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jam

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Insgesamt 451 Bewertungen
Bewertung vom 15.04.2025
Wo wir uns treffen
Hope, Anna

Wo wir uns treffen


ausgezeichnet

"Und manchmal kommen die Käfer zur falschen Zeit raus; Blaumeisenküken schlüpfen später als die Raupen, die sie fressen ... Dann verheddert sich das ganze Netz des Lebens. Deshalb müssen wir mehr auf die Fäden aufpassen."
Tag 2
Ja, das hat sich Frannie zur Aufgabe gemacht, auf diese Fäden aufpassen. Seit 10 Jahren kämpft sie mit ihrem Vater Philip für die Natur. Nun ist Philip gestorben und wir begleiten die Familie durch fünf Tage rund um sein Begräbnis. Und es sind viele Fäden, auf die wir als Leser aufpassen müssen.
Philip war ein schrecklicher Vater und Ehemann, rastlos, immer auf der Suche nach Vergnügen, hat er die Familie oft für Monate allein gelassen in dem alten, kolossalen, feuchten Landhaus auf dem riesigen Anwesen in Sussex. Vor 10 Jahren ist er ein Stück weit zur Ruhe gekommen und zurückgekehrt - um ruhelos gegen den Klimawandel anzukämpfen, das Land zu renaturieren. Bäume zu fällen, die hier nicht hingehören, um Licht zu schaffen für andere, die heimischen Vögeln wieder ein Zuhause bieten.
Doch wie ein Zuhause fühlt sich das Anwesen nicht an, weder für seine Witwe Grace, die Tochter Frannie noch seine Enkelin Rowan. Und schon gar nicht für seine weiteren Kinder: Milo, der seine Gefühle in Süchten versteckt und Isa, die Sussex den Rücken gekehrt hat, um als Lehrerin mit Mann und zwei Kindern in London zu leben. Für die Beerdigung sind auch sie nach Sussex zurückgekehrt.
In den fünf Tagen entspinnt sich ein Drama, verheddern sich Fäden, kommen alte Geheimnisse ans Tageslicht, die eine völlig neue Schuld mit sich tragen. Und in dem, über all dem, ist da auch noch Ned. Seit Philip vor 50 Jahren das legendäre Teddy Bear´s Picnic, ein ausuferndes Festival im Wald rund um das Anwesen veranstaltete, ist Ned ein Teil - des Waldes, der Familie, der Geschichte.
Er war mein stiller Held dieses Romans, immer da, wie einer der alten Bäume, standfest gab und gibt er jedem der Familienmitglieder auf seine Weise Halt.
"Wo wir uns treffen" ist ein gigantisches Familiendrama, mit dessen vielen sehr unterschiedlichen Protagonisten ich anfangs etwas zu kämpfen hatte. Viele Handlungsstränge, viele Verbindungen, die man von Beginn an ahnt, die sich teilweise aber erst kurz vor dem Ende klären.
Milo möchte auf dem Anwesen ein Retreatzentrum errichten, um für viel Geld Menschen mit magischen Pilzen zu heilen - eine Behandlung, die ihm selbst geholfen hat und die er auch seinem Vater angedeihen ließ. Gerade mit dem lockeren Umgang mit Gras und Pilzen hatte ich so mein Thema - aber es ist Teil der Geschichte.
Fazit: Ein großes Drama mit vielen Aspekten wie Familienprobleme, Umweltthemen und alte Schuld. Sehr lesenswert!

