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Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Edda246
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Hamburg

Bewertungen

Insgesamt 99 Bewertungen
Bewertung vom 20.12.2025
Alexander
Schirach, Ferdinand von

Alexander


ausgezeichnet

Anregende, fantasievolle und witzige Parabel!

Alexander lebte in der Antike. Sein Vater war Tuchhändler und ein begabter Zeichner und Maler. Als der Krieg in ihrem Heimatort, Kaliste, ausbrach, musste der Vater an die Kriegsfront. Er ging mit seinen Zeichen- und Malutensilien, die jedoch für einen Krieg nicht brauchbar waren und starb. So auch viele andere Einwohner von Kaliste. Niemand wollte nach dem Krieg jemals wieder von einem Tyrannen beherrscht werden. Die Einwohner bekamen 7 Tage Zeit, zu begründen, wie sie einen neue Regierung aufbauen wollen. Es wurde Alexander ausgewählt, denn „er ist einer, der unschuldig ist, einer der klug ist, aber nichts weiß. Ein Kind“ . Da Alexander der einzige war, der das Rätsel der Sphinx lösen konnte, wurde er erwählt, sich auf die Reise in die Hauptstadt zu machen, um gerechte Gesetze zu finden. So macht sich Alexander auf, Prämissen zu finden, die denen der Menschenrechte und den demokratischen Grundlagen entsprechen.

Es beginnt auch eine persönliche Heldenreise, die Alexander herausfordert und ihm Mut und Klugheit abverlangt, „Niemand kann dir raten, du musst alles allein herausfinden“, sagt der Leuchtturmwärter..„ schlimm ist es nur, das Richtige erst gar nicht zu versuchen“.
So begegnet er den unterschiedlichsten und erstaunlichsten Menschen, die ihm mit ihrem Sosein und ihren Lebenseinstellungen Botschaften vermitteln und ihn zum Überdenken anregen. Und jeder dem Alexander auf seiner Heldenreise begegnet, kann ihn weiterleiten zu einer anderen Person, die Wichtiges beizusteuern hat.

Sehr gut aufgebaut, anschaulich und phantasievoll und unterstützt mit Zeichnungen des Autors. Die Geschichte ist kindgerecht erzählt, erscheint wie ein Märchen, so aus unserer Zeit geworfen doch zeitlos. Sie lässt nicht nur Kinder sondern auch Erwachsene bezaubert und nachdenklich zurück. Trotz der Handlung in der Antike – die Stadt Kaliste gab es wirklich – ist diese Geschichte erfrischend und jederzeit hochaktuell, lässt staunen und berühren und klärt auf ohne zu belehren.
Es gibt ungewöhnliche, Szenen, witzige Beschreibungen, wie den Schaumschläger.
Schön ist die ergänzende Fotografie des Autors als Kind inmitten der von seinem Vater bemalten Wand – so eine hätte ich als Kind auch gerne gehabt. denn gerade als Kind lässt man die Fantasie inspirieren und taucht ein in Welten – so wie es auch in diesem Buch gelungen passiert. Sie zeigt auch Erwachsenen auf, was oft in ihrer Wichtigkeit in Vergessenheit geraten ist auf eine begreifliche und auch heitere Art. Ein besonderes und wichtiges Buch nicht unbedingt nur für junge Leserinnen und Leser.

Bewertung vom 11.12.2025
Was vor uns liegt
Céspedes, Alba de

Was vor uns liegt


ausgezeichnet

Zeitgebunden doch zeitlos – großartig!

