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wasserklaenge

Bewertungen

Insgesamt 44 Bewertungen
Bewertung vom 20.10.2025
Das Dream Hotel
Lalami, Laila

Das Dream Hotel


sehr gut

Auf dem Rückflug von einem Kongress wird Sara beim Checkout am Flughafen in LA aufgehalten. Ihr Risikowert sei zu hoch, heißt es. Sie sei eine potentielle Gefahr. Grundlage dafür sind ihre Traumdaten. Ein ausgeklügelter Algorithmus soll dafür sorgen, dass potentielle Straftäter schon vor ihrer Straftat aus dem Verkehr gezogen werden. Und der zieht Daten aus allem, was er in die digitalen Klauen bekommt: Suchanfragen, Familien- und Krankheitsgeschichte, Lebensweise, Bilder von Überwachungskameras und eben Träumen. Und so landet Sara im Zentrum, wo sie beweisen muss, dass sie eben keine Gefahr darstellt.

Was die Frauen und speziell Sara im „Dream Hotel“ an bürokratischer Schikane erleben ist ein einziger Alptraum den selbst Kafka sich nicht besser hätte ausdenken können. Für Kommunikation oder Dinge des täglichen Bedarfs muss man unverhältnismäßig hohe Kosten zahlen. Und das System dahinter ist extrem fehleranfällig – oder von Seiten der Bewacher leicht manipulierbar, je nachdem. Um das nicht-Gefängnis zu verlassen muss man seinen Risikowert verringern. Dafür muss man sich strikt an die Regeln halten. Doch das nützt nichts, wenn die Aufseher diese willkürlich ändern und sehr frei auslegen können. Um die Insassen zusätzlich zu zermürben ist das Essen schlecht und meist zu wenig. Nebenbei ist frau gezwungen im Zentrum zu arbeiten, eben um die hohen Kosten für E-Mails und Anrufe nach draußen zu kompensieren. So erhält sich das System selbst am Leben. Doch nach fast einem Jahr im Zentrum, ohne auch nur eine einzige Chance bekommen zu haben ihre Unschuld zu beweisen, fragt Sara sich, ob Kooperation tatsächlich der beste Weg hinaus ist.

„Das Dream Hotel“ war spannend zu lesen. Die futuristische aber leider auch ziemlich realistisch geschilderte Story hat regelmäßig mein Stresslevel steigen lassen. Die Ungerechtigkeit der bürokratischen Regeln und die Schikane der Aufseher sind kaum auszuhalten. Unweigerlich fragt man sich, wie man selbst in der Situation reagieren würde. Schließlich fühlen sich die Frauen im Zentrum genauso Unschuldig wie die Leserinnen und Leser des Romans.

Die Geschichte bleibt sehr nah dran an Sara, ihren Ängsten und Zweifeln und der Entwicklung, die sie durchmacht. Trotzdem erfährt man nebenbei auch ein wenig über die Hintergründe des Zentrums und die (vermutlichen) Gründe der langen Einbehaltungen. Der kurze Perspektivwechsel in hinteren Drittel des Romans wirkte auf mich daher etwas deplatziert. Die Erkenntnisse daraus, hätte man meines Erachtens eleganter unterbringen können. So hat es die Geschichte für mich unnötig in die Länge gezogen.

Insgesamt ist „Das Dream Hotel“ ein spannender wie unbequemer Roman, der die Gefahren von Überwachung, Übertechnisierung und Machtmissbrauch offenlegt. Dystopisch, realistisch aber mit leisem Hoffnungsschimmer.

Bewertung vom 09.09.2025
Candy Girls
Eismann, Sonja

Candy Girls


ausgezeichnet

Candy Girls startet mit einem Kapitel, bei dem sich mir direkt der Magen umdrehen wollte. „Zu jung“ thematisiert genau das, was man sich als worst case darunter vorstellt: Ältere und mächtigere Männer die in Form von Songwritern, Musikern oder Journalisten minderjährige Mädchen sexualisieren, für zweideutige „Witzchen“ ausbeuten, über ihre Jungfräulichkeit spekulieren, bis hin zu offen gelebter Pädophilie. Ein paar der „Fälle“ die Sonja Eismann hier schildert kannte ich schon, einiges war mir neu. Im Kapitel „zu alt“ geht es dann in die andere Richtung, denn bekanntlich hat Frau ja nie das richtige Alter um ohne Kritik in der Öffentlichkeit zu stehen.

