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Insgesamt 212 Bewertungen
Bewertung vom 13.07.2025
Die Victoria Verschwörung / Lennard Lomberg Bd.3
Storm, Andreas

Die Victoria Verschwörung / Lennard Lomberg Bd.3


ausgezeichnet

Inhalt: London 2016. Gerade als der Kunstexperte Lennard Lomberg nach seinem letzten Fall in Urlaub nimmt, kommt Sir Douglas McEwans, der Chefkurator des Royal Collection Trust, auf ihn zu: Ein anonymer Erpresser behauptet, ein Gemälde, das die Queen in den 1960er Jahren von deutscher Seite zur Glättung politischer Wogen geschenkt bekommen hatte, sei eine Fälschung. Der Erpresser droht, an die Öffentlichkeit zu gehen, was nicht nur eine skandalträchtige Schmach für die Queen wäre, sondern auch ein schlechtes Licht auf die deutschen Schenker werfen würde. Lennard nimmt den Fall an und beauftragt die befreundete Kunstgutachterin Alexandra Cullen, das Gemälde zu überprüfen. Doch kurz, nachdem diese das Gemälde in Augenschein genommen hat, verschwindet sie spurlos…

Persönliche Meinung: „Die Victoria Verschwörung“ ist ein Kriminalroman von Andreas Storm. Es handelt sich um den dritten Band der Lennard-Lomberg-Reihe, in der wir den titelgebenden Protagonisten auf seinen Ermittlungen im Kunstmilieu begleiten. Da die einzelnen Bände in sich abgeschlossen sind, können sie unabhängig voneinander gelesen werden; möchte man aber die Entwicklung der Figuren über die Bände hinweg besser nachvollziehen, ist eine chronologische Lektüre sinnvoll. Wie schon die anderen Bände der Reihe wird auch „Die Victoria Verschwörung“ von einem allwissenden Erzähler auf zwei Zeitebenen erzählt: In der Gegenwart begleiten wird Lennard (unterstützt von seiner Tochter Julie) bei den Ermittlungen im Fall des potentiell gefälschten Gemäldes. In einem weiteren, in der Vergangenheit spielenden Handlungsstrang spüren wir der Geschichte des Gemäldes nach, die uns sowohl in das von den Nationalsozialisten besetzte Paris als auch in das Bonn des Jahres 1965 führt, wo vor dem Hintergrund des Besuchs der Queen ein Mord in Diplomatenkreisen geschieht (Dieser Handlungsstrang ist im Kern ein fesselnder Agententhriller). Spannung entsteht besonders dadurch, dass beide Stränge geschickt miteinander verwoben werden. Wie genau, soll hier natürlich nicht gespoilert werden; nur so viel: Es gibt mehrere Querverweise, die in einem stimmigen Tempo nach und nach offenbart werden und für einige schön überraschende Aha-Momente sorgen. In beide Handlungsstränge webt Storm zudem geschickt politische Hintergründe (z. B. der sich anbahnende Brexit auf der einen, Hinterzimmerpolitik und verschleppte Vergangenheitsbewältigung auf der anderen Seite) ein, wodurch der Roman zusätzlich zur spannenden Krimihandlung an Vielschichtigkeit gewinnt. Insgesamt ist „Die Victoria Verschwörung“ ein klug komponierter und spannend zu lesender Krimi, der viele Überraschungen bereithält.

