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hamburger.lesemaus
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Bargfeld-Stegen

Bewertungen

Insgesamt 397 Bewertungen
Bewertung vom 06.02.2025
Die blaue Stunde
Hawkins, Paula

Die blaue Stunde


ausgezeichnet

DIE BLAUE STUNDE
Paula Hawkins

James Becker, Kurator der Chapman-Sammlung der Fairburn-Stiftung, erfährt, dass eine Skulptur der verstorbenen Künstlerin Vanessa Chapman, die derzeit in der Tate Gallery ausgestellt ist, einen menschlichen Knochen enthält.
Das Exponat wurde bereits zur Seite geräumt, und die Galerie besteht auf einer gründlichen Untersuchung. Die Fairburn-Stiftung, die nach Chapmans Tod sämtliche Kunstgegenstände erhalten hat, fürchtet einen Skandal - zumal der Ex-Mann der Künstlerin vor Jahren spurlos verschwand und zuletzt auf der kleinen schottischen Gezeiteninsel Eris gesehen wurde, wo Vanessa Chapman lebte und arbeitete.

Obwohl Becker seine hochschwangere Frau eigentlich nicht allein lassen möchte, überzeugt ihn der Inhaber der Stiftung, selbst nach Eris zu reisen, um mit Grace, der Erbin des Anwesens und ehemaligen Weggefährtin Vanessas, über den Fund des Knochens zu sprechen. Bei dieser Gelegenheit soll er auch die noch immer zurückgehaltenen Tagebuchaufzeichnungen sowie die verschwundenen Kunstwerke einfordern.

Grace, einst Ärztin, betrachtet sich als Hüterin von Vanessas persönlichem Erbe und deren Geheimnissen - und sie ist nicht gewillt, ihre letzten Schätze preiszugeben.

Paula Hawkins, bekannt durch den Weltbestseller The Girl on the Train, hat ein Buch mit einer wunderbaren Atmosphäre geschaffen. Besonders der Schauplatz, die fiktive Insel Eris, die wegen der Gezeiten nur alle sechs Stunden zugänglich ist, hat mich begeistert und die besondere Freundschaft zwischen Vanessa und Grace perfekt abgerundet.

Wer hier einen Thriller oder Krimi erwartet, wird enttäuscht sein. Vielmehr erzählt das Buch die Geschichte einer Freundschaft zwischen zwei Menschen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Mit geschicktem Wechsel der Erzähl- und Zeitebenen entwirft Hawkins ein vielschichtiges Porträt, das erst am Ende in einem fulminanten Höhepunkt gipfelt.

Ich habe das Buch sehr genossen und kann mir bereits vorstellen, dass es eines Tages großartig verfilmt wird - mit beeindruckenden Landschaftsaufnahmen.
Von mir gibt es eine klare Leseempfehlung!
5/5

Bewertung vom 05.02.2025
Mitte / Kat Menschiks Lieblingsbücher Bd.11
Kutscher, Volker

Mitte / Kat Menschiks Lieblingsbücher Bd.11


sehr gut

MITTE
Volker Kutscher
Illustriert von Kat Menschik

Es ist die Geschichte des 16-jährigen jüdischen Fritz Thormann, der unter einem anderen Namen in Berlin lebt. Vor kurzem war er noch während der Olympischen Spiele in München Augenzeuge eines Mordes. Doch weder die Gestapo noch sein Pflegevater glaubten ihm, weshalb ihm keine andere Möglichkeit blieb, als zu fliehen.

Vier Monate später arbeitet er mit einem gefälschten Pass in einem Kohlenhandel. Inmitten der dunklen Zeiten des nationalsozialistischen Deutschlands schöpft Fritz Kraft aus dem Briefwechsel mit seinen Freunden, in dem er offen über seine Ängste, Hoffnungen und kleinen Freuden des Alltags schreibt. Doch diese Briefe, seine einzigen Lichtblicke, könnten letztlich sein Verhängnis bedeuten.
Mit dem 11. Buch von insgesamt 18 in ihrer Reihe illustrierter Lieblingsbücher hat Kat Menschik einmal mehr ein Kunstwerk geschaffen. Volker Kutscher erzählt Fritz Geschichte mit tiefem Einfühlungsvermögen und in einer Sprache, die ebenso berührt wie erfrischt. Die liebevolle Gestaltung des Buches und Kat Menschiks Illustrationen machen es zu einem wahren Schmuckstück, das nicht nur literarisch, sondern auch optisch begeistert.
4/5

