Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Andrea
Wohnort: 
München

Bewertungen

Insgesamt 17 Bewertungen
12
Bewertung vom 20.01.2025
Nachtflut
Westerkamp, Stina

Nachtflut


sehr gut

Das Cover stimmt schon farblich auf eine dramatische Handlung ein und der Eindruck täuscht nicht.
Hier haben wir einen soliden Thriller, der mit einer spannenden Familiengeschichte, einer Naturkatastrophe und Verwicklungen aufwartet.

Elisa leidet seit dem Ertrinken ihrer Schwester Lizzy an heftigen Panikattacken und existiert nur noch mit Tabletten.
Kurz vor der Evakuierung wegen einer drohenden Sturmflut wird ihr Auto von einem umstürzenden Baum begraben und sie sucht in der Not beim Nachbars- Ehepaar Zuflucht.
Elisa plagt nicht nur die Angst vor einem Deichbruch, sondern auch die Nachricht über einen Gefängnisausbruch, denn der Mörder ihrer Schwester ist auf dem Weg zu ihr und noch dazu scheint das nette Ehepaar nicht so harmlos wie gedacht.

Der Plot ist spannend, er wechselt zwischen Elisa und dem mit ihr gefangenem Paar, dem Ausbrecher Paul und ihrem Ex- Mann Max, der beim THW arbeitet sowie einigen Tagebuchpassagen, aus denen man erst gegen Ende schlau wird.
Die Geschichte ist gut konstruiert und baut sich in einem klassischen Spannungsbogen zum großen Finale hin auf und am Ende wartet nochmal eine Überraschung.
Aber genau das war für mich auch ein kleines Manko im Roman: es ist vieles recht vorhersehbar und meine frühen Vermutungen über die Handlungsstränge haben sich fast immer bewahrheitet.

Wenig anfangen konnte ich mit der Protagonistin- leider.
Ich wollte Elisa wirklich mögen und mit ihr leiden, aber sie ist einfach zu tablettenabhängig, traumatisiert und lebensunfähig. Manchmal hätte ich sie schütteln mögen und ihr zurufen, sich doch bitte auf die Situation zu konzentrieren.
Natürlich will ich damit kein Trauma bagatellisieren oder einem abhängigen Menschen seine Probleme absprechen, aber im Zuge dieses Romans fand ich Elisas Reaktionen einfach oft nur ermüdend oder lähmend.

Ansonsten habe ich mich durchweg gut unterhalten gefühlt und konnte die Handlung fast schon filmisch vor mir sehen, man fliegt durch die Seiten und es gibt Überraschungen, die sich erst gegen Ende auflösen und für Spannung sorgen.

Bewertung vom 13.01.2025
Moralische Ambition
Bregman, Rutger

Moralische Ambition


gut

Für diese Rezension habe ich lange überlegt, welche Meinung ich von dem Buch eigentlich habe, denn es ist keine leichte Lektüre.
Das Negative vorneweg, damit wir es hinter uns haben:
ich habe mich streckenweise geärgert und auch genervt gefühlt, denn mir wurde der Eindruck vermittelt, man müsse am besten alles verkaufen und aufgeben, was man hat, um alles den Armen zu geben oder in eine Stiftung zu stecken und nur dann ist man ein "guter Mensch".
Unterfüttert wird das durch Beispiele aus der Geschichte, von einem jungen Mann, der zeitlebens gegen die Sklaverei kämpft und seiner Zeit weit voraus ist bis hin zu einem Asketen, der sein Leben der Bekämpfung von Malaria widmet und letztendlich selbst daran stirbt.

Wenn man sich ganz ehrlich macht, sind die wenigsten Menschen zu solch drastischen Opfern bereit und ihren Lebensstandard, der hart genug erarbeitet ist, oder ihre Gesundheit oder sogar ihr Leben zu opfern, um alles für die Mitmenschen zu geben.
Ich bin es definitiv nicht und ich muss auch ganz ehrlich sagen, daß ich mich beim Lesen oft gefragt habe, wie mein Leben verlaufen würde, wenn ich auch nur einen Teil der Vorschläge in die Realität umsetzte.
Dieses Leben möchte ich so nicht führen, das muss ich einfach zugeben.

