Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
booktower
Wohnort: 
Rodgau

Bewertungen

Insgesamt 70 Bewertungen
Bewertung vom 22.10.2025
Adama
Tidhar, Lavie

Adama


ausgezeichnet

Dieses Buch zu lesen wird zu einem ganz besonderen Erlebnis, wie es schon von den ersten Seiten an ersichtlich ist. Erzählt wird in der Vor- und Rückschau.
„Adama“ wird als Politthriller, Kriminalroman und historisches Epos beschrieben. Diesen Roman episch zu nennen passt genau, deckt er doch eine wichtige Zeitspanne in der Geschichte der heutigen Nation Israel ab. Der Schreibstil dringt unter die Haut, in anderen Worten - erschüttert. Ist er doch intensiv und triggert die Imagination in allen Ebenen. Hier werden so viele Themen angesprochen, wie nötig sind um so eine hochkomplexe Zeitspanne, wie sie hier Thema ist, in Worte zu fassen. Eines davon ist das der Schicksale von Menschen, die DP genannt wurden, „displaced persons“, überlebende Juden der Konzentrationslager. Nicht alle wollen nach Palästina, die die dort ankamen fanden ein Land, zerrissen vom Krieg, trocken, steinig, voller verzweifelter Menschen. Tidhar erzählt die Schicksale vieler verschiedener Protagonisten.

Er beginnt 1946 mit der jungen ungarischen Zionistin Ruth, die versucht, sich in Palästina ein neues Leben aufzubauen. Nicht nur über Ruths Leben und die Gründung des Kibbuz „Trashim“ lesen wir, an Beispielen von so vielen Charakteren können wir nachvollziehen, was geschehen ist und was noch immer geschieht. Im Licht der Geschehnisse unserer Jetztzeit ist dies eins der wichtigsten Bücher die seit dem Konflikt geschrieben wurde, der am 7. Oktober 2023 begann. Ich hoffe, viele werden dieses Buch lesen, es ist ein wichtiges Buch über eine Zeit, die niemals vergessen werden kann.

Bewertung vom 19.10.2025
Drei Tage im Schnee (eBook, ePUB)
Bhatter, Ina

Drei Tage im Schnee (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

„Die meisten Dinge, die ich tat, tat ich nur, weil man das eben so machte.“
„Spielte Spaß überhaupt eine Rolle in meinem Leben?“ Hannah hat ein Ferienhaus gemietet. Eines Morgens sieht sie den verschneiten Garten. Darin erblickt sie ein kleines Mädchen, das etwas baut, das wie ein Schneemann aussieht. Sie geht hinaus zu der Kleinen mit Namen Sophie und entdeckt, dass sie eine Schneekugel rollt, die immer größer wird. Beide beginnen etwas gemeinsam zu bauen - sie nennen es ein Schneinhorn. Für das Horn bietet sich ein dicker gefrorener Eiszapfen an. Dann bringt Sophie Hanna bei, wie man einen Schnee Engel macht. Nach ihren Aktivitäten im Schnee gehen sie ins Haus und Hannah bereitet weiße Schokolade zum Trinken für Sophie. Sie beginnen sich zu unterhalten - über so viele Dinge des Lebens, wie es sich eben bei Besuchen ergibt. Sophies Besuch ist ein ganz besonderer - nach der Begegnung mit ihr gehen Hannah unglaublich viele Gedanken durch den Kopf – viele gespeist von Ereignissen aus ihrer Vergangenheit, angefangen mit ihrer Kindheit. Hannah und Sophie beginnen was sich zu einer Freundschaft entwickelt. Sophies Vorstellungen über Zeit, Spaß und Leben malen eine ganz neue Dimension für die erwachsene Hannah. Jeden Tag besucht Sophie Hannah. Die Gespräche stoßen so viel in Hannah an, was sie jahrzehntelang nicht mehr bedachte. Es sind Erinnerungen der ganz besonderen Art. Es ist Sophie mit ihren Fragen und Bemerkungen zu den Dingen, die die beiden erleben, die Hannah zurückversetzen in die Zeit als sie selbst ein Kind war. Sie erinnert sich an die Gespräche mit ihrem Großvater. Er hatte ihr sehr viel über Tiere und Pflanzen erzählt. Das Denken an ihn löst ein Kleiber aus, ein Vogel, der von oben nach unten an einem Baumstamm herunterläuft. Die Gespräche mit Sophie lassen Hannah das Leben von einer ganz neuen Seite sehen – sie beginnt mehr an sich selbst zu denken. Sie sieht Alleinsein mit einem ganz anderen Blick:
“Wenn ich mich mit mir selbst gut stellte, dann hatte ich meine beste Freundin immer bei mir. Immer jemanden an meiner Seite, die mir vertraute…die mich ohne Worte verstand.“ Hannah versteht, dass es gut wäre, immer wieder Ruhepausen einzulegen, Zeit mit sich selbst zu haben, aufzuhören mit Hetze und unermüdlichen Aktivitäten. Weil sie eben ermüdeten…
Ich wünsche diesem Buch, dass ganz viele Menschen sich die Zeit nehmen, es zu lesen. Nicht jeder hat das Glück, eine Sophie zu treffen – wir sollten uns auf die Suche machen, das kleine „Ich“ tief in uns zu wieder zu treffen und uns an die Hand nehmen zu lassen…