Bewertung vom 05.02.2025
Ella & Ben und Kraftwerk - Von geheimen Studios, perfekten Doppelgängern und fernen Sternen / Ella & Ben Bd.5
Wahl, William

Ella & Ben und Kraftwerk - Von geheimen Studios, perfekten Doppelgängern und fernen Sternen / Ella & Ben Bd.5


ausgezeichnet

ELLA & BEN UND KRAFTWERK
William Wahl
Illustration: Anna Breitling-Stenner

Ella, ihr kleiner Bruder Ben und ihre Eltern fahren in den Urlaub nach Holland - zumindest haben sie das vor. Doch irgendwie stehen sie nur im Stau. Ben ist langweilig und beginnt zu nörgeln, also hat Papa eine großartige Idee: Er erzählt ihnen von der Gruppe KRAFTWERK.
Papa sagt, dass es eine der berühmtesten deutschen Bands aller Zeiten ist. Doch Ella findet das seltsam, denn sie hat noch nie von dieser Band gehört! Papa aber widerspricht und erklärt, dass Kraftwerk auf der ganzen Welt Spuren hinterlassen hat.

Alles begann in einem Düsseldorfer Hinterhof. Dort gründeten zwei junge Männer, Florian und Ralf, eine Gruppe namens „Organisation“ und richteten sich ihr erstes Tonstudio ein. Sie mochten weder deutschen Schlager noch die englischen oder amerikanischen Hits. Deshalb beschlossen sie, ihre eigene Musik zu machen - eine Musik, die nach den Geräuschen und Klängen ihrer Heimat klingt: den Klängen von Maschinen.
Anfangs benutzten sie noch normale Instrumente wie ein Klavier oder eine Flöte. Doch als der Schlagzeuger Wolfgang hinzukam, bauten sie sich aus Materialien vom Schrottplatz das erste elektrische Schlagzeug der Welt, weshalb sie sich außerdem einen neuen Bandnamen - nämlich KRAFTWERK - zulegten, um ihrer neu geschaffenen Musikrichtung mehr Ausdruck zu verleihen. Ihre erste Platte „Autobahn“ war in Deutschland nicht besonders erfolgreich, aber in Amerika wurde das Album ein großer Hit! Mit ihrem neuen Bandmitglied Karl reisten sie zum ersten Mal nach Amerika und gaben dort Konzerte und ...

Aber jetzt höre ich auf, euch von dem Buch zu erzählen – sonst verrate ich noch alles! Am besten findet ihr selbst heraus, was Kraftwerk mit Modeln, Robotern, Doppelgängern und dem Raumfahrer Alexander Gerst zu tun hat. Und natürlich auch, ob Ben, Ella und ihre Eltern am Ende doch noch ihren Zeltplatz in Holland erreichen – es lohnt sich!
Leseempfehlung ab 6 Jahren.
5/5

Bewertung vom 03.02.2025
In einem Zug
Glattauer, Daniel

In einem Zug


sehr gut

IN EINEM ZUG
Daniel Glattauer

Zwei Fremde sitzen sich im Zug von Wien nach München gegenüber und kommen ins Gespräch.
Catrin Meyr spricht den Mann nach kurzer Zeit an, überzeugt, ihn von irgendwoher zu kennen. Doch sie irrt sich. Nicht ihr ehemaliger Englischlehrer sitzt vor ihr, sondern der Autor Eduard Brünhofer.

Eduard fühlt sich zunächst geschmeichelt - eine so junge Frau scheint ihn und seine Bücher zu kennen. Doch als sich ihr Irrtum aufklärt, überspielt er seine Enttäuschung mit Witz und Charme.

