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Benutzername: 
nad_uebel
Wohnort: 
Magdeburg

Bewertungen

Insgesamt 58 Bewertungen
Bewertung vom 05.04.2025
Tausend ungesagte Worte
Louis, Lia

Tausend ungesagte Worte


ausgezeichnet

Millie Chandler arbeitet als Empfangsangestellte bei einem bekannten Sport-TV-Sender. Sie fliegt eher unter dem Radar, möchte nicht auffallen, hat ein geringes Selbstbewusstsein und ist leicht chaotisch. Nie würde sie jemandem ihre ehrliche Meinung sagen, aus Angst Aufsehen zu erregen oder die Gefühle ihres Gegenübers zu verletzen. Stattdessen schreibt sie ihre Gedanken, ihren Kummer und ihre Wut in E-Mails nieder, die sie aber niemals abschicken würde. Für Millie sind ihre E-Mails so etwas wie eine Art Tagebuch.

"Ein Beichtstuhl. Eine unheimliche Gruft ungesagter Dinge; Dinge, von denen ich wünschte, ich könnte sie sagen, Dinge, die ich wirklich, wirklich sagen will, aber nicht ausspreche, um ein friedliches Leben zu führen. Ohne Drama. Ohne Risiko. Ohne Blicke auf mich zu ziehen." (S. 16)

Doch eines Tages werden Millies E-Mails ohne erklärbaren Gund verschickt - an ihren Chef, an Arbeitskollegen, an ihre besten Freundinnen, an ihren Ex-Freund, an ihre Mutter... Insgesamt über 100 Stück. Alles was Millie gern tun würde, ist sich zu verkriechen und die Zeit zurückzudrehen. Wie soll sie diesen Schlamassel nur wieder in Ordnung bringen?
Nach und nach erfahren wir, wer die Adressaten von Millies E-Mails sind und wie diese darauf reagieren. Aber gibt es wirklich nur negative Reaktionen? Und steht sie mit diesem Schlamassel ganz allein da?

Die Autorin hat Millies Gefühlswelt, vor allem ihre Verzweiflung aber auch ihre Weiterentwicklung und die Beziehung zu ihren Freunden nachvollziehbar beschrieben. Der Schreibstil war flüssig, leicht und humorvoll. Ein paar Längen gab es vor allem in der ersten Hälfte des Buches. Aber diese waren schnell vergessen, als die kleine Liebesgeschichte an Fahrt aufgenommen hat. Diese hat mir sehr gut gefallen, das Knistern konnte ich förmlich spüren.

Alles in allem ein toller Roman mit Unterhaltungsfaktor.

Bewertung vom 05.04.2025
Wie du mich ansiehst
Lohmann, Eva

Wie du mich ansiehst


sehr gut

"[...] man altert nicht über Nacht, und trotzdem, da ist etwas in den Gesichtern, für das Johanna nur ein einziges Wort einfällt. Wir sind alle erschüttert, denkt sie." (S. 49)

Auf einmal sind sie da, die tiefen Falten an und zwischen den Augen oder an den Mundwinkeln und erst die hängenden Wangen. Irgendwann schaut man sich im Spiegel an und fragt sich, wann das passiert ist, wann hat sich das Gesicht so abrupt verändert.

So ergeht es auch Johanna, deren Zornesfalte zwischen den Augenbrauen sich nicht mehr wegschminken oder ignorieren lässt. Von ihrem Ehemann Hendrik, der als Kapitän oft für längere Zeit abwesend ist und Johanna mit ihrer Teenager-Tochter, dem Haushalt und ihrem Blumenladen allein lässt, wird sie auch nicht mehr richtig angeschaut. Geschweige denn von anderen Männern. Johanna fühlt sich zunehmend unsichtbar für das männliche Geschlecht. Aber warum stört sie die Unsichtbarkeit und das Altern auf einmal? Was kann Frau dagegen tun? Sollte Frau überhaupt etwas dagegen unternehmen? Und für wen macht Frau das dann wirklich? Für sich selbst oder doch für die anderen? Und wie weit ist man bereit zu gehen?