Bewertung vom 17.10.2025
Mord in besserer Gesellschaft
Lloyd, Josie

Mord in besserer Gesellschaft


ausgezeichnet

Dieser neueste Krimi von Josie Lloyd ist auch mein erstes Buch, das ich von ihr gelesen habe. Es hat mich sofort begeistert. Diese Geschichte ist so unglaublich wunderbar ausgeklügelt wie man sie nicht allzu oft antrifft. Die vielen Wendungen, die wir hier vorfinden nehmen einen sofort gefangen, man muss einfach immer weiterleisen. Welche unglaublichen Entdeckungen man in dieser Geschichte macht werden ausgelöst durch die Vermittlung einer französisch sprechenden Hauswirtschafterin durch die Agentur von Miss Alice Beeton. Auf Seite 190 spricht Detective Rigby von der London Metropolitan Police einen Satz, der diesen wunderbaren Roman sehr gut charakterisiert:“Was Sie geleistet haben, kommt fast einem Wunder gleich.“
Alice ist eine vielseitig talentierte Person. Sie führt eine Agentur zur Vermittlung von Hauswirtschafterinnen mit ausgezeichneten Referenzen an Familien der „besseren Gesellschaft“ wie der Titel es nennt. Alice genießt großes Vertrauen ihrer Klienten, die sich gerne von ihr eine Hauswirtschafterin vermitteln lassen. Eine ihrer besten braucht nun dringend eine neue Angestellte und zufällig - wie es immer so ist - erscheint die junge und angenehm erscheinende Enya in ihrer Agentur. Entgegen Alices Prinzipien vermittelt sie nun diese junge Frau ohne Interview und nur aufgrund ihrer ausgezeichneten Papiere. Es passt alles wunderbar.
Auf 399 Seiten entfaltet sich nun eine Geschichte mit unzähligen sehr interessanten Begebenheiten, die so fesselnd sind, dass man einfach nicht aufhören kann, zu lesen. Alices Mitarbeiterinnen in ihrer Agentur stehen ihr jederzeit hilfreich zur Seite. Immer wird sie begleitet von ihrer entzückenden kleinen Hündin, Agatha (nach Agatha Christie) die einen sofort einnimmt durch die Zeichnung auf dem Cover. Alice erlebt persönliche Schicksalsschläge weil ihre Wohnung durch ein Leck der oberen Wohnung wochenlang nicht bewohnbar ist. Sie findet eine Lösung und lässt sich nicht in ihrer Arbeit beeinträchtigen. Die vielen Wendungen und Überraschungen in dieser Geschichte fesseln von Anfang an und versprechen allerbeste Unterhaltung neben der kriminalistisch sehr ausgeklügelt ausgedachten Handlung. Unbedingt erwähnenswert sind die wunderbaren Koch- und Backrezepte, die jedes Kapitel bereichern. Dieses Buch ist eine Fundgrube von exquisiten Beschreibungen verschiedener Szenen: Zubereitungen in der Küche, Besuch von high-class Boutiquen mit den dazugehörigen Beschreibungen der Kleider, Handtaschen, des Schmucks und Schuhen. Es finden sich hochinteressante Charaktere in der Story, die alle miteinander auf die lustigste, sehr intelligente und unerwartete Weise miteinander agieren. Worte sind nicht genug, um meine totale Bewunderung für diese Kriminalgeschichte auszudrücken. Sie ist noch soviel mehr. Der Roman ist einfach perfekt, bis ins allerkleinste Detail, und auch wenn das nur ein Papierfetzen aus einer Hosentasche ist. Man sollte diese fesselnde Geschichte unbedingt lesen und ganz besonders alle, die Hunde lieben.

