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Frankfurt

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Insgesamt 812 Bewertungen
Bewertung vom 07.12.2025
Der brennende Garten
Ganeshananthan, V. V.

Der brennende Garten


ausgezeichnet

V. V. Ganeshananthan gehört zu jenen Autorinnen, die politische Geschichte nicht einfach erzählen, sondern literarisch beleuchten, als würde sie unter der Oberfläche einer persönlichen Erinnerung nach glühenden Splittern suchen – und genau diese Funken schlagen in Der brennende Garten (aus dem Amerikanischen von Sophie Zeitz) unentwegt über.
Dieser Roman ist eine Wucht – nicht laut, nicht reißerisch, sondern eindringlich, vielstimmig und atmosphärisch dicht wie ein monsunfeuchter Morgen in Jaffna. V.V. Ganeshananthan gelingt das Kunststück, ein zutiefst politisches Thema so intim zu erzählen, dass man die Geschichte weniger liest als miterlebt. Schon Sashis Eröffnungssatz – ein Brief an jemanden, den die Welt als Terroristen verurteilt – öffnet ein erzählerisches Tor, hinter dem die Frage lauert, wem Erinnerung eigentlich gehört.
Wir folgen Sashi von ihrer Jugend in Sri Lanka bis in ihr späteres Leben in New York. Und während sie am Anfang voller Zuversicht ist – Medizinstudium, Vorbilder in der Familie, ein zartes Band zu K aus der Nachbarschaft – setzt der Bürgerkrieg alles in Flammen. Was in warmen, fast flirrenden Farben beginnt, kippt Stück für Stück ins Dunkel: Unterdrückung, Gewalt, Misstrauen, das gefährliche Schachspiel zwischen singhalesischer Mehrheit, tamilischer Minderheit und internationalen Interessen.
V.V. Ganeshananthan zeigt diese Welt nicht mit distanzierender Chronistenstimme, sondern durch Sashis Erinnern. Dieses Erzählen aus der Rückschau erzeugt eine Bitterkeit, eine Schärfe, aber auch überraschend viel Zärtlichkeit – denn die Figuren bleiben nie nur Opfer oder Täter, nie nur richtig oder falsch. Besonders bewegend ist, wie unterschiedlich die Familienmitglieder reagieren: Der eine sucht Schutz in Bildung, der andere in Widerstand, ein dritter in Loyalität zu einer Idee, die größer erscheint als das eigene Leben. Und mitten drin Sashi, die sich weigert, die Welt nur in Schwarzweiß zu betrachten, und deren Kampf für Gerechtigkeit leise, aber kraftvoll ist.
Literarisch beeindruckend ist vor allem die Balance: Die Autorin fügt persönliche Schicksale, reale historische Ereignisse und sprachliche Feinheit zusammen, ohne je den Blick für die menschliche Erfahrung zu verlieren. Ihre Sätze besitzen eine Eleganz, die sich nicht scheut, in Schmerz zu tauchen.
Wer wenig über Sri Lanka weiß, wird hier nicht belehrt, sondern hineingezogen. Der Roman erklärt nicht – er zeigt, er lässt spüren, er zwingt dazu, zuzuhören. Selbst die Szenen in New York, wo Sashi längst in Sicherheit ist, tragen die Schwere der Vergangenheit in sich. Migration erscheint hier nicht als einfacher Neuanfang, sondern als Fortsetzung einer offenen Wunde, die ihren eigenen Rhythmus hat.
Der brennende Garten ist kein Roman, durch den man rast. Er verlangt Zeit, Luft, Pausen. Aber gerade darin liegt seine literarische Größe: Er wirkt nach, er stellt Fragen, er lässt nicht los.
Ein meisterhaft erzähltes Werk voller moralischer Ambivalenz, politischer Klarheit und emotionaler Tiefe – und zweifellos eines der wichtigsten Bücher über den sri-lankischen Bürgerkrieg in der aktuellen Literatur.

