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flowers.books

Bewertungen

Insgesamt 148 Bewertungen
Bewertung vom 17.05.2025
Die neun Monde der Miss Sith
Crvenkovska, Biljana

Die neun Monde der Miss Sith


sehr gut

Meine Meinung und Inhalt
Ich bin auf der Leipziger Buchmesse auf "Die neun Monde der Miss Sith" gestoßen – und was soll ich sagen: selten hat mich ein Buch so leise und gleichzeitig so tief bewegt. Es ist schwer, dieses Werk einem bestimmten Genre zuzuordnen. Es ist keine klassische Fantasy, kein typischer Roman, keine bloße Kurzgeschichtensammlung – es ist eher wie ein literarischer Zauberkreis, der sich langsam um einen legt.

Was mich sofort angesprochen hat, war die Grundidee hinter dem Buch -> Neun Monde, neun Frauen, neun Geschichten – verbunden durch eine geheimnisvolle Figur, Miss Sith, die irgendwo zwischen Katze, Schicksal und stiller Beobachterin schwebt. Und dann noch dieses kleine Café, das wie ein Ruhepunkt zwischen den Kapiteln wirkt – dort sitzt die Protagonistin und schreibt.

Jede Geschichte steht für dich - mal zart, mal schmerzhaft, aber immer voller Bedeutung. Die Themen reichen von häuslicher Gewalt über Verlust, Angst, Migration bis hin zu einem sehr feinen, fast unmerklichen Feminismus, der nie platt oder politisch wirkt, sondern existenziell. Die Geschichten sind wie Momentaufnahmen aus dem Leben.

Was mich besonders berührt hat: die Symbolik des Mondes. Der Zyklus, das Wachsen und Vergehen, das Licht und die Dunkelheit – das zieht sich wie ein stilles Motiv durch alle Geschichten.

Der Schreibstil ist ruhig, fast meditativ. Poetisch, ohne kitschig zu sein.



Mein Fazit
Die neun Monde der Miss Sith ist ein stilles, magisches Buch, das mich mehr berührt hat, als ich erwartet hätte. Es ist nichts für zwischendurch – aber wenn man sich wirklich darauf einlässt, kann es eine tiefgehende Leseerfahrung sein.



Über die Autorin

Biljana S. Crvenkovska, geb. 1973 in Skopje, ist Schriftstellerin, Drehbuchautorin, Erzählerin, Herausgeberin, Übersetzerin und Magistra der Philosophie aus Nordmazedonien. Sie schreibt Romane, vor allem illustrierte Romane für Kinder, aber auch für Erwachsene. Ihre Werke wurden in verschiedene Sprachen übersetzt, im Mitteldeutschen Verlag erschien ihre Graphic Novel „Stella Dark und die Kreaturen von Gruselstadt“ (2023) in der Übersetzung von Cornelia Marks. Die Autorin lebt in Skopje.

Bewertung vom 15.05.2025
Blaues Wunder (MP3-Download)
Freytag, Anne

Blaues Wunder (MP3-Download)


sehr gut

Ein perfides Spiel unter tropischer Sonne

Meine Meinung und Inhalt

Ich habe schon mehrere Bücher von der Autorin Anne Freytag gelesen – und jedes (bisher gelesene) hat mich auf seine Weise begeistert. Umso gespannter war ich auf "Blaues Wunder", das mich gleich mit seinem ungewöhnlichen Setting und der leisen, spannungsgeladenen Erzählweise in den Bann gezogen hat. Die Sprecherstimme fand ich mehr als angenehm.

Schon nach den ersten Minuten war klar: Das hier ist anders als ihre bisherigen Romane. Erwachsener. Düsterer. Und auf eine sehr subtile Art noch eindringlicher.

Die Geschichte spielt auf einer luxuriösen Yacht vor den Philippinen. Drei Paare und ein junger Mann gehen auf eine gemeinsame Reise – zumindest geografisch. Denn schnell wurde mir klar, dass es hier um weit mehr geht als um ein bisschen Sonne, Meer und Smalltalk. Zwischen den Figuren brodelt es, oft unausgesprochen. Was nach außen hin perfekt wirkt, fühlt sich innen hohl, angespannt, kontrolliert an.