Bewertung vom 09.04.2025
Lieber solo als allein
Hennig, Tessa

Lieber solo als allein


sehr gut

"Den Moment genießen. Dolce Vita mit etwas Amore? Was für ein verführerischer Gedanke, aber zugleich einer, der sie etwas ängstigte."
Ja, nach Italien, zu Dolce Vita, Amore und Romantik pur ... hat es Leonie, ihre Mutter Katrin und Oma Gabriele verschlagen. Mitten nach Umbrien, denn Leonie, gerade fertig studiert, möchte ihren Luca in seiner Heimat Perugia heiraten, natürlich reist dazu ihre Familie an! Oma Gabriele hat sich nach dem Tod ihres Mannes Helmut sehr zurückgezogen, doch für ihre geliebte Enkelin wagt sie sich auf diese Reise. Und es kommen auch Leonies Eltern, Katrin und Oliver. Sie leben seit Jahren getrennt und man kann sie kaum in einem Zimmer zusammenbringen. Das kann ja heiter werden!
Und tut es auch! Ich mochte die drei unterschiedlichen Frauen mit ihren ganz persönlichen Geschichten sehr gerne. Leonie steht am Anfang ihres Lebens, verliebt bis über beide Ohren. Katrin war ihre Karriere wichtig und Oliver hat sie immer unterstützt, dabei ist ihre Liebe irgendwie verloren gegangen. Und Oma Gabriele blüht in Italien richtig auf - auch dank eines sehr netten Reiseführers, den sie zufällig kennenlernt. Dann haben wir da noch Lucas Eltern Sofia und Carlos, zwei waschechte Italiener, voller Leidenschaft aber mit einem sehr desolaten Hotel, der Villa Romantica.
"Lieber solo als allein" macht richtig Lust, auf Sommer, Sonne und grande amore. Die Seiten sind nur so dahingeflogen, bei den Vorbereitungen einer typisch italienischen Hochzeit und den unterschiedlichen Charakteren. Denn Italien verändert jede der drei Frauen und weckt lange verloren geglaubte Gefühle.
Die Streifzüge durch die Gässchen, die Plätze, die Reiseführer Francesco Gabriele zeigt, das Essen, all das hat bei mir für richtig Stimmung gesorgt!
Gegen Ende überschlagen sich die Ereignisse, denn das Hotel steht finanziell schlechter da, als Leonie und Luca wussten, Katrin scheint doch noch Gefühle für Oliver zu hegen und Oma Gabriele erlebt den zweiten Frühling. Mir war es dann doch ein wenig zu viel Drama, mit ein, zwei Handlungssträngen weniger wäre mir das Italien-Feeling nicht so sehr abhanden gekommen.
Die Geschichte ist aus abwechselnd aus der Perspektive der drei Frauen erzählt, manchmal tat ich mir mit dem Wechsel etwas schwer.
Nichts desto trotz eine stimmungsvolle Geschichte in bella Italia!
Fazit: Dolce Vita und grande amore in bella Italia - mit (etwas viel) Drama und ganz viel Flair!

Bewertung vom 06.04.2025
Der Junge aus dem Meer
Carr, Garrett

Der Junge aus dem Meer


ausgezeichnet

"Jedes Neugeborene steht für Möglichkeiten, aber hier war eines ohne Eltern, ohne Geschichte. Ein Kind, das ganz und gar Zukunft war. Tiefe Sehnsüchte wurden geweckt, als es bei uns landete."

1973, ein Neugeborenes wird am Strand gefunden, in einem aufgeschnitten Fass scheint es wie Moses in das kleine Dorf an Irlands Westküste gelandet zu sein. Der ganze Ort ist in Aufregung, alle gemeinsam kümmern sich um den kleinen Jungen - bis der Fischer Ambrose Bonnar und seine Frau Christine den Jungen aus dem Meer adoptieren. Deren Sohn Declan ist wenig begeistert von dem Kleinen, der von nun an Brandon genannt wird.

Authentisch und eindrücklich wird die Geschichte von einem auktorialen Erzähler berichtet, der uns von Brandons Aufwachsen in dem kleinen Dorf erzählt. Von den Jahren, in denen er Menschen die Hand auflegt und sie damit auch in der Seele zu berühren scheint. Aber auch von den Schwierigkeiten, die die zwangsweise zu Brüdern gewordenen Heranwachsenden miteinander haben. Von dem Leben im Dorf das in diesen Jahren vor große Herausforderungen gestellt wird. Vom physischen und finanziellen Überleben der Fischer auf See, gefährlichen Situationen, Problemen mit Booten und Fangquoten.

Für mich war es eine ebenso bewegende wie interessante Reise, in eine andere Zeit, ein anderes Land und in eine andere Welt. Erst sieht jeder etwas ganz besonderes in dem Jungen aus dem Meer, doch über die Jahre wird ein "normaler" Teenager und junger Mann, eigenbrötlerisch und mit Schwierigkeiten, seinen Platz im Leben zu finden. Declan fühlt sich verdrängt und auch er weiß nicht, wohin mit sich. Eigentlich hielt er nie viel von der Fischerei, aber er will an der Seite seines Vaters sein, auch eine Verbundenheit mit dem Meer spüren ...