Catrin stellt sich als Psychotherapeutin vor und löchert ihr Gegenüber mit Fragen. Eduard, in Plauderlaune, erzählt von seiner langjährigen Ehe mit Regina - wie sie sich einst kennenlernten und wie sie die schwierige Zeit nach der Geburt ihrer gemeinsamen Tochter erlebten, bis hin zu seiner seit Jahren anhaltenden Schreibblockade. Er beginnt aus dem Nähkästchen zu plaudern - was Catrin dazu ermutigt, das Gespräch in eine sehr persönliche Richtung zu lenken: Sie spricht das Thema Sex an …

Irgendwann wird es dem Autor zu intim, doch als das eine oder andere kleine Fläschchen Beaujolais aus dem Speisewagen hinzukommt, beginnt sich seine Zunge erneut zu lösen.

Wohin dieses Gespräch führt - und vor allem, wie es endet -, müsst ihr natürlich selbst herausfinden.

Daniel Glattauer, dessen sprachlich gewandte Dialoge ich sehr schätze, konnte mich mit diesem Buch nur bedingt überzeugen. Während ich den Beginn der Unterhaltung noch amüsant und geistreich fand, gingen mir Catrins zunehmend forsche Fragen mit der Zeit auf die Nerven - zumal sie auf überraschend detaillierte Antworten seitens Eduards stießen, die ich kaum nachvollziehen konnte.

Etwa ab der Mitte schrillten bei mir alle Alarmglocken, doch Eduard, weiterhin in Plauderlaune, schien diese nicht zu hören.

Die zweite Hälfte hat mich dann jedoch versöhnt und ich bin froh, das Buch trotz der schwächeren ersten Hälfte nicht aus der Hand gelegt zu haben.
Alles in allem eine unterhaltsame Geschichte, die sich flüssig lesen lässt - sicher nicht Glattauers bestes Buch, aber wer weiß? Vielleicht hatte er selbst eine Schreibblockade und ließ sich von einer charmanten Gesprächspartnerin inspirieren?
4/5

Bewertung vom 31.01.2025
Sag mir, was ich bin
Mannion, Una

Sag mir, was ich bin


ausgezeichnet

Hier kommt ein weiteres Schätzchen aus dem Hause Steidl:

SAG MIR WAS ICH BIN
Una Mannion

Deena Garvey verlässt eines Morgens das Haus ihrer Schwester - doch auf ihrer Arbeit kommt sie nie an. Ihre Schwester Nessa ist überzeugt, dass Deenas Ex-Freund Lucas hinter dem Verschwinden steckt. Zwischen den beiden gab es zuvor immer wieder Konflikte, geprägt von häuslicher Gewalt und Sorgerechtsstreitigkeiten um die gemeinsame Tochter Ruby. Doch trotz intensiver Suche bleibt Deena verschwunden. Nessa zerbricht fast daran, besonders als Lucas mit ihrer Nichte nach Vermont zieht und jeglichen Kontakt unterbindet.
In Vermont wächst Ruby in völliger Abgeschiedenheit auf. Mit ihrer Großmutter Clover und ihrem Vater lebt sie an einem abgelegenen See. Schulbesuch wird ihr vom Vater untersagt - stattdessen lehrt er ihr, wie man fischt, Pilze sammelt und jagt. Sie lernt auch schnell, was ihn wütend macht und welche Fragen sie besser vermeidet, um seinen Zorn nicht zu provozieren. Besonders das Thema „Mutter" ist ein absolutes Tabu - nur eine Frage darüber bringt Lucas in Rage. Ein Foto von ihrer Mutter hat Ruby nie gesehen.

Nessa gibt die Hoffnung auf ein Wiedersehen mit Ruby auch nach Jahren nicht auf. Sie schickt regelmäßig Briefe nach Vermont, die Lucas jedoch abfängt. Erst als Ruby eines Tages so einen Brief findet, ein Foto ihrer Mutter aus einem dieser Kuverte stiehlt und den Namen ihres Vaters im Internet recherchiert, erfährt sie die erschütternde Wahrheit: Ihre Mutter hat sie nicht einfach nur verlassen - vielmehr ist sie spurlos verschwunden und Rubys Verdacht erhärtet sich, dass ihr Vater ihr nie die volle Wahrheit erzählt - sie sogar vorsätzlich belogen hat.