Auch die Kapitel über Fans und Groupies fand ich wirklich spannend. Nochmal vor Augen geführt zu bekommen, dass Musik, die von Frauen gehört (und gemacht) wird künstlerisch erstmal weniger Wert ist hat mich stark an meine Teenie-Zeit erinnert. Ich wünschte, ich hätte damals schon die Worte dafür gehabt, die Eismann hier findet! Die schockierende Mud-Shark-Episode und die Schlüsse, die Eismann aus dieser Anekdote zieht haben schwer Eindruck auf mich gemacht.

Und wer sich jetzt fragt „Mud-Shark? Was zur Hölle?“ der sollte einfach zu diesem Buch greifen! Für ein Sachbuch liest es sich extrem flott, ich bin nur so durch die Seiten gerauscht. Auch Eismanns ironisch bis wütender Ton – der allen Zykunov-Fans sehr gefallen dürfte – hat mich schnell durch die Kapitel gezogen.

Das Einzige, das mir an diesem Sachbuch nicht so sehr gefallen hat ist, dass es meiner Meinung nach mit den größten Bangern startet und in den letzten Kapiteln nicht mehr die gleiche Stärke hat. Auch hat mir Künstlerin Peaches etwas zu oft als Gegenbeispiel herhalten müssen; andere Künstlerinnen dafür gefehlt – aber das ist bestimmt ein Fass ohne Boden.

Auch wenn viele Dinge in diesem Buch stecken, von denen man als medienaffiner Mensch irgendwann schonmal gehört hat (France Galls Lollipop, Nippelgate, Madonnas Schönheits-Ops, misogyne Songtexte und vieles vieles mehr), legt Eismann immer die strukturellen Probleme hinter diesen vermeintlichen Einzelfällen offen, was den Mehrwert dieses Sachbuchs ausmacht.

Für mich hat sich „Candy Girls“ jedenfalls zu einem meiner Lieblings-Sachbücher gemausert, das ich Musikliebhabern und -liebhaberinnen nur empfehlen kann!

Bewertung vom 24.08.2025
Deep Cuts
Brickley, Holly

Deep Cuts


ausgezeichnet

Percy ist in ihrem zweiten Studienjahr und noch immer etwas verloren. Sie findet nirgendwo richtigen Anschluss, ist unsicher und hat Angst, mit ihrer Direktheit und ihrem in-depth-Musik-talk alle zu vergraulen. Dabei macht sie nichts lieber als über Musik zu reden! Das ändert sich allerdings, als sie Joe in einer Bar trifft. Die beiden sind direkt auf einer Wellenlänge, reden die halbe Nacht über perfekte Songs gute Lyriks und Lieblingsgenres.

Joe macht auch selbst ganz solide Musik und wie sich herausstellt hat Percy ein unglaubliches Händchen dafür aus Lyriks, Melodien und Hook noch das letzte heraus zu kitzeln. Die beiden sind ein großartiges Team, aber Joe will Arbeit und Liebe nicht vermischen und Percy kann Arbeit ohne Liebe irgendwann nicht mehr durchhalten. Und so trennen sich ihre Wege. Erstmal.

Percy und Joe sind beide sympathische Figuren mit Ecken und Kanten, denen man gerne folgt und mit denen ich sehr mitgefiebert habe. Mir hat es gefallen, dass die Geschichte den beiden über mehere Jahre folgt. So bleibt wunderbar viel Platz für Entwicklungen und Veränderungen.

Deep Cuts ist eine Geschichte voller Musik, Liebe, Freundschaft, Trauer, Nostalgie, Gefühl und Nerdigkeit in ihrem positivsten Sinne. Er erzählt schnörkellos von der großen Liebe zweier Menschen zueinander und zur Musik. Mit all ihren Hindernissen, ihrem Schmerz und ihrer Euphorie. Zweier Menschen, die nicht ohne einander können, aber trotzdem nicht zusammen finden. Aber auch, dass echte, tiefe Freundschaft einen großen Teil dieser Geschichte ausmacht, hat mir wirklich gut gefallen.