Bewertung vom 07.12.2025
Das Dream Hotel
Lalami, Laila

Das Dream Hotel


sehr gut

Wenn selbst unsere Träume keine Zuflucht mehr sind, was bleibt uns dann? Diese Frage durchzieht Laila Lalamis Das Dream Hotel, das zu Recht auf der Longlioste des Women’s Prize for Fiction 2025 steht. In einer nahen Zukunft, die sich beklemmend real anfühlt, hat der Staat gelernt, auch das Unbewusste zu vermessen – und damit das Innerste des Menschen in Daten zu verwandeln.
Sara Tilila Hussein, erfolgreiche Geschäftsfrau, Ehefrau und Mutter, wird am Flughafen verhaftet, weil ihre Traumdaten angeblich ein Risiko darstellen: Sie könnte ihrem Mann gefährlich werden. Kein Verbrechen, kein Motiv – nur ein Algorithmus, der Misstrauen in Wahrscheinlichkeiten gießt. Ihre „Unterbringung“ im sogenannten Dream Hotel – einem ehemaligen Schulgebäude, das nun Hightech-Gefängnis, Forschungslabor und profitables Datenzentrum zugleich ist – wird zum Albtraum aus Formularen, Befragungen und Entmündigung.
Laila Lalami entwirft eine Dystopie, die entfernt an Orwells 1984 erinnert, aber weiblicher, leiser und psychologisch schärfer erzählt ist. Während Überwachung und Angst allgegenwärtig sind, durchzieht den Roman etwas Überraschendes: Hoffnung. Nicht die naive, sondern die trotzige, die überlebt, weil sie sich weigert, aufzugeben. Zwischen Schlafphasen, Protokollen und Träumen formt sich bei Sara eine leise Widerständigkeit – das Wissen, dass Menschlichkeit dort beginnt, wo Kontrolle endet.
Die Erzählstruktur spielt mit Fragmenten – offizielle Dokumente, Sitzungsprotokolle, AGBs, Traumsequenzen – und schafft so ein Netz aus Bürokratie und Emotion. Gerade in diesem Wechsel liegt die Kraft des Romans: Er zeigt, wie leicht Freiheit erodiert, wenn Bequemlichkeit und Sicherheit Hand in Hand gehen.
Und doch bleibt Das Dream Hotel kein trostloses Buch. Es ist ein Roman über das Beharren auf Selbstbestimmung – darüber, dass Hoffnung auch in einem System aus Glaswänden und Schlafsensoren überleben kann. Laila Lalami schreibt kühl und poetisch zugleich, präzise und doch voller Empathie.
Fazit: Ein kluger, eindringlicher Roman über Überwachung, Angst und den Mut, nicht alles als gegeben hinzunehmen. Das Dream Hotel ist weniger ein Albtraum als ein Weckruf – und gerade darin liegt seine Hoffnung.