Una Mannion hat mit diesem Roman ein packendes, tiefgründiges Werk geschaffen. Besonders beeindruckend ist der Perspektivwechsel: Verschiedene Figuren erzählen ihre Geschichte aus unterschiedlichen Zeitabschnitten, sodass sich ein immer klareres Bild von Lucas und seiner Tyrannei ergibt. Der Schreibstil ist prägnant und fesselnd. Und obwohl das Buch mit dem Ende beginnt, bleibt die Spannung bis zur letzten Seite erhalten.

Fazit:
Ein großartiges Buch, das ihr unbedingt lesen müsst!
5/5

Bewertung vom 24.01.2025
So ist das nie passiert
Collins, Sarah Easter

So ist das nie passiert


ausgezeichnet

SO IST DAS NIE PASSIERT
Sarah Easter Collins

Um es gleich vorwegzunehmen: Dieses Buch ist einfach großartig!

Acht junge Menschen – Freunde, Partner und Geschwister – kommen an einem Wochenende für ein gemeinsames Abendessen zusammen. Nicht alle kennen sich, doch ihre Geschichten sind auf faszinierende Weise miteinander verwoben. Von der ersten Seite an entfaltet sich ein Sog, der mich nicht mehr loslässt.

Im Zentrum steht Willa, die den Verlust ihrer jüngeren Schwester Laika nie überwunden hat. Laika verschwand im Alter von 13 Jahren, nachdem sie morgens das Haus verließ und nie in der Schule ankam. Dieses Trauma begleitet Willa bis ins Erwachsenenalter: In jedem fremden Gesicht sucht sie vergeblich nach ihrer Schwester.

Sarah Easter Collins erzählt Willas Geschichte auf zwei Zeitebenen. Stück für Stück fügen sich die Ereignisse zu einem Gesamtbild zusammen. Wir lernen Willas wohlhabende, aber zerrüttete Familie kennen: die Mutter, die am Verlust ihrer jüngeren Tochter fast zerbricht, und den Vater, der selbst von einer schwierigen Kindheit geprägt ist. Er neigt zu Gewalt und tyrannisiert die Familie mit seinem pedantischen Perfektionismus. Willa wird schließlich aufs Internat geschickt, um dem Medienrummel zu entkommen, der das Elternhaus belagert. Dort findet sie in Robyn eine enge Freundin und erlebt erstmals, wie es sich anfühlt, Teil einer harmonischen Familie zu sein.

THINGS DON'T BREAK ON THEIR OWN, der Originaltitel des Debüts, hätte kaum besser gewählt sein können: Dinge zerbrechen nicht von alleine. Dieser eindringliche, stellenweise schmerzhafte Roman ist ein wahres Meisterwerk und hat mich tief beeindruckt.
5/5

Bewertung vom 22.01.2025
Stadt der Hunde
de Winter, Leon

Stadt der Hunde


ausgezeichnet

Was für ein besonderer Ritt war das?
Zunächst dachte ich, der unterkühlte, arrogante, ja fast misogyne Protagonist würde mich nicht fesseln. Doch dann wurde die Geschichte so spannend, stellenweise grotesk, dass ich einfach immer weiterlesen musste …

STADT DER HUNDE
Leon de Winter

Jaap ist Neurochirurg - einer der Besten. Sein Rat und seine Expertise sind hochgeschätzt. Auch privat scheint alles in Ordnung zu sein, zumindest fast: Er hat eine Frau, die ihn zunehmend nervt, und eine Tochter, die sich ausgerechnet für seine ungeliebten jüdischen Wurzeln interessiert.
Zusammengefasst könnte man sagen, sein Leben läuft gut - bis zu dem Tag, an dem seine Tochter spurlos in einem Krater in der Wüste Israels verschwindet.