In den 1930ger Jahren treffen sich acht junge Frauen in einem katholischen Internat für Frauen in Rom um zu studieren. Das Grimaldi-Konvikt, ist der Ausgangspunkt, der Startpunkt zu Entscheidungen für das spätere Leben der Protagonistinnen. Die Kameradschaft ist zwar notgedrungen, doch die jungen Frauen sind sich sympathisch. Sie setzen sich trotz Verdunkelung aus Stromsparmaßnahmen jeden Abend bei Kerzenschein zusammen, lernen und tauschen sich aus. Alle sind in dem Alter auszubrechen – von der Moral und von den Eltern: mit Lebenshunger, Verliebtheiten, Sehnsüchten und Vorstellungen - und auch von den Regeln des Konvikts ( um 22.00 Uhr schließt das Tor). Sie nannten das Konvikt liebevoll „Nonnenkäfig“ Und die Nonnen wollten ihren Ruf wahren – niemand sollte weglaufen alles sollte normal und anständig sein und bleiben. Doch was liegt vor ihnen – sie wissen es nicht. Das Frau-Werden, Frau-Sein und sich finden ist schwierig.
Und jede der Frauen, Emanuela, Vinca, Augusta, Silvia Milly, Xenia, Valentina und Anna birgt oder hat auch Geheimnisse, die sie nicht äußert und jede hat Beweggründe, warum es sie in das Konvikt verschlagen hat. Allen ist deutlich, dass diese Kameradschaft durch das Leben im Konvikt besteht, doch, sowie eine geht, diese nicht wiederkehrt. „Niemand kehrt zurück“ (direkte Übersetzung des italienischen Originaltitels), nachdem eigene Lebensentscheidungen gefallen sind.

Der Roman beginnt 1934 in Italien. Das faschistische Regime betonte, Frauen seien für Schönheit, Freude und Gehorsam gegenüber dem Ehemann bestimmt. Auch hatten Frauen wenig Zugang zu höherer Bildung – Frauen sollten aus dem Erwerbsleben in die Mutterrolle schlüpfen, die Quote der weiblich Studierenden sank.
Wir sind froh, dass es diese staatlichen Restriktionen in einer Demokratie nicht mehr gibt, doch ist der Roman zeitlos im Hinblick auf die Sehnsüchte und gewählten Entscheidungen der jungen Frauen, die so offen dargestellt sind und in denen ihre Zweifel und Gedanken eingeflochten werden, dass es bewegt und zum Überdenken anregt. Wie können Sehnsüchte mit den finanziellen Möglichkeiten, den eigenen Fähigkeiten, den gesellschaftlichen Erwartungen, den staatlichen Begrenzungen übereinstimmen und welche Lebenswege resultieren daraus?
Dieser Roman zeigt unterschiedliche Facetten und Entscheidungen von eben diesen Empfindungen und Gedankengängen, sensibel und einfühlsam werden die einzelnen Charaktere geschildert. Die eingeflochtenen Rückblenden über Herkunft und Beweggründe der Mitspielerinnen finde ich sehr gelungen und zeigt als Ergänzung ein abgerundetes Bild der damaligen Situation als Frau. Eine spannende Erzählstruktur!
Der Kontrast zwischen den Empfindungen der Frauen und der sie umgebenden Männer dominierten Realität lässt einen mitfiebern und nachdenklich werden, so dass der Roman lange nachhallt.
Für mich große Literatur – mein Buch des Jahres!

Bewertung vom 04.11.2025
Die Kolumne (eBook, ePUB)
Dusl, Andrea Maria

Die Kolumne (eBook, ePUB)


sehr gut

Sehr umfangreich und bereichernd

Andrea Maria Dusl hat den Umschlag illustriert, mit 33 verschiedenen Schreibtischgegenständen bestückt. Eine schöne bildnerische Einführung in dies überaus vielseitige Buch „Die Kolumne in 33 Versuchen“

Eine Kolumne ist ein informeller Aufsatz oder Kommentar und umfasst 800 Seiten.
Nicht zu lang, nicht zu kurz, jede(r) hat schon einmal eine Kolumne gelesen, hat womöglich eine Lieblingskolumne mit Lieblingskolumnisten. Ein spezielles Fachgebiet, der auf witzige, treffende und stilsichere Art von eigenen Beobachtungen und Erfahrungen zum Fachthema berichtet. Dabei ist der Inhalt weniger wichtig – die Form der Ausführung Ist das Entscheidende, lernen wir da darf auch gern mal geschwurbelt werden.
Eine Kolumne, zuerst gebracht in Zeitungen, später im Radio, heute auf den sozialen Medien, gebloggt und im Podcast, ist wiederkehrend an gleicher Stelle oder gleicher Zeit zu lesen, zu hören.
Erst im 19. Jahrhundert wurde die Kolumne populär und hat sich bis heute in anderen zur Verfügung stehenden Medien gehalten, ist für den Leser oder Hörer von wiederkehrendem Interesse, und warum? So Andrea Maria Dusl „ Nicht wir lesen die Kolumne, sondern die Kolumne liest uns“.