Ich mochte diesen Roman von der ersten Seite an unheimlich gerne. Er ist berührend, unterhaltsam und nostalgisch. Und für Fans von Butlers "Shotgun Lovesongs" oder Mitchells "Utopia Avenue" bestens geeignet. Ein großer Roman über Liebe und Musik - endlich einmal von einer AutorIN geschrieben!

Bewertung vom 16.08.2025
Gym
Keßler, Verena

Gym


ausgezeichnet

Selten hatte ich eine so gute Zeit mit einer so unsympathisch Hauptfigut wie hier! Sie lügt, sie ist von Ehrgeiz zerfressen, sie ist egoistisch und empathielos und es macht so viel Spaß ihr durch diese irre Geschichte zu folgen!

Die namenlose Erzählerin hat ihren extrem gut bezahlten und extrem arbeitsintensiven Job verloren - warum erfährt man erst nach und nach - und ist erstmal in ein Loch gefallen. Weil sie dringend Geld braucht bewirbt sie sich im Mega-Gym, einem chromglänzenden, blankgeleckten Fitnesstudio, als Thekenkraft. Als das Bewerbungsgespräch Aufgrund ihres verlotterten und ungesunden Aussehens scheitern droht, erzählt sie Gym-Chef Ferhad, dass sie gerade erst entbunden hat. Es klappt mit dem Job, aber die Legende aufrecht zu erhalten, dass da ein Säugling zu Hause auf sie wartet, stellt sie vor einige Herausforderungen. Zudem es ihr auch zunehmend egal ist, was die Kollegen von ihren Mutterqualitäten halten, denn sie hat das Training für sich entdeckt und die Obsession beginnt.

Verena Kessler hat mich mit ihren beiden Vorgängerromanen zum weinen gebracht und für Gänsehaut gesorgt. Bei Gym musste ich viel lachen und die Gänsehaut war hier eher Ekel-bedingt - Kessler treibt es wirklich auf die Spitze! Also ein ganz anderer Roman, trotzdem wieder wunderbar süchtigmachend geschrieben, mit klugen Gedanken und Beobachtungen und einer gelungenen wie speziellen Kritik an Leistungsgesellschaft und Optimierungswahn.

Am Ende hätte ich eigentlich gerne noch weiter gelesen und es war mir fast ein bisschen zu brav aber insgesamt hat mir der Roman richtig gut gefallen! Eine wunderbar unterhaltsame Story, die sich so schnell liest, dass ich gleich wieder von vorne hätte anfangen wollen. Witzig, klug, absurd und doch absolut aktuell.

Bewertung vom 22.07.2025
Die Probe
Kitamura, Katie

Die Probe


weniger gut

Der Plot dieses kurzen Romans hat mich gleich gecatcht: Eine berühmte Schauspielerin trifft einen jungen Mann, der behauptet er sei ihr Sohn. Sogar Ähnlichkeiten sind vorhanden zwischen den beiden. Aber es gibt einen Haken: Sie hat nie ein Kind bekommen. Wie kommt er also auf diese wilde Behauptung?

Trotz der Kürze ist „Die Probe“ ruhig erzählt. Neben dem Umkreisen der Schauspielerin und Xavier – dem jungen Mann und vielleicht-Sohn – wird einiges aus der Vergangenheit der Schauspielerin erzählt. Über ihre Ehe, ihre Karriere, ihre aktuelle Arbeit. Auch analysiert sie ständig die sie umgebenden Personen und versucht die unausgesprochenen Gedanken und Gefühl zu ergründen, die diese vielleicht haben. Auch sich selbst hinterfragt sie immer wieder. Ihre Welt scheint komplett aus Konkurrenz und Misstrauen zu bestehen. Das war anstrengend zu lesen.

Auch eine Theaterprobe nimmt viel Raum im Roman ein. Natürlich geht es um eine Szene, die noch durchdrungen werden muss. Puh. Hier hängt die Geschichte etwas durch, nimmt dafür im zweiten Teil wieder fahrt auf, weil etwas passiert, dass mich durchgängig verwirrt und zu vielen Fragezeichen geführt hat. Das ist aber durchaus positiv gemeint! Die Frage nach dem „Was ist passiert?“ hat mich bei der Stange gehalten, denn inhaltlich ist nicht wirklich viel los. Leider wird die Story zunehmend irre, abgedreht und für mich in keiner Weise mehr nachvollziehbar. Ja, letztlich wird alles (kind of) aufgeklärt aber ich fand große Teile der Geschichte absolut unglaubwürdig und überzogen.