Bewertung vom 05.07.2025
Der Inugami-Fluch
Yokomizo, Seishi

Der Inugami-Fluch


sehr gut

Inhalt: Sahei Inugami führte ein umtriebiges Leben: Nicht nur gelang dem früh verwaisten Mann der Aufbau einer der größten Seidenfabriken Japans, gleichzeitig führte er mehrere parallele Beziehungen zu Frauen. Aus diesen Beziehungen sprossen Kinder und Enkelkinder, die einen latenten Hass gegeneinander verspüren. Dementsprechend verfahren ist die Situation der Erbangelegenheiten, als das Oberhaupt des Inugami-Clans stirbt. Was die Sache nicht besser macht: Das Testament ist ungemein vertrackt; Menschen, die Sahei ferner standen als seine Familie, werden begünstigt, andere gehen leer aus – der Hass zwischen den Familienmitgliedern lodert auf und schnell wird ein Mordopfer entdeckt…

Persönliche Meinung: „Der Inugami-Fluch“ ist Seishi Yokomizos vierter Kriminalroman um den unkonventionellen Privatdetektiv Kosuke Kindaichi. Da der Fall in sich abgeschlossen ist, kann er auch ohne Kenntnis der Vorgänger gelesen werden. Wie bereits in den vorherigen Bänden der Reihe tritt ein allwissender Ich-Erzähler auf, der aus der Retrospektive den Fall um die Inugami-Familie rekonstruiert. Zu Beginn braucht der Krimi etwas, um in Fahrt zu kommen: Der verstorbene Sahei sowie seine Familie werden ebenso wie das Testament Saheis recht ausführlich vorgestellt. Das ist zwar alles notwendig, um dem eigentlichen Fall später besser folgen zu können, allerdings wurde es für mich etwas zu gemächlich erzählt, wodurch Tempo verloren ging. Nach diesem eher behäbigen Start gewinnt der Roman aber an Tempo und Spannung: Die Taktung der Morde nimmt zu, der Modus Operandi ist interessant, mehrere Figuren tragen offenbar ein Geheimnis mit sich, später finden sich überraschende Wendungen/Aufdeckungen. Besonders hat mir hieran gefallen, dass der Krimi zum Miträtseln einlädt: Man kann dabei einzelne Querverbindungen bereits erahnen, das große Ganze bleibt dabei aber doch bis zuletzt rätselhaft, sodass die Auflösung überraschend ist. Der Schreibstil von Seishi Yokomizo lässt sich sehr flüssig lesen. Insgesamt ist „Der Inugami-Fluch“ ein Krimi, der etwas braucht, um einen zu fesselnd – hat man dieses Punkt erreicht, ist der Krimi aber eine sehr spannende Lektüre.

Bewertung vom 23.06.2025
Locked in
Faber, Henri

Locked in


ausgezeichnet

Inhalt: In Heidelberg häufen sich Vermisstenfälle. Der Täter scheint seine Opfer eine gewisse Zeit festzuhalten, um sie dann zu ermorden; das Zeitfenster, die Vermissten lebend zu finden, ist dementsprechend klein. Umso enthusiastischer ist Kommissar Paul Maertens, als es endlich eine Spur zum Täter gibt. Doch: Gerade als Maertens den Täter stellen kann, kommt es zu einem Unfall, in dessen Folge der Täter in ein Wachkoma fällt. Für die Vermissten scheint eine Rettung daher unmöglich – wäre da nicht der Neurologe Theo Linde, der mithilfe eines experimentellen Verfahrens mit komatösen Menschen kommunizieren kann…

Persönliche Meinung: „Locked In“ ist ein Thriller von Henri Faber. Erzählt wird die Handlung aus drei Ich-Perspektiven: Paul Maertens, Theo Linde und ein (zunächst) namenloses Ich „im Verlies“. Sowohl Paul Maertens als auch Theo Linde sind eher Antihelden: Maertens ist ein ruppiger Einzelgänger, den der Schatten einer vergangenen Familientragödie begleitet; Linde lebt einsam in der Villa seiner Vorfahren und ist gebrochen durch den Verlust seiner großen Liebe. Beide sind keine großen Sympathieträger, aber sehr interessant gestaltete Figuren mit Ecken und Kanten. Die Handlung des Thrillers ist sehr fesselnd: Es gibt mehrere spannende Wendungen und einen großen Twist am Ende; die Handlung ist insgesamt – durch sich später offenbarende Querverbindungen – komplexer als man zunächst vermutet. In Bezug auf die Figur Paul Maertens kommt in der Auflösung zudem noch eine Prise Tragik hinzu, die ich sehr mochte. Sehr gefallen hat mir auch der Handlungsort Heidelberg, der mit seinen Altstadtgassen, der Heiliggeistkirche sowie den Gängen unter der Altstadt anschaulich gezeichnet ist. Henri Faber schreibt gewohnt flüssig und anschaulich, sodass man den Thriller kaum beiseitelegen möchte. Insgesamt ist „Locked In“ ein fesselnder und wendungsreicher Thriller mit hoher Spannungskurve.