Bewertung vom 07.12.2025
Mr. Saitos reisendes Kino
Bjergfeldt, Annette

Mr. Saitos reisendes Kino


sehr gut

Lita wächst in einem Leben auf, das vom ersten Atemzug an aus dem Takt der gewöhnlichen Welt fällt. Ihre Mutter Fabiola – eine Frau, die den Tango nicht nur tanzt, sondern im Blut trägt – wirbelt sie durch eine Kindheit, die von Leidenschaft, Chaos und plötzlichen Wendungen bestimmt ist. Als die politischen Verhältnisse ihrer Heimat ihnen den Boden unter den Füßen wegziehen, geraten Mutter und Tochter auf eine abgelegene Insel vor Neufundland: ein Ort, an dem der Wind Geschichten erzählt und die Menschen eher dem Meer vertrauen als ihrem eigenen Glück. In einem alten Seemannsheim, bevölkert von schrägen, aber herzoffenen Gestalten, findet Lita eine neue Welt, die langsam – völlig unerwartet – zu ihrem Zuhause wird. Dort begegnet sie Oona, der gehörlosen Tochter der Gastgeber, deren stille Stärke mehr sagt als jedes Wort. Und eines Tages rollt ein Mann namens Mr. Saito seinen Projektor aus, spannt ein Laken in die salzige Luft und bringt Bilder, Hoffnung und Veränderung auf diese windumpeitschte Insel. Seine Ankunft bleibt nicht ohne Folgen: Für die Bewohner, für Fabiola – und vor allem für Lita.
Was Annette Bjergfeldt daraus formt, ist ein Roman, der weniger eine Geschichte erzählt als ein Leben einatmet. Ihre Sprache hat eine Musikalität, die spürbar macht, dass sie nicht nur Autorin, sondern auch Musikerin ist. Jeder Satz wirkt rhythmisch gesetzt, jede Szene wie ein leuchtendes Bild, das langsam in die nächste überblendet. Man liest und hat das Gefühl, der Roman sei selbst eine Art Wanderkino: lichtdurchflutet, melancholisch, manchmal flackernd, aber immer mit Wärme und stiller Kraft.
Stark ist vor allem die Art, wie Bjergfeldt Emotionen nie breit ausmalt, sondern sie in kleinen, präzisen Momenten aufflammen lässt. Wenn die Inselbewohner in Mr. Saitos Filmen Dinge erkennen, die sie sich selbst nicht zu sagen trauen – unerfüllte Wünsche, verlorene Träume, heimliche Hoffnungen –, dann spürt man, dass Kino hier mehr ist als Unterhaltung: Es ist ein Spiegel, eine Rettungsleine, ein geheimer Raum. Besonders Lita findet im Licht des Projektors etwas, das ihr Leben neu ausrichtet – nicht wie ein Paukenschlag, sondern wie ein langsames, inneres Aufleuchten.
Die Erzählstruktur, die sich in sieben „Wellen“ gliedert, spiegelt nicht nur das Auf und Ab von Litas Lebensreise, sondern schenkt dem Roman einen ruhigen, fließenden Rhythmus. Manche Passagen wirken beinahe träumerisch, als würde man im Gleichklang mit der Brandung lesen. Wer rasante Handlung sucht, könnte hier ungeduldig werden – aber wer sich gerne in atmosphärische Welten fallen lässt, wird sich in diesem Tempo verlieren wie in einem langen Kinonachmittag, der im Dämmerlicht endet.
Was jedoch am stärksten nachhallt, ist dieses Gefühl, dass Familie nicht immer die ist, in die man hineingeboren wird, sondern jene, die einen auffängt, wenn man aufs offene Meer hinaustreibt. Die Freundschaft zwischen Lita und Oona, die exzentrischen Seemänner, der wortkarge Mr. Saito – sie alle werden zu Ankern in einem Leben, das von Anfang an auf Bewegung eingestellt war.
Mr. Saitos reisendes Kino ist ein Roman voller Zwischentöne: melancholisch, warm, humorvoll, poetisch. Ein Buch, das nicht laut ruft, sondern leise bleibt – und gerade deshalb lange im Herzen vibrierend zurückbleibt. Ein großes, stilles Kino, das zeigt, wie sehr Geschichten verändern können. Und wie manchmal schon ein flackerndes Bild auf einem weißen Laken reicht, um ein Leben ins richtige Licht zu rücken.