Viele der Fallbeispiele sind für einen Normalverdiener auch absolut nicht machbar, denn bei den meisten der aktuelleren Beispiele steht hinter den großen Machern, die wirklich etwas bewirken, ein finanzielles Imperium, eine Lobby, finanzkräftige Mitstreiter und ähnliches.
Hier fühlte ich mich ziemlich hilf- und nutzlos, denn ohne Millionen im Hintergrund, keiner Möglichkeit, die nötige solide Finanzierung aufzubauen oder das benötigte Charisma und Geschäftssinn, um reiche Menschen davon zu überzeugen, sich von ihrem Geld zu trennen scheint es mit der moralischen Ambition so zu gehen, wie es vielen ging: sie verarmten, fristeten ein trauriges Dasein oder starben, ohne jemals viel erreicht zu haben.
Natürlich waren sie in einigen Fällen die Initialzündung für etwas Größeres, das aus ihrem Opfer erwuchs, aber sieht sich wirklich jeder dazu bereit und in der Lage, sein Leben so drastisch für andere hinzugeben?

Allerdings, und das ist nun der positive Teil:
es gibt jede Menge Anregungen, wie man auch mit wenig viel erreichen kann, Mitmenschen für ein Anliegen begeistert und zumindest Teil von etwas werden kann, das man allein einfach nicht schaffen kann oder will.
Dieser Teil des Buches ist wirklich ansteckend, da nicht nur Anregungen gegeben werden, sondern die möglichen positiven Effekte auch durch Statistiken und sehr beeindruckende Tabellen zeigen, wie durch relativ wenig viel erreicht werden kann.

Trotz des ernsten und sachlichen Themas ist das Buch sehr gut lesbar und flüssig geschrieben und wer möchte, kann durch das reichhaltige Glossar im Anhang das Gelesene vertiefen.

Insgesamt finde ich es jedoch wirklich schwierig, für mich einen konkreten Aufruf zu erkennen, den ich persönlich sofort umsetzen könnte und so hat mir das Buch an vielen Stellen ein schlechtes Gewissen gemacht und zum Nachdenken gebracht, aber nicht mehr.

Bewertung vom 16.10.2024
Tee auf Windsor Castle
Parker, Claire

Tee auf Windsor Castle


ausgezeichnet

Ich war anhand des Titelbildes gespannt, wie sich diese Geschichte entwickeln würde und wie weit die Autorin geht.
Sie geht ziemlich weit.
Im positiven Sinn.
Die Grundlage der Story ist ebenso aberwitzig wie witzig: Kate Bulloch, eine junge Frau aus der eher unteren Schicht hält rein gar nichts vom Königshaus und langweilt sich während der Führung durch Schloß Windsor ziemlich stark.
Leider hat sie ihre Freundin mehr oder weniger dazu gezwungen und nun steckt sie in der Gruppe fest.
Als sich ein menschliches Bedürfnis bemerkbar macht, stiehlt sich Kate durch eine Tapetentür davon und landet im wahrsten Sinn des Wortes hinter den Kulissen- denn es existiert abseits und hinter den luxuriösen königlichen Räumen des Anwesens eine eigene Welt, in der die Dienstboten ihrer Arbeit nachgehen.
Dort trifft Kate auf eine nette alte Dame namens Betty, die sie zu einer Tasse Tee einlädt.
Aus diesem Tee- Gespräch werden fast zwei Tage, gefüllt mit anregenden, teils auch kontroversen Gesprächen, einigen Überraschungen und Situationen, bei denen ich mich jeweils gefragt habe, wie Kate nun da wieder rauskommt.
Obwohl die Gesamtsituation unwirklich erscheinen mag, ist die Story nicht gekünstelt oder unmöglich, sondern eines fügt sich ans andere und man gleitet nur so durch das Büchlein.

Natürlich fragt man sich im Lauf der Geschichte, ob die nette ältere Dame nun tatsächlich die Queen sein könnte (Verlagsdatum ist nach dem Tod der Queen, ich habe sofort nachgeschaut) und selbstverständlich verrate ich diesen Twist nicht, aber es macht Freude, die Gespräche der beiden so ungleichen Frauen zu verfolgen.
Jede schafft es, der anderen neue Ansichten aufzuzeigen, ohne belehrend zu wirken und besonders Betty hat eine so schlagfertige, weise und doch verschmitzte Art, dass ich gut verstehen konnte, warum Kate bei ihr hängenbleibt.
Die Auftritte eines anhänglichen Corgis (waren das nicht die Lieblingshunde der Queen?) sowie ein anfangs mürrischer Bediensteter, der immer wieder dazwischenfunkt, sorgen für anhaltende Spannung und unerwartete Wendungen.