Trotz des relativ kleinen Formats von 180 Seiten ist dies eine umfangreiche Abhandlung, von sehr unterschiedlichen Sichtweisen und Aspekten beleuchtet. Sie nennt es Florilegium, eine literarische Anthologie, eine Sammlung von Texten, Zitaten und Weisheiten.
Andrea Maria Dusl, geb. 1961 in Wien, beschreibt zusätzlich bildreich ihre Erfahrungen als Heranwachsende mit den zu der Zeit üblichen Medien, wie Radio oder Zeitschriften bis hin später zu den heutigen sozialen Medien und Chat GPT.
Es ist wohl in diesem Buch alles gesagt, nichts hinzuzufügen, rundum detailliert und umfangreich recherchiert, zitiert und mit eigenen Erfahrungen bestückt.
Keine einfache Lektüre. So einige Fremdwörter waren mir unbekannt.(Bin ich doch als gelegentliche Kolumnistenleserin mit einer Mainstream-Sprache vertrauter)
Sie beschreibt humorvoll und trifft mit vielen Beispielen den Nagel auf den Kopf.

Ich habe dazu gelernt und betrachte oder höre Kolumnen jetzt mit neuer Erfahrung, eben auch analytisch und das ist bereichernd.

Bewertung vom 26.10.2025
Kälter
Pflüger, Andreas

Kälter


ausgezeichnet

Erstklassiger Plot!

Luzy Morgenroth, Dorfpolizistin, ist 50 Jahre alt geworden. Vor 8 Jahren hat sie sich nach Amrum versetzen lassen. Inzwischen hat sie Freunde und Kameraden, kann den Inseldialekt fast verstehen. Doch mit dem Verschwinden eines Mannes auf der Fähre von Föhr nach Amrum ändert sich ihr beschauliches Dasein. Luzy verspricht ihrer Freundin Ali deren verschwundenen Bruder zu finden und stößt auf Dinge, die weit größer sind als ein vermeintlicher Selbstmord auf einer Fähre.
Auch sie ist weit mehr als eine Dorfpolizistin, klärt den Fall spektakulär und verlässt die Insel, um die Hintermänner zu finden, speziell denjenigen den sie den“Weißclown“ nennt. Einen Mann, den sie wiedererkennt trotz seiner Gesichtsoperationen. Luzy erweckt in sich den Raubvogel. Der Roman beschreibt ihre abenteuerliche gegenwärtige Suche sowie in Rückblenden ihr Leben vor Amrum. Sie war für den BKA eine führende Sherpa, eine Personenschützerin für einen deutschen Minister. Knallhart ausgebildet, gnadenlos im Umgang mit Waffen, zögert nicht zu töten.

Gutes Lokalkolorit, man ist durch die sprachlichen Bilder gleich mittendrin im Geschehen.
Andreas Pflüger weiß, wovon er spricht.
Zeiten bis in die 70ger Jahre zurück, RAF, dann vor, während und nach dem Mauerfall lassen diese Abschnitte noch einmal deutlich Revue passieren – und dies mit dem Insiderwissen Andreas Pflügers zum BKA und weltweiten Geheimorganisationen.
(Sogar tauchen Personen aus dem vorangegangenen Roman Wie Sterben geht – auf).

