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Benutzername: 
jenvo82
Wohnort: 
Oberschöna

Bewertungen

Insgesamt 7 Bewertungen
Bewertung vom 01.12.2025
Da, wo ich dich sehen kann
Schreiber, Jasmin

Da, wo ich dich sehen kann


ausgezeichnet

"Trauer hat die unangenehme Eigenschaft, einen einzukapseln und irgendwie abzuspalten von allen anderen. Es ist ein zutiefst persönliches Gefühl, das eine Art unsichtbareMembran um einen zieht."

Inhalt

Maja findet ihre leblose Mutter im Wohnzimmer und verständigt den Notarzt. Als die Sanitäter kommen, offenbart sich Ihnen ein Familiendrama - der Vater hat die Mutter stranguliert, die 9-jährige Tochter steht fassungslos daneben und sucht all die Schuld bei sich, denn eigentlich hatte sie Papa viel lieber als Mama und die beiden haben immer so laut gestritten, ganz gewiss wegen ihr. Nun ist Mama tot und Papa ein Mörder. Die kleine Welt des Kindes zerbricht von jetzt auf gleich. Zunächst kommt Maja zu den mütterlichen Großeltern, auch wenn die viele Kilometer weit weg wohnen, nach dem richterlichen Beschluss jedoch zu den Großeltern väterlicherseits. Das Kind fängt an, sich selbst zu verletzen, wegzulaufen und sich in ernste Schwierigkeiten zu bringen. Nur Mamas beste Freundin Liv, die selbst maßlos trauert, schenkt Maja ein bisschen Geborgenheit und erklärt ihr nicht nur das Universum, sondern auch, warum sie keine Schuld an den Entwicklungen trägt und ihre Mama sie ganz gewiss lieb hatte ...

Meinung

Von der Autorin habe ich bereits zahlreiche Bücher gelesen, die ich alle gern mochte, deshalb war ihr neuester Roman förmlich "Pflichtlektüre" für mich. Außerdem ist die Thematik des Femizids eine ganz besondere, die deutlich macht, wie schlimm das Leben mancher Frau unter der Hand eines gewaltätigen Mannes ist. Und dabei kann man die zahlreichen Familiendramen, die fast täglich durch die Medien flimmern, als Außenstehender vielleicht ausblenden, oder die Opfer bemitleiden, warum sie es nicht geschafft haben, sich von den Fesseln der Partnerschaft zu befreien, doch so einfach ist es nicht.

Im vergangenen Jahr hat in meinem Bekanntenkreis ein ähnliches Verbrechen stattgefunden. Opfer und Mörder waren zwar erst Anfang 20, aber die zurückgewiesene Liebe des einen, hat den anderen vorsätzlich zur Tat verleitet - letztlich sind zwei junge Menschen dem Mord bzw. Selbstmord zum Opfer gefallen und keiner der Hinterbliebenen hätte diese Entwicklung kommen sehen, geschweige denn verhindern können - die Ohnmacht der Trauernden ist auch in diesem Roman die grundlegende Komponente.

Gerade die Perspektivenvielfalt verleiht dem Text eine immense Tiefe, jede Zeile ist harter Tobak und ich musste ganz oft die Tränen wegblinzeln . Die psychologische Betreuung der Hinterbliebenen scheint mir enorm wichtig und wird auch hier angesprochen und gelebt, auch wenn man sieht, wie schwer der Zugang zu den Menschen herzustellen ist, die sich immer selbst in der Verantwortung für das große Unglück sehen.

Fazit

Ich vergebe 5 Lesesterne für dieses bemerkenswerte Buch, welches sehr nahbar und ehrlich die Schrecken in scheinbar "ganz normalen" Familien heraufbeschwört. Fraglich bleibt, ob irgendwer hätte die Tat verhindern können, doch letztlich kann man keine Antwort auf diese Frage finden. Es hat mich froh gestimmt, dass trotz der traurigen Grundstimmung und des vorherrschenden Schmerzes so viel Zusammenhalt zwischen den Menschen existiert, dass zumindest in diesem Fall ein Kind einen sicheren Zufluchtsort findet und sich irgendwann mit den unbeschreiblichen Taten angstfrei auseinandersetzen kann. Der Text ist zudem abwechslungsreich gestaltet, beinhaltet Kinderzeichnungen, psychologische Gespräche, Gerichtsurteile und Gutachten - viele Personen wirken mit, wenn es heißt, wieder einen Alltag zu bewerkstelligen, obwohl die Trauer das dominante Gefühl aller zu sein scheint und geliebte Menschen unwiderruflich ihren Status verlieren oder das Leben selbst.