Auch zehn Jahre später glaubt Jaap nicht an den Tod seiner Tochter. Jedes Jahr reist er an den Ort im Negev, an dem man einst ihren Schlafsack und ihre Kleidung fand, stets in der Hoffnung, dort neue Spuren von ihr zu entdecken.
Als ihm eines Tages ein Geologe eine neue, wenn auch äußerst kostenintensive Methode vorschlägt, um mögliche DNA-Spuren seiner Tochter im Krater zu suchen, ist Jaap sofort Feuer und Flamme. Die Kosten von rund drei Millionen Euro kann er sich jedoch nicht leisten, weshalb er eine äußerst riskante Herausforderung annimmt, die vor ihm bereits viele Neurochirurgen abgelehnt haben: eine Hirnoperation ohne Aussicht auf Erfolg.
Der Vater der Patientin, eine saudische Prinzessin, bietet ihm eine Summe an, die Jaap nicht ablehnen kann - es ist die vielleicht letzte Chance, seine Tochter doch noch wiederzufinden.

Es ist mein drittes Buch von Leon de Winter, und erneut hat er mich begeistert.
Selten habe ich ein Buch gelesen, das so viele überraschende Wendungen nimmt und absolut unvorhersehbar bleibt.
Großes Kino! Meine Buddyread-Partnerin und ich haben die Seiten nur so verschlungen, waren wie elektrisiert und wollten unbedingt wissen, wohin diese Reise führt.

Große Leseempfehlung von mir:
5/ 5

Bewertung vom 20.01.2025
Der Bademeister ohne Himmel (MP3-Download)
Pellini, Petra

Der Bademeister ohne Himmel (MP3-Download)


ausgezeichnet

"Mit 12 denkt man, schlimmer kann es nicht werden, und man wird größer, und es kommt schlimmer.“ (Kapitel 58)

DER BADEMEISTER OHNE HIMMEL
Petra Pellini
Die 15-jährige Linda möchte ihrem Leben ein Ende setzen. Sie weiß nur noch nicht, wo und wann – nur das Wie steht fest: Sie will sich vor ein Auto stürzen.
Mit ihrer Mutter streitet sie oft. Ihr Vater, der die Familie verlassen hat, fehlt ihr sehr. Ihre einzigen Bezugspersonen sind Kevin und Hubert – zwei Menschen, die sie noch an das Leben binden. Kevin ist ein Weltverbesserer im gleichen Alter wie sie, aber wenig an anderen Menschen interessiert. Hubert, der 86-jährige Nachbar und ehemalige Bademeister im Ruhestand, leidet an Demenz. Trotz seiner Krankheit erzählt er immer wieder, dass bei ihm nie ein Kind ertrunken sei. Und er sucht unaufhörlich nach seiner Frau Rosalie - obwohl sie bereits vor sieben Jahren verstorben ist.

Linda verbringt viel Zeit bei Hubert, weil sie bei ihm Ruhe findet. Er gibt ihr das Gefühl von Geborgenheit und tankt sie mit Zuversicht auf. Bei ihm kann sie einfach sie selbst sein. Doch als Huberts Krankheit fortschreitet, ändert sich ihre Rolle: Linda beginnt ihm seine Geschichten immer wieder zu erzählen, um seine Erinnerungen zu wecken und ihn in der Welt zu halten.

Petra Pellini hat ein tief berührendes und einfühlsames Buch geschrieben, das mich sehr bewegt hat. Ich habe die Geschichte sowohl gelesen als auch gehört und dabei mehrfach Gänsehaut verspürt.

Besonders beeindruckend ist, wie Linda mit dem demenzkranken Hubert umgeht. Ihre Geduld und ihr Mitgefühl werfen die Frage auf, ob so ein Verhalten für eine so junge Frau nicht fast schon außergewöhnlich ist. Ich glaube, ich habe viel von ihr lernen können.

Neben dem Buch habe ich auch das Hörbuch genossen, das durch die besondere Stimme von Marie-Isabel Walke eine ganz eigene Atmosphäre schafft. Sie hat es wunderbar verstanden, die Emotionen und Stimmungen der Geschichte einzufangen und mit Akzenten zu versehen. Dadurch wird das Hörbuch zu einem echten Hörerlebnis.