Was mich besonders gefesselt hat: Ich wusste lange Zeit nicht, wohin „die Reise“ wirklich geht – nicht nur im wörtlichen Sinn, sondern auch emotional. Wer sagt die Wahrheit? Wer spielt ein Spiel? Was wird hier eigentlich verhandelt? Und warum schweigen alle über das, was so offensichtlich zwischen ihnen steht? Dieses Gefühl der Unsicherheit, dieses ständige „Etwas liegt in der Luft“, hat mich durch das ganze Buch getragen.

Anne Freytag erzählt konsequent aus der Sicht der drei Frauen – Nora, Franziska und Walters Ehefrau. Das war für mich ein starker erzählerischer Kniff, weil ich dadurch ganz nah an ihren Gedanken war. Ich habe mit ihnen gezweifelt, gehofft, getäuscht und beobachtet. Besonders beeindruckt hat mich, wie feinfühlig die Dynamiken in den Beziehungen beschrieben wurden.

Inhaltlich geht es um Kontrolle, Rollenbilder, emotionale Abhängigkeit.

Für mich ist "Blaues Wunder" kein Buch, das laut schreit, sondern eines, das nachhallt. Blaues Wunder hat mich nachdenklich gemacht – über Beziehungen, über Macht, über Schweigen. Und über all das, was unter der Oberfläche schlummert, wenn man bereit ist, genau hinzusehen.

Für mich war es ein starkes, reifes Buch – und ein weiterer Beweis dafür, warum ich Anne Freytags Geschichten so gerne lese.

Bewertung vom 07.05.2025
Before we were innocent
Berman, Ella

Before we were innocent


ausgezeichnet

Meine Meinung und Inhalt

Als ich "Before We Were Innocent" von Ella Berman begann, erwartete ich einen spannenden Sommerroman mit Thriller-Elementen – doch schnell wurde mir klar, dass es sich um weit mehr handelt: einen feinfühligen, tiefgründigen Roman über Freundschaft, Verlust und die Frage, wie wir mit Schuld umgehen – besonders, wenn sie uns seit der Jugend begleitet.

Im Zentrum steht Bess, eine junge Frau, deren Leben seit einem tragischen Vorfall im Teenageralter aus der Bahn geraten ist. Damals verbrachte sie mit ihren besten Freundinnen Joni und Evangeline einen unvergesslichen Sommer in Griechenland – der allerdings tödlich endete.

Was mich besonders berührt hat, war die eindringliche Darstellung weiblicher Freundschaft: Wie nah sich junge Frauen sein können, wie schnell sich Nähe in Rivalität verwandelt, und wie tief Verletzungen gehen, wenn Vertrauen gebrochen wird. Die Autorin hat mit unglaublichem Geschick dies darstellen können. Der Roman zeigt, dass Freundschaft nicht immer heilend ist – sie kann auch fordern, manipulieren, zerstören.

Der Stil von Ella Berman ist ruhig, aber eindringlich.

Die Rückblenden nach Griechenland sind atmosphärisch dicht und kontrastieren stark mit der nüchternen Gegenwart Bess’ in Kalifornien. Ich hatte häufig das Gefühl, als würde ich selbst am Meer sitzen, mit der Hitze, der Ungewissheit und der knisternden Spannung zwischen den drei Freundinnen.

"Before We Were Innocent" ist für mich kein Buch, das man einfach „durchliest“ – es bleibt haften. Es bringt einen dazu, über die eigene Jugend, alte Freundschaften und Entscheidungen nachzudenken, die man vielleicht nie ganz verarbeitet hat. Für alle, die literarische Coming-of-Age-Romane mögen, in denen nicht die Auflösung eines Verbrechens im Vordergrund steht, sondern die Seelenlandschaften der Beteiligten – dem kann ich dieses Buch uneingeschränkt empfehlen!!!

Bewertung vom 25.04.2025
Confession Room
Middleton, Lia

Confession Room


ausgezeichnet

#ConfessionRoom: Wenn Anonymität zur Waffe wird


Meine Meinung und Inhalt
Mir ist "Confession Room" auf der Leipziger Buchmesse sofort augrund des auffallenden Covers ins Auge gestochen. Der Klappentext hatte danach weiter mein Thrillerherz höher schlagen lassen.