Bewertung vom 07.11.2025
Das Antiquariat am alten Friedhof
Meyer, Kai

Das Antiquariat am alten Friedhof


ausgezeichnet

„Ein Satz, den er nur zu gut kannte: Ich starb von Hoffmanns Hand. Die Gänsehaut auf seinem Arm begann zu jucken. Er dachte an Eva, die laut Vadim in der Stadt war, und plötzlich überkam ihn die entsetzliche Angst, dass sie die Tote dort unten sein könnte.“
Inhalt
Die vier Mitglieder des selbsternannten Club Casaubon verdingen sich im Jahr 1930 mit dem Diebstahl und der Weiterveräußerung wertvoller Bücher, um das Antiquariat von Vadim zu finanzieren, welches knapp vorm Bankrott steht. Vadim, Eddie, Julius und Felix sind schon seit Kindertagen miteinander befreundet und ein eingeschworenes Team. Eines Tages schließt sich Eddies ältere Schwester Eva der Gruppe an und entwickelt bald schon die effektivsten Methoden und genau den richtigen Riecher, um die großen Fische an Land zu ziehen. Als die Gruppe von einem betuchten Auftraggeber gebeten wird ein okkultes Schriftstück aus den Händen einer Leipziger Loge zu besorgen, entwickelt sich der Einbruch zu einer tödlichen Falle und die jungen Leute müssen flüchten, um nicht ins Visier der Ermittler zu geraten. Doch ihr Diebesgut ruft eine noch viel größere Reaktion hervor, als sie befürchtet haben. Und so zerstreuen sich ihre Wege endgültig. 15 Jahre später treffen zwei der ehemaligen Mitglieder erneut im graphischen Viertel von Leipzig aufeinander, immer noch auf der Suche nach einem Geheimnis, einem Mörder und der persönlichen Rache für widerfahrenes Leid …
Meinung
Vor 10 Jahren habe ich mein bisher einziges Buch vom deutschen Bestsellerautor Kai Meyer gelesen (Die Seiten der Welt), der mittlerweile mehr als 70 veröffentlichte Bücher vorzuweisen hat und vorwiegend im Genre der Phantastik unterwegs ist. Vielleicht ist das auch der Grund, warum ich eher zögerlich an die Bücher herangehe, obwohl es einige auf meinen Wunschzettel geschafft haben, denn normalerweise bevorzuge ich realitätsnahe Literatur. Doch diese Reihe hier möchte ich weiterverfolgen, auch wenn ich mit dem vierten Band begonnen habe. Laut Verlag sind alle Bücher separat lesbar, weil es sich um geschlossene Geschichten mit anderen Protagonisten handelt. Und so freue ich mich jetzt auf neues Lesefutter.
Positiv überrascht war ich hier vom gelungenen Genre-Mix, der ein hohes Tempo beibehält und spannende Lesestunden bietet. Ich könnte mir die Story auch sehr gut als Film vorstellen, denn zwischen Okkultismus, persönlichen Hintergründen, Kriminalfall und historischen Aspekten wird es nie langweilig. Zur Geschichte wurde Kai Meyer durch Fotografien seines Großvaters inspiriert, was man informativer Weise im Nachwort erfährt. Und der Text thematisiert sehr verschiedene Gefühle und Aspekte einer insgesamt runden Erzählung. Es geht um Freundschaft, Vertrauen, Manipulation, Verrat und Geheimnisse, die schichtenweise und mit Überraschungseffekten aufgelöst werden.
Fazit
Hier tendiere ich zu 4,5 Lesesternen, die ich gerne auf 5 aufrunde. Die Szenerie spricht mich sehr an und die historisch eingeflochtenen Ereignisse konnten mich auf Anhieb überzeugen. Außerdem kann man das Buch kaum zur Seite legen, weil man unbedingt wissen möchte, wie die Story weitergeht. Kurze Kapitel und ein straffer Erzählfluss sorgen dafür, dass es auf gut 500 Seiten immer Neues zu entdecken gibt und sich ein ganzes Panorama aus stimmigen Bildern entfaltet. Hier passt alles genau: die Länge des Textes, die Dichte der Geschichte, die Wortwahl und die beschriebene Atmosphäre. Im letzten Drittel des Buches wurde es kurzzeitig etwas viel mit Action und Spionageelementen, doch dieses kleine Manko bleibt kaum in Erinnerung. Ich empfehle diesen Unterhaltungsroman gerne weiter, der außerdem ein wunderschön stimmiges Titelbild hat.