Gerade die Erzählperspektive, ein unbenannter Mann aus dem Dorf, der einerseits weiß, was bei den Bonnars passiert und uns auf der anderen Seite berichtet, was der Ort über die beiden Jungen, Ambroses finanzielle Schwierigkeiten, denkt, hat nochmal eine ganz eigene Note in die Geschichte gebracht.

"Der Junge aus dem Meer" ist ebenso Abbild einer vergangen Zeit wie ein immerwährendes junger Menschen, die ihre Aufgabe suchen.

Fazit: Die Geschichte eines gestrandeten Junge in einem Fischerdorf in Irland in den 70igern - bewegend und interessant.

Bewertung vom 06.04.2025
Die Garnett Girls (eBook, ePUB)
Moore, Georgina

Die Garnett Girls (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

"Du musst nicht die ganze Zeit so tun, als wäre alles in Ordnung. Nicht bei deiner Familie. Darum geht es bei Familie."

Sasha fand es gerade bei der eigenen Familie am schwersten, sie selbst zu sein, vor allem, wenn Schweigen und Geheimnisse zwischen den einzelnen Mitgliedern standen.

Kapitel 7

Und es gibt genug Schweigen und Geheimnisse in der Familie der Garnett Girls. Angefangen bei Margo, der Mutter, die - nachdem der alkoholkranke Vater Richard von einem Tag auf den anderen verschwunden war - in eine tiefe Depression fiel und sich nicht mehr um die Mädchen kümmern konnte. Rachel, die von einem Tag auf den anderen die Verantwortung für ihre zwei Schwestern übernehmen musste. Imogen, die jetzt eigentlich aus dem Häuschen sein sollte wegen ihrer Verlobung. Und Sasha, der die Fürsorglichkeit ihres Mannes zu eng wird.

Jede der unterschiedlichen und doch authentischen und schillernden Frauen hat ihre Geheimnisse, die er vor den anderen verbirgt. Sosehr in dem großen Haus in Sandcove gefeiert und gelacht wird, so sehr wird auf der anderen geschwiegen, wenn es um wichtige Dinge geht. In Margos Gegenwart darf Richard nicht erwähnt werden. Sie möchte ihre Töchter schützen - und merkt nicht, dass dieses beharrliche Schweigen mehr Schaden anrichtet, als es die Wahrheit jemals könnte.

Ich mochte die Garnett-Girls von der ersten Seite weg. Jede für sich eine wundervolle Frau mit ihren ganz besonderen Eigenschaften und Herausforderungen, an unterschiedlichen Punkten ihres Lebens. Verbunden durch eine Vergangenheit voller Geheimnisse und Zusammenhalt. Margo ist die, die sie alle zusammenhält, so unterschiedlich sie auch sind. Auch sie hat nicht abgeschlossen mir ihrer eigenen Geschichte, trauert ihrer Jugend nach und ihrer großen Liebe zu Richard. Ihre Wortlosigkeit, was ihn betrifft, macht ihn noch größer als er war und belastet ihre Kinder.

Sie möchte für ihre Töchter nur das Beste, einen fürsorglichen Ehemann, der sie nicht im Stich lässt. Dabei übersieht sie, dass ihre Mädchen nach der selben großen Liebe streben, die sie mit Richard hatte und drängt sie unbewusst in eine Rolle, die sie nicht spielen können.

Obwohl dieser Roman voller ausschweifender Feste und gemeinsamen Feiern ist, so erzählt er doch, wie einsam sich alle vier Garnett-Girls fühlen, bewegend und intensiv. Je mehr sie ihre Trauer um den verlorenen Vater und ihre Kindheit verdrängen, umso mächtiger drängen sich diese in ihr aktuelles Leben.

Auch Margo muss erkennen, dass man die Vergangenheit ans Licht holen muss, um in die Zukunft blicken zu können.

Fazit: Eine bewegende Familiengeschichte vor einer rauen, betörenden Küstenkulisse.

