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Webervogel

Bewertungen

Insgesamt 98 Bewertungen
Bewertung vom 26.07.2025
Das Geschenk
Schoeters, Gaea

Das Geschenk


sehr gut

Spannendes Gedankenexperiment

2024 hat der botswanische Präsident Mokgweetsi Masisi angeboten, 20.000 Elefanten an Deutschland abzugeben. Als Reaktion auf ein hier diskutiertes Einfuhrverbot von Jagdtrophäen zürnte er: „Es ist sehr einfach, in Berlin zu sitzen und eine Meinung zu haben zu unseren Angelegenheiten in Botswana.“ Schoeter kreiert in ihrem neuen Roman ein Szenario, in dem nicht nur die deutsche Regierung die Chance bekommt, sich eine fundiertere Meinung zu bilden: 20.000 Elefanten machen von jetzt auf gleich die Hauptstadt unsicher – sie sind das titelgebende Geschenk. Der Bundeskanzler, der in diesem Buch Hans Christian Winkler heißt, hätte eigentlich auch schon ohne die Dickhäuter genug Probleme: Seine Partei schneidet in Umfragen schlecht ab, die Rechten werden immer stärker, bis zur nächsten Wahl ist es nicht mehr allzu lange hin …
Doch nun muss erst einmal das Zusammenleben von Mensch und Tier geregelt werden – auch kein Kinderspiel. Die Einwohner mancher Regionen Botswanas könnten ein Lied davon singen, das Land spielt in der weiteren Geschichte jedoch keine Rolle mehr.

„Das Geschenk“ liest sich kurz und knackig: Nur 144 Seiten hat diese schmale Satire. Die Autorin gestaltet die Reaktionen auf den durch die Elefanten verursachten, kuriosen Ausnahmezustand und seine Folgen vielschichtig aus und hat sich genauestens in die Situation hineingedacht. An dem abwegigen Szenario führt sie gekonnt bekannte Polit-Mechanismen vor. Schoeter zeigt mal elegant, mal brutal, dass Politik ein schmutziges Geschäft sein kann – von Taktierereien über Lobbyismus bis hin zu Bauernopfern. Manches Mal musste ich schmunzeln (wenn beispielsweise Winklers Amtsvorgängerin ihm verdeutlicht, dass man in diesem speziellen Fall mit der Parole „Wir schaffen das“ nicht weiterkommt), manchmal war ich auch verstört. „Das Geschenk“ ist völlig anders als Schoeters letztes Buch „Trophäe“, aber genauso ungewöhnlich. Ab und an hätte ich mir mehr Details und längere Ausführungen gewünscht, vielleicht auch eine zusätzliche private Perspektive auf die Elefanten-Invasion – Gaea Schoeters bleibt nämlich streng auf das politische Geschehen konzentriert. Insgesamt liest sich die Geschichte jedoch rund, überaus kurzweilig und desillusionierend.

Bewertung vom 23.07.2025
Eine falsche Lüge - Wird es ihre letzte sein?
Stava, Sophie

Eine falsche Lüge - Wird es ihre letzte sein?


gut

Es hätte so gut werden können

Die Ausgangssituation dieses größtenteils in New York spielenden Thrillers fand ich vielversprechend: Im Zentrum steht die notorische Lügnerin Sloane Caraway, die durch eine zufällige Begegnung und ein paar gutplatzierte Manipulationen einen Job als Kindermädchen bei einer reichen Familie ergattert. Eine eher labil wirkende Hauptfigur mit einigen beunruhigenden Verhaltensweisen; undurchsichtig, aber nicht komplett unsympathisch – da wollte ich doch wissen, was dahintersteckt. Sloane hütet einige Geheimnisse, die man als Leser*in erst nach und nach erfährt. Eine unterschwellige Spannung, ein „Das kann doch nicht gutgehen“ baut sich immer weiter auf, ohne dass die Geschichte handlungstechnisch an Fahrt aufzunehmen scheint. Pageturner-Charakter hat sie allerdings; das Agieren von Antiheldin Sloane hat mich nicht losgelassen. Dann kam ein Twist, der mich begeistert hat. Und dann? Ging alles den Bach runter.

Bei vielen Thrillern schadet es nichts, in Sachen Logik ein Auge zuzudrücken. Was Autorin Sophie Stava ihren Leserinnen und Lesern aber hier zumutet: huiuiui. Da werden Pläne geschmiedet, die dermaßen hanebüchen sind, dass ich froh bin, hier nicht ins Detail gehen zu dürfen – ich wüsste gar nicht, wo anfangen. Das Ende selbst habe ich nicht kommen sehen, was aber vor allem daran liegt, dass die Entwicklungen dorthin so haarsträubend sind. Ich fand „Eine falsche Lüge“ zwar spannend und habe das Buch recht schnell durchgelesen, doch es bleibt ein reichlich schaler Nachgeschmack. Der langsame Aufbau, die Entwicklung – das hatte mir alles gefallen. Im letzten Drittel hat es die Autorin dann leider vermasselt.