Einige von Bettys Sprüchen kann man durchaus als Lebensweisheit behalten und das Ende des Buches kam viel zu schnell.
Ich habe mich sehr amüsiert und während des Lesens immer wieder nach Hinweisen auf die Wahrheit gesucht.

Das Cover wirkt typisch britisch und passt hervorragend zur Geschichte- außen edel, innen ganz anders als gedacht.
Für mich ein Lesevergnügen auch für Leute, die mit der britischen Krone nichts anfangen können, denn man muss beileibe kein Fan der Royals sein, um Freude an diesem Buch zu haben.

Bewertung vom 24.09.2024
Das größte Rätsel aller Zeiten
Burr, Samuel

Das größte Rätsel aller Zeiten


ausgezeichnet

Clayton hat ein Problem.
Seine Pflegemutter ist verstorben und hat ihm statt eines Testaments eine Reihe Rätsel hinterlassen.
Das ist vielleicht gar nicht so merkwürdig, denn Clayton hat seine bisherigen 25 Lebensjahre in der Obhut einer Gruppe von alten Rätselspezialisten verbracht.
Dieses ungewöhnliche Leben konnte er sich nicht aussuchen, da er als Baby vor der Tür des Gemeinschaftshauses der Rätselmacher ausgesetzt und von allen Mitgliedern liebevoll aufgezogen worden war.
Nun hofft Clayton, durch die Lösung der ihm vermachten Rätsel endlich hinter das Geheimnis seiner Herkunft zu kommen, denn keiner seiner Mitbewohner weiß etwas darüber.

Erschwerend kommt hinzu, dass es ihm an jeglicher Erfahrung über das Leben außerhalb seiner kleinen Gemeinschaft fehlt, doch mutig macht Clayton sich auf, die Rätsel eines nach dem anderen zu lösen.

Natürlich habe ich mich gefragt, warum seine Ziehmutter ihn gerade jetzt in seiner Trauer zwingt, seine Komfortzone zu verlassen.
Wusste sie doch etwas über die Frau, die ihn als Baby ausgesetzt hatte?
Und wenn ja, warum hat sie es ihm nie erzählt?
Und wie wird Clayton, der außerhalb des Anwesens wohl als Nerd gelten wird, mit all den Aufgaben zurecht kommen?

Claytons „Heldenreise“ wird auf eine typisch britisch- schrullige und sehr liebevolle Weise beschrieben. Man schließt ihn sofort ins Herz, möchte, dass er die Wahrheit erfährt und dass es für ihn positiv ausgeht.

Parallel dazu erfährt man in Rückblenden die Hintergrundgeschichte dieser sogar für britische Verhältnisse merkwürdigen Rätselgemeinschaft und wie sie zusammengefunden hat.

Sowohl Claytons Erlebnisse mit seinen Rätseln und deren oft unerwartete Lösungen als auch die Rückblicke über die Geschichte der Gemeinschaft machen viel Freude beim Lesen.
Die Figuren sind sehr speziell, lebendig und sympathisch dargestellt und man fiebert bei jeder Lösung mit, um endlich zusammen mit Clayton herauszufinden, was es mit dieser geheimnisvollen Odyssee auf sich hat.

Alle Rätsel sind grafisch hervorgehoben gedruckt, so dass man als Leser selbst mitraten und die Kästchen ausfüllen kann.
Das passt zu dem sehr hochwertigen, stilisiert illustriertem Titel in dunkelgrün und gold.
Sehr britisch, sehr rätselhaft.

Ein amüsantes, besonderes Buch, dem ich gerne fünf Sterne gebe.

Bewertung vom 19.08.2024
Maybrick und die Toten vom East End
Glas, Vanessa

Maybrick und die Toten vom East End


sehr gut

Mittendrin im London von 1910

Das Cover lässt einen schön ahnen, dass der Roman düster sein dürfte.
Was er großteils auch ist- kein Wunder, denn er spielt in den übelsten Vierteln Londons 1910, wo Arbeitslosigkeit, Gaunereien, Schmuggel, Verbrechen und Hoffnungslosigkeit herrschen.

