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jentis4711
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K.

Bewertungen

Insgesamt 43 Bewertungen
Bewertung vom 15.11.2025
Die drei Leben der Cate Kay
Fagan, Kate

Die drei Leben der Cate Kay


gut

Ich war aufgrund des Klappentextes und auch des Covers sehr gespannt auf diesen Roman und habe es auch genossen ihn zu lesen.

Die Autorin Cate Kay lebt ein Leben im Versteck und unter falschem Namen, weil sie in der Vergangenheit vor etwas davongelaufen ist, das sie Schritt für Schritt einholt. Diese Autorin schreibt nun ihre Memoiren, die begleitet werden von Kapiteln aus der Sicht von Menschen, die in ihrem Leben eine relevante Rolle gespielt haben. Die Storyline, den Aufbau und das Konzept dahinter fand ich höchst originell und ließ mich aufgrund der schnellen Wechsel auch beim Lesen interessiert dranbleiben. Obwohl die Figuren sehr nahbar berichten und gezeichnet sind, konnte ich jedoch nie so ganz bei ihnen andocken. Manchmal wusste ich nicht, ob gerade Cate oder Ray erzählt und musste nochmal aktiv überlegen, und das Bild, das andere von Cate (bzw. Annie) zeichneten, passte in meinem Augen oft nicht zu dem Bild, das ich mir in den gleichen Situationen selbst von ihr machen konnte. Daher kann ich sagen, dass ich diese Geschichte als Konstrukt sehr gern gelesen habe, dass ich jedoch nicht vollständig mit den Figuren abtauchen konnte.

Bewertung vom 02.11.2025
Botanik des Wahnsinns
Engler, Leon

Botanik des Wahnsinns


ausgezeichnet

Ich war schon länger gespannt auf Leon Englers Debütroman, vor allem da ich wusste, dass er sowohl praktizierender Psychologe als auch bereits prämierter Schriftsteller ist und ich auf die Kombination sehr gespannt war. Leon Engler seziert seine eigene (mentale) Familiengeschichte Stück für Stück, auf der Suche nach Mustern, Gründen und - denn er fürchtet stets, ebenfalls „verrückt“ zu werden - Vorboten. Dieses Buch ist Roman, Memoir, Sachbuch, Essay in einem, der Erzählton oft distanziert, aber interessanterweise trotzdem ergreifend. Wer sich in irgendeiner Weise für Psychologie und die Komplexität des Innenlebens interessiert, wer vielleicht auch selbst oder im Umfeld betroffen ist, sollte dieses Buch lesen. Es ist mutig, klug und stellt die Menschlichkeit in den Fokus und vor Diagnosen. Es wird mich auf jeden Fall noch länger beschäftigen.

Bewertung vom 05.10.2025
No Way Home (deutschsprachige Ausgabe)
Boyle, T. C.

No Way Home (deutschsprachige Ausgabe)


sehr gut

Dies war mein erstes Buch von T.C. Boyle, weshalb ich nicht beurteilen kann, ob es mit seinen vorherigen Romanen mithält, aber ich möchte nun unbedingt noch mehr von ihm lesen.

Im Mittelpunkt stehen Terry, ein Assistenzarzt, der nach dem Tod seiner Mutter ihr Haus in einer Kleinstadt vererbt bekommt, Bethany, in die er sich dort verliebt und die ihm anbietet, sich für ihn um das Haus und auch den Hund zu kümmern, bis alles geregelt ist, und Jesse, ihr obsessiver Exfreund, der immer wieder auftaucht. Zwischen Terry und Jesse entsteht bald ein Strudel der Eifersucht mit Folgen, doch auch Bethany scheint nicht mit ganz offenen Karten zu spielen. Was an diesem Roman so spannend ist und mich so überzeugt hat, ist nicht nur die komplexe und nachvollziehbare Figurenpsychologie, sondern vor allem, dass die Story sich liest, als sei sie nicht von einem Autor konstruiert worden (wie sich Bücher oft lesen), sondern als würde tatsächlich ein Ereignis zwingend aus dem anderen folgen und sich alles unkontrollierbar zuspitzen. Bis zuletzt ist alles möglich - sehr spannend!