Bewertung vom 04.04.2025
Es kann so schön sein, das Leben
Oetker, Alexander

Es kann so schön sein, das Leben


ausgezeichnet

"Sie müssen gar nicht in den Süden, um Ihr Leben zu ändern. Versuchen Sie doch all die Dinge, die Sie im Urlaub genießen, auf Ihr alltägliches Leben, auf Ihre Heimat zu übertragen."

Kapitel 6

"Wie wir mit dem Dolce-Vita-Prinzip gesund und glücklich werden", so das Versprechen des Untertitels. Was Alexander Oetker dann in seinem Buch beschreibt, sind typische südländische Bräuche und ein anderes Gesellschaftsbild, als man es von Deutschland kennt.

Eines vorneweg: Ich komme aus Österreich, aus einem eher ländlichen Umfeld. Es ist immer die Rede von Deutschland, schon alleine deshalb habe ich mich wenig angesprochen gefühlt. Und viele Dinge, die der Autor in deutschen Großstädten beklagt, sind hier auf dem Land wie im goldenen Süden - und sicher sind sie auch in ländlicheren Regionen Deutschlands auch noch so.

Nachbarschaftshilfe, den älteren Generationen zuhören, eine Hand, die die andere wäscht, kleine Alltagserledigungen zu Fuß erledigen - das ist hier in meinem Umfeld gelebte Realität und würde ich nicht nur südlichen Ländern zuschreiben.

Der Autor hat viele Gespräche geführt, mit deutschen Auswanderern, die ihr neues Leben in Frankreich, Portugal oder Spanien genießen. Diese Ausschnitte fand ich interessant. Was davon in einem deutschen Leben in unserem normalen Umfeld umsetzbar ist, da stoße ich schnell an meine Grenzen.

Für Selbstständige mögen manche Tipps umsetzbar sein, für Otto und Ottilie Normalarbeiter*in sind sie schlichtweg nicht möglich. Am Abend in großem Stile kochen und stundenlang gemeinsam am Tisch sitzen - naja, mein Wecker läutet um halb fünf, so viel zu spätem Essen. Zu Mittag stundenlang Pause machen? Selbst wenn mein Chef das genehmigen würde, am späten Nachmittag würde ich wohl keinen meiner Gesprächspartner*innen erreichen und wäre zur Untätigkeit gezwungen. Abgesehen davon, würde ich dann so lange arbeiten, dass sich der gemütliche Einkauf 3 Mal die Woche (wie empfohlen) schlichtweg nicht ausgehen würde. Und dann sind wir schon wieder am Abend, wo stundenlang gemeinsam gekocht und gegessen wird. Dafür hat (m)ein Tag zu wenig Stunden.

Es gelassener sehen, wenn der Handwerker um Stunden oder Tage zu spät kommt - wenn ich von zu Hause aus arbeite, kein Problem. Wenn ich aber anschließend in die Arbeit muss, ist das eine Challenge.

Der letzte Tipp in der Liste ist "Zieh in den Süden" - schließlich sind dort schöne Zweitwohnsitze schon um 130.000 bis 250.000 Euro zu haben. Für die privilegierte Blase des Autors mag das wenig sein, bei den meisten anderen sieht das wohl anders aus. Und wenn ich dann im Ausland lebe, wie soll ich mich um die (Enkel-)Kinder und die Alten kümmern, was ja auch zum Dolce-Vita-Prinzip gehört?

Dieses Kapitel ist mit einigen guten Hinweisen für wirklich Auswanderungswillige durchsetzt, die wohl hilfreich sind, wenn man das wirklich ins Auge fast.

Für mich, die ich gerne in Österreich leben, die die Weite und das Gefühl, selbst klein zu sein, nicht nur am Meer sondern auch jederzeit auf meinem Hausberg haben kann, ist ein Alter im Süden nicht erstrebenswert.

Ich habe mir von dem Buch Ratschläge erhofft, wie ich in ein bisschen Süden machbar in meinen Alltag integrieren kann, davon war mir persönlich zu wenig.

Abgerundet wird das Buch durch ein Alphabet, von A bis Z Wörter aus südlichen Ländern mit ihrer Bedeutung, von "Amore" über "Mer" bis "Zumo de naranja" (Orangesaft). Das war ein netter Abschluss mit ein wenig Stimmung.