Für den frisch zum Divisionsinspektor beförderten Polizisten Joseph Maybrick beginnt sein erster Tag mit dem Fund einer Kinderleiche und damit eine schwierige und zähe Jagd nach dem Mörder.
Nicht nur das Viertel an sich, sondern auch die Umstände machen es ihm nicht leicht- es gibt mehrere organisierte Gaunerbanden, die untereinander rivalisieren und sich nichts schenken und obwohl Maybrick im East End aufgewachsen ist und die Konstellationen kennt, findet er sich bald in einem undurchdringlichen Dschungel aus Lügen und Intrigen wieder.

Unterstützung leistet ihm sein Freund Dr. Roberts, ein heimlich homosexueller Arzt und Leichenbeschauer mit für die damalige Zeit modernen Methoden (z.B. nimmt er bereits Fingerabdrücke) und bald auch mehr oder weniger unfreiwillig das Gaunerpärchen Heath und Hester, deren eigene Geschichte im Verlauf des Buches für Spannung sorgt.

Durch häufige Perspektivwechsel erlebt man die Jagd nach dem Täter aus verschiedenen Blickwinkeln und manchmal fand ich es etwas schwierig, mich ohne Vorwissen in dem Dickicht der verschiedenen Banden zurechtzufinden.
Manche Plots verlaufen sich ohne Aufklärung oder waren so in die Länge gezogen, dass sie für mich die Geschichte nicht weitergebracht haben- hier hätte ein bisschen weniger etwas mehr sein können.

Generell ist der Roman aber atmosphärisch sehr dicht und ich fühlte mich unmittelbar dabei- in den dreckigen Gassen, in denen sich Menschen aller Couleur drängen und es nicht immer ehrlich miteinander meinen, die fragwürdigen Etablissements und die Hafengegend, die nichts für zarte Gemüter ist.
Dass hier Grace, ein Kind aus gutem Hause, öfters auf ihren Vater warten muss, hat mir kein gutes Gefühl gegeben, aber das Mädchen erweist sich im Verlauf der Geschichte als sehr clever.
Überhaupt sind die Kinder in diesem Buch alle extrem abgeklärt und erwachsen, nehmen auch schlechte Behandlung auf eine stoische Weise hin, die man sich heute schwer vorstellen kann. Ich fürchte aber, dass es damals genau so war, denn keiner hatte Zeit und Geld, um sich der vielen Straßenkinder, die großteils in Banden organisiert waren, anzunehmen. Stattdessen dienten sie als billige Arbeitskräfte und flinke Diebe.

Es spricht für Maybrick, dass er sich inmitten all der Gewalt und der vielen täglichen Verbrechen um ihn herum so viel Mühe um die Aufklärung eines Kindermordes macht- warum er das tut, wird im Verlauf des Buches klar.
Ich hätte gern mehr über ihn und seine Frau Sue erfahren, weil hier vieles offenbar Schwerwiegende aus der Vergangenheit nur angedeutet wird, aber ich hoffe auf einen zweiten Teil.

Die Auflösung des Falles setzt sich am Ende aus vielen Puzzleteilen zusammen und ist für Maybrick nur schwer zu ertragen. Ich hatte bis zum Ende nicht gedacht, dass der Täter in der Ecke zu suchen wäre!
Spannend fand ich auch, dass Maybrick und Roberts für die damalige Zeit recht fortgeschrittene psychologische Täterprofile erstellten.
Beide sind sehr sympathische Protagonisten und lernen im Verlauf ihrer Ermittlungen auch das Gaunerpaar Heath und Hester näher kennen und schätzen. Dass hier im Elendsviertel nicht nur schwarz und weiß existiert, wird im Buch sehr gut herausgearbeitet und es gibt durchaus gute Seiten an nach außen hin schlecht wirkenden Menschen.

Das einzige, was mir im sprachlich bildhaften und angenehm zu lesenden Buch auffiel und störte, war die Häufigkeit des Wortes "schnaufen". Anfangs fiel es mir nicht so sehr auf, aber im Lauf der Handlung wurde "schnaufend geantwortet", "schnaufend aufgeblickt" und alle paar Seiten generell viel geschnauft.
Vielleicht bin es nur ich, aber dieses immer wieder und oft unpassend benutzte Wort hat mich beim Lesen gestört und mich manches Mal aus der Handlung herausgerissen.