"Alle wünschen sich, schön zu sein - aber niemand will sich bei diesem Wunsch erwischen lassen." (S. 72)

"Schönsein ist absolut akzeptiert, Schönsein-wollen seltsamerweise nicht." (S. 175)

Eva Lohmann setzt sich kritisch mit den eigenen Erwartungen an den Körper und das Altern auseinander. Mit Johanna hat sie eine Protagonistin erschaffen, mit der sich Leserinnen problemlos identifizieren können. Sehr lesenswert!

Bewertung vom 25.03.2025
Die Tochter des Serienkillers / Die Familie des Serienkillers Bd.2
Hunter, Alice

Die Tochter des Serienkillers / Die Familie des Serienkillers Bd.2


sehr gut

Jenny hat alles, was sie sich gewünscht hat: einen fürsorglichen Ehemann, zwei süße Kinder, sie übt einen Beruf aus, der ihr Freude macht, ihre Tierarztpraxis läuft gut und das Team versteht sich. Aufgrund ihrer Vergangenheit hat sie mit Schlafstörungen und Blackouts zu kämpfen, nach denen sie nicht weiß, ob und was sie getan hat. Nicht mal Jennys Mann Mark kennt die ganze Wahrheit über ihre Vergangenheit. Als auf einmal Müllsäcke mit verstümmelten Tieren vor ihrer Haustür stehen, kommt Jennys Leben ins Wanken. Wer stellt ihr diese Scheußlichkeiten vor die Tür? Weiß jemand über ihre Vergangenheit Bescheid? Oder war sie es, die den Tieren etwas angetan hat?
Als dann auch noch Olivia verschwindet, eine Frau aus dem Dorf, mit der Mark eine Affäre hatte, überschlagen sich die Ereignisse. Das Misstrauen und auch die Geheimnisse zwischen Jenny und Mark werden von Tag zu Tag größer. Kann das eine Ehe aushalten? Wer hat es auf Jenny abgesehen? Oder war sie es selbst?

Wir verfolgen diesen Albtraum überwiegend aus der Perspektive von Jenny. Aber auch Mark kommt zu Wort. Ihre Gedanken werden sehr detailliert widergegeben, wodurch sich für mich einige Längen ergeben haben. Ihre Gedankenspiralen spiegeln aber auch ihre innere Zerrissenheit, Angst und Verzweiflung und ihr gegenseitiges Misstrauen wider. Die Autorin beschreibt authentisch, welche Auswirkungen Geheimnisse, Lügen, Zweifel und Vertrauensmissbrauch auf eine Ehe und die gesamte Familie haben können.

Neben Jenny und Mark erfahren wir aus der Perspektive einer unbekannten Frau mehr über Jennys Vergangenheit, insbesondere über ihren Vater, der als verurteilter Serienkiller im Gefängnis sitzt. Welche Rolle spielt sie in diesem Albtraum?

So einige unerwartete Wendungen haben die Spannung durchweg aufrecht erhalten. Trotz der paar Längen hat mich das Buch sehr gut unterhalten. Hier kann ich auch das Hörbuch wärmstens empfehlen.

Der zweite Band dieser Serie hat mir sogar noch ein bisschen besser gefallen.

Bewertung vom 02.03.2025
Knaller-Salate
Bergqvist, Ylva

Knaller-Salate


ausgezeichnet

"Hoppla, da bin ich! Komm und genieß mich in knackigen, mundgerechten Happen."

Ylva Bergqvist ist eine schwedische Köchin und Foodbloggerin, die in ihrem Buch "Knaller Salate" ihre Lieblinge - ihre Interpretation klassischer Salatrezepte mit Hülsenfrüchten, Getreide, Brot, Kartoffeln, Nudeln oder Reis - zusammengestellt hat. Doch Achtung, ihre Salate sind nichts für Minimalisten oder Kalorienzähler, denn bei ihr gehört ein geschmackvolles Dressing dazu.