Was mir gut gefallen hat, ist, dass die beschriebenen 80ger Jahre ergänzt werden durch Schlagermelodien und Filme, die damals liefen und die Pflüger passend einschiebt, um ein Geschehen zu unterstützen.
Die Protagonisten sind greifbar, ihr Leben wird erläutert, es sind Personen, die nie überempfindlich, sondern harte Macher sind, wenn es darauf ankommt; lachen, weinen und trauern sind ihnen dennoch nicht fremd. Eine Bandbreite zwischen tiefen Gefühlen und kaltem Waffeneinsatz. Die Figuren sind so ungewöhnlich, dass trotz Empathie dennoch eine Distanz bleibt, die die eingesetzte Gewalt erträgt. Unglaublich ehrliche, herzliche und aufmerksame Beziehung zu Freunden und Verbündeten mit witzigen Gedanken und Dialogen, die klug und treffend sind, ob philosophisch oder das politische Zeitgeschehen betreffen. Andreas Pflüger weiß viel, bringt es mit Humor in die Konversation.
Besonders hat mir der letzte Teil gefallen, großartig, wie sich die Fäden beim Wiener Riesenrad zusammenziehen und dann nach Amrum zurückführen.
Wie immer eine gelungener Thriller, von Protagonisten bis Nebendarstellern, klug und wissend beschrieben mit internationalen Schauplätzen, die farbig einwirken.
Ein Roman, wie die vorherigen von Pflüger, den man aufmerksam lesen, kombinieren und genau erinnern muss, sonst verliert man womöglich den Faden. Doch das wird kaum passieren, denn auch dieser Roman ist so spannend, dass man die fast 500 Seiten mit Hochspannung genießt und kaum zur Seite legt.
Ein nachhallendes Leseerlebnis!

Bewertung vom 19.10.2025
Wie fühlst du dich? (MP3-Download)
Hacke, Axel

Wie fühlst du dich? (MP3-Download)


ausgezeichnet

Treffende Zusammenfassung!

Axel Hacke, Buchautor und Kolumnist, liest selbst mit einer angenehmen vertrauenswürdigen Stimme. Man fühlt sich gleich angesprochen und aufgehoben.

Gefühle leiten durch das Leben. Axel Hacke fühlt, beobachtet und analysiert diese.
Er vergleicht Theorien und Erfahrungen bedeutender Frauen und Männer, stellt Gefühl und Vernunft gegenüber und dies im Wandel der Zeit.

Er spricht von eigenen Erfahrungen und erinnert Zeiten, in denen Gefühle weniger artikuliert wurden. Doch bezieht er seine Gedanken und treffenden Beobachtungen auf die Gegenwart - denn „die Zeiten haben sich radikal geändert“ Es gibt neue Erfahrungen und Erkenntnisse, wie man mit Gefühlen besser lernen kann umzugehen.
Heute gäbe es ein „Psychovokabular“ und die Konsumindustrie wäre ohne Gefühle undenkbar, bemerkt er. Gefühle werden dem Marktdenken unterstellt.

Soziale Netzwerke stellen emotionale Verbindungen her statt unmittelbare und unsere Gefühle sollen den Vorstellungen des Marktes unterworfen werden. Wir sind auf „mehr“ ausgerichtet und alles Alte soll durch besseres ersetzt werden. Durch die gesellschaftlichen hohen Erwartungen ist das Lebensgefühl nie wirklich gut, bemerkt er. Das Tempo der Beschleunigung überfordere den Menschen. Axel Hacke zeigt deutlich auf, spricht von den Strategien der Rechtspopulisten wie der Techmilliardären. Was dort behauptet, wird muss nicht stimmen oder mit den eigenen Gefühlen übereinstimmen.„Haben wir es nicht satt, unsere Gefühle schwerreichen Asozialen zur Verfügung zu stellen?“

Eine Frage, die wir uns täglich stellen sollen: Wie fühlst du dich. Es geht um die Fähigkeit der Reflexion und Eigenständigkeit. Man könne seine Gefühle nicht ändern, aber den Umgang damit. Er beleuchtet Angst, Hass und mehr und bietet Lösungsmöglichkeiten an, die uns selbst betreffen und unseren Umgang mit uns und der Welt.
„ Nur wer die Fallen kennt, die wir uns selber stellen kann sie vermeiden“.

Er stellt all dies dar in einer unterhaltsamen und erfrischenden Weise. Auch ist jeder Satz bedeutsam und vieles regt zum Nachdenken an. Mag es um eigene Erfahrungen mit Gefühlen gehen oder das Nachlesen der vielen Quellen, die er hinzuzieht. Lehrreich, informativ und umfangreich ist der große Schatz von philosophischen literarischen, wissenschaftlichen und künstlerischen Beispielen, die das Buch ergänzen. Er drückt das aus, was viele quält, aber niemand so deutlich und ansprechend formulieren konnte. Mit einer einfachen humorvollen Sprache und einer Stimme, der man sich angesprochen und auch getröstet fühlt, erreicht er die Zuhörer. Ein wichtiges Buch!