Ansonsten war der Roman für mich ein spannendes Debüt in einem nicht alltäglichen Setting, mit dem ich mich bisher so gut wie gar nicht auseinandergesetzt hatte und das mir die Autorin durch ihre akkurate Recherche nahegebracht hat.

Bewertung vom 26.07.2024
Relight My Fire / The Stranger Times Bd.4 (eBook, ePUB)
McDonnell, C. K.

Relight My Fire / The Stranger Times Bd.4 (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Es geht wieder rund in Manchester!
Die Story um das wohl ungewöhnlichste Zeitungsverlags- Team aller Zeiten geht weiter und schon nach wenigen Seiten ist man wieder voll drin in der Geschichte, die wieder mit jeder Menge verrückter, unglaublicher, witziger und abgefahrener Dramaturgie punktet.

Stella, der immer noch recht geheimnisvollen Dauerpraktikantin der Stranger Times, die danke Banecrofts schlechtem Gewissen (über die Gründe erfährt man alles im vorigen Band) nun an der Uni studieren darf, fällt ein Mann direkt vor die Füße.
Vorher war er allerdings noch öffentlichkeitswirksam einfach so in der Luft herumgeschwebt und im Handyzeitalter gibt es natürlich genug Zuschauer, die das alles gefilmt haben.
Nun soll aber gerade Stella wegen ihrer, sagen wir mal, speziellen Konstitution einer ihr innewohnenden übernatürlichen Kraft nicht unbedingt auffallen und das Team hat alle Hände voll zu tun, sie aus dem Lampenricht zu bekommen.

Als wäre das noch nicht genug, scheint es in Manchester auch ein Zombieproblem zu geben, dem Banecroft und seine Leute zusammen mit DI Sturgess auf die bissigen Zähne fühlen wollen.
Zu diesem bereits irren Rezept kommt noch ein skurriler neuer Charakter, der Ghul Brian, dazu, den ich sofort ins Herz geschlossen habe, , eine zielgerichtet arbeitende Wissenschaftlerin und deren Faktotum, ein abgehalfterter Rockstar sowie der bereits aus den Vorbänden bekannte John Mór und eigentlich alle, die man inzwischen in jedem Buch wiederzusehen hofft.

Auch der vierte Band der Reihe um die "Stranger Times" enttäuscht nicht: er ist voller abgründiger Handlungen und Wandlungen, bietet die bereits bekannten Charaktere, mit denen man mitfiebert und sich bei manchen auch wünscht, dass sie endlich von der Stelle kommen (Hannah und ihr on-and-off-Bekannter von der Polizei) oder endlich mehr erfährt (Stella, Manny) und so ist mein Fazit, dass auch dieser Roman einfach Spass beim Lesen macht.
C.K. McDonnells Humor ist einzigartig und spiegelt sich nicht nur in den unnachahmlichen Dialogen, sondern auch in der Handlung wider, wenn die verschiedenen Erzählsprünge am Ende wieder zu einem fulminanten Ende führen.

Ich hatte 464 Seiten lang einen Heidenspass und habe bereits nach der 165. Seite gehofft, dass es bitte einen Band 5 und 6 und noch viel mehr geben möge.
Diese Reihe ist für mich derzeit die beste ihres Genres, wenn man "The Stranger Times" überhaupt in ein Genre pressen kann.
Zumindest das Cover passt sich perfekt an die vorherigen Bände an und führt durch seine plakative farbige Gestaltung mit den schwarz-weißen Elementen, die an einen Zeitungsdruck erinnern, die Reihe fort.

Klare Leseempfehlung für Freunde britischen schwarzen Humors, skurriler Gestalten, Wesen aus anderen Welten und Zeiten und jeder Menge Spannung!
5 von 5 Ghuls!

Bewertung vom 10.07.2024
Aufbruch in eine neue Welt / Savannah Bd.1
Wilke, Malou

Aufbruch in eine neue Welt / Savannah Bd.1


ausgezeichnet

Ganz ehrlich gesagt hat mich das Cover ein bisschen befürchten lassen, dass es sich bei "Savannah" eher um einen romantischen Roman handeln würde, da der metallic-pinke Schriftzug und die Illustration eines sumpfigen Flussarmes in diese Richtung geht, aber bereits nach ein paar Seiten waren meine subjektiven Vorbehalte zerstreut und ich konnte sowohl die wirklich schöne Illustration als auch das Buch genießen.
Es ist eine lebendige, auf historischen Fakten beruhende Geschichte der ersten Siedler in South Carolina, damals noch eine unwegsame Sumpflandschaft und von Weißen unbewohnt.