Bewertung vom 08.07.2025
Der dunkle Sommer
Buck, Vera

Der dunkle Sommer


ausgezeichnet

"Ich dachte, dass mich all das irgendwie heilen würde. Das es die Wut besänftigen würde, die all die Jahre in mir gebrodelt hat. Aber das tat es nicht. Es war nur ein weiterer Schritt in die Dunkelheit."

Inhalt

Tilda möchte einen klaren Schnitt ziehen, nachdem die Beziehung mit ihrem langjährigen Partner Nathan zu Bruch gegangen ist. Die persönlichen Verfehlungen der Vergangenheit und ein Trauma holen sie zu Hause immer wieder ein und deshalb beschließt sie sich als Architektin ein verlassenes Haus in einer fast gänzlich verlassenen Gegend in Sardinien zu kaufen, für den symbolischen Wert von einem Euro. In dem Geisterdorf wohnt nur noch ein alter Mann mit seiner Haushälterin, beides ominöse Gestalten aber können sie auch gefährlich werden? Tilda zweifelt zwar an den örtlichen Geistergeschichten, die sich um ihr neu erworbenes Heim ranken und sie ignoriert auch das Klagegeheul vor ihrem Fenster, doch als ihr Bruder zu Besuch kommt, häufen sich die merkwürdigen Ereignisse. Zudem erfährt sie von einem ortsansässigen Journalisten eine düstere Geschichte aus der Vergangenheit, bei dem es um Kindesentführung und Mord ging, der letzte Bewohner ihres Dorfes war angeblich einer der Rädelsführer dabei. Und als sie zuerst im Keller der verfallenen Kirche eingeschlossen werden und wenig später ihr kleiner Bruder unauffindbar ist, ahnt Tilda, dass die Geister die sie rief nun zu neuem Leben erwacht sind ...

Meinung

Dieses Buch habe ich mir ganz bewusst gekauft, weil mich bisher alle Bücher der Autorin begeistern konnten, gerade ihre letzten beiden Thriller gehören zu meinen absoluten Favoriten. Sie vermag eingänglich und persönlich zu schreiben und das erfundene Schrecken mit viel Leben und bösen Vermutungen auszustatten. Besonders positiv sind mir hier wieder die vielfältigen Erzählstimmen mit ihren jeweiligen Problemen und Gedankengängen aufgefallen. Dieser Spannungsroman wird dadurch richtig abwechslungsreich, weil jede Person grundlegend zu den Entwicklungen beiträgt und diese aus einem bestimmten Blickwinkel wiedergibt. Nur der Leser scheint immer kurz davor zu stehen, ein Quentchen mehr zu wissen, als der jeweilige Erzähler. Dennoch offenbaren sich die Wahrheiten nur langsam, während die Vermutungen ins Unermessliche wachsen. Darüber hinaus wartet dieser Thriller mit einer auf Wahrheiten basierenden Geschichte auf, die im Nachwort des Buches erläutert wird - dadurch wird es noch viel interessanter und manchmal sogar spektakulär. Auch der Handlungsort, in einem unsagbar warmen Sommer in Italien, zwischen tobenden Waldbränden und trägen Touristenmassen, hinein in die dunklen Gassen der verlassenen Geisterstadt mit dem tödlichen Geheimnis tragen ungemein zum Lesevergnügen bei. Hier entsteht Kopfkino und eine Verfilmung könnte ich mir auf Grund der verschiedenen Handlungsstränge und Erzählperspektiven ganz hervorragend vorstellen.

Fazit

Hier vergebe ich erneut begeisterte 5 Lesesterne für mystisch angehauchte Gänsehautstimmung, die jedoch sehr realitätsnah und basierend auf echten Verbrechen, ein breites Spektrum an Unterhaltungswert bietet. Die Fäden lösen sich alle auf, obwohl man im Vorfeld die wildesten Theorien gehegt hat. Die Lektüre passt auch gut in die Jahreszeit und weckt das Interesse an historischen Kapiteln, auf die niemand stolz sein kann. Die Autorin bleibt weiterhin auf meiner Watch-List und ich freue mich, dass sich schon zwei ältere Bücher von ihr in meinem Besitz befinden und nur noch darauf warten, gelesen zu werden. Klare Leseempfehlung für alle Thriller-Fans!

