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Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
TontoM
Wohnort: 
Wolsfeld
Über mich: 
Ich lese gern anspruchsvolle Literatur und Sachbücher.

Bewertungen

Insgesamt 43 Bewertungen
Bewertung vom 26.05.2025
Mythos Nationalgericht. Die erfundenen Traditionen der italienischen Küche
Grandi, Alberto

Mythos Nationalgericht. Die erfundenen Traditionen der italienischen Küche


ausgezeichnet

Buon Appetito

Wir lieben fast alle Pasta, Olivenöl und Nutella. Der Wirtschaftshistoriker Alberto Grandi erzählt die wahre Geschichte der italienischen Küche, die es so, wie wir sie kennen, erst seit etwa 50 Jahren gibt. Ihren großen Erfolg verdankt sie den Millionen italienischen Auswanderern, die sie weltweit populär machte. Das Buch liest sich wunderbar leicht, vermittelt viele Details und lädt ein zum nächsten Besuch beim Italiener.

Bewertung vom 13.05.2025
Die Palast-Rebellin
Feuerstein-Praßer, Karin

Die Palast-Rebellin


sehr gut

Schön, glamourös - gelangweilt
Die wohlbehütete schöne, glamouröse Königstocher Margaret ist talentiert und die charmanteste Botschafterin ihres Landes. Leider ist sie immer gelangweilt und besitzt einen ausgeprägten Standesdünkel, den sie andere sehr deutlich spüren lässt. Neben den vielen bekannten Fakten aus ihrem Leben und dem der britischen Königsfamilie liefert die Autorin neue Details, die erst in den letzten Jahren publik wurden und eine andere Sicht auch auf die verhinderte Hochzeit mit Peter Townsend erlauben. Gute Freunde schätzten ihre freundschaftliche Verbundenheit und Aufrichtigkeit. Als Leser erfährt man von Margarets Tragik als kleine Schwester der Königin, der sie stets loyal begegnete, die aber nie ihren eigenen sinnstiftenden Platz gefunden hat. Sie betäubte sich mit Partys, Affären, Zigaretten und Alkohol. Die Lektüre des Buches ist angenehm und eine kenntnisreiche Einführung in die Welt des Adels und des Margaret Set.

Bewertung vom 07.05.2025
Abenteuer der Moderne
Wagner, Thomas

Abenteuer der Moderne


ausgezeichnet

Verschlungene Wege der Soziologie

Die Studentenrevolten von 1968 werden auch als zweite Geburt der Bundesrepublik bezeichnet. Was zu dieser Entwicklung führte, thematisiert auch der Kultursoziologe Thomas Wagner in seinem Buch über die Beziehung der beiden führenden Soziologen Adorno und Gehlen. Wagner beschreibt, wie die Soziologie vom philosophischen Nebenfach zur geisteswissenschaftlichen Leitdisziplin aufsteigt. Er schildert die intellektuelle Gemengelage der Zeit und liefert ein facettenreiches Panorama der gesellschaftlichen Umbrüche Nachkriegsdeutschlands – in West und auch in Ost. Trotz gegensätzlicher Wertvorstellungen Adornos und Gehlens nähern sie sich privat an und ringen um ihre Stellung nicht nur in der Soziologie sondern auch in den Institutionen der noch jungen Bundesrepublik. Wichtige soziologische Schulen mit ihren herausragenden Vertretern wie Schelsky, Habermas, König vervollständigen das Bild, ebenso Bezüge zur amerikanischen Forschung. Bemerkungen über Adornos Positionierung zu Benns Lyrik, Golo Mann oder Noelle-Neumann runden das Bild ab. Bemerkenswert finde ich auch die so nicht erwartete offene Haltung Gehlens zur modernen Kunst. Die Begeisterung des Ostberliners Wolfgang Harich für Gehlen überrascht zunächst, die erst 10 Jahre nach dessen Tod wegen eines Plagiats Gehlens schließlich getrübt wurde. Uns schockiert einerseits Gehlens Stalinbegeisterung, andererseits erklärt sie sich mit seiner früheren Position im nationalsozialistischen System.
Der umfangreiche und detaillierte Anhang belegt Wagners sorgfältige Recherche zu einem wichtigen Kapitel deutscher Geistesgeschichte. Kenntnisreich und kritisch.

Bewertung vom 15.04.2025
Esprit und Leidenschaft
Reinhardt, Volker

Esprit und Leidenschaft


ausgezeichnet

Charmante Grande Nation

Grand Plaisir bereitet Volker Reinhardts Kulturgeschichte Frankreichs. Elegant und detailreich verknüpft er die Zeugnisse einer ereignisreichen Historie, die neben der Hochkultur auch vermeintlich Triviales einschließt. Neben französischer Geschichte vermittelt das Buch spannende Ausblicke auf europäischen Geschichte. Italien sei für seine Bildende Kunst berühmt, Deutschland für seine Musik und Frankreich für seine Ideengeschichte.
Nicht nur: Es gibt Ausführungen zu Architektur und Religion, Haute Cuisine und Haute Couture, Literatur, Film, Musik, Eifelturm und Tour de France. Reinhardt hat in seinem allumfassenden Werk fast niemand und nichts vergessen. Auch Themen wie Kolonialgeschichte, Kunstrestitution und Résistance finden ihren gebührenden Platz. Wie Ludwig XIV. und andere bedeutenden Herrscher verewigten sich moderne Präsidenten in prachtvollen Bauwerken. Reinhardt erwähnt anscheinend kleine Details wie die Verbindung zwischen Pierre Corneille (dt. die „Krähe“) und dem Asterix Abenteuer in der Trabantenstadt. Es sind auch diese kleinen Details, die uns die Grande Nation und ihre wechselvolle Geschichte charmant nahebringen.