Bewertung vom 09.10.2025
Das erkaufte Glück
Johannsen, Anna

Das erkaufte Glück


ausgezeichnet

Wer bereits vorige Kriminalgeschichten von Anna Johannsen kennt, wird sich auch in ihrem neuen Roman sehr wohlfühlen. Lea Nielsen arbeitet beim LKA in Niedersachsen und entschließt sich, eine neue Stelle in Ostfriesland, in der kleinen Stadt Wittmund anzunehmen. Anna Johannsen erzählt in all ihren Romanen nicht nur den Alltag der Polizeiarbeit, sondern lässt die Leser immer auch am Privatleben ihrer Protagonistinnen teilnehmen. Hier nun wird Lea mit ihrer Vergangenheit konfrontiert – sie entschließt sich ihrem Vater beizustehen. Er leidet an beginnender Demenz. Auch hat er die Familie verlassen, als Lea noch klein war. Also ein schweres Erbe tritt sie selbstlos an, um ihn jetzt zu unterstützen. Der neue Fall, dem sie sich jetzt widmen muss, ist sehr verwirrend und führt uns in das Milieu der reichen Familien, deren Kinder in einem Internat zur Schule gehen. Hier auf der Insel Spiekeroog. Die Tochter der reichen Eltern wird entführt und die Spur ist nicht leicht zu finden. Anna Johannsen versteht es, ihre Leser bis zur letzten Seite zu fesseln. Dass dieser Fall viele Wendungen hat, wie jeder Leser von Kriminalromanen es erwartet, erleben wir hier in einem meisterhaften Plot. Von der Nordsee durch die Dünen und Wälder sowie die ostfriesischen Städte führt der Weg zur Lösung sogar bis nach Malaga. Sie spanischen Polizeibeamten helfen mit und es entsteht sogar etwas wie eine Freundschaft zwischen Lea und der spanischen Kollegin Maria. Auch die Liebe kommt nicht zu kurz. Gleich neben dem Boot von Leas Vater liegt das Boot von Jan, einem Lehrer im Hafen. Mit ihm versteht Lea sich auch sehr gut und wird sogar in die Segelkunst eingeführt…Diese Geschichte empfehle ich ohne Vorbehalte – sie hat einen hohen Unterhaltungswert und bedient was man sich wünscht – sehr schöne Natur- und Städtebeschreibungen, das Miteinander von Kommissaren und Vorgesetzten, spannende Observierungen und Verbrecherjagden sowie Freundschaften, die das Leben in diesem Milieu der anstrengenden Aufgaben leichter machen können.