Die Geschichte beginnt 1732 in Preussen und wir begleiten die junge Nellie, die nach einer Vergewaltigung schwanger wurde und und ihr Zuhause verlassen muss.
Schweren Herzens läßt sie ihre geliebten Geschwister zurück und macht sich auf den Weg zu einem ihr nur aus Erzählungen bekannten Cousin der Familie, und dort Unterschlupf zu finden.
Auf dem Weg dorthin begegnet sie einer Salzburger Familie, die aufgrund ihres protestantischen Glaubens ihre Heimat verlassen musste und nun ihr Glück im weit entfernten Amerika suchen will, denn dort werden vom Stadtgründer Oglethorpe Land und Freiheit für fleißige Siedler versprochen.
Trotz gegenseitiger Sympathie trennen sich ihre Wege bald wieder und Nellie verbringt einige Zeit bei ihrem Cousin und seiner Familie, die sie und ihr dort geborenes Kind hilfsbereit aufnehmen, aber sie möchte ihrem Cousin nicht für immer zur Last fallen und ergreift nach einigen Monaten die Gelegenheit, mit einem entfernten Verwandten zur Küste zu reisen, um ein Schiff nach Amerika zu besteigen.

Damit beginnt die eigentliche Reise erst so richtig.
Die lange Überfahrt im beengten Bauch des Schiffes, Stürme, Flauten und Krankheiten ließen mich wünschen, die Siedler mögen einfach nur bald ankommen und ihr neues Leben genießen können, aber die schwierigen Bedingungen fordern ihren Tribut.
Mit der Anlandung in South Carolina beginnt ein neues Kapitel im Leben der Auswanderer und ich war fasziniert von der Detailtreue und gut recherchiertem Hintergrund der Autorin, die den Aufbau der neuen Siedlung "Savannah" lebendig werden läßt.
Da ich selbst schon in den Südstaaten und sogar in Savannah war, kann ich die Mühen durch die hohe Luftfeuchtigkeit, die Moskitos und den Kampf gegen sumpfiges Gelände und Überflutung sehr gut nachvollziehen und habe mit Nellie und ihren Freunden gelitten oder mich gefreut, wenn sie eine gute Ernte erzielten oder eine Krankheit besiegten.

Ich konnte das Buch nicht mehr aus der Hand legen und wollte immer wissen, wie es weitergeht, zusehen wie die Siedlung wächst, miterleben, wie sich Naturgewalten, Katastrophen und menschliche Belange abwechseln und die Spannung durchgehend hochhalten.
Natürlich will ich nicht verraten, wie es Nellie und ihrer neuen Familie im Neuen Land ergeht, aber ich habe ihren Weg mit viel Freude, Anspannung und Mitgefühl begleitet und war oft dankbar dafür, in der heutigen Zeit mit ihren Annehmlichkeiten leben zu dürfen.

Malou Wilke läßt eine Epoche lebendig werden, über die man vielleicht weniger weiß als die klassische Siedlungsbewegung im Wilden Westen.
Sie beweist viel historisches Wissen, etliche der Figuren haben tatsächlich gelebt und der Roman zeigt einerseits die spannenden Anfänge einer völlig neuen Siedlung sowie die zwischenmenschlichen Beziehungen, die mit immer mehr Ankömmlingen auch komplexer und schwieriger werden.
Interessant sind auch die Begegnungen mit den dort ansässigen Ureinwohnern der Yamacraw, die sich in dieser Epoche noch friedlich gestalteten.

Der Schreibstil ist so lebendig, dass ich das Gefühl hatte, immer mittendrin dabei zu sein und mir persönlich gefiel auch, dass die wenigen Liebesszenen nicht künstlich ausgewalzt und episch beschrieben wurden. Das ist für mich immer etwas Gekünsteltes, das mich in einem nichtromantischen Roman nicht weiterbringt und hätte auch stilmäßig nicht in diese eher puritanische Zeit gepasst.

Ich freue mich bereits jetzt auf den zweiten Teil. Die Leseprobe am Ende des Romans hat eine schöne Aussicht auf ein weiteres spannendes Buch mit Nellie und den Siedler gegeben.