Fazit:
Ein sehr berührendes und gutes Buch, dass ich gerne gelesen habe.
4½/ 5

Bewertung vom 17.01.2025
Täuschend echt
Lewinsky, Charles

Täuschend echt


sehr gut

TÄUSCHEND ECHT
Charles Lewinsky

Unser Protagonist und Werbetexter hat es nicht leicht: Erst verliert er seine Freundin und dann auch noch seinen Job. Als er schließlich bemerkt, dass sein Konto leergeräumt wurde, ist klar - er braucht dringend Arbeit. Doch was kann er tun? Außer Texte, die Konsumenten ein Müsli schmackhaft machen sollen, hat er noch nie etwas geschrieben.
In seiner Verzweiflung experimentiert er mit KI, füttert das Programm mit Fragen und Phrasen und suhlt sich ein wenig in Selbstmitleid.
Als er von einem Freund des Nachbars ein großzügiges Angebot bekommt, ein Buch zu schreiben, kann er nicht ablehnen. Er soll über Missstände der Welt aufklären und diese den Menschen ins Bewusstsein bringen. Doch auch nach Tagen am Schreibtisch will ihm zu diesem Thema nichts einfallen. Schließlich greift er zur KI, die ihm die bewegende Geschichte einer afghanischen Frau entwirft.

Ob er mit dem Buch Erfolg hat oder seine Lüge ans Licht kommt, müsst ihr jedoch selbst herausfinden.

Charles Lewinsky benennt Dinge, die ich schon des Öfteren vermutet habe. Mit feinem Humor begleitet er unseren konservativen Ich-Erzähler auf seiner Reise vom unsicheren Ja-Sager hin zu einem selbstbewussten Mann. Die Geschichte nimmt dabei zunehmend an Tempo auf und gipfelt in einem herrlich überraschenden Finale.

Mich hat das Buch gleichermaßen erschüttert wie begeistert - daher gibt es von mir eine klare Leseempfehlung.
4/ 5

Bewertung vom 16.01.2025
Drei Tage im Juni
Tyler, Anne

Drei Tage im Juni


sehr gut

DREI TAGE IM JUNI
Anne Tyler

Gails Tochter heiratet. Zu diesem Anlass reist ihr Ex-Ehemann Alex an. Ursprünglich sollte er bei seiner Tochter übernachten, doch da er eine Katze mitgebracht hat und der zukünftige Schwiegersohn allergisch auf Katzenhaare reagiert, quartiert sich Alex kurzerhand bei seiner Ex-Frau ein. Gail ist zunächst alles andere als begeistert – hat sie doch gerade genug mit sich selbst zu tun: Ihr wurde mitgeteilt, dass ihre Position als stellvertretende Schulleiterin durch eine andere Person ersetzt werden soll. Zudem hat sie das Gefühl, dass die zukünftige Schwiegerfamilie versucht, ihre Tochter komplett für sich einzunehmen.
Doch dann kommt alles ganz anders: Gail fühlt sich in Alex’ Anwesenheit zunehmend wohler. Sie verstehen sich gut und entwickeln eine freundschaftliche Beziehung. Gail beginnt sich zu fragen, ob das fortgeschrittene Alter sie milder gestimmt hat oder ob ihr Blick auf die Vergangenheit sie täuscht.

Es ist die Geschichte einer Frau, die die Mitte des Lebens überschritten hat, zurückblickt, Fehler in der Vergangenheit eingesteht und ihr Leben noch einmal überdenkt.

Anne Taylor zeichnet das Bild einer amerikanischen Familie mit großer Authentizität und Feingefühl. Sie nimmt den Leser mit auf eine Hochzeit, dessen Gäste sich untereinander nicht verstehen – und dennoch funktioniert alles wie ein perfekt inszeniertes Schauspiel. Diese Geschichte, voller stiller Konflikte und universeller Wahrheiten, könnte an jedem Ort der Welt spielen.

Ich habe dieses schmale Buch an nur einem Tag gelesen. Die Protagonisten haben mir sehr gefallen, auch wenn Gail mir zu Beginn etwas empathielos erschien. Schnell wurde jedoch klar, dass sie viel Gefühl in sich trägt, es nur nicht ausdrücken kann.

Fazit:
Eine schöne Geschichte, die ich sehr gerne gelesen habe.
4/ 5