fremder, denn Boulder City ist ein klischeebehaftete Kleinstadt mit rechtslastig denkenden Bewohner*innen. Alles in allem kein sympathischer Ort.

Diese ganze Spirale aus Hass und Gewalt war mir fast zu viel. Die Figuren sind allesamt unsympathisch und eine Entwicklung ist nicht zu erkennen. Terry hätte schleunigst die Reißleine ziehen und diese Brücken abbrechen sollen, denn eine Frau wie Bethany findet er auch in LA. Wieso er sich das alles gefallen lässt, ist mir schleierhaft und dadurch wirkt die Figur auch unglaubwürdig.

Diese Scharade aus Machtgehabe, Rivalität und Obsession fand ich etwas anstrengend zu lesen und für meinen Geschmack auch etwas zu ausufernd erzählt. Das offene Ende hat mir hier auch nicht wirklich gefallen, denn ich bin immer noch der Meinung, dass ein gebildeter Mensch wie Terry es schaffen müsste, sich daraus auch wieder zu befreien. Daher vergebe ich nur 3 Sterne für diesen Roman.

Bewertung vom 15.09.2025
Plant Lady
Kang, Minyoung

Plant Lady


ausgezeichnet

Yu-hee hat genug von ihrem Bürojob, der sie nicht erfüllt und stürzt sich in ihrem Traum, einen eigenen Pflanzenshop zu eröffnen. Schnell wird dieser zu einer grünen Ruheoase und von Menschen aus allen Ecken der Stadt aufgesucht. Vor allem Frauen finden in dem Laden einen Platz zum Ausruhen und bei Yu-hee ein offenes Ohr für ihre Nöte.

Yu-hee hat keine guten Erfahrungen gemacht mit Männern. Schon als Teenager war sie Mobbing-Attacken ausgesetzt und als Erwachsene ist sie auch immer wieder an Männer geraten, die in ihr ein leicht manipulierbares Opfer sahen. Doch irgendwann wollte Yu-hee auch aus diesem patriarchalen Gesellschaftsgefüge aussteigen und begann an der toxischen Männlichkeit Rache zu nehmen. Männer sind ein guter Dünger und ihre Pflanzen gedeihen hervorragend!

Als Leserin kann ich ein bisschen mit Yu-hee mitfühlen, aber die Brutalität ihrer Taten geht doch über bloßen Rachegedanken weit hinaus. Es ist diese Ambivalenz, die diesen Roman so spannend macht. Da ist einerseits die gefühlvolle Pflege der Pflanzen, ihre Geduld und Empathie, wenn es um das Leid anderer Frauen geht und andererseits die kaltblütige Mörderin, die vor nichts zurückschreckt und nie Spuren hinterlässt.

Die Motive sind klar und die Opfer haben Strafe verdient, aber Selbstjustiz kann man natürlich niemals gutheißen. Somit lädt der Roman dazu ein, über Geschlechterrollen, Gerechtigkeit, Schuld und Verantwortung nachzudenken. Und das mit einer brise schwarzem Humor. Hat mir ausgesprochen gut gefallen!

Bewertung vom 12.09.2025
Im Leben nebenan
Sauer, Anne

Im Leben nebenan


gut

Toni hat das Kleinstadtleben hinter sich gelassen, lebt mit ihrem Hipsterfreund in einer tollen Altbauwohnung und ist erfolgreich in ihrem Job. Doch ihre Freunde ziehen mit Kleinfamilie ins Umland, während Tonis eigener Kinderwunsch unerfüllt bleibt. Der Druck, den das Umfeld unbeabsichtigt ausübt und die Tatsache, dass Sex keinen Spaß mehr macht, sondern zur Aufgabe wird, lassen sie fast zusammenbrechen.

Doch plötzlich wacht sie in ihrer ehemaligen Heimatstadt auf mit einem Baby und den Mann, den sie zu Schulzeiten liebte, neben sich. Ihre Verwirrung ist groß, das plötzliche Kind überfordert sie und sie versucht anfangs diesem "neuen" Leben zu entfliehen.

Erzählt wird in abwechselnden Abschnitten. Wir lesen von Toni und Antonia. Die eine hat den Absprung geschafft, die andere ist geblieben. Das Szenario ist so nicht ganz unbekannt und die Frage, was wäre wenn, hat sich wohl jede*r schon mal gestellt.

Auch die Problematik des unerfüllten Kinderwunsches ist in unserer Zeit allen ein Begriff. Ich denke, alle Menschen kennen Paare die damit hadern oder den steinigen Weg der künstlichen Befruchtung beschreiten. Mit Antonia zeigt die Autorin auf, dass auch mit Nachwuchs nicht alles eitel Wonne ist. Als Mutter bleibt man anfangs selbst auf der Strecke. Man muss sich in die neue Rolle einleben und sich seine Freiräume schaffen.

Warum ich es so empfinde, dass das "was wäre wenn" hier nicht ganz aufgeht, ist die Tatsache, dass Toni, die in der Großstadt weiter sozialisiert wurde, plötzlich als Antonia wieder Kleinstädterin ist. Doch Antonia ist nie weggezogen, hat nie Großstadtluft geschnuppert und hat nie den Mut bewiesen, ihre eigenen Wege zu beschreiten. Antonia wäre ein komplett anderer Mensch! Sie würde anders denken und handeln. Viele ihrer Zweifel hätte sie nicht, denn sie würde bestimmt weniger hinterfragen. Und die Tatsache, im anderen Leben aufzuwachen, ist ausreichend, um komplett durch den Wind zu sein und als verrückt zu gelten.