Bewertung vom 21.06.2025
Im Leben nebenan
Sauer, Anne

Im Leben nebenan


ausgezeichnet

Dieser zeitlose, moderne Roman über eine junge Frau in der Zwickmühle bekommt von mir sehr gute 5 Lesesterne. Die Struktur ist einfach gehalten, aber absolut eingängig. Die Gefühlsebene steht an erster Stelle und als Leser kann man direkt in die Welt von Antonia eintauchen. Zwischen dem eigenen Leben und der fiktiven Romanfigur, gibt es nur wenig Abweichungen. Empathie ist hier das Schlagwort, weshalb ich mir gut vorstellen kann, dass es wohl eher ein Buch für Frauen ist, die selbst diese Gedankengänge haben könnten. Auch die Passgenauigkeit für verschiedene Altersklassen ist hervorragend herausgearbeitet. Das junge Ich, der verliebte Teenager, die freiheitsliebende Zwanzigjährige und die etablierte Dreißigjährige – doch auch später funktioniert das Konstrukt sehr gut, weil es um Überzeugungen geht, die man wahllos auf ein und dieselbe Situation übertragen könnte.

Die Aussagekraft des Textes ist universell und beinhaltet viele Möglichkeiten, zieht aber auch ein eindeutiges Fazit: Leb dein Leben, wie es zu dir passt, gib nichts auf die Meinung anderer, wenn du persönlich wachsen möchtest, triff deine eigenen Entscheidungen, bleib dir treu und lerne zu akzeptieren, dass jedes Leben seine Höhen und Tiefen hat, seine Vor- und Nachteile bietet und nur darauf wartet, gelebt zu werden …

Bewertung vom 18.05.2025
Aschesommer / Gruppe 4 ermittelt Bd.2
Cors, Benjamin

Aschesommer / Gruppe 4 ermittelt Bd.2


ausgezeichnet

„Er hatte Menschen ermordet und sich einsperren lassen, er hatte die Welt durch sein Fenster betrachtet und er hatte beschlossen, dass er künftig über Leben und Tod entscheiden würde. Einfach weil er ihnen überlegen war.“

Inhalt

Der ehemalige Paläontologie Professor Jan-Christian Bode befindet sich seit 8 Jahren in einer geschlossenen psychiatrischen Klinik und wird dort auf absehbare Zeit nicht herauskommen. Dennoch führt er einen tödlichen Feldzug gegen seine Feinde, gegen Menschen, die dafür gesorgt haben, dass er sich in überhaupt in dieser Situation befindet.

Er ersinnt Mittel und Wege, wie es ihm gelingen könnte, Rache zu üben, ohne sich tatsächlich auf das Niveau eines mordenden Psychos herabzulassen. Und er nutzt sein berufliches Steckenpferd um mit jenen abzurechnen, die ihn scheinbar maßlos unterschätzt haben: Die Erde hat 5 große Massensterben erlebt, jedes Zeitalter hat neue Lebewesen und weiter entwickelte Individuen hervorgebracht, nachdem zunächst alles unterging – in der Kälte, in Giftgaswolken, im Feuer, im Wasser und schließlich bedeckt durch Asche. In Anlehnung an diese erdzeitlichen Vorgänge plant er seine Verbrechen, damit diese eindeutig und unverkennbar seine Handschrift tragen.

Für die Ermittler der Gruppe 4, die sich auf Serientäter spezialisiert haben, beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit – und als der vermeintliche Täter zum Mordopfer wird, erkennen die Polizisten, dass sie irgendein entscheidendes Detail übersehen haben, abgesehen davon, dass es Spekulationen gibt, die sogar von einem 6. Massensterben ausgehen …

Meinung

Erst vor Kurzem habe ich den ersten Band dieser Reihe gelesen und war auf Anhieb überzeugt davon, so dass der Nachfolgeband direkt auf der Wunschliste und nun auch auf der Leseliste stand. Die Gruppe 4 ist eine bunte Mischung aus starken Charakteren, die trotz ihrer Unterschiedlichkeit zur Sorte der genialen Ermittler zählen – sie finden Mittel und Wege den Mördern auf die Spur zu kommen und verfolgen gekonnt ein abwechslungsreiches Katz-und-Maus-Spiel.