Beim Zuschlagen des Buches hatte ich das Gefühl, einige wenige hilfreiche Dinge gelesen zu haben - und ganz viel darüber, wie sich das Leben für Privilegierte anfühlt und wie schlecht doch alles in Deutschland ist.

Aber mir ist auch klar geworden, was ich an meinem Lebensumfeld schätze und was ich forcieren möchte.

Was zusätzlich auffällt: Ich weiß nicht, ob das in der E-Book-Ausgabe anders ist als im Print-Exemplar, aber es finden sich sehr viele Wörter, die nur zur Hälfte abgedruckt sind und eine Fülle an Lektoratsfehlern. Dies hat zwar auf meine Sternebewertung keinen Einfluss, aber hier hätte ich mir mehr Sorgfalt gewünscht.

Fazit: Ein Plädoyer für das Leben im Süden - mit leider zu wenigen umsetzbaren Tipps, um diesen ein wenig in den Alltag zu holen.

Bewertung vom 31.03.2025
Hatokos wunderbarer Schreibwarenladen
Ogawa, Ito

Hatokos wunderbarer Schreibwarenladen


ausgezeichnet

"Ich bin eine öffentliche Schreiberin, das stimmt. Ich schreibe alles, was man von mir verlangt, aber nur, um Menschen zu helfen, die es nötig haben. Damit sie glücklich werden."
Seite 102
Hatoko hat ihre Kindheit bei ihrer Vorgängerin verbracht. Es fällt ihr schwer, sie Großmutter zu nennen, denn diese hat sie streng erzogen. Aber sie hat Hatoko auch die Kunst der Kalligrafie gelehrt, die Feinheiten der geschriebenen Worte, um für andere wichtige Schriftstücke aufzusetzen.
Als die Vorgängerin starb, war Hatoko schon seit einigen Jahren im Ausland und hatte den Kontakt abgebrochen. Nun kehrt sie zurück nach Kamakura, um deren Schreibwarenladen zu übernehmen. Und langsam auch wieder Briefe für andere zu verfassen und gekonnt auf Papier zu bringen. Sie bekommt Aufträge, für Liebesbriefe, Trauerschreiben, Absagen, Freundschaftsbriefe, ... und kommt so langsam wieder in Kontakt mit ihren Mitmenschen. Übers Jahr findet sie nicht nur Freunde, sondern auch langsam zu ihrer eigenen Schrift, ihrem eigenen Leben.
Durch alle vier Jahreszeiten dürfen wir Hatoko begleiten, und es war eine fantastische Reise! Ich habe nicht nur viele japanische Traditionen und Speisen kennengelernt. Als Leserin ist man ja immer ein Freund von Worten und die Beschreibung, wie Hatoko diese durch unterschiedliche Schriftzeichen zu Papier bringt, was die Farbe der Tinte aussagt, wie sogar die Briefmarke mit viel Gespür passend zum Gesamtbild ausgewählt wird, war einfach nur faszinierend. Dabei fühlt sich Hatoko in den Verfasser, ändert entsprechend ihre Schrift und wählt jedes einzelne Zeichen mit Bedacht.
Erst hat sie nur Kontakt zu ihrer Nachbarin Barbara, die sie immer durch die Wände hört. Doch durch ihre Aufträge trifft sie auf alte Bekannt und neue Freunde, bekommt selber eine Brieffreundin und gerät durch all das auch wieder in Kontakt mit ihrer verstorbenen Großmutter - und mit sich selbst.
Ich selbst bin wenig bewandert in japanischen Traditionen und so fand ich gerade die Schilderung der Rituale, wie eine Neujahrswanderung, unglaublich interessant.
Ito Ogawa schreibt dabei so ruhig und sanft, zurückhaltend und doch sind ihre Worte so kraftvoll! Ich habe jede Seite genossen!
Fazit: Interessant, ruhig und sanft und dabei kraftvoll. Eine wundervolle Geschichte!