Es ist völlig normal, dass Antonia mit dem Baby vorerst nicht zurecht kommt, denn sie hatte keine neun Monate Zeit, sich darauf vorzubereiten, kann sich an keine Geburt erinnern und kennt ihren Mann eigentlich nicht, denn dieser war ein Junge, als sie sich von ihm getrennt hatte.

Also ich würde wahrscheinlich durchdrehen!

Stilistisch ist das Buch wenig aufregend. Es liest sich flott und flüssig, ist nicht zu emotional. Die Sprache ist klar, es gibt nicht zu viele Metaphern und die Trennung der zwei Lebensentwürfe gelingt durch die Verwendung des Kosenamens im ersten Strang problemlos. Die Idee finde ich prinzipiell nicht schlecht, aber die Antonia hier erscheint mir nicht ganz glaubwürdig. Von mir gibt es nur eine bedingte Empfehlung.

Bewertung vom 11.09.2025
Bestie
June, Joana

Bestie


ausgezeichnet

Delia fühlt sich auf voller Länge gescheitert. Der Freund ist weg, das Studium geschmissen. Als Lilly will sie sich neu erfinden und in Hamburg völlig neu durchstarten.

Anouk ist Influencerin. Ihre Themen sind ganz klassisch Beauty, Lifestyle und Fitness. Mit ihren Kooperationen finanziert sie ihren kostspieligen Lebensstil. Ihre Reichweite ist schon ganz gut. Ihre besten Freundinnen sind ebenfalls im Geschäft und gut vernetzt. Doch vieles ist auch Schein und so braucht sie doch wieder eine Mitbewohnerin um sich die monatliche Wohnkosten zu teilen.

Als sich Lilly bei ihr vorstellt wirkt sie schüchtern und leicht beeinflussbar, was Anouk ganz praktisch erscheint. Außerdem hat sie einen berühmten Vater. Doch das war leider eine kleine Lüge, die Lilly nicht korrigiert hat.

In den Welt des schönen Scheins dauert es eine Weile, bis sich die beiden jungen Frauen tatsächlich näher kommen und auch als Leser*innen lernen wir Seiten an ihnen kennen, die wir ihnen vielleicht nicht zugtraut hätten. Doch die Fassaden beginnen zu bröckeln. Delia/Lilly beginnt sich in ihren Rollen zu verlieren und ihrem Netz aus Lügen zu verheddern. Und Anouk wird Zentrum eines Shitstorms, der sie ihre Existenz hinterfragen lässt.

Mit diesem Roman zeigt die Autorin wie schwierig Selbstverwirklichung immer noch ist. Trotz vieler Möglichkeiten sind Menschen gefangen in ihren Geschichten, ihrem Umfeld, den eigenen Erwartungen, und den Erwartungen Anderer und den Türen, die sich manchmal einfach nicht öffnen wollen.

Mir hat hier gut gefallen, dass beide Charaktere über sich hinaus wachsen, ihre Möglichkeiten erweitern und ungewohnte Wege gehen. Sie könnten dabei wirklich gute Freundinnen werden. Besties eben. :)

Bewertung vom 07.09.2025
Unbeugsam wie die See
Hart, Emilia

Unbeugsam wie die See


sehr gut

Gegenwart, 2019: Lucy erwacht aus einem schlafwandlerischen Albtraum und findet sich mit den Händen am Hals eines Kommilitonen, den sie offenbar gewürgt hat. Dazu gibt es natürlich eine Vorgeschichte, doch dass so viel Gewalt in ihr steckt, war ihr nicht bekannt. Vor Schreck flieht sie vom Campus und fährt quer durch Australien zu ihrer Schwester Jess an die Küste.

Dort erwartet sie der nächste Schreck, denn Jess ist unauffindbar, hat aber ihr Auto und ihr Handy zurückgelassen. Auf der Suche nach Antworten, findet Lucy eine Wahrheit, die sie nicht einmal erahnen konnte.

1999: Jess ist 16 Jahre alt und zutiefst verunsichert. Sie leidet an einer seltenen Wasserallergie, die ihre Haut blasen und Krater schlagen lässt. Dadurch fällt es ihr schwer, Anschluss zu finden. Sie vertieft sich in die Malerei und kommt dabei ihrem Kunstlehrer gefährlich nahe, eigentlich zu nahe.

Und dann lesen wir noch von Mary und Eliza, die im 19. Jahrhundert in Irland verurteilt wurden, weil sie sich gegen einen übergriffigen Mann zur Wehr setzten. Sie wurden des Landes verwiesen und auf ein Sträflingsschiff Richtung Australien verfrachtet. Auch ihre Mitgefangenen haben keine schweren Straftaten verübt, aber als Frauen in den patriarchalen Strukturen haben sie kaum Chancen.

Von Anfang an bergen alle drei Erzählstränge eine Menge Geheimnisse. Um die Frauen ranken sich seltsame Begebenheiten und man blickt nicht ganz durch, was es mit ihrer Haut auf sich hat, denn auch Mary und Eliza scheinen unter dieser Wasserallergie zu leiden. So zieht sich ein mysteriöses Element verbindend durch die Zeit, das erst ganz zum Schluss aufgelöst wird.

Als Leser*in dieses Buches sollte man für magischen Realismus aufgeschlossen sein. Sonst kann es sein, dass die Auflösung enttäuscht. Ich fand es spannend und durch das mystische Element wirkt die Geschichte einen besonderen Sog. Der Ruf des Wasser oder besser des Meeres wirkt wie Sirenengesang auf die Protagonistinnen, deren Schicksale sich trotz der trennenden Jahre doch sehr ähneln.