Bewertung vom 20.03.2025
Das Blaubartzimmer
Maar, Michael

Das Blaubartzimmer


ausgezeichnet

Das Buch ist sehr anspruchsvoll und die Lektüre von Michael Maars Essay zur Schuldfrage bei Thomas Mann eine rechte Herausforderung für jeden, der sich mit Thomas Mann beschäftigt. Kernpunkt ist die Frage, was in den frühen Tagebüchern stand, sodass er die Enthüllung ihres verfänglichen Inhaltes im Exil 1933 dermaßen fürchtete. TM Homoerotik war zu diesem Zeitpunkt bekannt und auch um 1900 stand er nicht allein mit diesem Gefühl.
Später in den USA verbrannte er die Tagebücher. TM verarbeitete autobiografische Erlebnisse in seinen Werken und Maars Überlegungen, inwieweit den Schilderungen tatsächliche Ereignisse zugrunde liegen, finde ich sehr spannend.
Dankenswerterweise hat der Rowohlt Verlag diese bereits 2000 erschiene wichtige Untersuchung neu herausgegeben. Schade, dass die relevante Sekundärliteratur nur Werke bis 1999 erfasst

Bewertung vom 25.02.2025
Getäuscht
Felsen, Juri

Getäuscht


sehr gut

Zwischen Täuschung und Selbsttäuschung

Juri Felsens Roman reiht sich ein in die Tradition der großen russischen Romane und beschreibt intensiv Verlust und Verlustängste. Der namenlose Exilrusse im Paris der zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts schreibt exzessiv Tagebuch über seine Gefühle zu Ljolja, die er über eine gemeinsame russische Bekannte aus Berlin kennengelernt hat. Eher beiläufig erfahren wir von seinen Geschäften und Kontakten zu anderen Exilrussen, insofern sie seine Beziehung zu Ljolja berühren. Ljolja wird als starke zarte Person vorgestellt. Der Ich-Erzähler fühlt sich von ihr getäuscht, täuscht selbst andere und muss sich eingestehen, dass er am meisten jedoch seiner Selbsttäuschung erliegt.
Felsen beschreibt subtil die russischen Exilkreise, ihre täglichen Sorgen und Vernetzungen, um sich ein standesgemäßes Leben in der neuen Heimat aufzubauen.
Rosemarie Tietzes Übersetzung besticht durch eleganten Stil und facettenreiche Sprache.

Bewertung vom 13.02.2025
Exil im Paradies. Von Marta Feuchtwanger bis Helene Weigel
Braun, Ursel

Exil im Paradies. Von Marta Feuchtwanger bis Helene Weigel


ausgezeichnet

Anspruchsvoll & leicht

Ursula Braun hat sorgfältig recherchiert und nimmt sich mit einem leichten Erzählton eines anspruchsvollen Themas an. Sie beschreibt sechs berühmte Frauen in ihrem amerikanischen Exil zwischen 1940 und 1945. Dieses ist so tragisch wie ihre Protagonistinnen. Während Katia und Martha gut bürgerlichen Haushalten vorstehen, die ihren international publizierenden Männern einen scheinbar sorglosen Arbeitsalltag ermöglichen, leidet Helene still unter ihrer künstlerischen Untätigkeit und Abhängigkeit vom chronisch untreuen Ehemann. Alma gibt sich weiter mondän. Salkas Salon war lebendiger Treffpunkt zahlreicher Emigranten und Nelly die tragisch Belächelte. Sie versuchen sich in New Weimar einzuleben, aber ihre Seelen sind ganz tief in Europa.
Das schön ausgestattete Buch ist ein geschätztes Geschenk nicht nur für Bücherfreunde