Nachdem Lesen konnte ich klar sagen, dass meine Erwartungen an diesen Thriller übertroffen wurden. Die Autorin Lia Middleton verwebt eine düstere, hochaktuelle Story mit psychologischer Tiefe und einem Tempo, das einem kaum Zeit zum Atmen lässt. Was sie hier geschaffen hat, ist nicht bloß ein Krimi – es ist ein Spiegel unserer Zeit, in der das Internet Zuflucht, Bühne und manchmal Abgrund zugleich ist.

Im Zentrum steht die Protagonistin und ehemalige Polizistin Emilia Haines. Nachdem ihre Schwester gestorben ist, zieht sie sich mehr und mehr in sich zurück – bis sie auf ein mysteriöses Online-Forum stößt, den sogenannten „Confession Room“. Dort beichten Fremde anonym ihre tiefsten Geheimnisse. Doch als eine Person einen Mord gesteht, beginnt ein nervenaufreibendes Spiel mit der Wahrheit. Und was, wenn das nächste Opfer schon feststeht?

Was mich besonders fasziniert hat, ist Middletons Gespür für Atmosphäre. Die Spannung kommt nicht mit der Brechstange, sondern schleicht sich langsam unter die Haut – Seite für Seite. Auch das moralische Spannungsfeld ist klug gesetzt: Wann wird ein Geständnis zur Beweislage? Und was passiert, wenn man nur zusehen kann, obwohl man weiß, dass etwas Schreckliches passieren wird?

Besonders gefallen hat mir der komplexe Aufbau des Buches sowie der Mut der Protagonistin. Der Mut, unbequeme Fragen zu stellen – etwa über Schuld, Kontrolle und die (Un-)Macht der Wahrheit im digitalen Zeitalter. Was mich aber noch mehr überzeugt hat, ist, wie authentisch ihre Hauptfigur gezeichnet ist. Emilia ist keine perfekte Heldin. Sie trifft Fehler, zweifelt, scheitert – genau das macht sie so glaubwürdig.

Auch der Schreibstil verdient ein Lob: flüssig, aber nicht oberflächlich. Middleton spielt mit Perspektiven, wechselt gekonnt das Tempo und baut dabei konstant Spannung auf.


Confession Room ist ein nervenaufreibender, klug erzählter Thriller, der durch Tiefe, Tempo und Themenrelevanz besticht. Für mich ein echtes Highlight des Genres – intensiv, beunruhigend, brillant. Und definitiv ein Buch, das man nicht so schnell vergisst mit einem unerwarteten Ende.

Bewertung vom 10.04.2025
Notizen eines Killers
Sittmann, Ansgar

Notizen eines Killers


sehr gut

Das gelbe Notizbuch

Meine Meinung und Inhalt

"Der Zufall hatte ihr dieses unheilvolle gelbe Notizbuch zugespielt. Doch sie allein war verantwortlich für den Flügelschlag, der einen zerstörerischen Orkan ausgelöst hatte." (ZITAT)

Die Krankenschwester Emilie findet in einem Café ein gelbes Notizbuch, das sich als handgeschriebenes Manuskript eines Thrillers entpuppt. Doch was wie ein kreatives Gedankenspiel beginnt, entpuppt sich schnell als verstörende Realität – denn die Morde im Buch sind real, ebenso wie der Autor, der sich das Buch zurückholen will.

"Emilie stand auf, ging zur Kommode im Flur, wo sie gewöhnlich ihre Handtasche ablegte, nahm das gelbe Heft und legte sich wieder auf die Couch. Was für ein reißerischer Titel für das nächste Kapitel: »Das Gemetzel von Värmdö«." (ZITAT)

Das Buch wird aus zwei Perspektiven erzählt:

Emilie, die zunehmend in das Grauen hineingezogen wird, und der Täter selbst – ein unscheinbarer Pharmavertreter, der nach und nach in die Rolle des Auftragskillers schlüpft.. Die Geschichte spielt virtuos mit moralischer Ambivalenz und lässt die Grenzen zwischen Täter und Opfer, Gut und Böse verschwimmen.

Notizen eines Killers ist ein düsterer, raffinierter und echt spannender Thriller, der weit über das klassische Katz-und-Maus-Spiel hinausgeht. Ansgar Sittmann gelingt es, mit psychologischer Tiefe ein wirklich packendes Leseerlebnis zu schaffen.

Ich empfehle es allen, die spannende Bücher mögen!