Bewertung vom 28.03.2025
Radikale Freundlichkeit
Blum, Nora

Radikale Freundlichkeit


ausgezeichnet

"Freundlichkeit ist gut für uns. Nicht nur für unsere Mitmenschen, sondern auch für uns selbst. Es macht uns glücklich, anderen eine Freude zu machen. Es hat eine positive Wirkung, wohlwollend auf unser Gegenüber zu schauen, weniger zu neiden und öfter zu verzeihen."
Seite 16
Was macht es mit uns, was mit unseren Mitmenschen, wenn du freundlich bist? Damit hat sich die Psychologin Nora Blum intensiv auseinandergesetzt. Und die Ergebnisse sind eindeutiger als erwartet. Was freundliche, mitfühlende Gesten für eine große Wirkung haben ist verblüffend.
Mich hat dieses Buch genau zur richtigen Zeit erwischt. Ich bekam vor einiger Zeit gesagt, ich wäre "zu sozial". Also, zu freundlich, zu nett, zu weich. Und das gibt einem schon zu denken. Ist es wirklich negativ, freundlich und wertschätzend zu sein? Dass mich da dieses Buch direkt ansprang, ist also nicht verwunderlich.
Nora Blum schreibt sehr fundiert, am Anfang dachte ich mir, oje, wieder eine Ansammlung von Studien und Zitaten. Doch weit gefehlt!
In ihrem Buch erklärt die Autorin erst, was sie meint, wenn sie von Freundlichkeit spricht. Dann greift sie gezielt Alltagssituationen auf, in denen es schwerfällt, freundlich zu bleiben. Wenn jemand besonders unhöflich ist, du gestresst bist oder dich jemand verletzt hat.
Dabei verweist sie auf Studien, sehr zielgerichtet und hilfreich, die belegen, was kleine Gesten bewirken können.
Jedes Kapitel beginnt mit einer sehr persönlichen Geschichte, die wohl jeder schon so oder ähnlich erlebt hat. Ehrlich gibt sie zu, dass auch sie nicht immer ruhig in solchen Situationen blieb, aber an sich arbeitet, um es in Zukunft zu bleiben.
Und, damit wir uns richtig verstehen, die Autorin spricht nicht davon, immer freundlich zu nicken und ja zu sagen, zurückhaltend zu bleiben, den eigenen Standpunkt zu verneinen oder zum People Pleaser zu werden. Aber sie macht klar, dass wir Selbstwirksamkeit gewinnen, erfülltere Beziehungen haben und glücklicher sind, wenn wir höflich und respektvoll bleiben, auch wenn wir eine andere Meinung haben.
Dabei gibt sie kleine und große Tipps, die sich leicht umsetzen lassen, auch unterteilt danach, wie viel oder wenig Zeit du gerade hast.
Mich hat "Radikale Freundlichkeit" schwer beeindruckt und inspiriert, noch mehr freundliche Gesten in meinen Alltag einzubauen. Nicht nur um der anderen Willen, sondern um meiner Selbst. Gewisse Themen habe ich mir schon markiert, um sie mir immer wieder mal durchzulesen, damit sie nicht in Vergessenheit geraten.
Fazit: Ein Plädoyer für ein höfliches, respektvolles Miteinander, ohne den eigenen Standpunkt aufzugeben. Inspirierend!

Bewertung vom 19.03.2025
Meergeflunker - Fast 'ne griechische Tragödie (MP3-Download)
Erhard, Franziska

Meergeflunker - Fast 'ne griechische Tragödie (MP3-Download)