Bewertung vom 18.10.2025
Adama
Tidhar, Lavie

Adama


ausgezeichnet

Bewegender und anregender historischer Roman!

Adama -Ein Generationenroman, der auch die Geschichte Israels aufzeigt.
Das Buch ist in Abschnitte aufgeteilt, die die Ereignisse in unterschiedlichen Jahren mit unterschiedlichen Protagonisten einer Familie darstellen.
Die Geschichte umfasst die Zeit von 1946 bis 2009 und beginnt mit Hannah, der Enkelin Ruths, die den Tod ihrer Mutter Esther erlebt und als deren Nachlass ein Kästchen mit Fotografien erhält. Sie fühlt sich trotz Trauer befreit, kann jederzeit die ihr unbekannte Vergangenheit ihrer Vorfahren ansehen, ohne beteiligt zu sein. Ein spannender Einstieg, der neugieríg macht. Doch, was hinter den Fotos steckt ist hochexplosive Geschichte, die verwoben ist mit persönlichem sowie dem Schicksal Israels.
Auf den noch folgenden Seiten wird man geschickt und schnell in die Dramatik des Lebens ihrer Großmutter Ruth geworfen, so dass einem kaum Luft bleibt.

Die Rahmenhandlung kreist um Ruth, die 1946 nach Palästina emigriert. Sie ist eine Überlebende des Holocaust und schließt sich dem (fiktiven) Kibbuz Trashim an, den sie als “Heilige Erde“ - Adama - betrachtet, um sich ein neues Leben aufzubauen.
Eigentum und Arbeitskraft werden gemeinschaftlich geteilt, die Kinder gemeinsam erzogen, eine ideale Lebensgestaltung mit harter Arbeit, um eine bessere Zukunft zu erschaffen. Das ist die Idee, ein Traum. Doch dann rüttelt dort eine gänzlich veränderte Lage auf und schockiert im Jahr 1989; wie hat sich die einstige Vorstellung entwickelt?

Erst Teil 3 erzählt die Geschichte wie es zur Emigration gekommen ist.
Mord, Flucht, verlorene Lieben, Sehnsüchte, Mord zum Überleben, Mord aus Hass, Mord um das Land zu erweitern.
Mehr dramatische Schicksalsschläge als Frieden und Frohsinn peitschen die Geschichte voran, jedoch die Handlungsweisen und Charaktere der Mitspielenden sind nachvollziehbar und farbig gestaltet und erwecken Empathie. Beeindruckende und anregende Verknüpfung von Generationengeschichte stimmt sich ab mit historischen Ereignissen. Die Protagonisten bleiben individuell und greifbar.

1948 ist ganz Galiäa ein Kriegsgebiet. Das Land soll den Juden gehören. „Es gibt kein Adama ohne Dam(Blut)“. Dann der 6-Tageskrieg 1967,der Jom-Kippur-krieg 1973.
Informativ, bewegend, gnadenlos, anhand von Einzelschicksalen bewegend erzählt, ein Plot mit hochdramatischen und abenteuerlichen Situationen, die zu einer Spirale von Konsequenzen führt.

Wie prägen diese Ereignisse die Überlebenden, welche Konsequenzen ziehen sie daraus und wo bleiben ihre Träume? Lavie Tidhar geht dieser Frage nach, alles wirkt real.
Der Kibbuz sollte Vereinigung erschaffen, Gemeinsamkeit - bringt jedoch durch die äußeren Umstände Individuen hervor, die, wenn es darauf ankommt vor nichts zurückschrecken, sei es wegen dem Selbstschutz, der Ideologie oder den militärischen Anforderungen des Staates zur Gebietsverteidigung und -erweiterung.