Bewertung vom 07.12.2025
Lass uns noch bleiben
Luka, Saskia

Lass uns noch bleiben


gut

Manchmal reicht schon ein einziger Straßenzug in Kreuzberg, um ein Gefühl von Zuhause wachzurufen – genau so erging es mir mit diesem Buch. Saskia Luka fängt diese besondere Mischung aus urbanem Chaos und stillen Rückzugsorten so zart ein, dass ich mich sofort wieder zwischen Mehringdamm und Planufer wähnte. Und mittendrin Anna, deren kleines Pflanzenrefugium wie ein grünes Herz im Asphalt schlägt.
Ihr Leben ist ins Wanken geraten, seit ihre Freundin einfach verschwunden ist – ohne Nachricht, ohne Anker, ohne Erklärung. Während draußen das Kiezleben weiterflirrt, zieht Anna sich zurück in ihr Grün, in Töpfe und Triebe, in dieses sanfte Chaos aus Erde und Hoffnung. Es ist ein stilles, verletzliches Anfangskapitel, das wunderbar zeigt, wie man sich an die Dinge klammert, die noch nicht zerbrochen sind.
Was mich sofort berührt hat, war diese liebevolle Nachbarschaftsdynamik. Henning mit seinem Antiquariat – ein Mann, der alte Bücher behandelt, als wären sie scheue Tiere – bietet eine Wärme, die nicht künstlich wirkt, sondern wie echter Kiezalltag: Menschen, die sich nicht aufdrängen und doch da sind, wenn’s dunkel wird.
Und dann wirbelt Alex hinein, so spontan, lebendig und herrlich unberechenbar, dass Anna gar nicht anders kann, als ein kleines Stück aufzutauen. Die beiden brechen schließlich gemeinsam auf, um nach der verschwundenen Freundin zu suchen – eine Reise, die ich viel sanfter, überraschender und emotionaler fand, als ich es erwartet hätte. Kein Roadmovie, eher ein vorsichtiges Wieder-zum-Leben-Finden.
Was diesen Roman für mich so besonders macht, ist seine stille Kraft. Die Geschichte rauscht nicht, sie drängt nicht – sie tastet sich vorwärts. Manchmal langsam, fast zögerlich, aber immer poetisch, warm und mit einem Blick für die kleinen Momente, die man im echten Leben so oft übersieht. Wer Tempo und Drama sucht, landet hier vermutlich nicht im richtigen Regal. Wer aber Geschichten mag, die einen leise anschubsen, statt laut zu rütteln, wird sich wunderbar aufgehoben fühlen.
Für mich ist Lass uns noch bleiben ein Buch, das wie ein Nachmittag auf einem Kreuzberger Balkon wirkt: Ganz unspektakulär – und trotzdem bleibt etwas im Herzen hängen. Eine sanfte Geschichte über Verlust, neue Wege und darüber, wie ein einzelner Mensch reichen kann, um wieder Licht ins eigene Leben zu tragen.