Bewertung vom 23.06.2025
Aschesommer / Gruppe 4 ermittelt Bd.2
Cors, Benjamin

Aschesommer / Gruppe 4 ermittelt Bd.2


ausgezeichnet

Inhalt: Eine rätselhafte Anzeige, die den Tod zweier Vermisster ankündigt, führt die „Gruppe 4“ um Jakob Krogh und Mila Weiss zu einem verlassenen Bauernhof. Dort finden sie die Leichen der beiden Vermissten außergewöhnlich aufwendig staffiert: eng umschlungen und erfroren in einem Keller, der mit Kühlgeräten ausgestattet ist; hinter ihnen eine Botschaft, geschrieben in Asche „Das Serben hat begonnen“…

Persönliche Meinung: „Aschesommer“ ist der zweite Teil der Thriller-Reihe um das unkonventionelle Ermittlerteam „Gruppe 4“. Da der Fall in sich abgeschlossen ist, kann er auch ohne Kenntnis von Band 1 („Krähentage“) gelesen werden, allerdings wird in „Aschesommer“ stimmigerweise die Hintergrundgeschichte von Jakob Krogh vorausgesetzt. Diese wird in „Krähentage“ mit einem großen, kaum zu ahnenden Twist offenbart, sodass eine chronologische Lektüre sinnvoll ist. Erzählt wird die Handlung vordergründig aus den personalen Perspektiven der Hauptermittlerfiguren Jakob und Mila; daneben wird auch die Täterperspektive eingenommen. Zur Handlung selbst möchte ich zwecks Spoilergefahr nicht zu viel vorwegnehmen: Einerseits ist sie fesselnd und raffiniert konstruiert, andererseits besitzt der Täter einen einmaligen, hochinteressanten Modus Operandi. Am Ende wartet in Bezug auf die Täterfigur zudem ein sehr überraschender Twist. Spannend ist auch die Figur Jan-Christian Bode, ein ehemaliger Paläonthologie-Professor, der sich in der Psychiatrie befindet. Schnell wird den Ermittlern klar, dass er irgendetwas mit den aktuellen Morden zu tun hat, stammen die Opfer doch aus seinem (indirekten) Umfeld; nachweisen können sie ihm aber aufgrund seines Psychiatrieaufenthaltes nichts. Benjamin Cors hat hier mit Bode einen perfekt bösartigen Gegenspieler erschaffen: Bode ist arrogant, narzisstisch, provokant sowie intelligent und fühlt sich den Ermittler haushoch überlegen, was zu einigen spannungsgeladenen Dialogen führt. Insgesamt ist „Aschesommer“ ein fesselnder Thriller mit einer sehr hohen Spannungskurve.

Bewertung vom 02.06.2025
Für Polina
Würger, Takis

Für Polina


ausgezeichnet

Inhalt: Hannes Prager wächst in einer im Verfall begriffenen Villa auf. Dort kümmert sich seine Mutter – gemeinsam mit ihrem kauzigen Vorgesetzten, der immer mehr zu Hannes Ersatzgroßvater wird – um das Moor, das die Villa umgibt. Hannes ist eher still; hat abgesehen von seiner Mutter und dem Ersatzgroßvater kaum soziale Kontakte. Seine Freizeit verbringt er hauptsächlich mit dem Klavierspielen. Zwar kann er keine Noten, doch gelingt es ihm, Melodien zu komponieren, die die Zuhörenden in ihrem Wesen berühren. Daneben ist häufig die beste Freundin seiner Mutter mit ihrer Tochter Polina vor Ort, die Hannes schon sein ganzes Leben kennt. Doch je älter er wird, desto deutlicher erkennt er, dass er mehr für Polina empfindet als Freundschaf.