Bewertung vom 22.07.2025
Willkommen. Ein Buch über Freundschaft
Scheffler, Axel;Green, Alison

Willkommen. Ein Buch über Freundschaft


sehr gut

Tolle Illustrationen, aber keine richtige Geschichte

Ein neues von Axel Scheffler illustriertes Bilderbuch ist ein Must-Read für meine Kinder und mich. Schon das Cover zieren viele fröhliche Tierfiguren, die an die Geschichten aus dem Eichenwald und die Pip-und-Posy-Reihe erinnern.
Im Buch selbst werden die Leserinnen und Leser direkt begrüßt und eingeladen. Und dann geht es los – allerdings nicht wirklich mit einer Geschichte. Es geht viel mehr um Themen wie Kennenlernen, miteinander Agieren, Zusammensein. Kern des Ganzen ist der freundliche Umgang mit Neuzugängen, weswegen ich mir „Willkommen“ prima als Vorlesebuch im Kindergarten vorstellen kann. Dass das Buch am Ende kindgerecht einen Verein vorstellt, der Flüchtlinge unterstützt, ist eine gute Sache.

Dennoch hat es in meinen Augen etwas wenig Substanz. Axel Schefflers Illustrationen sind wie immer bezaubernd, doch mir fehlt mehr Inhalt. Meinen Kindern bisher allerdings nicht – sie haben das Buch zweimal gerne angeschaut und die Harmonie des Ganzen gefällt ihnen. Die Zielgruppe scheint also durchaus zufrieden zu sein. Aber ob wir „Willkommen“ wirklich oft lesen werden, muss sich noch zeigen.

Bewertung vom 13.07.2025
Der OktoBus auf großer Fahrt
Gerhardt, Sven;Dulleck, Nina

Der OktoBus auf großer Fahrt


sehr gut

Fantasievoll illustrierter, tierischer Reisespaß

Die außergewöhnlich verspielten, bunten und liebevollen Illustrationen fallen bei diesem Kinderbuch sofort ins Auge. Hier wird nicht nur die eigentliche Geschichte bebildert, sondern auch ganz viel drum herum: von der winkenden Strandkrabbe über den Hasen im Propellerflugzeug bis hin zum Mofa-fahrenden Walross. Die Hauptfiguren sind jedoch Oktopus Otto, der mit seinem OktoBus „das große Etwas“ ansteuern will, sowie die Passagiere, die er nach und nach an verschiedenen Bushaltestellen einsammelt. Meine Kinder waren vom Faultier besonders angetan, aber auch „Ingo, der Flamingo“ hat sie begeistert.

Der Weg ist das Ziel bei dieser Reise – zumindest beim Betrachten des Buches, da macht die Busfahrt nämlich den größten Spaß. „Das große Etwas“ entpuppt sich letztlich als Spiegelbild der Reisenden, worauf sie eine Party feiern. Meine Kleinkinder konnten mit dieser Entwicklung nicht ganz so viel anfangen.
Der gereimte Text lässt sich gut lesen und hat uns allen Spaß gemacht. Ein niedliches Buch, bei dem wir bislang bei jedem Betrachten neue Details entdeckt haben.

Bewertung vom 12.07.2025
Kämmen, schneiden, Haare waschen / Wieso? Weshalb? Warum? Junior Bd.79
Erne, Andrea

Kämmen, schneiden, Haare waschen / Wieso? Weshalb? Warum? Junior Bd.79


ausgezeichnet

(K)eine haarige Angelegenheit

Haare sind ein Dauerthema im Kleinkindalltag: bürsten, shampoonieren, föhnen, frisieren – alles bestens bekannt, weil zum Teil täglich erlebt. Das „Wieso Weshalb Warum“-Buch „Kämmen, schneiden, Haare waschen“ finden meine Kinder gerade deshalb sehr spannend: Wie funktioniert das eigentlich bei anderen? Im Prinzip ja nicht anders, aber die Darstellung von unterschiedlichen Haarfarben, -typen und Frisuren interessiert trotzdem riesig. Die den Vorher-Nachher-Effekt verdeutlichenden Klappen begeistern, vor allem die zu verschiedenen Stylings, durch die sich prima vergleichen lässt, wie unterschiedliche Frisuren jemanden ganz anders wirken lassen können. Auch die Seiten zum Friseurbesuch faszinieren. Die Illustrationen sind fröhlich, bunt und detailliert, aber nicht überladen. Alles ist super verständlich. Ein schönes, kindgerechtes Sachbuch, das ganz nebenbei eine große Vielfalt an Menschen zeigt. Uns gefällt es sehr.