Das Buch beginnt mit einer kurzen Einführung in die Themen Salatsorten, Dressing - seine Bestandteile und Aromen - sowie mögliche Zutaten, die sich zur Kombination eignen.
Dann folgen die Salatrezepte. Den Anfang machen die unklassischen Klassiker, wie z.B. Caesarsalat mit Hühnchen, Caprese auf Burrata mit Pfirsich oder Griechischer Salat mit frittiertem Fetakäse. Es folgen Salate mit knackigen Körnern und herzhaften Linsen, wie z.B. Zucchini an Zitronendressing mit Linsen und honiggebackenem Fetakäse, Gelbe Rüben mit Ziegenkäse, Nüssen und Quinoa oder Grünkohlsalat mit Süßkartoffel und Halloumi. Wer gerne Nudeln oder Reis in seinen Salat mischt, darf sich über Ungerollte Frühlingsrollen mit Zitronengrashühnchen, Regenbogen-Bowl mit Garnelen und Kokosdressing oder Nuggets mit Erdnusssoße in Salatschiffchen freuen. Aus der Kombination von Salat mit knusprigem Brot oder Kartoffeln können üppige Salate wie Lauwarme Zitronenkartoffeln mit Tsatsiki oder Fattoush mit brauner Butter und Tahini-Joghurt hervorgehen. Salat darf auch mal warm sein? Dann ist der Warme Salat mit Roquefort-Dressing und Honignüssen oder Spargel mit Miso-Butter und Knoblauchpanko genau das Richtige. Soll der Salat nur als Beilage dienen, bieten sich folgende Varianten an: Rotkohl mit Rote Beete und Meerrettichcreme, Green Goddess oder Asiatischer Coleslaw. Doch Salat geht nicht nur herzhaft, sondern auch süß: Sommerbeeren und Nektarinen mit Cookie-Streuseln oder Exotische Früchte mit Curd Joghurt. Zu guter Letzt werden die zu den Salaten passenden Dressings aufgelistet.

Jedem Salatrezept ist ein kurzer Infotext zu Variationsmöglichkeiten vorangestellt. Die Zutaten sind übersichtlich aufgeführt und die Zubereitungsschritte nachvollziehbar beschrieben. Die Fotos sind sehr ansprechend und überzeugen sicher jeden noch so großen Salatmuffel.

Wir haben bisher den Kartoffelsalat mit Dill, Salzgurken und Dressing aus brauner Butter mit Kapern ausprobiert und das schon mehrmals. Sehr lecker!

Bewertung vom 02.03.2025
Love Me Like It's Yesterday
Käppler, Juliane

Love Me Like It's Yesterday


sehr gut

Aufgrund schlechter Erfahrungen in der Vergangenheit hat Juno nicht nur ihrem Handy und dem Internet, sondern auch gleich dem Radio und Fernsehen abgeschworen. Informations- und kommunikationstechnisch ist sie dadurch von der Außenwelt abgeschnitten. Ihre Familie und Freunde wissen, dass Juno nur über das Festnetztelefon in ihrer Werkstatt zu erreichen ist. Während ihrer Arbeit als Möbelrestauratorin hört sie die Schallplatten ihres Opas und Tapes aus den 80ern.

Im Gegensatz zu Juno ist Taro in der digitalen Welt zu Hause und verdient als Influencer und Dating-Coach auf YouTube sogar seinen Lebensunterhalt damit. Aufgrund einer Wette versucht Taro bei Juno seine Flirttipps anzuwenden, ohne zu ahnen, dass ihre digitale Abstinenz ihn vor eine große Herausforderung stellen wird.