Vom eigentlichen Plot, der mich zu Beginn so interessiert hat, bleibt nicht viel mehr als mal wieder eine irre, kinderlose Frau, die mit ihrem Leben nicht zurecht kommt. Danke, aber nein danke.

Bewertung vom 22.07.2025
Standing Ovations
Runcie, Charlotte

Standing Ovations


sehr gut

Eine bitterböse 1 Sterne Kritik über das Theaterdebüt einer jungen Schauspielerin zu schreiben ist vielleicht nicht nett, aber sowas kommt vor. Diese Kritik für eine große Tageszeitung zu schreiben, tut der Bewerteten schon mehr weh aber auch das könnte man verschmerzen. Aber direkt nach dem Schreiben besagter Kritik mit der Schauspielerin ins Bett zu stiegen, ohne mit einem Wort zu erwähnen, dass man ihre Show gesehen, geschweige denn darüber geschrieben hat, das geht gar nicht! Doch genau das hat Alex Lyons gemacht. Und natürlich ist diese Schauspielerin, Hayley Sinclair, darüber stocksauer. Kurzerhand wirft sie das Konzept ihrer Show um und erzählt Öffentlichkeitswirksam, was Alex ihr angetan hat. Mit welcher Wucht ihre neue Show einschlägt, damit hätte Hayley nicht gerechnet. Und noch weniger mit all den anderen Frauen, die sich bei ihr melden und die ebenfalls nichts Gutes über Alex zu berichten haben. Doch wohin führt der Hype?

Erzählt wird die ganze Geschichte von Sophie. Sie ist Alex' Kollegin und mit ihm zusammen auf dem Kunstfestival in Edinburgh auf dem unter vielen anderen Hayley ihre One-Woman-Show aufführt. Die eher zurückhaltende, frisch aus der Elternzeit kommende Sophie ist das Gegenteil des charmanten und gutaussehenden Alex, der zu allem Übel auch noch der Sohn einer berühmten Schauspielerin ist. Mit der Zeit wird sie seine einzige Verbündete, während der Rest der Welt ihn mit jeder neuen Story die über ihn herauskommt mehr zu hassen scheint. Dabei hat sie vollstes Verständnis für Hayley und die anderen Frauen. Dementsprechend zerrissen fühlt Sophie sich. Aber all das lenkt sie wunderbar von ihrem Privatleben ab, mit dem sie unglücklicher ist, als sie es sich eingestehen will.

Mir hat die Mischung aus Festival und Feminismus, Schuld und Social Media, Absturz und Höhenflug richtig gut gefallen. Die Dynamik von Hayleys neuer Show und der darauf folgende Wirbel um ihre Person waren toll geschildert. Irgendwie schafft es Runcie, dass einem alle Figuren auf ihre Art sympathisch bleiben - was besonders bei Alex durchaus keine leichte Aufgabe war. Aber selbst Sophies im Vergleich zu den Festivalereignissen beschauliches Privatleben das immer wieder eingestreut wird hat mir gut gefallen. Es gibt dem Ganzen mehr Substanz und setzt den so akut wichtig scheinenden Presserummel in Relation. Auch, die Entwicklung, die alle drei Hauptfiguren im Laufe der Story durchmachen war wunderbar realistisch dargestellt.

Mich hat „Standing Ovations“ richtig gut unterhalten. Ein kluger Roman mit feministischem Tenor aber ohne jeden erhobenen Zeigefinger und insgesamt sehr ausgewogen. Tolle Figuren und ein Plot, der Spaß macht. Spannende Einblicke in den Kunstbetrieb und Bewertungs-Journalismus. Da denkt man über seine eigene Bewertung gleich zweimal nach! :)

Bewertung vom 02.07.2025
Furye
Rubik, Kat Eryn

Furye


weniger gut

Alec, Meg und Tess sind beste Freundinnen. Umständehalber eigentlich, da sie Außenseiterinnen sind, aber das tut der Freundschaft keinen Abbruch.