Bewertung vom 21.05.2024
Die Stimme der Kraken
Nayler, Ray

Die Stimme der Kraken


ausgezeichnet

Ray Naylers Roman "Die Stimme der Kraken" entführt uns in eine düstere Zukunft, in der die Grenzen zwischen Mensch und Roboter verschwimmen. Mitten in einem globalen Wettstreit um Ressourcen und Macht stößt eine Gruppe aus Meeresbiologen in asiatischen Gewässern auf eine neue Version einer bereits als intelligent bekannten Spezies in den Tiefen des Ozeans: Kraken.

Die Protagonistin, Dr. Ha Nguyen, sieht in den Tieren die Chance auf eine neue Verständigung zwischen den Arten. Doch schnell wird klar, dass nicht alle diese friedlichen Absichten teilen. Mächtige Konzerne wittern Profit und skrupellose Militärs sehen in den Kraken eine neue Waffe.
Gleichzeitig wirft das Buch wichtige Fragen über die Zukunft der Menschheit auf.
Was bedeutet es, intelligent zu sein? Können Mensch und Maschine friedlich koexistieren? Und wer hat das Recht, über das Schicksal der Erde zu bestimmen?

Der Roman verwebt geschickt verschiedene Genres: Thriller, Science-Fiction und Umweltroman. Nayler zeichnet ein packendes Bild einer Welt, die am Abgrund steht (Sklaverei auf Fangschiffen) und wirft gleichzeitig wichtige Fragen nach der Zukunft der Menschheit auf.

Besonders beeindruckend ist die detaillierte Beschreibung der Unterwasserwelt. Nayler lässt uns hautnah an den Tauchgängen der Protagonisten teilhaben und erweckt die Meereskreaturen zum Leben, so dass ich mir manches Mal gewünscht hätte, so etwas wäre möglich.

Die Handlung ist rasant und voller Spannung, man fiebert mit den Figuren und rätselt bis zum Schluss, wer hinter den Intrigen steckt.
Für mich war der Schreibstil klar und flüssig, Nayler versteht es, komplexe Themen verständlich und fesselnd zu erzählen.

Sehr interessant ist auch das Setting in einer futuristischen Welt, in der manche Menschen ihr Gesicht hinter KI-gesteuerten Visieren verbergen oder Waffensysteme dadurch befehligen, indem sie in einem Flüssigkeits- Tank schwimmen.
Die KI-Thematik hätte für mich noch tiefergehend behandelt werden können, da sie im Buch als gesetzt gilt, aber trotzdem im Lauf der Geschichte Fragen aufwirft.

"Die Stimme der Kraken" ist ein spannender und lesenswerter Roman, der mit seinen gesellschaftskritischen Themen und der detaillierten Beschreibung der Unterwasserwelt überzeugt.

Bewertung vom 20.05.2024
The April Story - Ein wirklich erstaunliches Ding
Green, Hank

The April Story - Ein wirklich erstaunliches Ding


ausgezeichnet

Die Geschichte beginnt rasant und fesselte mich von der ersten Seite an.
Die junge, sehr internetaffine April May entdeckt nach einer Nachtschicht in ihrer Agentur in New York City eine sonderbare Skulptur und filmt sie.
Das Video geht viral und löst eine Kettenreaktion aus, denn weltweit tauchen gleichzeitig identische Skulpturen auf, die ihren Ursprung nicht auf der Erde zu haben scheinen.
April, die unfreiwillig über Nacht zur Berühmtheit avanciert, sieht sich mit einer Flut an Fragen und dem plötzlichen Interesse der Medien und bald auch der Regierung konfrontiert.
Sie begibt sich auf eine gefährliche Suche nach Antworten und gerät dabei in das Visier von Verschwörungstheoretikern und fanatischen Gruppen.
Durch einige für mich nicht immer nachzuvollziehende Entscheidungen taucht April immer tiefer in die Geheimnisse hinter den Skulpturen ein und gerät dadurch immer mehr in einen Strudel aus Ereignissen, den sie nicht mehr zu steuern vermag.