Die Autorin hat eine leichte Liebesgeschichte mit äußerst liebenswerten und vielschichtigen Charakteren geschaffen, deren Gedanken, Gefühle und Entwicklung sehr gut nachvollziehbar sind. Juno, die den ihr anvertrauten Möbeln Namen gibt oder ungewöhnliche Wortfindungen auf Astquerschnitte brennt, mochte ich sehr. Besonders hat mir "Sehnseufzen" gefallen, was so viel wie "Das Ziehen im Herzen, das sich einstellt, wenn man einer Person seine Zuneigung mitteilen möchte, dies aber nicht wagt." (S. 357) bedeutet. Oder auch "Bittergramig" - "Das simultane Empfinden von Wut und Traurigkeit, Enttäuschung und Verzweiflung." (S. 488).

Die Beschreibungen, wie Möbel restauriert werden, fand ich gut recherchiert und interessant. Da bekommt man glatt Lust, selbst ein altes Möbelstück aufzupolieren.

Dass das Leben bzw. der Broterwerb als YouTuber nicht immer einfach ist, wird an Taro recht deutlich. Vor allem wenn man seinen Prinzipen treu bleiben und nicht seine moralischen Bedenken aufgrund der im Internet herrschenden Anonymität über Bord werfen will.

De Roman greift wichtige Themen unserer heutigen Zeit auf: Cyber-Mobbing, digitale Abhängigkeit, die Auswirkungen von Fake News, Digital Detox.
Der Schreibstil ist flüssig, die Geschichte ließ sich sehr gut lesen. Leider war sie mir an vielen Stellen zu detailliert auserzählt, hier wäre weniger mehr gewesen. Das Buch hätte für mich gern um die 100 Seiten kürzer sein können. Das hätte die Geschichte meiner Meinung nach nicht geschmälert.

Gut gefallen hat mir noch, dass die Protagonisten bereits Mitte 30 sind und die Handlung in einer meiner Lieblingsstädte, nämlich Leipzig, spielt.

Bewertung vom 02.03.2025
Der längste Schlaf
Raabe, Melanie

Der längste Schlaf


ausgezeichnet

Die Schlafforscherin Mara Lux leidet selbst seit ihrer Kindheit an Schlaflosigkeit. Sie hat Angst sich dem Schlaf hinzugeben, da ihre Träume besonders, bedrohlich und z.T. folgenschwer sind. Mara, die seit vielen Jahren in London lebt, soll von einer anonymen Person das Herrenhaus Limmerfeldt in einer Kleinstadt in Deutschland geschenkt bekommen, ihrem Heimatland. Neugierig geworden, geht Mara auf Reisen und entdeckt, dass sie viel mehr mit dem Haus und dem Ort verbindet, als sie ahnt.

Wow! Was für ein tolles Buch! Schon lange hat mich keines mehr so gefesselt, mir Gänsehaut- und Schreckmomente beschert. Ganz große Leseempfehlung!

Bewertung vom 09.02.2025
Super einsam
Weil, Anton

Super einsam


sehr gut

Vito, Mitte 20, chronisch pleite, hangelt sich von Job zu Job, gibt sich regelmäßig dem Alkohol hin und driftet in seinen Gedanken weit von der Realität ab. Er führt Gespräche, durchspielt ganze Situationen, bei denen es schwierig ist, nachzuvollziehen, was in seinem Kopf und was im realen Leben geschieht.
Die Bezeichnung "trauriger Clown von Kreuzberg" passt zu ihm, da seit dem Tod der Mutter sein ganzes Wesen und Leben von Trauer und Einsamkeit durchzogen ist. Den Verlust der Mutter hat Vito bis heute nicht verarbeitet. Das Verhältnis zu seinem Vater ist kompliziert; Gefühle zeigen und körperliche Nähe zulassen ist bei beiden nicht drin. Dabei will Vito doch nur eins - in den Arm genommen werden. Seine letzte Beziehung ist vor Kurzem in die Brüche gegangen und steckt ihm noch eiskalt in den Knochen.
Seitdem taumelt er durch die Welt, seinen Platz hat er noch nicht gefunden. Seine Trauer und Einsamkeit sowie sein Wunsch nach Zugehörigkeit sind auf jeder einzelnen Seite zu spüren. "Melancholia Reloaded"!

