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Reiseweise

Bewertungen

Insgesamt 65 Bewertungen
Bewertung vom 06.07.2025
Great Big Beautiful Life
Henry, Emily

Great Big Beautiful Life


gut

Ganz ok
Das war mein erster Versuch mit einem Roman von Emily Henry, die mir schon mehrfach im Buchladen begegnet sind. Kurzes Fazit: War ganz nett zu lesen, aber hat mich nicht so recht abgeholt.
Die Story folgt einerseits grob dem Enemy-to-Lovers- Schema auf der einen Seite, auf der anderen ist es eine Familiengeschichte. Die beiden Protagonist:innen Hayden und Alice auf der einen Seite waren nicht immer ganz so glaubwürdig, die Entwicklung ihrer Beziehung teilweise etwas hölzern. Aber nicht vollkommen unglaubwürdig, wie es ja manchmal sonst in solchen Romanen ist. Die andere Seite ist die Familiengeschichte der Margaret Ives. Diese ist oft deutlich unterhaltsamer als die Liebesgeschichte, auch wenn sie sehr weit ausholt teilweise und es oft auf irgendwelche Beziehungsdinge hinausläuft, was erzählt wird. Insgesamt taugt es als Sommerlektüre.

Bewertung vom 06.07.2025
Strandgut
Myers, Benjamin

Strandgut


gut

Earlon „Bucky“ Bronco ist ein gealterter, kranker Soulsänger aus Chicago. Seine Frau ist gestorben und gesungen hat er seit Jahrzehnten nicht mehr, als sein einziger großer Hit veröffentlicht wurde. Doch dann wird er überraschend zu einem Soul-Festival nach Yorkshire eingeladen - und fliegt kurzentschlossen hin. Dort angekommen, muss er sich seinen Depressionen ebenso stellen wie seiner Opioidsucht, doch er findet auch neue Hoffnung.

Benjamin Myers zeichnet ein sehr deprimierendes Bild des englischen Nordens: Verfallende Städte, bevölkert von gescheiterten Existenzen und Alkoholikern. Einziger Lichtblick ist das Soul-Festival. Die Beschreibungen der Atmosphäre sind sehr lyrisch, oft etwas zu blumig, und sowohl bei Bucky als auch Dinah, der zweiten Protagonistin des Romans, wird viel Zeit darauf verwendet, ihre schlimme Situation darzustellen. Die Beschreibungen von Buckys Entzugserscheinungen nehmen sehr viele Seiten ein. Die hoffnungsvollen Passagen sind kürzer, haben mich aber mehr abgeholt. Was teilweise gestört hat, waren einige holprige Übersetzungen - so wurde z.B. aus dem geläufigen englischen Schimpfwort „utter prick“ der „völlige P*nis“, was überhaupt nicht passt. Insgesamt ein Buch, das man mag, wenn man Benjamin Myers mag.

Bewertung vom 01.05.2025
Fischtage
Brandi, Charlotte

Fischtage


sehr gut

Dortmunder Sommer

Ella hat es nicht leicht. Ihre Eltern sind Künstler, die sich wenig um sie kümmern, ihre Schwester versteht sie nicht, ihr Ersatz-Opa wird dement, sie hat aufgrund ihrer Wutanfälle keine wirklichen Freunde und dann verschwindet auch noch ihr kleiner Bruder. Aber immerhin: Ella hat einen sprechenden Fisch. Und bald eine neue Bekanntschaft, die ihr auf der Suche nach dem verschollenen Bruder im heißen Sommer hilft.

Der Roman ist hervorragend geschrieben, mit einer abgeklärten Sprache und er vermag es sogar, die jugendliche Erzählerin real klingen zu lassen und nicht bemüht jugendlich. Die Charaktere sind abstrus, die Stadt Dortmund wird als abgerockt beschrieben und alles passt einfach sehr gut zusammen. Selbst der sprechende Fisch ist so überzeugend dargestellt, dass man keine Sekunde darüber nachdenkt, dass das ja eher Unsinn ist, sondern ihn einfach als tatsächlich sprechenden Fisch akzeptiert. Ein wirklich gelungener Roman!