Bewertung vom 02.10.2025
Sonnenaufgang Nr. 5
Henn, Carsten Sebastian

Sonnenaufgang Nr. 5


ausgezeichnet

„Denn wer eifersüchtig war, dessen Herz schlug noch. Dessen Herz war noch in der Lage, aus Liebe zu schlagen.“ So geht es Paul in Carsten Henns neuem Roman „Sonnenaufgang Nr. 5“. Alle Menschen hier in diesem Roman haben viele Geschichten zu erzählen, in denen die Liebe keine untergeordnete Rolle spielt. Jonas ist in diese kleine Stadt am Meer gereist, um einer Diva aus der Vergangenheit zu helfen, ihr Leben zu erzählen. Stella Dor empfängt ihn in ihrem alten Haus, auf Holzstützen gebaut. Das Haus hält noch jedem Sturm stand, man kann sich darin sicher fühlen. Obwohl der Bürgermeister dies bestreitet… Es bleibt nicht aus, dass Jonas viele andere Menschen trifft, die hier wohnen. Sie alle haben viel zu erzählen, über sich und andere Dorfbewohner von denen wir lesen. All die Geschichten ergeben ein Bild wie aus Puzzleteilen zusammen gesetzt.
Stella hat ihr ganzes Leben bereits in ihrer eigenen Weise erzählt: auf vielen Zetteln die überall im Haus zu finden sind – nicht nur in ihren unzähligen Büchern sondern an ganz besonderen Stellen findet man diese.
Verwoben mit den Geschichten derjenigen, die Jonas trifft, ist seine eigene. Diese wird Stück für Stück durch viele sms zwischen ihm und seinem Vater aufgedeckt, wie im Kartenspiel – immer eine nach der anderen. Bis wir dann erfahren werden, was geschehen ist mit seinem Vater, seiner Mutter und ihm selbst.
Carsten Henn findet einen wunderbaren Ausdruck für das Normale, das Selbstverständliche – er nennt es das „Hintergrundrauschen des Lebens“ und sagt gleichzeitig, dass es doch die „eigentliche Melodie“ ist.
Und mit diesem Ratschlag endet ein Gespräch mit Bentje, der Frau, die an der Bushaltestelle wartet um die Ansagen ihres verstorbenen Mannes zu hören.
Sie sagt, was wir alle immer erinnern sollten:“Leben Sie jeden Tag so, als sei es der letzte. Dann werden Sie ein Leben führen, das unvergesslich ist.“
Mag sein, dass viele Leser diesen Rat schon lange kennen. Es ist aber ratsam, sich öfter daran zu erinnern. In dieser Geschichte lesen wir viel, das uns auf Ähnliches hinweist. Sie steckt voller überraschender Wendungen, so wie wir es von einem guten Roman erwarten. Dieser Roman jedoch ist mehr – er ist ein Seelenbuch. Er rührt die Seele an und wird das bei allen die ihn lesen tun – die es sich erlauben, ihre Seele berühren zu lassen.

Bewertung vom 07.09.2025
Onigiri (eBook, ePUB)
Kuhn, Yuko

Onigiri (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

„Ich warte doch auf sie, immer noch warte ich auf sie, ich werde immer auf sie warten, auf meine Mutter“ (S. 180).
Diese Familiengeschichte einer ganz besonderen Art umarmt zwei Kontinente. Europa und Asien. Sie beginnt mit Betrachtungen über die in Japan verstorbene Großmutter, die sich verflechten mit der Gegenwart und den Erinnerungen an das Leben der Erzählerin mit ihrer eigenen Mutter. Die Autorin erzählt von ihrer eigenen Kindheit mit der Mutter. Sie schreibt einen sachlichen Stil, darin schlummern tiefe Gefühle. Szenarien werden belebt, die nicht nur das Leben der Verstorbenen in Japan aufleben lassen sondern auch das, was die Enkelin Aki in ihrer Kindheit mit der japanischen Großmutter und ihrer deutschen Familie väterlicherseits erlebte. Aki lebt mit ihrer Mutter Keiko und ihrem Bruder Kenta zusammen.
Oft verbringt sie die Ferien bei den wohlbetuchten deutschen Großeltern, wo sie dankbar selbstverständlichen Überfluss in einer wohlhabenden Familie erlebt. Im eigenen Zuhause geht es anders zu, nachdem ihre Eltern sich getrennt hatten – der Vater war ausgezogen. Diese Beschreibung des Lebens einer deutsch-japanischen oder japanisch-deutschen Familie lässt uns fragen, wie Aki es wohl in Deutschland ausgehalten hat - den Schulbesuch…dabei bleibt es nicht aus, dass ihr „Schlitzauge“ nachgerufen wird. Tapfer hält sie es aus und findet auch Freundinnen, deren Leben zu Hause so anders ist als ihres. Ihre Kindheit ist vorüber, als der Tod der Großmutter eintrifft.
Akis Mutter scheint den Tod ihrer eigenen Mutter Yasuko nicht zu verstehen. Aki beschließt, mit ihr nach Japan zu reisen, sie hofft, dass diese Reise auch ihrer Mutter die Klarheit des Geistes – zum Teil – wiedergeben könnte. Die Reise nach Japan eröffnet Tochter und Mutter unendlich viele Erinnerungen an Vergangenes. Dies wiederum wirft Licht auf so Vieles, das vorher eher rätselhaft erschien oder sogar bislang keine wichtige Rolle spielte. Wertvolle Beobachtungen bringen Erkenntnisse, die allen in einer Familie helfen können, Dinge anzunehmen, die auch schmerzhaft sein können. Das Leben ist ein immerwährender Fluss.