Bewertung vom 07.04.2025
Schweben
Ben Saoud, Amira

Schweben


sehr gut

Begegnungen

Meine Meinung und Inhalt

"Noch nie war es vorgekommen, dass die Pflicht getan werden musste; so nannte man die Order, jeden, der sich
den Grenzen der Siedlung von außen näherte, sofort zu erschießen. Und es würde nicht vorkommen, war Sasha
sich sicher. Niemand wollte in diese Siedlung. Das System, das behauptete, das hier wäre einer der wenigen schönen,
lebenswerten Orte auf der Welt, log doch. Wenn es so wäre, müsste es doch irgendwann einmal jemand, der sich nach
einem besseren Leben sehnte, probieren. Tat aber keiner." (ZITAT)

Wir treffen als Leser von "Schweben" auf einen Roman, welcher sich scheinbar in einer dystopischen und zukunftsbasierten Welt abspielt.

Das Leben spielt sich in einer - nach einer Klimakatastrophe entstandenen - abgeschotteten Siedlung ab, in welcher es klare Regeln gibt. Verlassen werden darf diese nicht, auch Gewaltausübung wird hart bestraft. Augenscheinlich führen die Menschen dort ein friedliches Leben - wenn auch stark kontrolliert und überwacht.


"Ich hatte nie verstanden, warum das System das Museum nicht längst für etwas anderes nutzte oder den Bau nicht überhaupt niedergerissen hatte, denn eigentlich war es verboten, sich mit der Vergangenheit zu beschäftigen. Das gehörte zu den wenigen Regeln, die es in der Siedlung gab: kein Streben nach mehr, keine Akkumulation von Wissen um das Davor und Draußen. Verstöße gegen diese beiden Regeln wurden
allerdings kaum geahndet, einzig die Ausübung von Gewalt wurde hart bestraft." (ZITAT)


Amira Ben Saoud schreibt in der Ich-Perspektive. Die "namenlose" Protagonistin verdient ihren Lebensunterhalt, indem sie für zahlende Kunden die Rolle von Frauen übernimmt, die aus deren Leben verschwunden sind. Diese “Begegnungen” dienen dazu, den Hinterbliebenen über ihren Verlust hinwegzuhelfen. Doch während eines neuen Auftrags beginnt sie, ihre eigene Identität und die Realität um sie herum infrage zu stellen.


Der Autorin gelingt es meisterhaft, grundlegende Fragen nach Identität und zwischenmenschlichen (auch toxischen) Beziehungen zu thematisieren. Die Protagonistin, die ihren eigenen Namen vergessen hat und erst durch ein Aufeinandertreffen einer Person aus der Vergangeheit wieder daran erinnert wird, verliert sich zunehmend in den Identitäten anderer, was die Leser:innen dazu anregt, über die Konstruktion des Selbst und die Bedeutung von Authentizität nachzudenken.


"Was ich vermisste, war, mich intensiv mit den Eigenheiten und Angewohnheiten einer Person zu befassen. Ich
vermisste es, mich innerlich und äußerlich zu verwandeln, bis ich mich selbst nicht mehr erkannte. Ich vermisste es,
ein anderer Mensch zu sein. Ich hatte ein Talent an mir entdeckt, das ich nicht ignorieren wollte, denn vielleicht
hatte ich nur das eine. Ich wollte es nutzen, allerdings zu meinen Bedingungen." (ZITAT)


Surreale Ereignisse die sich in plötzlich auftretenden Fähigkeiten der Bewohner widerspiegeln lassen einen als Leser überrascht, irritiert und verstört zurück.

“Schweben” ist kein Wohlfühlroman. Doch gerade diese Eigenschaften machen ihn zu einem lesenswerten Debüt.

Bewertung vom 21.03.2025
Der Nachtgänger / Kommissar Linna Bd.10
Kepler, Lars

Der Nachtgänger / Kommissar Linna Bd.10


ausgezeichnet

Meine Meinung und Inhalt

Lars Keplers neuester Thriller hat mich von der ersten Seite an in seinen Bann gezogen. Ich habe schon einige Bücher von Kepler gelesen und bin wirklich ein Fan von den Werken.

Diesmal beginnt die Geschichte um den "Nachtgänger" mit einem grausamen Fund: ein blutgetränkter Wohnwagen, eine zerstückelte Leiche – und ein junger Mann, der schlafend inmitten dieses Albtraums liegt. Er leidet an Somnambulismus, was ihn sowohl zum Verdächtigen als auch zum möglichen Zeugen macht.