Erzählerin Alec hat zwar ein liebevolles Elternhaus, ist aber ein Einwandererkind und lebt in prekären Einkommensverhältnissen. Tess ist still und zurückaltend und leidet nicht nur darunter, dass ihr Vater ihre Mutter prügelt, sondern mehr noch, dass diese nichts dagegen tut. Meg hingegen ist selbstbewusst und forsch, aber mit einer alkoholkranken Mutter die sie ständig sich selbst überlässt und versucht Vernachlässigung mit Geld zu kompensieren.

Ich mochte die zwei Zeitebenen auf denen die Geschichte erzählt wird. Einmal die frisch verliebte, 17 jährige Alec, die sich an Schule, Nebenjob und dem heftigen Klassenunterschied zwischen ihr und ihren Boyfriend Romaine abarbeitet. Die mit ihren nach den Furien benannten Freundinnen trinkt und standesgemäß Megs unrealistischen Rachefantasien lauscht. Und dann die Enddreißigerin Alec, endlich erfolgreich, mit viel Geld aber leer und einsam. Es war interessant zu lesen, wie beide Teile ihres Lebens zusammenhängen. Allerdings hätte die Freundschaft der drei Mädchen gerne intensiver beschrieben werden können. Dafür, dass sie Titelgebend ist, wird sie doch sehr von der Liebesbeziehung überschattet.

Was mir nicht gefallen hat, war dass sich die Geschichte mehr und mehr entwickelt zu einem "mit einem Kind wird alles besser", "ein Baby wird mich retten", "eine Frau ohne Kind muss einsam sterben". Klar, lass ein Baby deine Traumata lösen, ganz ganz tolle idee! 😑 Das war absolut nicht mein Vibe.

An sich ist "Furye" also ein unterhaltsamer Roman mit melancholisch-traurigem Ton und wirklich unglaublich schönem Cover.
Der Roman hat etwas sommerliches ohne leicht oder seicht zu sein. Doch das Ende hat mich mit seiner implizierten Botschaft in mehreren Punkten so sauer gemacht, dass es jegliches positives Lesegefühl zunichte gemacht hat. Schade!

Bewertung vom 23.06.2025
Der Schlaf der Anderen
Noort, Tamar

Der Schlaf der Anderen


sehr gut

Nachdem sie sich als Krankenschwester jahrelang kaputt geschuftet hat, betreut Janis jetzt Patientinnen und Patienten im Schlaflabor. Keine Notfälle mehr, keine ständig schrillende Klingel, keine Schichtarbeit und nur eine Person um die sie sich kümmern muss. Aber auch wenn es "nur" Nachtarbeit ist, liegt Janis' Sozialleben brach.

Um so besonderer fühlt es sich an, als Sina ins Schlaflabor kommt und beide Frauen eine chaotische aber ebenso befreiende Nacht miteinander verbringen.

Sina ist Lehrerin, verheiratet und Mutter. Künstlerin war sie mal, aber das ist unter all den täglichen Pflichten verloren gegangen. Gerade ist sie sowieso kaum fähig ihren Alltag zu bestreiten, da sie starke Schlafprobleme hat, teilweise gar nicht schläft und immer verzweifelter wird. Ihr Powermann kann nicht verstehen, wie es ist nicht perfekt zu funktionieren und Sina fühlt sich allein. Bis sie bei Janis im Schlaflabor landet.

Die Freundschaft würde beiden Frauen gut tun, man merkt gleich wie toll sie zusammen funktionieren und wie wichtig es ist, jemanden zum reden zu haben. Aber Janis macht einen Fehler, der die beiden erstmal wieder auseinander treibt.

'Der Schlaf der anderen' ist ein schöner Roman über Freundschsaft und davon, was man im Leben will. Die beiden Hauptfiguren wirken lebendig und ihre Geschichten sind beide auf ihre Art interessant. Tamara Noort schreibt mit Humor und Einfühlungsvermögen. Der Roman ist ruhig, erzählt eigentlich nichts weltbewegendes aber er unterhält und ist hübsch zu lesen. Eine schöne Geschichte mit Wohlfühlpotenzial!