Bewertung vom 12.09.2025
Gym
Keßler, Verena

Gym


gut

Ich hatte mich nach der Leseprobe wahnsinnig auf Verena Kesslers neuen Roman gefreut. Die erste Hälfte war auch genau das, was ich mir erhofft hatte: eine gewitzte, schonungslose Satire unserer Leistungsgesellschaft, vor allem hinsichtlich körperlicher Bestätigung und Optimierung, in sehr guter und eingängiger Sprache. Ich musste häufig lachen, nicken, war überrascht. Etwa nach der Hälfte marschiert der Roman jedoch in eine ganz andere Richtung als erwartet. An sich ist das nicht schlimm, im Gegenteil, nur hatte die Hauptfigur von Beginn an zu wenig Tiefgang, um ihre Wandlung tatsächlich nachvollziehbar sein zu lassen. Der plötzliche Switch in ihr wird auch durch die zwischengeschobenen Kapitel aus der Vergangenheit nicht greifbar. Am Ende ist es einfach nu bizarr, übertrieben und zu sehr gewollt, ohne dass ich die Figur dabei wirklich fühlen konnte. Wer bizarre, gar eklige und abgedrehte Texte mag, wird in der zweiten Hälfte sehr auf seine Kosten kommen, ich war hingegen war (nur aus persönlichen Geschmack) enttäuscht, der Roman hatte zu Beginn wirklich Potenzial für eine vielschichtigere Betrachtung der Figur(en). Nichtsdestotrotz ist es ein sehr gut geschriebener Roman, der zurecht seine Fans hat.

Bewertung vom 11.08.2025
Treppe aus Papier (eBook, ePUB)
Szántó, Henrik

Treppe aus Papier (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Henrik Szántós Roman hat Gewicht. Für dieses dünne Buch braucht es Zeit und Muße, um sich jeden einzelnen Satz auf der Zunge zergehen lassen zu können. Seine Sprache ist pure Kunst und ein Genuss für alle Literaturliebhaber.

Gleichzeitig verhandelt er in diesen Roman ein Thema, das in der deutschen Literatur schon häufig aufgetaucht ist, allerdings auf eine vollkommen neue und originelle Art und Weise: aus Sicht eines Wohnhauses erzählt er über 100 Jahre die Geschichten seiner Bewohner und nähert sich dem Thema der Schuld im Nationalsozialismus und bis heute an, ohne dabei belehrend zu wirken. Durch die gefühlte Gleichzeitigkeit seiner Erzählung entsteht ein eindrückliches und sehr nah gehendes Geflecht aus Beziehungen, inneren und äußeren Konflikten und Erinnerungen, sodass man beim Lesen gar nicht anders kann, als es zu fühlen und zu erleben. Dieser Roman erscheint mir nahezu meisterhaft komponiert und formuliert und ist ein absolut wichtiges Buch.

Bewertung vom 11.08.2025
Die Probe
Kitamura, Katie

Die Probe


ausgezeichnet

Der neue Roman von Katie Kitamura beginnt mit einer Begegnung, die ein Missverständnis sein könnte - oder der Keim für ganz andere Fragen, die man sich als Lesende:r im Verlauf der Geschichte stellt.

Es ist ein dünnes Buch, aber wahnsinnig dicht. Der präzise und zugleich etwas kühle Schreibstil entwickelt einen Sog - vielleicht, weil die Erzählerin so distanziert bleibt und man ihr unbedingt näher kommen, in ihren Kopf schauen will.

Der ganze Roman ist ein Rätsel und die verschiedenen Interpretationsmöglichkeiten und Spielräume für eigene Verknüpfungen machen großen Spaß. Was mich zwischendurch etwas ermüdet hat, war die Formatierung der wörtlichen Rede, die meist ohne Anführungszeichen in den Fließtext eingebettet ist und manchmal schwer vom restlichen Text zu unterscheiden ist - was allerdings gleichzeitig wieder dazu beiträgt, nie ganz zwischen Wahrheit und Fiktion im Kopf der Erzählerin zu unterscheiden.

Große Leseempfehlung für alle, die anspruchsvolle Romane zum Mitdenken mögen!

Bewertung vom 18.07.2025
Furye
Rubik, Kat Eryn

Furye


sehr gut

Die Furye hat grundsätzlich alles, was es für ein leicht melancholisches Sommerbuch braucht, das sich ein bisschen wie ein Film an der französischen Küste anfühlt. Die Sprache ist besonders und das Buch zu lesen fühlt sich insbesondere in den Rückblicken an, als sähe man alte Polaroids durch. Trotzdem hat die erzählte Geschichte irgendwie etwas Ort- und Zeitloses, das einiges unkonkret bleiben lässt.
Es geht in diesem Roman um Verluste in der Jugend, die das restliche Leben einfärben, es geht um die Keime, die beim Erwachsenwerden gesät werden, in Form von Freundschaften, ersten Lieben, frühen Träumen und schlechten Erfahrungen, die die weitere Zukunft bestimmen können, aber eben nicht müssen.
Das einzige, was ich etwas schade fand, war, dass ein paar Charaktere doch recht stereotyp waren und blieben - so besonders, wie der Roman angelegt ist, hätte ich mir da noch mehr Brüche erhofft bzw. erwartet. Insgesamt aber ein tolles Sommerbuch mit Tiefgang.