Bewertung vom 06.12.2025
This isn't happiness
Newnham, Mary

This isn't happiness


sehr gut

Dieser Roman brachte mich zum Lachen und zum Durchatmen zugleich…. This Isn’t Happiness von Mary Newnham (wunderbar übersetzt von Johanna Czerny) tat genau das. Der Ton ist leicht, der Humor sitzt, und trotzdem schwingt da eine unterschwellige Schwere mit, die mich erwischte. Dieses eigenwillige Gleichgewicht zwischen Witz und Melancholie fühlt sich an wie der Moment, in dem man lächelt, obwohl man innerlich längst ahnt, dass etwas nicht stimmt. Und genau dort lebt Amy: zwischen Haltung bewahren und Zähne zusammenbeißen. Sehr gelungen!
Ich mochte sie von der ersten Sekunde an. Ihr freundliches, leicht chaotisches „Ich krieg das schon hin“-Mantra wirkt unglaublich nahbar, und gleichzeitig möchte man sie immer wieder schütteln, weil sie Konflikte lieber weglächelt, statt sie auszusprechen. Zum Haare raufen. Besonders die kleinen Alltags-fluchten, mit denen sie versucht, ihre wachsende Unzufriedenheit zu überdecken, haben mich mitten ins Herz getroffen – vielleicht weil sie so echt sind, so menschlich.
Das Großartige an diesem Buch ist, dass es keine künstliche Dramatik braucht, um zu fesseln. Die Autorin beobachtet Beziehungen mit einem so scharfen, liebevollen Blick, dass schon alltägliche Momente emotional treffen. Es sind die Zwischentöne, die unausgesprochenen Dinge, die winzigen Verschiebungen im Miteinander – genau die, die man im eigenen Leben oft viel zu spät bemerkt. Und diese Ehrlichkeit tut weh, aber sie tut auch unglaublich gut.
Was mich ebenfalls begeistert hat, ist der Humor: intelligent, manchmal bissig, immer genau getimt. Ich habe oft gelacht, obwohl die Szene darunter einen ernsten Kern hatte – und genau dieses Gleichgewicht macht den Roman so stark. Er ist nie deprimierend, aber auch nie seicht. Er schenkt Leichtigkeit, ohne etwas schönzureden.
Besonders schön fand ich, wie sich im Hintergrund eine Frage immer deutlicher abzeichnet: Was bedeutet Glück – und wem gehört es eigentlich? Mary Newnham behandelt dieses Thema so zugänglich, so warmherzig und gleichzeitig so klar, dass man automatisch mitdenkt, mitfühlt und sich selbst an ein paar stillen Stellen wiedererkennt.
This Isn’t Happiness ist für mich ein Roman, derds Mut macht, das Herz wärmt und einen mit einem wunderbar hellen Gefühl zurücklässt: dass Veränderung möglich ist, und dass man sich selbst wiederfinden darf.
Eine klare Empfehlung – gerade weil es so echt und so überraschend leichtfüßig erzählt ist.

Bewertung vom 16.11.2025
Anime - Der ultimative Guide
O'Connell, Joe

Anime - Der ultimative Guide


sehr gut

Anime ist weit mehr als bunte animierte Bilder in Filmform. Das merkt man recht schnell, wenn man in diesem umfassendem Werk Anime – Der ultimative Guide blättert. Beispielsweise Robotic Angel, der erzählt die Geschichte von Tima, einem Roboter, der das Aussehen der verstorbenen Tochter eines mächtigen Mannes hat und als Schlüssel zu einer geheimen Waffe dienen soll. Als der junge Kenichi Tima begegnet, beginnt ein aufregendes Abenteuer voller Gefahren, moralischer Konflikte und menschlicher Emotionen. Kompakt erklärt von Joe O’Connell, der fasziniert ist von Anime und macht sie für Laien wie mich greifbar.
Das Buch präsentiert 100 Anime-Filme und -Serien, von Klassikern bis zu versteckten Juwelen, gespickt mit farbigen Standbildern und Illustrationen, die den Zauber der Geschichten einfangen. Jedes Profil enthält nicht nur grundlegende Informationen wie Erscheinungsjahr, Genre oder Ursprungsquelle – sei es Manga, Light Novel oder Computerspiel – sondern auch spannende Hintergrundinfos, die Regisseure, Studios und spezifische Genres in den Fokus rücken. So erfährt man zum Beispiel, dass Hayao Miyazaki seine Karriere nicht sofort bei den Ghibli Studios begann, sondern zuvor an Projekten wie Heidi und Lupin III mitwirkte. Solche Details machen das Buch zu einem wahren Schatz für Neugierige.
Besonders gelungen finde ich die Empfehlungen für Einsteiger und Kenner. Sie sind ein idealer Leitfaden, um die eigene Entdeckungsreise durch die Anime-Welt zu starten. Ich selbst habe viiiiiele Titel entdeckt, die mir völlig unbekannt waren, und die ich nun gerne sehen möchte. Guter Start mit dem Sohn das anzugehen.
Die Essays und Spotlights schaffen dabei eine Balance zwischen Information und Inspiration, sodass man das Buch nicht nur liest, sondern förmlich darin eintaucht.
Anime – Der ultimative Guide ist ein absolutes Muss für Filmfans und alle, die sich für Anime interessieren. Es öffnet die Tür zu einer faszinierenden Welt voller Geschichten, Kunst und Emotionen. Für mich als Laien war es eine wunderbare Entdeckungsreise, die Lust macht, noch mehr Anime zu erleben und zu verstehen.