Bewertung vom 19.08.2025
Mein Name ist Emilia del Valle
Allende, Isabel

Mein Name ist Emilia del Valle


ausgezeichnet

In ihrem neuen Roman führt Allende uns in vier Teilen und bekannter spannender Weise durch die Geschichte der letzten Jahrhunderte Nord- und Südamerikas. Lesend erleben wir, wie Amerika sich von Mexiko trennte und große Gebiete, auch Kalifornien, einnahm. Es ist die Zeit, die in den Geschichtsbüchern als „Goldrausch“ beschrieben wird. Molly wohnt im Mission Distrikt in San Francisco. In ihrem unnachahmlichen Stil erzählt Allende hier mit der Stimme von Emilia del Valle was deren Mutter, Molly Walsh, erleben musste. Als Klosterschülerin wurde sie für Dienen und Lehren ausgebildet. Mollys Werdegang zeigt sich atemberaubend. Von Nonnen erzogen, die von ihr erwarteten, dass sie ins Kloster eintreten würde, gestaltet sich ihr Leben indes völlig anders. Sie wurde keine Nonne, sondern ein chilenischer Adliger war so bezaubert von ihr, dass er sie sich zu eigen machte, vergewaltigte und sich danach nicht weiter mit ihr befasste.
Molly beginnt eine Stelle als Lehrerin in einer Schule mit dem Namen »Der Stolz der Azteken“. Der Gründer der Schule, Don Pancho aus Chile war auch der einzige Lehrer. Er war ihr sehr zugetan, denn er erkannte ihre Befähigung zur Lehrerin, ihre Begabung zum Schreiben und auch, dass sie unschuldig schwanger geworden war. Sie heiraten und mit der Zeit wird daraus eine glückliche Ehe. Er wird ein wunderbarer Vater für Emilia. Sie zeigt sich von den Heftromanen, die ihr Vater gern liest, inspiriert und beginnt, selbst Geschichten zu erzählen und zu schreiben. Sie schreibt unter einem männlichen Pseudonym. Ihr Vater trägt die Geschichten zu einem Verleger – sie erscheinen gleichzeigt in Englisch und Spanisch.
Emilia schafft es, bei der Zeitung Daily Examiner eine Stelle zu finden. Sie behauptet sich als Journalistin und erreicht, dass ihr Chef sie zusammen mit ihrem Kollegen Eric Whelan als Korrespondentin nach Chile sendet. Von dort berichten beide über die politischen Entwicklungen in diesem Land. Krieg beginnt zwischen den Regierungstruppen und denen der Kongressanhänger. Allendes Beschreibung der Schlachten, besonders der von Concón rüttelt auf und erinnert daran, wir grauenvoll Krieg ist und dass er unbedingt verhindert werden sollte.
Fortan lesen wir nicht nur weiter den Roman sondern auch Artikel, die Emilia schreibt, werden eingeblendet. Dieser literarische „Zauber“ macht das Lesen und Erleben der Vorgänge auf beiden Kontinenten noch lebendiger. Allende erweckt so die 19. und 20. Jahrhunderte zum Leben und wir Leserinnen lernen viel über die wichtigen, unsagbar grausamen Begebenheiten der Geschichtsereignisse in Nord- sowie in Südamerika. Diese Vergangenheit ist einfach wahnsinnig fesselnd sowie beängstigend. Die Erzählung überwältigt durch Inhalt, Schreibkunst und wichtige geschichtliche Informationen, die auch für die heutige Zeit absolut relevant sind. Nicht nur das, sie kommt in einer Zeit, in der tägliche Nachrichten von Kriegsherden in unsere Wohnzimmer drängen.
Die Erzählung am Ende der Geschichte, wie Emilia ein anderes, neues Leben beginnt, nach dem der Krieg vorüber ist, rührt zutiefst an. Sie bricht auf, um ihre Wurzeln zu finden. Charaktere, die sie auf ihrem Weg in den Süden Chiles begleiten, graben sich unvergesslich in unser Lesegedächtnis ein. Dazu gehören auch die Mapuche, Ureinwohner Chiles und des Kontinents. Dieser Roman wird niemals vergessen werden.