Das Cover der Originalversion ist ohne das Maschinengewehr abgebildet.
de Getreidezweig weist auf Fruchtbarkeit und Verbundenheit hin.
Das deutsche Cover zeigt ein Maschinengewehr, das gehalten wird mit dem Getreidezweig – dies ist für mich eine gelungene Zusammenfassung der folgenden Ereignisse des Romans.
Lavie Tidhar beschreibt unterhaltsam und gibt sehr viel Stoff zum Nachdenken mit ausdrucksvoller Sprache. ( z.B. „Das Haus verkroch sich in der Dämmerung“). Ich habe mich anschließend noch weiter informiert über Israels Geschichte, denn dieses Buch zeigt auch schonungslos andere Aspekte auf, als die, die mir bekannt waren.

Bewertung vom 14.09.2025
Weißes Licht
Puchner, Eric

Weißes Licht


sehr gut

Schöner Schreibstil mit Längen

Eric Puchner erzählt eine Generationsgeschichte, die in Montana spielt.
Cece bereitet ihre Hochzeit vor und lernt den besten Freund ihres Mannes Charlie kennen. Nach anfänglicher Abneigung verliebt sie sich in Garrett und das Schicksal nimmt seinen Lauf. Cece ist für Garrett so etwas "wie die Rückkehr in die Welt“, was dann zu einer schicksalsträchtigen Entscheidung führt.
Auf über 500 Seiten und 50 Jahren erleben wir die Beziehungen zwischen Cece, Garrett, Charlie und deren Kindern. Der Roman erzählt von Freundschaft, Liebe, Tragödien, Trennungen und Versöhnung.
Gerade anfänglich bezaubert der Roman durch originelle Mitspieler, die für eine gute Unterhaltung sorgen; humorvolle Gedanken, Betrachtungen und Metaphern in witzigen Dialogen bringen Spaß. Die angenehm überschaubaren Charaktere spiegeln eine amerikanische Realität wider, und erwarten keine große Sympathie. Ich empfand eine gewisse Distanz, das mag an den Zeitsprüngen liegen, die Geschehen vorwegnehmen, was sich später aber wieder fügte - ein interessantes stilistisches Mittel. Die Beschreibung ihrer Lebensgeschichte über einen Zeitraum von 50 Jahren ist das Anliegen, ein Generationsroman.
Der Roman ist geschickt konstruiert. Rückblenden und verschiedene Sichtweisen beleben ihn. Eric Puchners Schreibstil ist unaufdringlich und gekonnt. Mir haben besonders die Dialoge sehr gut gefallen, ebenso die beeindruckenden Landschaftsbeschreibungen.
Gerade den Anfang fand ich sehr vielversprechend und beste Unterhaltung mit Esprit, 500 Seiten waren mir aber zu viel – obwohl geschickt aufgebaut und verzahnt, konnte mich weder die Story noch die Mitspieler richtig mitreißen, ich blieb oft distanziert, der Roman war mir zu mühselig lang und ich hätte mir gewünscht, dass er besser nachhallt.
Auffallend ist, dass Eric Puchner gekonnt formulieren und konstruieren kann, was bestimmt viele Leser mitreißt. Mich hat die Story an sich nicht gefesselt.

Bewertung vom 13.09.2025
Die Farbe des Schattens
Tägder, Susanne

Die Farbe des Schattens


ausgezeichnet

Intensive und berührende Wahrheitssuche!

Winter 1992 – Polizeihauptkommissar Arno Groth hat sein Hamburger Revier vor 3 Monaten verlassen, um als Aufbauhelfer Ost ins mecklenburgische Wechtershagen zu ziehen. Anders als in der Großstadt Hamburg ist er mit den Sorgen und Nöten einer Kleinstadt konfrontiert in all der Unsicherheit und Zukunftsangst nach der Wende. Die Menschen müssen sich neu orientieren. Arbeitslosigkeit, Geldentwertung, schwere persönliche Schicksale erwarten ihn.

Doch auch die jungen Jugendlichen sind dabei sich zu orientieren aufgrund der beginnenden Pubertät. Ein 11-jähriger Junge wird vermisst, Matti Beck. Die Becks wohnen in einem 5-stöckigen Plattenbau. Hauptkommissar Groth führt die Ermittlungen. Und da ist Ina, vor Kurzem nach Wechtershagen gezogen; was verschweigt die Taxifahrerin?
Dann taucht ein alter Fall vor 6 Jahren auf – gibt es einen Zusammenhang?