Obwohl ich mich überhaupt nicht mit Vito identifizieren konnte, habe ich ihn gern auf seiner holprigen und wilden Reise begleitet.

Bewertung vom 08.02.2025
Für immer
Lunde, Maja

Für immer


sehr gut

Die Zeit steht überall auf der Erde still - zumindest für die Menschen. Ab jetzt heißt es, niemand wird älter, niemand wird geboren. Zumindest für einen Teil der Menschen klingt das doch nach einem puren Glücksfall, oder?

Auf jeden Fall gut für Jenny, die unheilbar an Krebs erkrankt ist und eigentlich die gewonnene Zeit mit ihrem Ehemann und den beiden Söhnen verbringen könnte.
Auch gut für das Rentnerehepaar Otto und Margo, die ihr Rentnerdasein in vollen Zügen genießen könnten, wenn sie doch die gleichen Interessen teilen würden. Während Margo seiner überdrüssig wird, findet Otto weiterhin Sinn und Trost in seiner Gartenarbeit.
Nicht so gut für Jakob und seine schwangere Freundin Lisa, deren Kind in der 25. SSW aufhört, sich weiterzuentwickeln.

Welche Auswirkungen hat dieser Stillstand auf den Einzelnen und auf die Gesellschaft insgesamt? Die Autorin arbeitet gut heraus, wie die Menschen mit der gewonnen Zeit umgehen - sowohl positiv als auch negativ. Die Einen sehen den Stillstand als Geschenk an, die anderen benötigen den Tod um ihr Leben zu organisieren und zu strukturieren. Und natürlich treten auch hier Verschwörungstheoretiker auf den Plan, auf die ich gern hätte verzichten können.
Ich hätte mir gewünscht, dass die Auswirkungen auf die Gesamtgesellschaft nicht nur angerissen, sondern mit mehr Tiefe betrachtet werden. Die Menschen benötigen kein Essen und Trinken sowie so gut wie keinen Schlaf mehr. Was macht das mit der Wirtschaft, mit den Berufen, den Ladengeschäften? Worin sehen die Menschen einen Sinn in ihrem Leben oder auch nicht? Wie soll das Rentensystem weiterhin funktionieren?

Auch die Lösung zum Beenden des Stillstands hat mich nicht überzeugt und wäre in der Praxis niemals konsequent umsetzbar gewesen. Hier hätte ich mir gut ein offenes Ende vorstellen können.

Das Buch hat mich auf jeden Fall sehr gut unterhalten und zum Nachdenken angeregt. Eine tolle Grundidee, bei deren Umsetzung ich mir jedoch mehr oder etwas anderes erhofft habe. Meine persönliche Quintessenz ist, dass der Tod zum Leben dazu gehört und dieser dem Leben erst einen Sinn gibt.

Bewertung vom 02.02.2025
Drei Tage im Juni
Tyler, Anne

Drei Tage im Juni


gut

Gail und Max, beide bereits Anfang 60 und seit vielen Jahren geschieden, müssen aufgrund der Hochzeit ihrer Tochter Debbie mehr Zeit und Raum miteinander teilen, als von beiden von vornherein beabsichtigt. Denn Max bringt eine Katze mit, weshalb er nicht bei seiner Tochter und ihrem Bräutigam in spe Kenneth unterkommen kann, da dieser eine Katzenallergie hat, von der seine zukünftigen Schwiegereltern trotz 1 1/2 jähriger Beziehung zu ihrer Tochter keine Ahnung hatten. Also raufen sich Gail und Max für drei Tage in Gails kleinem Haus zusammen, kümmern sich um die Katze, bekochen sich gegenseitig und reden ständig aneinander vorbei. Wir erhalten Einblicke in die Vergangenheit - über ihr Kennenlernen, ihr Eheleben bis hin zu den Gründen ihrer Trennung.