Bewertung vom 27.06.2025
Born to perform - Sei das Rad, nicht der Hamster
Bendix, Caspar

Born to perform - Sei das Rad, nicht der Hamster


sehr gut

Karriere ist Dating im Anzug

Dieser Romantitel hat mir gleich ein Grinsen ins Gesicht gezaubert – nicht die schlechteste Ausganssituation für den Lektürestart. Im Folgenden hat mich dieses Debüt ziemlich gut unterhalten. Die Mischung aus Bürowahnsinn und sich zart anbahnender Liebesgeschichte, Managersprech und Kalendersprüchen ist amüsant und kurzweilig geschrieben. Hauptfigur ist Bo Martens, ein BWLer, der gerade seinen ersten Job in einer Firma angetreten hat, deren Geschäftsbereich mir nach wie vor völlig unklar, aber auch unwesentlich für das Buch ist. Denn Bo trifft bei der STEIN Holding Topmanager Dr. Thomas Meermann, einen Phrasendrescher, der beeindruckend viel reden kann, ohne wirklich etwas zu sagen. Bald findet sich Bo im Rennen um Meermanns vakante Referentenstelle wieder. Zeitgleich bahnt sich sein erstes Date mit Zahnärztin Laura an. Und dann sind da noch Meermanns Assistentin Melli, die Bo offensichtlich nicht leiden kann, und Bos bester Freund Jan, der versucht, Barney Stinson von „How I met your mother“ nachzueifern und gleichzeitig einen Narren an Worthülsen-Liebhaber Meermann gefressen hat. Bis sich dieses Personenquartett halbwegs sortiert hat, vergehen gute 350 Seiten, die sich locker-flockig weglesen. Kleine Überraschungen hält Autor Bendix für seine Leserinnen und Leser dabei immer wieder bereit. Längen gibt’s eigentlich nur in den Kapiteln, in denen Bo und Jan über das Leben sinnieren – diese Bromance bzw. vor allem die Figur Jan fand ich eher nervig als unterhaltsam.
Alles in allem ist „Born to perform“ ein gelungener Erstling, der Spaß macht und von dem man durchaus die ein oder andere augenzwinkernde Lebensweisheit mitnehmen kann. Schließlich ist Karriere Dating im Anzug – schon einmal darüber nachgedacht?

Bewertung vom 22.06.2025
Die Roboter / Wieso? Weshalb? Warum? Junior Bd.78
Kessel, Carola von

Die Roboter / Wieso? Weshalb? Warum? Junior Bd.78


sehr gut

(Noch) kein Alltagsthema

„Wieso Weshalb Warum“ ist eine großartige Sachbuchreihe für die Kleinsten, die Alltagssituationen aufgreift und weiterführend erklärt. Auch im neuen Band „Die Roboter“ wird das versucht und so werden hier erst einmal Roboter vorgestellt, die Kinder kennen können, wie Mäh-, Staubsauger- und Fensterputzroboter. Es geht weiter mit Dino-Robotern im Museum, Bedienungsrobotern im Café und Unterhaltungsrobotern im Pflegeheim, bevor es um richtig große Maschinen geht, die Autos zusammensetzen oder Waldbrände bekämpfen. Die Beispiele finde ich eigentlich gut gewählt, allerdings frage ich mich, wie viele Kinder aus der zwei- bis vierjährigen Zielgruppe die genannten Roboter wirklich schon in Aktion gesehen haben. In Cafés, Büchereien und Pflegeheimen sind selbst mir bislang keine begegnet und nach wie vor besitzt nicht jeder die genannten Haushaltshelfer. Meine Kinder finden das Buch nicht uninteressant, aber man merkt, dass ihnen der Bezug fehlt – auf andere Titel der Reihe reagieren sie viel lebhafter. Vielleicht doch erst etwas für Vierjährige oder Kinder, die zumindest ein oder zwei der genannten Geräte aus ihrem Alltag kennen. Ansonsten sind die Texte gut verständlich und die Illustrationen wie immer sehr klar und ansprechend. Nur die Klappen kamen uns mitunter etwas schwierig zu öffnen vor – bei einigen war leichte Gewalt nötig, was man ihnen jetzt leider auch ansieht.