Bewertung vom 16.11.2025
Der stille Freund
Schirach, Ferdinand von

Der stille Freund


sehr gut

Von Schirach bleibt seinem Stil treu: präzise, reduziert, manchmal fast asketisch – und doch voller Atmosphäre. Vierzehn Geschichten versammelt er hier, und sie führen an Orte, die nachklingen: Berlin, Kapstadt, Rom, Wien, die Côte d’Azur. Es sind Begegnungen, die sich wie zufällige Splitter eines Lebens anfühlen, aber immer etwas Größeres in sich tragen: die Verletzlichkeit des Menschen, seine Sehnsucht, seine Abgründe.
Der Autor erzählt von Menschen, die ihm begegnet sind, von Freunden, vergessenen Persönlichkeiten, Berühmten und Stillen. Einige dieser Figuren tragen historische Namen – Gottfried von Cramm, Adolf Loos, Egon Friedell – andere könnte man auch im Café nebenan treffen. Und wie so oft bei Schirach verschwimmen Realität und Fiktion in einem Ton, der nichts behauptet, nichts bewertet, sondern einfach beobachtet.
Wie in seinen früheren Bänden Schuld oder Verbrechen gibt es Geschichten, die sich festsetzen – Szenen, die blitzen wie ein unerwartetes Schlaglicht. Andere ziehen eher leise vorbei. Manche wirken intellektuell herausfordernder, vielleicht sogar etwas distanziert; andere treffen ohne Vorwarnung mitten ins Herz. Genau dieses Changieren macht seine Erzählbände für mich so reizvoll.
Ich gebe zu: In Schirachs jüngsten Veröffentlichungen empfand ich manchmal eine gewisse Müdigkeit. Dieses permanente Umgeben-Sein von berühmten, reichen Menschen, dieses weltläufige Flanieren von Hotelbar zu Hotelbar – das hatte für mich bisweilen einen „alte-weiße-Männer“-Vibe, der mich eher kaltließ. Doch Der stille Freund überrascht mich: Viele der Texte wirken wieder näher, menschlicher, wärmer. Die besten Geschichten sind jene über Bekannte und Freunde – da, wo er selbst ein Stück zurücktritt und seine Figuren leuchten lässt.
Gerade deshalb empfinde ich dieses neue Buch als Rückkehr zu jener Stärke, die ich an Schirach immer am liebsten mochte: die kunstvolle Einfachheit, die moralische Offenheit, das klare Sehen ohne Urteil. Es ist ein stilles Buch, ein schmaler Begleiter – aber einer, der lange nachhallt.