Besonders fasziniert hat mich die düstere Atmosphäre, die sich durch das ganze Buch zieht. Die Ermittlungen von Joona Linna sind spannend und psychologisch tiefgründig, vor allem durch die Zusammenarbeit mit einem Hypnotiseur, die neue, unheimliche Einblicke eröffnet. Immer wieder verschwimmen die Grenzen zwischen Bewusstsein und Unterbewusstsein, Realität und Wahn – was mich als Leser ständig zweifeln ließ, wem man trauen kann.

Die Handlung ist rasant und voller unerwarteter Wendungen. Gerade wenn ich dachte, die Lösung zu erahnen, überraschte mich die Geschichte erneut. Der Schreibstil ist packend, fast schon filmisch, sodass ich die düsteren Szenen förmlich vor mir sehen konnte.

„Der Nachtgänger“ ist für mich ein herausragender Thriller, der tief in die Abgründe der menschlichen Psyche eintaucht. Spannung, psychologische Raffinesse und ein packendes Finale machen das Buch zu einem echten Pageturner.

Über Lars Kepler

Gemeinsam schreibt es sich noch besser: Lars Kepler ist das Pseudonym des schwedischen Ehepaares Alexandra und Alexander Ahndoril. Ihr Debüt "Der Hypnotiseur" war in Schweden sensationell erfolgreich und das Buchereignis des Jahres.

Der Roman erscheint in über dreißig Ländern. Gleichzeitig bildete er den Auftakt um die Krimireihe um Kommissar Joona Linna.

Die Bücher der Ahndorils wurden mit zahlreichen Literaturpreisen ausgezeichnet. Das Ehepaar lebt mit seinen drei Kindern in Stockholm.

Bewertung vom 18.03.2025
Erdbeeren und Zigarettenqualm
Docherty, Madeline

Erdbeeren und Zigarettenqualm


ausgezeichnet

Ein intensives Debüt über Freundschaft, Selbstfindung und Schmerz

Meine Meinung und Inhalt

"In deinem Inneren empfindest du es als zutiefst beschämend, etwas zu genießen und das auch zuzugeben. Du bist ganz anders als Ella, die schnell und offen weint und ohne einen Hauch von Ironie uncoole Musik hört. Du hast noch nie irgendetwas getan, ohne Sorge zu haben, es könnte falsch sein." (ZITAT)

Madeline Dochertys Debütroman "Erdbeeren und Zigarettenqualm" bietet einen schonungslosen Einblick in das Leben einer jungen Frau, die zwischen Selbstfindung, intensiver Freundschaft und den Herausforderungen einer chronischen Krankheit balanciert. Einer Krankheit, von der mehr Frauen betroffen sind und vielleicht zu weniger darüber gesprochen wird.

Die Protagonistin teilt ihre intimsten Erlebnisse, wie den Verlust ihrer Jungfräulichkeit, sofort mit ihrer besten Freundin Ella. Diese enge Bindung wird jedoch durch exzessiven Alkoholkonsum, wilde Partys und nächtliche Anrufe auf eine harte Probe gestellt, wodurch die Grenzen ihrer Beziehung zunehmend verschwimmen.

Besonders hervorzuheben ist Dochertys Entscheidung, die Geschichte in der Du-Perspektive zu erzählen. Dieser erzählerische Kniff zieht die Lesenden direkt in die Gefühlswelt der Protagonistin und schafft eine intensive Nähe. Der rohe und ehrliche Schreibstil der Autorin ermöglicht es, Themen wie Frausein, Intimität und die Auswirkungen chronischer Erkrankungen authentisch zu erleben.


Insgesamt überzeugt "Erdbeeren und Zigarettenqualm" als beeindruckendes Debüt, das die Höhen und Tiefen des Erwachsenwerdens,


"Du dachtest, mit deinem achtzehnten Geburtstag würden sich alle Probleme lösen, und der Besitz eines gültigen Personalausweises wäre der einzige Talisman, den du für ein aufregendes Leben bräuchtest, ein Leben, in dem du über Macht und Einfluss verfügst und dich bedienen lassen kannst. Heutzutage vermisst du die Qualen der Jugend und würdest sofort wieder dorthin zurückkehren, um der Realität des Erwachenseins zu entkommen." (ZITAT)


sowie die Intensität von Freundschaften und die Herausforderungen des Lebens mit einer chronischen Krankheit eindrucksvoll beleuchtet. Ein Buch, das nachhallt und zum Nachdenken anregt.