Bewertung vom 18.05.2025
Stars
Kullmann, Katja

Stars


ausgezeichnet

Carla ist Ende 30, eigentlich studierte Philosophin aber durch Umstände, die sie lieber vedrängt, seit fast 10 Jahren im Einkauf eines Büroausstatters tätig. Ihren Job findet sie wenn sie ehrlich ist relativ schei*e, Freunde gibt es wenig, ihre Altbauwohnung ist abgewohnt aber immerhin nicht so schäbig, wie die Gegend in der sie wohnt. Zerstreuung und ein kleines Nebeneinkommen hat sie mit ihrem Alter Ego Cormic-Charly: Einer Astro-Seite, auf der sie Horoskope an eine kleine aber treue Stammkundschaft verkauft. Zwar glaubt sie selbst nicht an Astrologie aber lassen kann sie nicht von ihrem speziellen Hobby.

Als eines Morgens ein Ziegelstein durch ihr Schlafzimmerfenster fliegt und eine Kiste voller Dollars vor ihrer Tür steht, wird ihr schnöder Alltag ordentlich durchgewirbelt. Clara kommt ins grübeln und entschließt sich mit dem Dollarsegen als Rückendeckung ganz ins Astrobusiness einzusteigen. Und ihr Plan scheint besser zu klappen als gedacht!

Dieser Roman hat mich wirklich gut unterhalten! Mit seinem lockeren Erzählstil, dem trockener Humor, der interessanten Story und einer Protagonistin, wie man ihr eher selten begegnet, hat es mich nur so durch die Geschichte gezogen. Ich mochte Claras bissig-pessimistische Art, ihre smarten moves und die Entwicklung, die sie durchmacht.

Neben der wunderbar absurden Story mochte ich die Botschaft, dass man sich immer trauen sollte, Dinge zum Positiven zu verändern. Manchmal braucht es nur einen kleinen Anstoß - oder eben einen Ziegelstein durchs Schlafzimmerfenster.

Das Ende des Romans hat mich im ersten Moment etwas blöd aus der Wäsche schauen lassen, aber jetzt länger ich darüber nachdenken, desto genialer finde ich es. Katja Kullmann hat definitiv Humor!

Stars hat mich super unterhalten. Die Mischung aus absurd und sympathisch ist zu 100% gelungen. Gerne mehr davon!

Bewertung vom 23.04.2025
Walzer für Niemand
Hunger, Sophie

Walzer für Niemand


weniger gut

Zwei Dipolmatenkinder deren Leben geprägt sind von häufigen Umzügen werden beste Freunde. Ihre gemeinsame Leidenschaft ist die Musik, die sie durch die elterliche Plattensammlung entdecken und verehren, wie etwas Übernatürliches. Die Freundschaft der beiden ist sehr eng, aber für die Erzählerin auch zunehmend einengend. Dass sie als Musikerin aus diesem Schneckenhaus der Zweisamkeit ausbrechen will, könnte zum Bruch führen.

So weit so gut. Diese Inhaltsangabe aus dem Roman heraus zu zutzeln war allerdings nicht so einfach wie es klingen mag. Der Erzählstil ist sehr Anekdotenhaft und obwohl sich auch hübsche Sätze im Buch verstecken, war es mir meistens einfach zu nichtssagend. Es wird viel geredet aber kaum etwas gesagt. Der Plot ist dünn und ich habe mich die meiste Zeit gelangweilt.

Die Erzählerin und ihr „Niemand“ genannter Freund waren mir in ihrer verbohrten Zweisamkeit und ihren verschrobenen Weltbild extrem unsympathisch. Dazu ist alles so emotionslos erzählt. Ein Anekdötchen folgt dem nächsten. Sprachlich ist es gewollt gewitzt, manchmal albern, manchmal – ja, auch das - sehr treffend. Aber der Ton kollidiert für mich mit der Inhaltsleere und greift nicht.

Ich hatte mir einen Roman über Musik und über Freundschaft erhofft. Nach dem lesen fühle ich mich, als hätte ich noch nicht einmal einen Roman bekommen. Wer ein gutes Buch zu den genannten Themen sucht, dem sei Mitchells „Utopia Avenue“ ans Herz gelegt. Oder Bretts „Lola Bensky“. Oder wer etwas mehr Spannung dazu möchte, der greife zu „Vingage“ von Hervier. „Walzer für Niemand“ würde ich eher Lesern empfehlen, die auch „Delulu“ von Julia Friese mochten.