Persönliche Meinung: „Für Polina“ ist ein Coming of Age-Roman von Takis Würger. Erzählt wird die Handlung von einem auktorialen Erzähler, der das Leben Hannes darlegt. Die auftretenden Figuren sind allesamt verschroben und mit ihren Eigenheiten etwas überspitzt gezeichnet, was mir sehr gut gefallen hat, da so eine schöne Prise Humor in die Handlung kommt. Um nur einige Beispiel zu nennen: Hildebrand, der Ersatzgroßvater ist, kauzig und menschenfremd, hat aber sein Herz auf dem rechten Fleck, Polina ist recht forsch und besitzt eine Obsession für orientalische Teppiche, Hannes kann sich eigentlich nur durch seine Melodien adäquat ausdrücken, vor Menschenmassen zu spielen, ist ihm eine Qual. Die Handlung selbst besitzt typische Elemente vom Coming of Age: die erste Liebe, Auseinandersetzungen mit Gleichaltrigen, Abgrenzung von der Elterngeneration, Umgang mit Tod sowie das Finden des Platzes in der Gesellschaft. Dementsprechend ist „Für Polina“ eine Achterbahnfahrt der Gefühle, in der sich tragische und leichte Szenen häufig wechseln. Erzählt wird die Handlung in einem leicht spöttelnden Ton, der aber keineswegs negativ bzw. defizitorientiert ist: Die Eigenarten der Figuren werden liebevoll, mit Ironie herausgearbeitet. Insgesamt ist „Für Polina“ ein flüssig zu lesender Coming of Age-Roman mit ungewöhnlichen Figuren und einer humoresken Erzählstimme.

Bewertung vom 02.06.2025
Und mittendrin die Limmat
Kern, Kiara

Und mittendrin die Limmat


ausgezeichnet

Inhalt: Vor vierzehn Jahren verunglückte Rebekka, eine Schülerin, tödlich bei einem Wanderausflug. Dieser Vorfall ruft bei der Lehrerin Elaine bis heute starke Schuldgefühle hervor, hatte sie doch damals die Wanderroute vorgeschlagen. Um die Situation besser verarbeiten zu können, hatte sie kurz nach dem Unglück die Ereignisse – verfremdet unter Pseudonym – in einem Roman behandelt, der unverhofft zum Bestseller avancierte. Nun, vierzehn Jahre später, wird sie von der Vergangenheit eingeholt: Eine Freundin Rebekkas verunglückt ebenfalls – wobei die Umstände an Elaines Roman erinnern…

Persönliche Meinung: „Und mittendrin die Limmat“ ist ein psychologischer Kriminalroman von Kiara Kern. Erzählt wird die Handlung aus zwei Ich-Perspektiven: Elaine, die den Schuldienst pausiert und sich erneut dem Schreiben widmen will, zugleich aber permanent von Schuldgefühlen belastet wird, und Anna, einer Freundin Rebekkas, die nach längerer Abwesenheit nach Zürich zurückkehrt und dort mit der Vergangenheit konfrontiert wird. Daneben finden sich immer wieder Einsprengsel in Form von Tagebuchaufzeichnungen von Laura, die ebenfalls mit Rebekka befreundet war. Eine große Stärke des Krimis ist die Zeichnung des Innenlebens der beiden Protagonistinnen: Ihre Gefühle und Gedanken zum Tod Rebekkas werden greifbar beschrieben; angetrieben werden beide von dem mal leiseren, mal lauteren Zweifel, ob der Tod wirklich ein Unfall war oder ob noch mehr dahintersteckt. Dieser Zweifel ist Dreh- und Angelpunkt der Handlung. Schritt für Schritt kommen die beiden Protagonisten der Wahrheit näher; legen Schicht für Schicht frei, was auch mit Selbstzweifeln, inwiefern sie ihrer Wahrnehmung trauen können, einhergeht. Durch dieses Häuten der Wahrheits-Zwiebel entsteht eine latente Spannung, die sich permanent durch den Roman zieht. Daneben berührt der Roman auch andere Themen, wie das Schriftstellerinnen-, Künstlerinnen-, oder Lehrerinnendasein, was meinem Empfinden nach authentisch beschrieben wird. Der Erzählstil in anschaulich und lässt sich flüssig lesen. In sprachlicher Hinsicht stechen besonders die Tagebucheinträge Annas hervor, die in lyrischer Form Annas Innenleben offenbaren. Insgesamt ist „Und mittendrin die Limmat“ ein spannender psychologischer Krimi mit tiefenscharfen Figuren.