Bewertung vom 23.07.2025
Wir sehen uns wieder am Meer
Teige, Trude

Wir sehen uns wieder am Meer


ausgezeichnet

Wir springen in die Handlung als Norwegen von Nazideutschland besetzt war und sogar von einem norwegischen Naziführer die Rede war. Drei norwegische Krankenschwestern stellen sich beim Roten Kreuz vor um zu helfen. Als die Oberschwester beginnt zu reden und für den Dienst zu werben, verlassen Birgit und Tekla den Raum. Sie beginnen eine Unterhaltung, aus der hervorgeht, was in Familien geschieht, die sich den Deutschen unterworfen haben. Tekla und Birgit trennen sich und Birgit geht zum Russisch Unterricht. Sie fühlt sich sehr wohl bei Ilja und wir lesen, wie sehr sie sich lebendig fühlt, wenn sie dorthin geht. Sie unterhalten sich auch darüber, was passiert, wenn man Krankenschwester bei den Deutschen wird: man wird ein Teil der deutschen Kriegsmaschinerie.
Während wir weiterlesen, wird klar, dass wir in Birgits Gedanken einen Rückblick auf das lesen, was Birgit mit Ilja erlebte und wie sein plötzlicher Tod ihr Leben in die Bahnen führte, die sie nun eingeschlagen hat: in dem Krankenhaus zu dienen und zu helfen.
Teiges sehr ausdrucksstarker Schreibstil nimmt einen wieder sofort gefangen, wie in den vorhergehenden Bänden. Es ist so spannend zu lesen, wie es Birgit im Krankenaus ergeht. Obwohl Birgit als Schwesternschülerin im Krankenhaus vermutlich bis zum Umfallen gearbeitet haben muss, gerät sie in den Kreis des norwegischen militärischen Widerstands gegen die Besetzung. Darin arbeitet sie im Krankenhaus zusammen mit Ärzten und anderen. Im Krankenhaus beginnt für Birgit eine Zeit des Versteckens.
Was sie durchmachen musste, ist bestimmt vielen Menschen so gegangen, die heimlich Gutes taten und dies verstecken mussten, um den Nazi Schergen zu entgehen. Auch lesen wir von den schweren Schicksalen der Zwangsarbeiterinnen in der Fischfabrik. Diese wurden von den Deutschen, die damals die Ukraine besetzten, nach Norwegen gebracht, um dort schwere Arbeit zu leisen. Es ist immer wieder wichtig, von Kriegszeiten im 2. Weltkrieg zu lesen um zu verstehen, wie es den Menschen danach gegangen ist. Der Beitrag Teiges über die Besatzungszeit in Norwegen ist unendlich wertvoll in der Literatur über diese schreckliche Zeit.
Dass Birgit schließlich nach Kriegsende in der norwegischen Botschaft in Moskau als Agentin für die USA gearbeitet haben soll, hört Juni bei deren Beerdigung zum ersten Mal. Den unlösbaren Konflikt, dass Birgit zwar offiziell wie im Geheimen Einzelpersonen retten könnte, die Verhaftung einer Pflegekraft aber ein größerer Schaden für ihr Land wäre, zeigt Trude Teige hier anschaulich. „Erzählen ist wichtig. Um selbst leben zu können, müssen wir wissen was unsere Familien erlebt haben. Die Kriegserlebnisse von Frauen sind dabei genauso dramatisch wie die der Männer. Die Historiker haben die Frauen im Stich gelassen. Was ich suche ist das, was verschwiegen wurde“ – so spricht Trude Teige zu uns.
Bereits in den 50er Jahren wird Birgit von einem Psychiater ermahnt, ihre persönlichen traumatischen Ereignisse in einer Therapie zu bearbeiten, Medikamente allein würden ihre psychische Erkrankung nicht heilen. Weitaus entschiedener als Birgit “alles kann man nie erzählen“, schweigt Marianne über ihre Erlebnisse. Diesen dritten Band zu lesen, ist ein großer Gewinn. Denn was Trude Teige uns zu sagen hat, kann kein Geschichtsbuch für uns leisten.