ausgezeichnet

"Du hast heute bei Radio Sonnenland eine Reise gewonnen. Sieben Tage Griechenland in einer traumhaften Villa am Meer! Natürlich All Inklusive - in einer Woche geht dein Flug! Ist das nicht toll?"
Nellie weiß gar nicht, wie ihr geschieht! Eine Woche auf der Insel Skopelos, der Mamma-Mia-Insel?! Ihre beste Freundin hat sich für sie beworben und schon muss sie ihre Koffer packen, um zusammen mit zwei weiteren Gewinnern für eine Woche in eine bezaubernde Villa zu ziehen. Mit dabei ist Wally, eine ältere aber lebhafte Dame, die Nellie sofort ins Herz geschlossen hat. Am Flughafen stößt der dritte Reisende zu ihnen. Nick - auch genannt Büschi -, Nellies große Jugendliebe, der ihr das Herz gebrochen hat.
Und es schon wieder tut, denn er kann sich nicht an sie erinnern. Na, das kann ja heiter werden!
Und wird es auch, soviel kann ich euch schon verraten. Mit im Gewinn sind viele optionale Ausflüge zu den Drehorten von Mamma Mia, und auch wenn ich den Film vor einigen Jahren gesehen habe, hatte auch ich sofort wieder die Bilder vor Augen und vor allem die Musik im Ohr.
Wally hat mich sofort begeistert. Liebenswert und lebenslustig mit dem Herz am richtigen Fleck spürt sie sofort, dass etwas zwischen Nellie und Nick köchelt. Bei Nellie kocht vor allem eines - die Wut! Wie kann Nick es wagen, sich nicht an sie zu erinnern? Verletzt und nach ihrer Scheidung mit lädiertem Selbstbewusstsein erzählt sie ihm nicht, dass sie sich eigentlich von früher kennen, sondern lässt ihn erst Mal ordentlich auflaufen.
Doch Nick lässt nicht locker, er will sie kennenlernen und ist aufmerksam und charmant und so bröckelt Nellies Mauer langsam. Auch er ist frisch getrennt und durch ihn bekommt Nellie eine andere Perspektive und betrachtet auch ihren Ex-Mann mit anderen Augen. Der muss sich nun zu Hause mit ihrem Teenager-Sohn herumschlagen.
Zu Beginn fällt es Nellie sehr schwer, loszulassen und nicht auch noch im Urlaub für die Belange ihres Sohnes da zu sein. Doch nach und nach lässt sie los und sich auf den fantastischen Ort und die wunderbaren Besichtigungen ein.
Ich konnte sie sehr gut verstehen, jede Mutter weiß wohl, wie schwer es ist, dem Kind und (Ex-)Partner auch mal die Zügel in die Hand zu geben. Ihre Verwandlung fand ich glaubhaft und sympathisch.
Die Insel, der sehr bemühte Nick und die unglaubliche Wally tun ihr übriges, um "Meergeflunker" so unterhaltsam zu machen! Klare Leseempfehlung!
Fazit: Eine charmante Liebesgeschichte vor der Kulisse der Mamma-Mia-Insel. Ohrwurm garantiert!

Bewertung vom 19.03.2025
Neues Glück auf dem kleinen Bücherschiff
Hansen, Tessa

Neues Glück auf dem kleinen Bücherschiff


ausgezeichnet

"Fünf Minuten später stand Lilly am Fuße der Gangway und ließ den Blick über die restaurierte Hafenbarkasse schweifen. Das Messingschild mit der Aufschrift "Das kleine Bücherschiff" glänzte, die bunten Wimpel (...) flatterten im Wind."
Ja, Lilly ist nach dem ersten Blick auf das kleine Bücherschiff begeistert. Aber der Reihe nach! Lilly kehrt nach Hamburg zurück, nachdem sie einige Jahre in südlichen Ländern gearbeitet hat, um sich um ihre herzliche, aber betagte Großtante Floriane zu kümmern.
Nur für kurze Zeit, denn lange hält es Lilly nie am gleichen Fleck. Doch Floriane geht es schlechter als gedacht. So bleibt Lilly länger, findet auf dem kleinen Bücherschiff eine Anstellung und versucht, Floriane zu helfen, wo es geht.
Und dann ist da auch noch Pablo, der neue Mitinhaber des Bücherschiffs, der es Lilly sofort angetan hat. Doch ihre unglückliche Kindheit hat ihr vor allem eines gelehrt: Verlass dich niemals auf andere! Und so möchte sie nur eine Freundschaft mit Benefits, denn feste Beziehungen kann und will sie nicht eingehen. Wozu auch, bald wird sie wieder zum Arbeiten ins Ausland gehen und dann bleiben nur noch Tränen!
Ich mochte Lilly, und vor allem ihre entzückende Großtante Floriane, eine wohlerzogene Hamburger Kaufmannstochter, die dennoch unverheiratet geblieben ist und es weiß, das Leben zu genießen. Floriane ist Stammkundin auf dem kleinen Bücherschiff und liebt das bunte Treiben dort. Denn die Inhaber Miri, Katja und Pablo sind herzlich und humorvoll - und auch die Nachbarschaftsclique, die oft dort ist, ist ein bunter, liebenswerter Haufen.
So kommen die flotten Sprüche nicht zu kurz und für mich als Hamburg-Fan gibt es viel Hafenflair als Sahnehäubchen.
Das Bücherschiff selbst ist wohl für jeden, der gerne liest, ein Sehnsuchtsort. Viele Bücher, gute Beratung, nette Sitzgelegenheiten, auch ich wäre Stammkundin! Die eingewobenen Buchtipps von real existierenden Autor:innen fand ich toll!
Die Geschichte zwischen Lilly und Pablo entwickelt sich. Mir tat Lilly manchmal leid, wie sehr sie sich selber im Weg stand mit ihrer Vergangenheit. Doch die Umstände, Katja und Floriane zwingen sie dazu, darüber nachzudenken und alte Verhaltensmuster hinter sich zu lassen.
So ist "Neues Glück auf dem kleinen Bücherschiff" eine stimmige und stimmungsvolle Liebesgeschichte mit viel Flair, auch wenn mir das Ende einige Tränen in die Augen steigen ließ!
Ich kenne die Vorgängerbände nicht, konnte aber problemlos in die Geschichte einsteigen - und hab jetzt richtig Lust, auch die ersten beiden Romane zu lesen!
Fazit: Eine stimmige und stimmungsvolle Liebesgeschichte mit viel Hamburg-Flair.