Bewertung vom 23.04.2025
Teufelsspring
Bekeschus, Mario

Teufelsspring


ausgezeichnet

Ein spannungsgeladener vierter Fall für Wim und Co.

Inhalt: Ein neuer Fall für die Braunschweiger Ermittler Wim Schneider und Rosalie Helmer: Die Leiche der 20-jährigen Joelle Winter wird im Museumspark aufgefunden. Während Wim und Rosalie sich tiefer in die – nicht einfache – Vergangenheit von Joelle graben, erhalten sie unverhofft einen Anruf von Wims ehemaliger Kollegin Biggi Höfgens (die jüngst vorläufig den Kontakt zu Wim abgebrochen hatte): Zufällig ist sie auf einen bereits seit 30 Jahren ungelösten Cold Case gestoßen, der sich im Braunschweiger Land zugetragen hat und auffällige Ähnlichkeiten zum aktuellen Mordfall aufweist…

Persönliche Meinung: „Teufelsspring“ ist der vierte Niedersachen-Krimi von Mario Bekeschus, der sich um den Ermittler Wim Schneider dreht. Die einzelnen Fälle der Bände sind in sich abgeschlossen, sodass sich die Krimis unabhängig voneinander lesen lassen. Da in der Reihe aber das Privatleben der auftretenden Figuren eine große Rolle spielt, ist es für ein besseres Verständnis sinnvoll, die Reihe chronologisch zu lesen. Die Handlung besteht aus mehreren Erzählsträngen: einerseits die Ermittlung im aktuellen Mordfall um Joelle, andererseits die Ermittlungen im Cold Case. Daneben findet ein weiterer Strang in der Seniorenresidenz „Leugärten“ statt, in der – während Wims Schwester dort temporär untergebracht ist – Merkwürdiges geschieht. Alle drei Erzählstränge haben ihren ganz eigenen Spannungsbogen und besonderen Reiz, sodass „Teufelsspring“ eine abwechslungsreiche und kurzweilige Lektüre ist. Erzählt wird die Handlung aus einer Vielzahl von Perspektiven, was für ein schönes Tempo sorgt: Neben Wim, Rosalie und Biggi kommen u.a. Mads (ein Polizeianwärter), Hinnerk (ein Bekannter von Mads) und verschiedene Angestellte der Seniorenresidenz zu Wort. Dabei scheinen einzelne Figuren mehr zu Wissen, als sie preisgeben, wodurch weiter Spannung entsteht. Die Handlung generell ist fesselnd und endet mit kaum zu erwartenden Aufdeckungen. Insgesamt ist „Teufelsspring“ ein spannender und unterhaltsamer Kriminalroman, der für einige kurzweilige Stunden sorgt.