Bewertung vom 16.06.2025
Durch das Raue zu den Sternen
Kloeble, Christopher

Durch das Raue zu den Sternen


ausgezeichnet

Eine Hauptfigur, die im Kopf bleibt - Schon auf den ersten Seiten war ich angetan von Arkadia Fink, der 13-jährigen Hauptfigur und auch Ich-Erzählerin. Sie ist eigenwillig, entschlossen, ein wenig trotzig und innerlich ein Mädchen, das sich nach seiner Mutter sehnt und über die Leidenschaft zur Musik versucht, diese wiederzufinden und innerlich die Verbindung zu ihr zu halten. Entschlossen, als Mädchen in den Knabenchor aufgenommen zu werden, lässt sie sich durch nichts aufhalten, während zugleich ihre innere Not und Einsamkeit (die sie sich selbst nicht eingestehen will) für den Leser spürbar ist. Christopher Kloeble ist es meisterlich gelungen, eine unzuverlässige Erzählerin die Feder in die Hand nehmen zu lassen und den Leser mit ihr mitfiebern zu lassen. Ich habe Bewunderung und Mitgefühl für Arkadia empfunden, hätte sie zugleich oft schütteln wollen und werde mich definitiv noch lange an sie erinnern, was ein gutes Zeichen ist. Nicht zuletzt besticht der Roman durch seine sehr ausgefeilte Sprache. War eine wahre Lesefreude!

Bewertung vom 07.06.2025
Trauma ENDLICH überwinden
Thiel, Aylin

Trauma ENDLICH überwinden


ausgezeichnet

Im Vorwort war ich zunächst überrascht, da es der Autorin in diesem Buch allein um Entwicklungstrauma geht und nicht um singuläre und später im Leben erlittene Traumata. Das hat das Buch für mich tatsächlich noch interessanter gemacht, sollte aber vorab besser kenntlich gemacht werden.

Ich habe den Ton im Buch als sehr wertschätzend und unaufdringlich empfunden und die Struktur erschien mir sehr sinnvoll. Es gibt zunächst tiefergehende Erklärungen zu Entstehung und Folgen von Entwicklungstrauma, dann viele Übungen für die kognitive, emotionale und körperliche Regulation (sowohl akut als auch langfristig) und später noch Ansätze für einen guten Umgang mit sich selbst und dem eigenen Leben in Zukunft. Mit dem (therapeutischen) Hintergrundwissen, das ich selbst habe, sind die Übungen sehr gut ausgewählt und das Buch ist ein sehr umfassendes Handbuch, das mir sehr hilfreich auf verschiedenen Ebenen erscheint. Ob sich allein mit dem Buch tiefsitzendes Entwicklungstrauma überwinden lässt, kann ich nicht beurteilen, in Kombination mit einer Therapie oder sonstigen externen Prozessen finde ich es allerdings enorm hilfreich und würde es empfehlen.

Bewertung vom 02.04.2025
Schweben
Ben Saoud, Amira

Schweben


ausgezeichnet

Amira Ben Saoud hat einen vielversprechenden Debütroman mit einer ganz eigenen und sehr originellen Story vorgelegt, der zugleich für ein breites Publikum funktioniert - und das an sich ist schon eine große Leistung!

Der Roman scheint in einer nicht klar definierten Zukunft zu spielen, mindestens jedoch in einer alternativen Gesellschaft, über der eine düstere Stimmung liegt - viele kleine und große Anzeichen sprechen für eine nicht allzu weit entfernte Dystopie. Zusätzlich zu dieser gesellschaftlichen Ebene gesellt sich eine feine psychologische Ebene rund um die Hauptfigur, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, für einen begrenzten Zeitraum die Identitäten von vermissten Menschen zu übernehmen (mit klarem Auftrag und gegen Bezahlung). Diese Idee allein wäre schon genial, verstörend und verlockend genug, um einen Roman zu füllen.

Das zugegebenermaßen sehr dünne Buch hat mich sprachlich und mit seiner Handlung in den Bann gezogen; es hat allerdings auch sehr, sehr viele Fragen offen gelassen. Das ist an sich nicht schlimm, an einigen Stellen hätte man allerdings noch mehr aus den Ideen machen, noch tiefer in die Marterie einsteigen können. Ich als Leserin hatte manchmal das Gefühl, dass die Lücken nicht unbedingt eine bewusste Entscheidung der Autorin im Sinne des Gesamtwerkes waren, sondern dass die Story insgesamt nicht funktioniert hätte, wenn Kausalität und Logik eine größere Rolle gespielt hätten. Dafür, dass der Roman jedoch die Fragen in mir aufgeworfen hat, die er vermutlich aufwerfen wollte, hat er trotzdem für mich funktioniert - daher eine Empfehlung!