Bewertung vom 16.11.2025
Hustle
Bähr, Julia

Hustle


ausgezeichnet

Was für ein Spaß! Hustle ist so ein Buch, das man aufschlägt, „nur kurz reinlesen“ will – und plötzlich ist man auf Seite 200 und lacht Tränen über Leonies sarkastische Kommentare, bissige Beobachtungen und die absurden Situationen, in die sie sich hineinmanövriert. Julia Bähr hat hier einen Roman geschrieben, der gleichzeitig federleicht und messerscharf ist – Unterhaltung mit Köpfchen, Gesellschaftskritik mit Witz.
Im Mittelpunkt steht Leonie, Anfang 30, Biologin, moralisch flexibel und lebensklug. Nachdem ihr Chef ihre Forschung klaut und sie in einem legendären Wutanfall sein Büro verwüstet, findet sie sich ohne Job wieder – und mit einem Neuanfang in München, der teuersten Stadt Deutschlands. Dort stößt sie auf drei Frauen, die sich mit mehr oder weniger legalen „Nebenjobs“ über Wasser halten – und bald gründet Leonie ihr eigenes Business: Rache Inc. Wer Liebeskummer hat, zahlt, und Leonie sorgt mit raffinierten Aktionen für Gerechtigkeit auf ihre ganz eigene Art.
Was das Buch so großartig macht, ist der Ton. Julia Bähr schreibt herrlich trocken, mit einem Gespür für Timing und Situationskomik, das an Mareike Fallwickl oder Caroline Wahl erinnert – nur noch schärfer und urbaner. Ich habe selten so oft laut gelacht und gleichzeitig gedacht: Autsch, das trifft leider genau ins Schwarze. Zwischen überzogenen Mieten, Selbstoptimierung und moralischen Grauzonen erzählt Hustle von einer Generation, die gelernt hat, sich selbst zu hustlen, weil sonst niemand für sie sorgt.
Dabei bleibt der Roman warmherzig. Die Freundschaften zwischen den Frauen sind das emotionale Rückgrat der Geschichte – loyal, wild, solidarisch, und manchmal chaotisch. Es tut gut, dass hier einmal nicht die romantische Liebe im Zentrum steht, sondern weibliche Bündnisse, Wut und Witz.
Leonie ist keine Heldin im klassischen Sinne, sondern ein Mensch, der Fehler macht, flucht, zweifelt – und gerade deshalb so sympathisch ist. Dass Julia Bähr diese Figur nie moralisierend, sondern liebevoll ironisch zeichnet, macht Hustle zu etwas Besonderem.
Kurz gesagt: Hustle ist frech, modern, brillant beobachtet und einfach verdammt unterhaltsam. Ein Buch, das man verschlingt, weil es einen zum Lachen bringt – und danach noch lange zum Nachdenken.
Fazit:
Ein feministischer, hochkomischer Gesellschaftsroman über Geld, Moral und Freundschaft – mit Suchtfaktor!
📚 5/5 Sterne – und der dringende Wunsch, Leonie & Co. bald wiederzusehen.

Bewertung vom 11.11.2025
Die Frau der Stunde
Specht, Heike

Die Frau der Stunde


ausgezeichnet

Als Frau mit mehreren Rollen im Alltag – Mutter, Führungskraft, Teilzeit-Therapeutin meiner To-do-Liste und Vollzeit-Multitaskerin – hat mich Die Frau der Stunde von Heike Specht direkt gepackt. Denn wer sich schon einmal in einem Meeting zwischen charmanten Mansplainern behaupten musste, der wird Catharina Cornelius sofort ins Herz schließen.
Heike Specht entführt uns ins Bonn der späten 70er – also dorthin, wo Politik noch nach Cognac, kaltem Rauch und Altherrenparfüm roch. Zwischen Aktenbergen und Anzugträgern sitzt Catharina, liberal, ledig, furchtlos – und plötzlich Außenministerin. Die Herren im Bundestag fallen fast vom Stuhl, als die „zierliche Frau mit dem Chignon“ das politische Parkett betritt. Und was macht sie? Sie zieht das durch. Mit Stil. Mit Scharfsinn. Und mit Gin Tonic.
Specht schreibt das mit einer herrlichen Mischung aus Witz, Tiefgang und Zeitkolorit. Ich wäre gern mit Catharina und ihrer Frauenclique in einer Bonner Bar gesessen, während sie zwischen Weltpolitik und Frauenfreundschaft jongliert. Und das mit einem Schlag Selbstironie, der selbst in den verrauchten Hinterzimmern von 1979 frischen Wind verbreitet hätte.
Besonders gefallen hat mir, dass Specht keine Heldin aus Zuckerwatte zeichnet. Catharina ist klug, verletzlich, ehrgeizig – und manchmal einfach müde davon, ständig doppelt so gut sein zu müssen wie die Herren in grauen Anzügen. Ihre Freundinnen, die belgische Journalistin Suzanne und die iranische Regisseurin Azadeh, geben der Geschichte zusätzlich internationale Tiefe – und das Gefühl, dass Frauen auf der ganzen Welt denselben Tanz führen: zwischen Freiheit und Erwartung, Herz und Haltung.
Natürlich gibt es viele Figuren (ich hätte mir fast ein Personenverzeichnis gebastelt), aber sobald man drin ist, entfaltet der Roman eine wunderbare Mischung aus politischem Drama, Frauenpower und 70er-Jahre-Glamour.
Mein Fazit: Ein Buch für alle, die sich schon mal gefragt haben, wie weit Selbstbestimmung wirklich geht – und ob sich Freiheit manchmal wie ein Drahtseilakt in High Heels anfühlt.