Nebenbei bereiten sich alle auf die Hochzeit vor, die dank Kenneths Eltern und ihrem Anspruch ausufernder ausgefallen ist, als sich Debbie gewünscht hatte. Einer der schönsten Tage im Leben eines Paares wird relativ gefühllos über die Bühne gebracht; scheinen sich die Brautfamilien nicht wirklich gut zu kennen oder zu mögen bzw. liegen Welten an Ansehen, Geld und Stil zwischen ihnen.

Überhaupt mochte ich die meisten Protagonisten der Geschichte nicht - bis auf Max und seine ehemalige Schwiegermutter Joyce. Sie waren wirklich erfrischend. Gail war mir unsympathisch, neigt sie doch eher dazu, negativ auf das Leben zu blicken. Debbies Verhalten ihrer Mutter gegenüber habe ich als unpassend oder besser gesagt traurig empfunden. Zu ihrem Vater scheint sie ein besseres Verhältnis zu haben.

Eine solide Geschichte, die ich gut lesen, mich aber nicht begeistern konnte.

Bewertung vom 26.01.2025
Die Zeit im Sommerlicht
Laestadius, Ann-Helén

Die Zeit im Sommerlicht


ausgezeichnet

Nachdem sich die Autorin in ihrem ersten Roman "Das Leuchten der Rentiere" mit den Problemen und der Diskriminierung schwedischer Rentierzüchter auseinandergesetzt hat, erzählt sie in ihrem zweiten Buch "Die Zeit im Sommerlicht" über die Erfahrungen samischer Kinder, die im Grundschulalter von ihren Familien und ihrer gewohnten Umgebung getrennt und in sog. Nomadenschulen (Internatsschulen) gesteckt wurden. Dort durften sie alles, was sie und ihre Kultur bisher ausgemacht haben, nicht mehr ausüben: sie durften kein Samisch sprechen, sie mussten stattdessen Schwedisch lernen; ihre samischen Namen wurden in schwedische Namen umgewandelt; ihr Jojk - der traditionelle samische Gesang - wurde verboten und galt als Sünde.

So begleiten wir die Kinder Else-Maj, Jon-Ante, Anne-Risten, Marge und Nilsa Anfang der 50er Jahre durch ihre Schulzeit, die durch die "Schreckensherrschaft" der Hausmutter Rita Olsson noch verschlimmert wurde. Diese übte körperliche und psychische Gewalt an den Kindern aus. Wer nicht gehorchte, wurde verprügelt und körperlich misshandelt. Die bedrückende Stimmung, die durch die Angst, Wut, Verzweiflung und Trauer in dem Internat herrschte, war beim Lesen spürbar und hat mir die Kehle zugeschnürt. Wie oft hätte ich Rita Olsson gern geschüttelt und ihr all das angetan, was sie mit den Kindern getan hat. Bei all diesen negativen Erfahrungen ist es nicht überraschend, dass diese Auswirkungen bis ins Erwachsenenalter haben.
30 Jahre später erhalten wir einen Einblick in das Erwachsenenleben von Else-Maj, Jon-Ante, Anne-Risten, Marge und Nilsa. Was ist aus ihnen geworden? Wie haben sie die Erfahrungen in der Nomadenschule verarbeitet? Konnten sie dies überhaupt?

Nach Angaben der Autorin erzählt sie zwar eine fiktive Geschichte, die aber auf realen Gegebenheiten beruht. Dabei konnte sie auf die Erfahrungen, Berichte und Unterstützung ihrer Mutter zurückgreifen. Auch in ihrer Familie wurde die schreckliche Zeit in der Nomadenschule und die damit verbundenen Geschehnisse totgeschwiegen.

Ein spannender und eindringlich erzählter Roman über die Samen, den ich sehr gern weiterempfehle!

Nur die deutsche Übersetzung des Titels - auf Schwedisch heißt das Buch "Straff" (Strafe) - ist wie schon beim ersten Roman unpassend und nicht dem Thema entsprechend gewählt.