Bewertung vom 12.03.2025
Unbedingt lesen, wenn ...
Smith, Julie

Unbedingt lesen, wenn ...


ausgezeichnet

"Trotz all der Risiken, die wir eingehen, wenn wir uns auf Beziehungen einlassen, hat sich gezeigt, dass ein Leben ohne sie viel schwerer wäre."
Seite 141
"Unbedingt lesen, wenn ..." ist ein Ratgeber der Psychologin Dr. Julie Smith, der verständliche Hilfestellung bietet bei gängigen Problemen. Dabei hat sie ihren Ratgeber in drei große Bereiche unterteilt: "Wenn dir das Zusammensein mit anderen Menschen schwerfällt", "Wenn du dich selbst schwer erträgst", und "Wenn es dir schwerfällt, deine Gefühle auszuhalten".
Jedes der Unterkapitel beginnt mit einem Brief an den Leser/die Leserin, liebe- und verständnisvoll wendet sich die Autorin direkt an dich, zeigt, dass sie deine Herausforderungen kennt und versteht und du nicht allein damit bist. Gerade diese persönlichen Worte fand ich sehr hilfreich und heilsam. Danach folgt ein Toolkit, einfache Werkzeuge, die dir helfen können, besser mit deinem Problem umzugehen, wenn du dich darauf einlässt. Danach folgen einige Unterpunkte zur Fragestellung und am Ende immer eine kurze Zusammenfassung, die nochmal die wichtigsten Lektionen des Kapitels verständlich auf den Punkt bringt.
Dabei nimmt sie dich in die Pflicht, denn die einzigen, die wir wirklich ändern können, sind nun mal wir selber. Und gerade das zieht oft viele positive Nachwirkungen hinter sich, denn was du in die Welt trägst, wird dir zurückschallen. Verdeutlicht wird das durch kurze Zitate aus dem Kapitel, die sie als Leitsatz nochmal hintendran stellt, wie z. B. auf Seite 65 "Warte nicht darauf, dass andere auf dich zugehen. Sei du die Person, die auf andere zugeht."
Dies ist das zweite Buch von Dr. Julie Smith, dass ich gelesen habe, und mir hat es noch besser gefallen als das erste. Ich fand ihre einleitenden Worte so verständnisvoll und sie haben mich gut abgeholt, sodass ich mich auf das darauffolgende Thema leichter einlassen konnte. Ihre Hilfestellungen sind einfach und verständlich, und die Zusammenfassung am Ende kurz und einprägsam.
"Unbedingt lesen, wenn ..." ist kein Buch, das man rasch durchliest und dann zur Seite legt. Ich werde es auf jeden Fall in Griffweite bewahren und mir, wenn mich ein Thema beschäftigt, die Zeit nehmen, das dazugehörige Kapitel erneut zu lesen und zu überlegen, was ich dazu beitragen kann, die Situation zu verbessern!
Fazit: Ein verständnisvoller und hilfreicher Ratgeber, der viele Alltagsthemen aufgreift!