Bewertung vom 28.04.2025
Killer Potential
Deitch, Hannah

Killer Potential


gut

Bonnie and Bonnie

Evie ist Nachhilfelehrerin in einem Villenviertel bei Los Angeles. Als sie eines Tages zur Nachhilfestunde erscheint, trifft sie auf die ermordeten Eltern - und eine junge Frau, gefesselt in einer Kammer. Evie befreit sie und sie fliehen. All dies geschieht auf den ersten paar Seiten - ein starker Einstieg in die Story, die dann erst einmal ein wenig an Tempo verliert, als die beiden im Auto quer durch die USA fliehen und es sehr, sehr lange dauert, bis die zweite Frau überhaupt erstmalig etwas sagt. Bis dahin lauscht man vor allem Evies inneren Monologen und Überlegungen und begleitet die beiden jungen Frauen von Autobahn zu Autobahn und von Bundesstaat zu Bundesstaat.

Zwischenzeitlich ist der Thriller wirklich spannend und man fiebert mit den beiden Protagonistinnen mit, ob sie geschnappt werden. Andere Kapitel sind aber eher langatmig und die Beschreibungen etwas zu surreal.

Bewertung vom 20.04.2025
Wut und Liebe
Suter, Martin

Wut und Liebe


sehr gut

Beziehungsdramen

Noah ist Künstler - aber nicht so recht, denn als Künstler müsste man auch mal ein Werk verkaufen. Da er das aber nicht schafft, verlässt ihn Camilla, denn sie „liebt ihn, aber nicht das Leben mit ihm“. Noah will Camilla unbedingt zurückgewinnen und lässt sich von dem Deal anlocken, den ihm eine ältere Dame anbietet. Und da beginnen die Schwierigkeiten…

Die Protagonist:innen und Nebenfiguren sind alle überzeugend gestaltet und die verschiedenen Beziehungsdramen, die sich zwischen ihnen entspinnen, sind unterhaltsam beschrieben. Auch mit Plottwists wartet der Roman auf und es wird echte Spannung aufgebaut, wenn man Noah dabei zusieht, wie er den Plan der älteren Dame versucht umzusetzen. Merkwürdigerweise ist der Roman aber sehr zeitlos - vieles wirkt eher wie in den 1980ern, auch die Gerichte, die gekocht werden, auch wenn die genannten Jahreszahlen auf die 2020er verweisen. Und es wird zu viel getrunken: Champagner, Mojito, Cuba Libre, Rotwein, Weißwein, Whiskey…

Bewertung vom 10.04.2025
Der Duft des Wals
Ruban, Paul

Der Duft des Wals


gut

White Lotus


Am Strand des tropischen Resorthotels ist ein Blauwal gestrandet und am nächsten Tag ist er verschwunden - was bleibt, ist sein unerträglicher Geruch. Im Hotel wird trotzdem versucht, alles seinen üblichen Gang gehen zu lassen, was natürlich nicht gelingt.
Die Geschichte folgt verschiedenen Protagonist:innen, aus deren Sicht die Kapitel abwechselnd erzählt werden - das Ehepaar, das sich in einer Krise befindet, ihre Tochter, ein Hotelangestellter, eine Flugbegleiterin… Die Erzählweise ist gelungen, die Charaktere sind es aber nicht immer. Einiges erinnert an die bekannte Serie „White Lotus“, in der auch die Abgründe der verwöhnten Hotelgäste, ihre Betrügereien und der schöne Schein des Luxushotels persifliert werden. Leider sind aber einige der Charaktere mit etwas zu abstrusen Eigenschaften ausgestattet, andere wiederum bleiben recht blass. Außerdem ist unklar, wie sehr die Motive als Allegorien auf Dekadenz und Verfall gelesen werden sollen (z.B. der Walgeruch) und auch das Ende ist nicht auserzählt.

Bewertung vom 08.04.2025
Tuberkulose
Green, John

Tuberkulose


ausgezeichnet

Ein Manifest

Vermutlich würde kaum jemand ein Buch über Tuberkulose lesen, wenn es nicht von John Green geschrieben worden wäre. Und alle, die dieses Buch in die Hand nehmen werden, werden froh sein, es gelesen zu haben.
Es ist ein Sachbuch und das Thema ist alles andere als ein fröhliches Thema - dennoch kann man es schwer zur Seite legen. John Green beschreibt, was Tuberkulose ist, er schreibt über die wandelnde Wahrnehmung von Tuberkulose (mal Künstlerkrankheit, mal Armenkrankheit, mal Allerweltskrankheit), er stellt die erschreckende Situation dar, in der wir uns immer noch befinden angesichts der unglaublichen Infektionszahlen dieser Krankheit, die wir im globalen Norden eher mit blassen Dichtern des vorigen Jahrhunderts in Verbindung bringen als mit der tödlichsten Krankheit der Menschheitsgeschichte.
Leitend für das Buch ist aber die Geschichte von Henry, einem Tuberkulose-Überlebenden aus Sierra Leone. Lesenswert.