Bewertung vom 16.06.2025
Hello Baby
Eui-kyung, Kim

Hello Baby


sehr gut

Unerfüllter Kinderwunsch

Das farbenfrohe Cover und der fröhliche Titel „Hello Baby“ täuschen: Dieser Roman handelt von Sehnsucht, Trauer und Verzweiflung. Sechs der Protagonistinnen besuchen dieselbe Kinderwunschklinik und sind dadurch zu einer Art Schicksalsgemeinschaft geworden. Es gibt eine Rahmenhandlung, die alle Frauen zusammenbringt, im Fokus stehen jedoch Lebensweg und Kinderwunsch(behandlung) jeder Einzelnen.

Autorin Kim Eui-kyung eröffnet im Nachwort, dass sie selbst Patientin in einer Kinderwunschklinik war. Sonst hätte sie dieses Buch, das nicht nur die damit einhergehende Gefühlsachterbahn, sondern auch das medizinische Vorgehen an sich detailliert schildert, sicher nicht so schreiben können. Noch trostloser als die Termine im Kinderwunschzentrum mutet allerdings das Privatleben der Frauen an, obwohl sich die meisten in liebevollen Beziehungen befinden. Doch sie stehen unter enormen Druck: Die Sehnsucht nach einem Baby und die kostspielige Behandlung sind das eine, doch in den meisten Fällen warten auch die Schwiegereltern dringlichst auf ein Enkelkind und haben keine Scheu, wöchentlich nachzufragen. Auf der Arbeit ist der Druck dagegen ganz anders geartet: Hier werden hundertprozentige Leistung erwartet. Sowohl Mutterschutz als Elternzeit scheint es zwar auch in Südkorea zu geben, doch der Roman schildert es als verpönt, von diesen Rechten Gebrauch zu machen und erwähnt Mobbing durch kinderlose Arbeitskolleg*innen. Schon die Zeit für die vielen Arzttermine, die eine Kinderwunschbehandlung mit sich bringt, ist kaum freizuschaufeln, und natürlich spricht man nicht offen über den Grund für die Untersuchungen. Mich hat das sehr deprimiert, da es offensichtlich bittere Realität ist.

Und dann ist da noch die siebte Protagonistin, Seolju Choi: Sie hat drei Kinder; offenbar eine Anzahl, über die hinter ihrem Rücken bereits getuschelt wird. Ausgerechnet ihre Mutter und Schwiegermutter sind nicht besonders erpicht auf ihre Enkel, ihren Beruf hat sie aufgegeben, da sie nicht beides für sich zufriedenstellend vereinbaren konnte. Ihr Mann bietet zwar finanzielle Absicherung, jedoch keine emotionale Unterstützung. Und so ist auch diese Frau unglücklich. Die nebenbei eingestreute Information, dass Südkorea eine der niedrigsten Geburtenraten weltweit hat, erstaunt kaum noch.

„Hello Baby“ ist kein fröhliches Buch, aber ein wichtiges. Die Autorin berichtet, wie unsichtbar Kinderwunschbehandlungen für das Umfeld betroffener Paare oft bleiben – als wären sie ein Makel, den man besser für sich behält. Und so kann diese ohnehin schwierige Zeit auch noch ziemlich einsam werden. Hier haben die sechs Protagonistinnen mit Kinderwunsch ein Gegenmittel gefunden: Im „Hello Baby“-Chat geben sie sich Ratschläge, aber auch Halt. Und so sind dieser Chat und die Gemeinschaft der Frauen ein kleiner Hoffnungsschimmer.

Während der Lektüre war ich sehr froh, in einem Land zu leben, in dem Frauen freier in ihrer Lebensgestaltung sind, die gesellschaftlichen Erwartungen nicht dermaßen hoch und das familiäre Leben nicht so traditionell geprägt. Doch eine Kinderwunschbehandlung ist auch hier kein Spaziergang. Darüber zu reden und das Ganze zu normalisieren, kann Betroffenen nur helfen. Kim Eui-kyung leistet einen Beitrag dazu, indem sie dem Thema mehr Sichtbarkeit gibt.

Bewertung vom 14.06.2025
Vorsehung
Moriarty, Liane

Vorsehung


sehr gut

Starker Anfang, starkes Ende und ein dahinplätschernder Mittelteil

Eine ältere Dame steht während eines Fluges auf, um ihren Mitreisenden Todesalter und Todesursache zu prophezeien – knapp, präzise und immer schön der Reihe nach. Klingt nach einem erstaunlichen Bucheinstieg? Ist es auch. Autorin Liane Moriarty hebt in knackig-kurzen Kapiteln sechs Menschen und ihre Reaktion auf die Prophezeiung der „Death Lady“ hervor – vom gestressten Familienvater bis hin zum Brautpaar, das noch im Hochzeits-Outfit in die Flitterwochen startet. Die ersten hundert Seiten vergehen dann auch wie im Flug. Doch als dieser vorbei ist und sich die Passagiere in alle Richtungen zerstreuen, lässt auch die Dichte und Spannung der Geschichte merklich nach.