Die kurzen Kapitel aus wechselnden Perspektiven binden den Leser schnell in die Abläufe ein und lassen ihn nur immer so weit vorausschauen, wie unbedingt notwendig. Geschickt legt der Autor falsche Fährten, wechselt die Szenen und fügt kurze Hintergrundinformationen ein. Dadurch entsteht ein kurzweiliges, spannendes Handlungsfeld und ein spannender, temporeicher Stil, der zum Rätseln einlädt.

Die persönlichen Hintergründe der ermittelnden Personen werden ebenfalls erörtert, jedoch nur Stück für Stück, so dass man eindeutig spürt, diese Reihe wird weitergehen, denn längst ist nicht alles erzählt. Es ist übrigens kein Problem, die Fälle in unterschiedlicher Reihenfolge zu lesen, die Querverweise kann man dann vielleicht nicht genau zuordnen, das bereitet aber keinen großen Wissensverlust, so dass man durchaus auch später einsteigen kann.

Fazit

Ich vergebe sehr gute 5 Lesesterne für diesen Thriller mit viel Atmosphäre, einer spannenden Hintergrundgeschichte und vielschichtigen Einblicken in die Seele eines Mörders und seiner morbiden Gedankengänge. Trotz der Tatsache, dass der Leser sowohl den Täter als auch die Opfer und das Ermittlerteam gleichermaßen gut nahegebracht bekommt, verliert die Geschichte nicht an Spannung. Ganz entscheidend sind dabei die kurzen Sequenzen, mit den spärlichen Informationen und den düsteren Ahnungen, die mit jeder Seite wachsen. Ich verfolge diese Reihe auf jeden Fall weiter und werde mich vielleicht auch noch an die Kriminalromane des Autors wagen, obwohl ich das Genre Thriller eigentlich bevorzuge.

Bewertung vom 19.03.2025
Der Gott des Waldes
Moore, Liz

Der Gott des Waldes


sehr gut

„Doch der Schlitzer – oder Jacob Sluiter, wie er eigentlich hieß – war kein Geist. Er war quicklebendig, soweit Louise wusste, und trotzdem spukte er Jahr für Jahr in den Fantasien ihrer Ferienkinder herum. Die Gerüchte um ihn – und seine angebliche Verbindung zum Naturreservat der Van Laars – hielten sich extrem hartnäckig, so etwas hatte sie noch nicht erlebt.“

Inhalt

Im Naturreservat der gut situierten Familie Van-Laar wird seit Jahrzehnten ein florierendes Ferienlager betrieben. Das Camp Emerson ist nicht nur der Stolz der Familie, sondern auch ein wichtiger Arbeitgeber in den Adirondacks, dem nordöstlichen Gebirge des Bundesstaates New York. Ganzjährig sind die vielen Angestellten mit wichtigen Aufgaben in der Natur betraut und in den langen Sommermonaten kommen dann die Kinder aus den wohlhabenden Familien, um zwei Monate Pfadfindertraining zu erhalten und gesellige Momente unter Gleichaltrigen zu verbringen.

Doch im Jahr 1975 ereignet sich eine Tragödie, die bereits vor 14 Jahren für Schlagzeilen sorgte, ein zweites Mal. Damals im Sommer 1961 verschwand der einzige Sohn der Familie Van-Laar im Alter von 8 Jahren spurlos, bis heute hat man ihn nicht gefunden und nun ist die 13-jährige Tochter Barbara ebenfalls unauffindbar. Welche schrecklichen Ereignisse wiederholen sich hier und welches Geheimnis verbirgt die Familie? Die Gerüchteküche brodelt vor sich hin und die ermittelnden Polizisten suchen nach einer Verbindung zwischen den Fällen, denn so etwas kann doch kein Zufall sein …

Meinung

Dieses Buch, angesiedelt zwischen einem Thriller und einem gesellschaftskritischen Roman, der sich mit sozialer Ungleichheit und Machtmissbrauch beschäftigt, ist derzeit in aller Munde. Die begeisterten Leserstimmen, die dem New York Times Bestseller vorauseilen, haben auch mich dazu bewogen, zu dieser Lektüre zu greifen. Von der Autorin habe ich bereits „Long Bright River“ aus dem Jahre 2020 gelesen und mochte das Buch damals auch.