"The April Story" ist für mich nicht nur ein spannender Science-Fiction-Thriller, sondern wirft auch wichtige gesellschaftskritische Fragen zu den Themen Social Media, Berühmtheit und dem Einfluss von Technologie auf unser Leben auf.
Der Autor, Hank Green, beleuchtet Themen wie die Macht der sozialen Medien, die Gefahren von Verschwörungstheorien und den Umgang mit dem Unbekannten.
Er zeigt auf, wie schnell Angst und Misstrauen in einer Welt voller Informationen und Desinformationen grassieren können und ich habe mir beim Lesen oft gedacht, dass dies oder jenes genau so kommen würde, wäre die Geschichte real.

April ist eine vielschichtige und authentische Protagonistin, mit der man schnell mitfiebert. Sie ist intelligent, mutig und entschlossen, die Wahrheit hinter den Skulpturen zu finden. Gleichzeitig kämpft sie mit den Herausforderungen des plötzlichen Ruhms und den Zweifeln an sich selbst, was sie nicht immer die richtigen Entscheidungen treffen läßt, aber die Gründe dafür sind immer so erklärt, dass man sie nachvollziehen kann.

Ein ganz anderes Buch, das mich durch seinen lockeren, modernen Schreibstil sofort in die Geschichte eintauchen ließ und durchweg unterhaltsam und auch humorvoll geschrieben ist. Die Figuren sind gut angelegt, wirken lebendig und nahbar und durch die Erzählung in der Ich-Perspektive fühlt man sich der Heldin der Story sehr nahe. Es hat Spass gemacht, Aprils Gedankengänge zu begleiten und ihre Sicht der Dinge zu verstehen.
Manchmal wollte ich April packen und schütteln und ihr zurufen, etwas Geplantes bitte nicht zu tun, aber im Endeffekt macht das auch die Geschichte aus.
Das Ende hat mich sehr überrascht und ich hätte mir gewünscht, mehr über die Gründe dieses Finales zu erfahren, aber es könnte durchaus den Weg für einen zweiten Teil bereiten.

Fazit: "The April Story" ist ein spannender und unterhaltsamer Roman, der nicht nur Science-Fiction-Fans begeistern wird. Mit seinen relevanten gesellschaftskritischen Themen und seiner sympathischen Protagonistin ist er ein Must-Read für alle, die sich für die Macht der sozialen Medien, die Gefahren von Verschwörungstheorien und die Zukunft der Menschheit interessieren.

Bewertung vom 09.04.2024
Das kleine Buch der großen Risiken
Thomä, Jakob

Das kleine Buch der großen Risiken


ausgezeichnet

In diesem, mit einem schönen und auffälligen Cover in schwarz und gelb gehaltenen Buch nimmt uns Jakob Thomä mit auf eine spannende Reise durch die Welt der zivilisatorischen Risiken mit. Von Atomwaffen bis hin zu Zombieapokalypse beleuchtet er 26 Gefahren, die uns im 21. Jahrhundert bedrohen (könnten).
Dabei gelingt es ihm, komplexe Themen auf unterhaltsame und informative Weise zu vermitteln.
Humorvoll und leicht verständlich geschrieben, ohne dabei die Ernsthaftigkeit der Themen zu vernachlässigen, werden komplexe Sachverhalte einfach und anschaulich erklärt und durch Anekdoten aus dem Leben des Autors aufgelockert.

Das Buch ist voller interessanter Fakten und Informationen, die zum Nachdenken anregen. Es zeigt uns, wie wenig wir oft über die Risiken wissen, denen wir tagtäglich ausgesetzt sind.
Der Autor schafft es, ein Gefühl der Dringlichkeit zu vermitteln, ohne dabei in Panikmache zu verfallen. Man lernt, dass wir die Risiken unserer Zeit nicht ignorieren können, aber gleichzeitig auch, dass es Möglichkeiten gibt, uns auf sie vorzubereiten- oft beendet Thomä ein Kapitel sogar mit einem positiven Ausblick.

Mir haben besonders die etwas ungewöhnlicheren Risiken wie z.B. "Zombieapokalypse" gefallen. Im Nachhall der Corona- Pandemie wirkt dieses Thema gar nicht so abwegig, wie man denken möchte und durch die wissenschaftliche Beleuchtung läßt es sich nicht einfach als kurioses letztes Kapitel abtun.

Ich habe mich amüsiert, gewundert, über manches Risiko erschrocken und gehofft, dass ich mich niemals damit auseinandersetzen muss, aber das Buch hat mich informiert und bestens unterhalten.

12