Bewertung vom 21.04.2025
Das Leben fing im Sommer an
Kramer, Christoph

Das Leben fing im Sommer an


ausgezeichnet

Ein leichtfüßiger Coming of Age-Roman

Inhalt: Sommer 2006. Chris hat gerade die Nachricht bekommen, dass er die Jugendmannschaft von Bayer Leverkusen verlassen muss. Davon will er sich den Sommer nicht vermiesen lassen – zumal die Weltmeisterschaft in Deutschland ansteht. Tatsächlich wird der Fußball aber schnell zur Nebensache. Denn: Zwischen Sommernächten mit den besten Freunden und Freibadbesuchen passiert das Unglaubliche: Plötzlich scheint sich Debbie, in die Chris schon länger verliebt ist, für ihn zu interessieren…

Persönliche Meinung: „Das Leben fing im Sommer an“ ist ein Coming of Age-Roman des Fußballspielers Christoph Kramer, der mit der deutschen Fußballnationalmannschaft 2014 die Weltmeisterschaft gewann. Deshalb könnte man vermuten, dass sich auch sein Roman viel um Fußball dreht – dies ist allerdings nicht der Fall. „Das Leben fing im Sommer an“ ist ein berührender Coming of Age-Roman, den man lieben wird, auch wenn man gar nichts mit Fußball am Hut hat. Erzählt wird die Handlung aus der Ich-Perspektive des fünfzehnjährigen Chris. Dieser ist sehr authentisch gezeichnet: Er hat zwar den ein oder anderen frechen Spruch auf Lager, ist aber im Kern unsicher, verletzlich und auf der Suche nach sich selbst; hat mit anderen Worten die Probleme, die viele von uns in der Pubertät hatten, wodurch man sich schnell mit ihm identifizieren kann. Der Plot beinhaltet typische Coming of Age-Elemente: Gespräche mit Freunden, erste Partys, Freibadbesuche sowie die erste Liebe. Dies hat Christoph Kramer schön lebensnah eingefangen: Ich bin ein paar Jahre jünger als er, habe aber – in Variation – Ähnliches erlebt, sodass die Lektüre ein kleiner Nostalgietrip für mich war. Erzählt wird der Roman ungemein leichtfüßig, sodass man nur so durch die Seiten von „Das Leben fing im Sommer an“ fliegt. Insgesamt ist „Das Leben fing im Sommer an“ ein kurzweiliger Coming of Age-Roman mit einem lebensnah gezeichneten Protagonisten. Ein Roman über den einen prägenden Sommer, den vermutlich jeder Mensch – irgendwie und irgendwo – erlebt (hat).

Bewertung vom 21.04.2025
Der große Gatsby
Fitzgerald, F. Scott

Der große Gatsby


ausgezeichnet

Ein fesselnder Klassiker mit einer interessanten Titelfigur

Inhalt: New York 1922. Nick Carraway ist gerade nach Long Island gezogen, um sich dort als Wertpapierhändler zu versuchen, als ihn die Fama um Jay Gatsby erreicht. Dieser wohnt in seinem Nachbarhaus und gibt rauschende Feste – allerdings weiß niemand so genau, wer er ist, woher er kommt und aus welchen Quellen sein Geld stammt. Als Nick zum ersten Mal eine Party Gatsbys besucht, geschieht das Unglaubliche: Gatsby offenbart sich Nick und nimmt ihn in seinen Freundeskreis auf…