Inhalt

Du verlierst deine Jungfräulichkeit an einen Jungen aus deinem Gendertheorieseminar, und die erste Person, der du davon erzählst, ist Ella.
Ella ist mit dir auf der Party, als du zum ersten Mal ein Mädchen küsst. Und Ella bringt dich in die Notaufnahme, als du die erste Diagnose erhältst. In den nächsten Jahren hast du eine Reihe von Beziehungen und Jobs, lebst ein schnelles, unstetes Leben, aber du kannst dich immer darauf verlassen, dass Ella für dich da ist – bis der Alkoholkonsum und die Partys, die Krankenhausbesuche und die nächtlichen Anrufe die Grenzen eurer Freundschaft verwischen und daraus etwas Unausgewogenes und Fragiles entsteht, das Gefahr läuft, ganz zu zerbrechen.
Das Schlimme daran ist, dass du es kommen siehst. Das Schlimmste daran ist, dass du nicht weißt, wie du es verhindern kannst ...


Über die Autorin

Madeline Docherty ist 23 und lebt in Glasgow. »Erdbeeren und Zigarettenqualm« schrieb sie, um ihre eigenen Erfahrungen mit dem Frausein und chronischer Krankheit zu verarbeiten. Sie gewann den Preis der North Literary Agency der Universität Glasgow. Docherty arbeitet in der Kommunikationsbranche und leitet Workshops in Kreativem Schreiben für die Charity-Organisation Mind Waves.

Bewertung vom 03.02.2025
Shanghai Story
Min, Juli

Shanghai Story


sehr gut

Rückwärts durch Shanghai: Eine faszinierende Familiengeschichte


Meine Meinung und Inhalt

Juli Mins Debütroman Shanghai Story beeindruckt durch seine unkonventionelle Erzählweise und die tiefgründige Darstellung familiärer Beziehungen. Die Geschichte beginnt im Shanghai des Jahres 2040 und entfaltet sich rückwärts bis ins Jahr 2014, wodurch die komplexe Vergangenheit der Familie Yang nach und nach enthüllt wird. Im Mittelpunkt stehen der Geschäftsmann Leo, seine geheimnisvolle Frau Eko und ihre drei Töchter. Durch diese rückwärts erzählte Struktur werden die Leser:innen Zeugen von Glücksmomenten und Krisen, die das Leben der Familie geprägt haben.

Die Autorin, die als Chefredakteurin der Shanghai Literary Review tätig ist, zeichnet ein lebendiges Bild der Metropole Shanghai und ihrer sich wandelnden Gesellschaft. Ihr eleganter und präziser Schreibstil fängt die Spannung zwischen Tradition und Moderne sowie die individuellen Sehnsüchte und familiären Verpflichtungen der Protagonist:innen ein. Die Stadt selbst wird dabei zu einer eigenständigen Figur, die den ständigen Wandel und die Herausforderungen des urbanen Lebens verkörpert.

Ein zentrales Thema des Romans ist die Vergänglichkeit und die Frage, wie Erinnerungen unsere Gegenwart beeinflussen. Durch die rückwärtsgerichtete Erzählweise entsteht ein faszinierendes Puzzle, bei dem jede enthüllte Erinnerung eine neue Bedeutung erhält und die Leser:innen dazu anregt, über die Zusammenhänge von Vergangenheit und Gegenwart nachzudenken.

Shanghai Story ist für mich ein wirklich gut geschriebener und außergewöhnlicher Roman, der durch seine innovative Erzählstruktur und die toll umschriebenen Charakterbeschreibungen glänzt.

Er bietet einen eindrucksvollen Einblick in die Dynamik einer Familie und die Veränderungen einer Stadt im Laufe der Zeit.

Ein empfehlenswertes Werk für alle, die sich für vielschichtige Familiengeschichten und atmosphärische Stadtporträts interessieren.


Über die Autorin

Juli Min ist Chefredakteurin bei THE SHANGHAI LITERARY REVIEW, eine Literaturzeitschrift, die jährlich in Kooperation mit der Duke University erscheint. Ihre Texte erscheinen u.a. in The New York Times, Real Life und Hazlitt. Sie hat in Harvard ihren Bachelor in Komparatistik gemacht und einen MFA am Warren Wilson College. Sie erhielt das Swatch Art Peace Hotel-Stipendium 2023 und lebt zurzeit in Shanghai.