Bewertung vom 17.07.2025
Hearts & Horses - Reiten, Rockstar und das große Glück
Qunaj, Sabrina

Hearts & Horses - Reiten, Rockstar und das große Glück


ausgezeichnet

Trotz des englischsprachigen Titels lesen wir ein Buch in deutscher Sprache. Diese Geschichte wird alle anrühren, die sich mit Pferden beschäftigen und diese so lieben, dass sie alles tun würden, die Pferde glücklich zu sehen.
So ein wunderbares Pferd liebt Mia, einen Lusitano, einen Falben mit schwarzer Mähne und schwarzen Beinen. Ein schlimmer Unglücksfall trifft die Familie, die Mia verzweifeln lässt – ihre Mutter starb bei einem Sturz vom Pferd. Mias Vater möchte nicht, dass seine Tochter es weiter mit Pferden zu tun hat und reitet. Er verkauft Mias Pferd.
Lisa und Emil, Freunde der Familie und Stallbesitzer besuchen Mia und ihren Vater, um sich zu vergewissern, dass es ihnen nicht allzu schlecht geht, besonders der verzweifelten Mia. Sie bieten Mia an, dass sie jederzeit kommen kann um zu reiten. Doch dies wird nicht geschehen, zu unglücklich ist Mias Vater, der Mia von Pferden fernhalten will.
Zwei Jahre sind vergangen, da schreibt Mias Freundin Karo vom Reiterhof und schickt Mia ein Foto von Tiago. Tiago lebt nun auf dem Hof bei „Showpferde Hansen“.
Mia fasst einen Entschluss – sie nimmt den Bus um Tiago aufzusuchen bei der neuen Organisation. Auf dem Weg trifft sie Arvid, einen erfolgreichen jungen Rockstar, der Ruhe und Erholung von seinem anstrengenden Leben im Showgeschäft sucht bei seiner Großtante, die auf dem Hof lebt. Wie sich die beiden treffen wird einfühlsam geschildert, beide sind rücksichtsvoll um sich nicht gegenseitig durch unangebrachte Neugier zu verletzen. Es bleibt spannend.
Die Geschichte ist in einem überzeugenden Stil geschrieben und lässt einen mitfühlen wie es den Protagonisten ergeht. Die Schicksale der Menschen und Pferde zu verfolgen wird fesselnd erzählt. Diese Erzählung nimmt einen gefangen, die Empfindungen der Menschen und Pferde werden so einfühlsam dargestellt, dass man nicht aufhören kann bis zum Schluss, der auch noch eine Überraschung bereithält.

Bewertung vom 05.06.2025
Auf den Spuren unserer Vorfahren
Dave, Raksha

Auf den Spuren unserer Vorfahren


ausgezeichnet

Dem Seemann Verlag verdanken wir diese großartige Ausgabe eines faszinierenden Bildbands „Auf den Spuren unserer Vorfahren“. Bereits 2023 erschien die Originalausgabe in Groß Britannien mit dem Titel: “Lessons from our Ancestors“ bei Magic Cat Publishing. Dieser Titel beinhaltet, dass wir von unseren Vorfahren lernen können. Dies erwähnt auch die Archäologin Raksha Dave in ihrer Einführung. Die 50 Fundstücke die hier vorgestellt werden, können unseren Blick erweitern. Dem Wissen, das wir bereits verinnerlicht haben, können wir durch diese Lektüre neue Erkenntnisse hinzufügen. Wir besuchen 14 Zivilisationen und erleben neue Geschichten über unsere Vorfahren.
Kindgerecht aufbereitet lesen wir hier über die Vorfahren vieler Völker unserer Erde. Auch Erwachsene können in diesem Buch staunend erleben, wie clever unsere Vorfahren ihr Leben der Umwelt anpassen konnten. Inspirierend ist die Tatsache, wie alle sich gegenseitig halfen. Männer, Frauen, Kinder – ihre verschiedenen Fähigkeiten dienten dem Wohl aller in einer Siedlung und sicherten das Überleben in einer oft feindlichen Umgebung. Ihre Toten wurden respektvoll zur letzten Ruhe gebettet. Feindlich vom Klima her – starke Kälte und übermäßige Hitze kombiniert mit Tieren, die Tod bringen konnten stellten große Herausforderungen für unsere Vorfahren dar. Kleinste Insekten trugen tropische Krankheiten zu den Menschen. Riesige Raubtiere unternahmen bedrohliche Beutezüge.
Die Überschriften jedes Kapitels fassen den Inhalt zusammen und machen neugierig auf die Einzelheiten, die das Thema uns Lesern zeigen wird.