Bewertung vom 11.11.2025
The Seoul Season
Bouslair, Patricia

The Seoul Season


sehr gut

Ich sag’s gleich vorweg: The Seoul Season von Patricia Bouslair ist so gar nicht mein übliches Beuteschema. Normalerweise tummeln sich auf meinem Nachttisch eher Krimis, verschrobene Familiengeschichten oder Bücher, bei denen man mindestens drei Mal nachdenken muss, bevor man versteht, warum die Hauptfigur plötzlich im Jahr 1862 steht. Aber – und das ist das Schöne am Viellesen – manchmal stolpert man in Genres hinein, die man sonst links liegen lassen würde … und landet prompt mitten in Seoul, zwischen Kirschblüten, Kunst und K-Drama-Vibes.
Schon nach den ersten Kapiteln hatte ich das Gefühl, ich binge-watche statt lese. Location-Scout Maya ist so eine dieser Figuren, die man gleichzeitig schütteln und umarmen möchte. Beruflich ehrgeizig, emotional leicht chaotisch, und immer mit der Kamera im Anschlag – wie eine Mischung aus Karrierefrau und Tagträumerin auf Koffein. Und dann taucht Jae-ho auf, der grumpy Künstler mit der charmanten Aura eines Mannes, der zu viele Espresso und zu wenig Komplimente bekommen hat. Natürlich prallen die beiden aufeinander wie Öl und Wasser – und genau das macht’s so herrlich.
Was mir richtig gefallen hat, war, wie Bouslair die Stadt selbst zur dritten Hauptfigur macht. Zwischen Neonlichtern, stillen Galerien und Gassen, die nach Streetfood riechen, hat man das Gefühl, Seoul atmet mit jeder Seite. Ich musste kurz nach Flugpreisen googeln, bevor ich mich wieder daran erinnerte, dass mein Kontostand die „Reise“ auf Papier eindeutig bevorzugt.
Ja, die Story ist stellenweise vorhersehbar, und die obligatorische „Oh nein, eine Lüge droht alles zu zerstören“-Szene kommt pünktlich wie der Abspann einer Netflix-Romcom. Aber wisst ihr was? Ich habe es genossen. Diese Mischung aus leichter Melancholie, Humor und Fernweh ist einfach ansteckend. Und der „Slow Burn“ zwischen Maya und Jae-ho? Ein emotionaler Tanz auf Glut, bei dem man am liebsten selbst mitfächeln würde.
Fazit einer sonst genrefremden Vielleserin: The Seoul Season ist wie ein hübsch gestalteter Farbschnitt – vielleicht nicht tiefgründig wie ein Dostojewski, aber wunderschön anzuschauen, charmant in seiner Einfachheit und perfekt, wenn man Herzklopfen und Reisesehnsucht auf einmal spüren will.
Wer Romantik mag, bekommt hier Seoul fürs Herz. Wer sonst anderes liest, bekommt eine angenehm süße Überraschung. Und ich? Ich überlege gerade, ob ich mich doch mal an ein K-Drama wage … nur zu Recherchezwecken natürlich.