Persönliche Meinung: „Der große Gatsby“ ist ein Roman von F. Scott Fitzgerald, der als großer, us-amerikanischer Klassiker gilt. Erzählt wird der Roman nicht – wie der Titel vermuten lässt – aus der Perspektive Gatsbys, sondern aus der Ich-Perspektive Nicks. Nick ist eher ein ruhiger „Durchschnittstyp“, verglichen mit dem schillernden Gatsby blass und funktioniert hauptsächlich als Kamera, durch deren Linse die Lesenden die Handlung wahrnehmen. Diese Handlung ist aufgrund von zwei Charakteristika fesselnd und interessant: Einerseits wegen der rätselhaften Figur Gatsby, andererseits wegen der Vielfältigkeit des Romans. Zunächst zu Gatsby: Dieser ist – da seine Herkunft unbekannt ist – ein großes Rätsel (für die handelnden Figuren wie für die Lesenden). Häppchenweise erfährt man während der Lektüre weitere Informationen über Gatsby, sodass sich schrittweise der Nebel um diese Figur lichtet und der dekadente, halbseidene Gatsby mehr und mehr an Tiefe gewinnt. Ähnliches gilt für die Handlung: Anfangs eher eine Darstellung des Lebens der Reichen und Schönen entwickelt sich die Handlung über eine Liebesgeschichte zu einer Tragödie – wobei die ein oder andere Wendung zu finden ist, mit der man nicht unbedingt rechnet. Abgerundet wird die Ausgabe des Diogenes-Verlags durch die Schriftstellerin Min Jin Lee, die die Entstehungsgeschichte des Romans beleuchtet sowie einen persönlichen Blick in den großen Gatsby wirft. Insgesamt ist „Der große Gatsby“ ein fesselnder Klassiker mit einer interessanten Titelfigur.

Bewertung vom 25.03.2025
Deutsche Hörer!
Mann, Thomas

Deutsche Hörer!


ausgezeichnet

„Deutsche Hörer!“ versammelt 59 Reden, die Thomas Mann in Kooperation mit dem BBC aus dem amerikanischen Exil in das nationalsozialistische Deutschland sendete. Mann tritt hier als Mittler der (westlichen) Alliierten auf und versucht zu den Deutschen vorzudringen. Dabei warnt er die Deutschen vor Hitler, mahnt sie und redet ihnen in das Gewissen – unter anderem, indem er die Irrationalität der NS-Ideologie entlarvt und die nationalsozialistische Propaganda entkräftet. Aus historischer Perspektive fand ich insbesondere zwei Ansprachen relevant, die ich hier kurz näher vorstellen möchte. Bereits in der Ansprache vom Januar 1942 berichtet Mann, er habe erfahren, dass Menschen jüdischen Glaubens systematisch getötet worden seien, was er als Zeichen des Verstoßes der Menschenrechte wertet. Mann spricht hier – vorbegrifflich, aber hellsichtig – den Holocaust an, informiert die Deutschen darüber – was besonders vor dem Hintergrund bemerkenswert ist, dass viele Deutsche nach dem Krieg nichts von der Judenverfolgung gewusst haben wollten. Nachhallend ist bei mir auch die Radioansprache vom April 1942. Mann vergleicht hier die Bombardierungen deutscher Städte durch die Alliierten mit der deutschen Bombardierung Coventrys. Auch die (vom Hörensagen) bekannte Zerstörung des Buddenbrook-Hauses spricht er an. Obwohl hier seine Heimatstadt getroffen worden ist, vertritt Mann eine klare Linie, was ich bemerkenswert fand: Es schmerze ihn zwar, dass es seine Heimatstadt getroffen habe, allerdings müsse man dies als Reaktion auf Coventry hinnehmen. Der Ton, den Mann in seinen Radioansprachen anschlägt, ist mahnend und unerbittlich; teilweise – gerade wenn es um die Bestialität des Nationalsozialismus geht – zynisch. Mehrmals versucht Mann aber auch Hoffnung bei den Deutschen zu säen: Das Leben nach dem Krieg wird definitiv besser als das Leben unter Hitler werden. Eingebettet werden Manns Ansprachen durch ein Vor- und ein Nachwort der Schriftstellerin Mely Kiyak, in denen sie in das Leben Manns sowie die Entstehungs-/Rezeptionsgeschichte der Radioansprachen einführt. Insgesamt ist „Deutsche Hörer!“ eine spannende Quellensammlung, die erlaubt, den Ansichten eines deutschen Intellektuellen zu Nationalsozialismus und Krieg nachzuspüren. Gleichzeitig führen die Texte aber auch vor Augen, wozu Krieg und Hass führen können, wodurch sie gleichzeitig als Mahnung für heutige Lesende gelten können.