Bewertung vom 07.04.2025
Wackelkontakt
Haas, Wolf

Wackelkontakt


sehr gut

Puzzle, Elektriker und Mafia

In diesem Roman wimmelt es von Charakteren mit ungewöhnlichen Verhaltensweisen und Hintergrundgeschichten. Da ist zum einen Franz Escher, der (obgleich wenig einfühlsam) als Trauerredner arbeitet und obsessiv Puzzle legt. Als er auf den Elektriker wartet, liest er ein Buch über einen Mafia-Kronzeugen, der ein Buch liest über einen Mann, der auf den Elektriker wartet… Mehr über die Charaktere lässt sich nicht verraten ohne Spoiler.

Der Übergang zwischen den beiden Geschichten, die in dem Roman gelesen werden, geschieht oft ohne Einleitungen und ist gerade dadurch sehr geschickt gemacht. Die Geschichten werden immer weiter miteinander verwoben bis zu dem Punkt, wo es die Charaktere selber bemerken. Die sich so entwickelte Doppelgeschichte ist inhaltlich längst nicht so innovativ wie die Erzählweise - trotz einiger überraschender Wendungen - und am Ende wird einiges nicht aufgelöst, was man gerne aufgelöst gesehen hätte.

Bewertung vom 22.03.2025
Schweben
Ben Saoud, Amira

Schweben


gut

Zu viele Ideen

In diesem Debutroman wird eine dystopische Zukunftsversion beschrieben, in der die vom Klimawandel in ihrer Zahl reduzierte Menschheit in Siedlungen lebt, deren einzige Verbindung zu den Siedlungen der Außenwelt im Warenaustausch besteht. Das „Streben nach mehr“ und das Ansammeln von Wissen über die Zeit des „Davor“ sind verboten, ebenso die Anwendung von Gewalt. In dieser Welt lebt die Protagonistin davon, dass sie die Rolle anderer Frauen annimmt - Geliebte, Töchter, Ehefrauen. Gleichzeitig scheint es mit der Welt in der Siedlung zu Ende zu gehen und merkwürdige Dinge geschehen.

Wie man aus der Übersicht der Themen erkennen kann, sind in dem Roman sehr viele dystopische Ideen miteinander verknüpft worden. Leider zu viele. Viele Ideen sind grundsätzlich gut, aber nicht zu Ende geführt (wie das Auftreten der Gewalttätigkeit unter Jugendlichen) und eigentlich geht es auch vielmehr um toxische Beziehungen als eine dystopische Zukunft. Schade, gute Ideen vergeben.

Bewertung vom 06.03.2025
Heimweh im Paradies
Mittelmeier, Martin

Heimweh im Paradies


gut

Exil-Geschichten

In „Heimweh im Paradies“ schildert Autor Martin Mittelmeier die Exil-Jahre von Thomas Mann und dessen Familie in Kalifornien. (Fast) jedem Kapitel entspricht ein Jahr zwischen 1938 und 1952 und damit die gesamte Zeit, die Mann im Exil verbrachte. Eine produktive Zeit, in der diverse wichtige Schriften (u.a. Dr. Faustus) entstanden und Thomas Mann gegen die Herrschaft der Nationalsozialisten anschrieb, Reden hielt und die deutsche künstlerische Exilgemeinde vernetzte. Einige dieser Kapitel sind interessant, z.B. jenes, das sich den Diskussionen um Musik widmet, die Adorno und Mann geführt haben. Einige sind aber auch banal, ohne großen Erkenntnisgewinn und anstrengend zu lesen. Der Schreibstil ist teilweise verkünstelt - da ist die Rede von den „epischen Riesenentwürfen, die Gegenwärtigkeit und mythischen Gesang auf so bezwingende Weise zusammenbringen“ oder Reliefs, in denen durch Ironisierung das Wesen der Idee erst sichtbar werde. Auch wenn hier vielleicht an den Stil Thomas Manns erinnert werden soll, hemmt es den Lesefluss und lässt einen ratlos zurück, was konkret denn damit gemeint sein könnte. Insgesamt ein eher schwächerer Beitrag zum Mann-Jubiläum.