Falsche Fährten schärfen die Sicht auf die damalige Zeit. Spuren, die im Nichts verlaufen, aber für Hochspannung sorgen. Dann bewegt sich die Düsternis und Ungewissheit in der Geschichte, als ein wichtiges, bewusst zurückgehaltenes Ereignis ausgesprochen wird. Jetzt durchzieht die Hoffnung und das Vorankommen. Arno Groth trifft eine persönliche Entscheidung.

Der Hauptkommissar Groth ist sympathisch. Er begreift, obwohl vorher 25 Jahre in Hamburg, wie ein Kleinstädter im Osten angesehen wird. „Die Leute fühlen sich abgeschrieben“.
Der auf den Punkt gebrachte Zeitabschnitt, fast sezierend, zeigt die damalige Realität.

Es ist ein mühsamer aber sehr intensiver Weg der Aufklärung dieses Kriminalfalles. Trübe Stimmung aber eine sehr gründliche Suche. Präzise Beobachtungen und Beschreibungen beleuchten den Roman, schnörkellos werden die Lebenssituationen und das Umfeld aufgezeigt. Treffend ist das Zitat am Anfang von Uwe Johnson: “Die Dämmerung schärft die Lichter“.
Nicht unbedingt das Auffinden des Täters, sondern die genaue Beobachtung und Psychologie der Mitspieler mit deren Begegnungen in deren Umfeld nach der Wende sind maßgeblich für die Spannung in diesem Roman.
Die Erkenntnisse, die den Hauptfiguren neuen Lebensmut vermitteln, das genaue Hinsehen auf den Schmerz und wie jeder damit umgeht, ist berührend. Das Hautnahe wird betont durch die Gegenwartsform des Romans.
Susanne Tägder erzeugt auch mit ihrer flüssigen unabgelenkten Schreibweise einen speziellen Sog, dem man sich nicht entziehen kann.

Für mich ein sehr lesenswerter und berührender Roman, der Zeitgeschichte und Kriminalfall auf eine spannende Weise vereint und lange nachhallt.

Susanne Tägder arbeitete zeitweise auch als vorsitzende Richterin im Karlsruher Sozialgericht.
Sie widmet dieses Buch all jenen, die bereit sind auf der Suche nach Wahrheit selbst der ungewissensten Spur zu folgen.

Bewertung vom 28.08.2025
Dr. No
Everett, Percival

Dr. No


sehr gut

Wortwitzige Verknüpfung von Spionageroman und Sozialkritik

Der Roman fängt schon mit einem Paradoxon an: “Weißt du noch, wann du deinen Geburtstag vergessen hast?“
Würden wir uns an alles erinnern, hätten wir keine Sprache für das Erinnern und Vergessen. Dann wäre nichts wichtig.“
Wala Kitu ist Professor für Mathematik. Experte für das Nichts.
Er trifft auf John Milton Bradley Sill, Milliardär, der ein James Bond Schurke sein will und eine Box, in der das Nichts sein soll in Fort Knox vorhat zu stehlen. Wala Kitu soll ihm dabei helfen und bekommt eine ansehnliche Summe überwiesen. „Ich will ihre ehrliche Verwirrung“ sagt Sill zu Wala. Auch Kitus Kollegin Eigen Vector ist bei dem Abenteuer dabei. Ebenso ein sprechender Hund mit nur einem Bein namens Trigo.
Doch ein Milliardär, der Schurke sein will, tut, was er für nötig hält, eine Moral scheint nicht zu existieren. So macht sich Wala Kitu bald mit Hund und Eigen Vector auf die Flucht und erlebt so einige Begrenzungen und Überraschungen.
Wala Kitu ist 35 Jahre alt, hat das Asperger Syndrom, ist weltfremd, unbedarft und genial. Er verkörpert das Gegenteil von der heldenhaften Vorstellung eines 007, der so alles im Griff zu haben scheint. Hier werden die bekannten James Bond Szenarien auf die Schippe genommen und parodistisch beleuchtet. Alle Klischees werden bedient. Gespickt wir dies mit mathematischen und philosophischen Formeln und Erkenntnissen. Die Konversation ist köstlich und auch teilweise ermüdend, denn „die ehrliche Verwirrung“ liegt beim Leser, versteht man das Wenigste, wenn es um mathematische Fachsimpelei geht.