Moriarty springt das ganze Buch hindurch zwischen sieben Protagonist*innen hin und her. Sechs von ihnen haben während des Fluges eine Prophezeiung erhalten, die siebte ist die vermeintliche Hellseherin Cherry. Sie kommt in jedem zweiten Kapitel zu Wort und erzählt rückblickend ihr Leben, was zunächst etwas zusammenhanglos wirkt. Lange fühlte ich mich ihren Mitreisenden viel näher, doch kommen diese nach dem Flug nur noch selten ausführlich zu Wort. Gleichzeitig schwebt ein Damoklesschwert über ihnen: Werden Cherrys Prophezeiungen eintreten? Oder lässt sich das vielleicht sogar aktiv verhindern? Es dauert lange, bis der Roman in die Nähe einer Antwort kommt. Bis dahin plätschert er meist langsam vor sich hin und zerfasert dabei auch sehr, da es zwischen den einzelnen Figuren kaum Schnittstellen gibt. Meinen Lesefluss wurde dadurch etwas gebremst; zudem nervte es mich etwas, dass ich ständig in Sorge um die Figuren war. Am Ende allerdings zeigt die Autorin wieder, was sie eigentlich kann, führt lose Enden zusammen, schließt Kreise, enthüllt verblüffende Verbindungen und hält auch einiges elegant in der Schwebe. Zwischenzeitlich habe ich es für unmöglich gehalten, dass „Vorsehung“ ein mich zufriedenstellendes Finale haben könnte, aber voilà: Es hat mich sogar begeistert. Und so ist der Roman eigentlich ein Fünf-Sterne-Buch mit einem dreieinhalb bis vier Sterne Mittelteil. Doch selbst, wenn letzterer Längen hat – Moriarty schafft es, alle sehr unterschiedlichen Charaktere authentisch, verletzlich und nahbar darzustellen. Niemand bleibt blass, alle sind richtig gut ausgearbeitet, auch wenn ich mir oft gewünscht hätte, mehr über Einzelne zu erfahren. Insgesamt bin ich froh, am Ball geblieben zu sein – und das Buch trotz Cover und Titel gelesen zu haben, beides hat mich nämlich eigentlich nicht angesprochen. Denkt man allerdings an den Schmetterlingseffekt, ist das Bild auf dem Buchumschlag gar nicht so beliebig wie gedacht. Wieder mal ein schöner Fall von „Don’t judge a book by its cover.“

Bewertung vom 15.05.2025
Das einzig wahre Benimmbuch für Kindergartenmonster
Löwe, Kerstin

Das einzig wahre Benimmbuch für Kindergartenmonster


sehr gut

Ganz schön frech

Kindergartenmonster Alfred kommt super-selbstbewusst daher – kein Wunder, geht es doch nach eigenen Angaben schon mindestens hundertzehnig Jahre in den Kindergarten! Seine Leserinnen und Leser spricht Alfred mit „kleines Pupsi“ an. Und zählt dann Doppelseite für Doppelseite insgesamt zehn Regeln auf, wie man sich als echter Kindergarten-Profi zu benehmen hat. Meine Kinder waren zunächst irritiert, aber auch sofort fasziniert. Vor allem, weil Besserwisser Alfred trotz seiner langjährigen Erfahrung da ziemlich viel falsch verstanden hat …

Die Kindergartenregeln kommen kurz und prägnant daher und sind allesamt das genaue Gegenteil von dem im Kindergarten erwünschten Verhalten. Da sie so selbstbewusst aufgestellt werden, staunten meine Kinder erstmal schweigend. Auf meine Nachfragen: „Ist das bei Euch auch so?“ kam aber ein immer lauteres, lang gezogeneres, fröhlicheres „Neeeeeeeein!“ Auf der letzten Seite steht dann die Aufforderung, Alfred die eigenen/eigentlichen Regeln zu erklären. So lange halten wir es bisher nicht aus und widersprechen Alfred schon vorher Seite für Seite. Das macht Spaß, genau wie die knallbunten Illustrationen mit den vielen unterschiedlich gearteten Monstern (die im Gegensatz zu Alfred alle nett und artig wirken). Ein witziges und ungewöhnliches Buch für Kindergartenkinder, das einen noch einmal anders über den Kindergartenalltag ins Gespräch kommen lässt.