Bewertung vom 23.08.2024
Yoko / Die Rache Bd.1
Aichner, Bernhard

Yoko / Die Rache Bd.1


ausgezeichnet

Filmreif!

Meine Meinung und Inhalt

6/5 Sternen

Absolute Leseempfehlung! Ein Pageturner sondersgleichen!

Ich habe bis zum heutigen Stand alle Bücher des Autors gelesen. Ich kann für mich behaupten, dass Aichner mit "Yoko" ein unvorstellbar spannendes, berührendes, schockierendes und großartiges Buch geschrieben hat. Aichner hat einen unverkennbaren Schreibstil, seine Wörter und die Geschichte rund um die starke, kämpferische und mutige Protagonistin Yoko gehen unter die Haut.

Sein Werk "Totenfrau" wurde von Netflix und dem österreichischen Rundfunk ORF produziert / verfilmt und ich hoffe auch sehr(!), dass es mit diesem Werk gleichgetan wird.

"Yoko lebte lange und unbeschwert wie in einem Märchen. So gerne möchte sie wieder dorthin zurück. Doch sie kann nicht. Denn aus der Stille, die sie vorübergehend noch in Sicherheit wiegt, wird ohrenbetäubender Lärm.Der Himmel verdunkelt sich.Und es regnet Blut." (ZITAT)


Inhalt:

Yoko ist Ende zwanzig, als sie die von ihrem Vater geerbte Metzgerei in eine kleine Manufaktur umwandelt – liebevoll verpackt sie fortan das Glück in kleine Kekse, anstatt Schweinehälften zu zerlegen.

"Aus der Metzgerei sollte eine Glückskeksmanufaktur werden. Wo früher die Schweinehälften hingen, sollten in Zukunft Eier, Milch und Butter lagern. Yoko wollte Freude in die Gesichter derjenigen zaubern, die ihre Kekse auseinanderbrachen. Sie wollte Texte verfassen, die nachdenklich und fröhlich zugleich stimmten. Keine vorgefertigten Sprüche sollten es sein, sondern literarische Miniaturen, die eine Maschine präzise in die Schlitze der frisch gebackenen Glücksmuscheln schob. Kleine Kunstwerke, die Yoko auf bunte Papierchen drucken, zusammenfalten und in die Welt hinausschicken wollte." (ZITAT)

Sie ist verliebt, ihr Leben ist das erste Mal erfüllt von Leichtigkeit.
Doch dann ist sie eines Tages zur falschen Zeit am falschen Ort. Sie liefert eine Kiste Glückskekse an ein chinesisches Restaurant aus, und als sie versucht, im Hinterhof einem kleinen Hund zu helfen, wird sie für ihre Courage von dessen Peinigern bestraft. Yoko ist das leichte Opfer zweier Männer im Gewaltrausch. Alles zerbricht, ihr Leben liegt von einem Moment zum nächsten in Scherben.
Aber Yoko fasst einen Entschluss: Nicht ihre Verfolger werden entscheiden, wann ihr Leben endet. Nicht das Schicksal wird bestimmen, wie ihre Geschichte verläuft. Sie selbst wird es tun.
Noch ahnt sie nicht, mit wem sie es zu tun hat. Wie viel Leid über sie hineinbrechen und mit welch ungeahnter Härte sie sich dafür rächen wird. Ihr wird alles genommen, was ihr lieb ist. Und deshalb schlägt Yoko zurück. Erbarmungslos.


Über den Autor:

Bernhard Aichner, geboren 1972, lebt als Schriftsteller und Fotograf in Innsbruck. Angefangen mit kleinen Veröffentlichungen in Literaturzeitschriften, widmete er sich später Romanen, Hörspielen und Theaterstücken. Für seine Arbeit wurde er mit mehreren Literaturpreisen und Stipendien ausgezeichnet, so auch unter anderem mit dem Burgdorfer Krimipreis 2014 und dem Crime Cologne Award 2015. Die Thriller seiner Totenfrau-Trilogie standen in Österreich und Deutschland monatelang auf den Bestsellerlisten. Die Romane wurden bisher in 16 Länder verkauft, u. a. auch in die USA und England. Eine US-Verfilmung ist in Vorbereitung.