Bewertung vom 09.02.2025
Teufels Bruder
Lohre, Matthias

Teufels Bruder


ausgezeichnet

Bruder Wunderbar spannend - Zwischen Dichtung und Wahrheit

Matthias Lohre hat einen wunderbar spannenden Roman über Thomas Manns Reise nach Italien im Jahre 1896/97 geschrieben, die er gemeinsam mit seinem Bruder Heinrich unternommen hat. Lohre lässt uns in die sphärische Stimmung des Südens eintauchen, wenn wir mit Thomas auch auf den Spuren seines großen Vorbildes Goethe in Rom, Venedig, Neapel oder Palestrina wandeln. Diese Reise sollte einen Wendepunkt in Thomas Manns Leben spielen. Erlebnisse, die er dort hatte, Motive, die er dort entdeckte oder auch Vorarbeiten für die Buddenbrooks sollte er später künstlerisch umsetzen. Zentral sind im Buch die Begegnungen mit dem blonden Jüngling, die nicht nur das spätere teuflische Erlebnis in Palestrina prägte, sondern zeitlebens Thomas Mann Fühlen und Schaffen bestimmte. Lohre beschreibt einfühlsam Thomas Schwanken zwischen seiner Künstlerseele und der Notwendigkeit, einen Brotjob zu finden, um mit Ilse Martens Stabilität im Leben zu finden. Er bewundert seinen lebensgewandten und bereits als Schriftsteller anerkannten Bruder Heinrich, zu dem aber auf dieser Reise ein offener Zwist ausbricht, wer das größere literarische Talent besitze.
Eine eigene Analyse verdienen die den Kapiteln vorangestellten Mottos, die von Autoren aus Thomas Manns Lektüre stammen, hauptsächlich des 19. Jahrhunderts. Verschiedene Details und Anspielungen hat Lohre im Roman aufgenommen und in die Handlung geschickt eingearbeitet.
Matthias Lohre hat für seinen Roman „einen weißen Fleck“ in der Thomas Mann Forschung entdeckt und lässt diesen für uns wieder aufleben.

Bewertung vom 18.01.2025
Betrunkenes Betragen
MacAndrew, Craig;Edgerton, Robert B.

Betrunkenes Betragen


ausgezeichnet

Schluss mit dem Vorurteil

Bereits Ende der 60’er Jahre haben die amerikanischen Anthropologen McAndrew/Edgerton in ihrem Buch mit dem Vorurteil aufgeräumt, Alkohol enthemme. Der Schriftsteller und Psychiater Jakob Hein hat das Buch jetzt übersetzt - spannend lesbar und behutsam an unsere Lebenswelt angepasst.
Alkohol beeinflusst unsere Reaktionszeit und beeinträchtigt unsere Feinmotorik. Wie wir uns unter dem Einfluss von Alkohol betragen, hängt jedoch davon ab, wie wir sozialisiert werden. Sorgfältig recherchiert belegen MacAndrew/Edgerton an einer Vielzahl von Beispielen indigener Völker: Das gemeinsame Trinken von Alkohol ist fester Teil von Ritualen. Das Betragen in diesem Kontext entspricht dem Anlass, für den feste Regeln gelten. Es gilt eine Begrenzungsklausel.
Alkohol als Substanz und seine Wirkung auf den Menschen ändern sich nicht, jedoch verändern sich historisch die Umstände seines Konsums und damit auch das Betragen. Die Autoren belegen das mit Beispielen aus Tahiti, als bei frühen Kontakten mit Europäern um 1770 Alkohol abgelehnt wurde. Um 1800 wird von maßloser Trunksucht und Gewalttätigkeit berichtet. Schließlich wird Mitte des 20. Jhdt. weiterhin viel getrunken, aber gewaltfrei. Ein anderes Beispiel aus Südafrika berichtet vom rituellen Trinken in Dorfgemeinschaften, dem das „freie Trinken“ in Form des Feierabendbieres in der Stadt mit Aggressionen und Gewaltbereitschaft gegenübergestellt wird.
Ein umfangreicher Teil des Buches beschreibt den Alkoholgenuss bei den Indianern Nordamerikas. In seinem Nachwort ordnet Andreas Heinz, Leiter der Psychiatrischen Klinik der Charité, die Untersuchungen und das kritische Unterfangen von MacAndrew/Edgerton ein, aber auch ihr Schwelgen in Beispielen und dem Blick des weißen Kolonisators darauf.
Danke an Jakob Hein, dass er dieses wichtige Buch wiederentdeckt und uns erschlossen hat.

Bewertung vom 15.12.2024
Charlie Chaplin
Leyacker-Schatzl, Markus

Charlie Chaplin


sehr gut

Charlie Chaplin Ein ziemlich erfolgreicher Tramp


Markus Leyacker-Schatzl ist begeisterter Fan von Charlie Chaplin. Er hat deshalb einen biografischen Erfolgsratgeber des ersten Weltstars der Kinogeschichte geschrieben. Das Künstlerkind Chaplin wuchs in ärmsten Londoner Verhältnissen auf. Auf seinem Weg ganz nach oben halfen ihm Talent, Disziplin, Hartnäckigkeit und Improvisation. Neben seiner einzigartigen Kreativität besitzt er Unternehmertum und nicht zu vergessen die Fähigkeit, der Gesellschaft etwas zurückzugeben und sich gegen Unrechtssysteme wie Hitlers Nazidiktatur zu stellen. Das Buch bietet einen guten Einstieg in die Beschäftigung mit Leben und Werk von Charlie Chaplin. Bibliografie und Filmografie ermöglichen dann den vertiefenden Zugang, um Chaplins Zauber bis heute zu verstehen. Chaplin hat sehr hart dafür gearbeitet.