Doch ist man amüsiert durch den, nicht immer entschlüsselten hintergründigen Wortwitz, der mitunter auch vordergründig ist, wenn z.B. der schwarze Kitu, der noch keinen Führerschein hat, von einem weißen Polizisten angehalten wird und die Situation völlig überraschend endet. Die Hauptdarsteller sind Schwarz. Und ebenso bezeichnend ist in Percival Everetts Romanen sind die Namen der Mitspieler, die jeweils eine Bedeutung haben, mag es eine geschichtliche oder aus anderen Romanen (eigenen oder fremden) entliehene oder wie Wala Kitus Name, der Nichts Nichts bedeutet. Eigen Vector ist ein Vector, der sich immer in eine Richtung bewegt. „Dinge müssen bezeichnet werden, alles was kein Ding ist, hat keinen Namen“, ist quasi ein Nichts.
Ein sprühendes, intelligentes Feuerwerk an Ideen und komischen und absurden Situationen. Bis zum Schluss weiß man nicht, was für eine Verbindung zwischen Wala Kitu und John Sill besteht und der Leser atmet auf, dass nicht auch Wala Kitu - wie ein Nebenbuhler, ebenso wie eine Kleinstadt im Nichts verschwindet, als hätte er nicht existiert.
Man genießt den Roman durch die einzelnen Gespräche und Kuriositäten: alles zu hinterfragen ist nicht das Anliegen. Es kommt der Spaß rüber, den Percival Everett offensichtlich beim Schreiben seines Romans hatte. Zum Nachdenken anregend ist die sozialkritische und politische Komponente.

Bewertung vom 20.08.2025
Das glückliche Leben
Foenkinos, David

Das glückliche Leben


ausgezeichnet

Beeindruckend – erstklassige Unterhaltung!

Amélie Mortiers, eine , nach Jahren wieder aufgetauchte Schulfreundin, macht Eric ein berufliches Angebot.
Eric Kherson, 40 Jahre alt, bislang erfolgreich und geradlinig in seinem Job, bemerkte in der letzten Zeit eine Müdigkeit und schleichende Depression. Er nimmt, zu jedermanns Überraschung, das Angebot an, fortan für die französische Regierung zu arbeiten,
Eric übt für Amélie den“Zauber des Unauffälligen aus“, er würde, meint sie “das entsprechende Fingerspitzengefühl“ für den neuen Job mitbringen.
Als Eric später in Seoul eine wichtige Präsentation vortragen soll, verpasst er den Termin und dies ist der Moment, wo sich sein Leben noch einmal ändern sollte und zwar grundsätzlich. Eric erkennt, was im Leben wirklich wichtig ist und setzt sich in Frankreich für dein selbst erlebtes koreanisches Ritual ein.

Das Buch bringt Spaß, denn Eric führen viele Ungewöhnlichkeiten voran, die ihm begegnen und die er tatsächlich annimmt ( wie oft übersehen wir diese wegweisenden Chancen, als Zufälle getarnt).
David Foenkinos kann sehr gut die Zwischentöne einfangen mit einer humorvollen und auf den Punkt gebrachten Sprachfertigkeit. Man vertraut dem Autor sofort aufgrund seiner Lebensklugheit und lässt sich gerne literarisch weiterführen mit dem Protagonisten Eric. Man ahnt fast, dass es gut ausgeht – das beruhigt. David Foenkinos holt den Leser ab und fängt ihn auf. Die Distanz zum Geschehen ist genau richtig und macht den Protagonisten sympathisch - vor allem auch die humorvolle und menschenliebende Sprachwahl „ der Zauber des Unauffälligen“ oder (über Amelie) „ Eric erkannte allmählich, dass die unermüdliche Inszenierung des Glücks die Aussicht auf einen Abgrund bot!“ Kleine, fast nebensächliche Andeutungen heben die Spannung und führen voran. Der Roman ist sehr anregend, sehr unterhaltsam und auf eine sanft eindringende Weise nachhallend. Ein wunderbares Leseerlebnis!