Dieses hier hat mich von der Story her sogar noch mehr angesprochen, denn vor dem Hintergrund der idyllischen Ferienlageratmosphäre hinein in eine echte Familientragödie zu platzen, dass hat schon was! Der Schreibstil liest sich sehr angenehm, regelrecht leicht und unterhaltsam. Die kurzen Kapitel und die diversen Erzählstimmen, erzeugen einerseits eine hohe Spannungskurve und fesseln den Leser gleichzeitig an den Verlauf der Geschichte. Der Text ist leserfreundlich aufbereitet wurden, mit einem Zeitstrahl, klaren, fast stereotypischen Charakteren und kleinen Anekdoten, die in Erinnerung bleiben. Wenn es ein Film gewesen wäre, dann hätte mich das alles direkt überzeugt. In der Schriftform war es mir aber stellenweise etwas zu dick aufgetragen.

Der schnelle Wechsel zwischen den Eindrücken diverser Personen, gespickt mit relevanten und unrelevanten Begebenheiten für den Fall, haben bei mir das Gefühl aufkommen lassen, dass ich mich oftmals nur mit Belanglosigkeiten beschäftige. Als Leser kann man schlecht abschätzen, ob die charakterlichen Verfehlungen der Personen nun etwas mit dem Verschwinden der Kinder zu tun haben oder nicht. Außerdem hat mir das gesamte Personal des Buches zu wenig Tiefgang. Weder die ermittelnde Polizistin, noch die unfähigen Eltern oder die geplagten Angestellten, konnten mich mitnehmen – mir fehlte da diese eine Person, mit der ich gern gemeinsam durch die Story gegangen wäre. Der Mix aus so vielen Erzählstimmen gibt letztlich Abzug in der Gesamtbewertung.

Fazit

Ich vergebe klassische 4 Lesesterne für diesen kurzweiligen, durchaus spannenden Roman, der weniger Thriller als Unterhaltungslektüre ist. Aus den 588 Seiten hätte man meines Erachtens ein paar weniger machen können und die Handlung selbst weniger oberflächlich wirken lassen. Tatsächlich habe ich das Buch aber gern gelesen, es ist eine interessante Erzählung, die einen stimmigen Background zaubert. In jüngeren Jahren hätte mich dieses Konstrukt auch mehr angesprochen, denn gerade die Szenen zwischen den Jugendlichen im Camp, fand ich sehr gut gezeichnet. Die Erwachsenen Figuren wirkten auf mich leider zu blass und die Aussage, die das Buch impliziert ist, so einfach wie vorhersehbar: Die Reichen und Schönen haben die größten Leichen im Keller und die Armen können es sich aus Abhängigkeitsgründen nicht leisten, in Widerspruch zu gehen. Das Buch ist ein schöner Sommerroman, den ich mir als Film durchaus ein zweites Mal anschauen würde.

Bewertung vom 24.01.2025
Für Polina
Würger, Takis

Für Polina


ausgezeichnet

„Er sah in den umherfliegenden Staub im Sommerlicht, sog die Luft ein, spürte Polina an sich, und dann spielte Hannes Prager, der damals noch ein Junge im Moor war, seine erste Klaviersonate.“

Inhalt

Hannes Prager wächst bei seiner alleinerziehenden Mutter und dem älteren Heinrich Hildebrand auf, dessen Frau ihm ein Klavier hinterlassen hat. Und während sich der Hausbesitzer wie ein Großvater um den kleinen Jungen kümmert, bemerkt er schnell, dass sein altes Klavier für Hannes zum Zufluchtsort wird. Bereits als Junge entlockt dieser dem Instrument die schönsten Melodien, auch wenn er sonst voller Zurückhaltung durchs Leben geht. Als Hannes Mutter bei einem Arbeitsunfall tödlich verunglückt, zerbricht die kleine geschützte Welt des Jungen – nun steht er als Heranwachsender allein da und muss zu seinem leiblichen Vater nach Hamburg ziehen. Direkt nach dem Abitur verlässt Hannes auch diesen und lebt fortan allein. Doch die Einsamkeit und Traurigkeit wird in seinem Leben immer dominanter, vor allem, weil er seine Jugendliebe Polina nicht halten kann. Es dauert viele Jahre, bis er sich eingesteht, dass sein Selbstmitleid ihn nicht weiter bringen wird, sondern nur die Liebe zu einer Frau, die mittlerweile gänzlich von der Bildfläche verschwunden ist. Nur mithilfe der Musik kann es ihm gelingen auszudrücken, was er mit Worten nicht zu sagen vermag.

Meinung

Die Bücher des deutschen Autors Takis Würger landen regelmäßig in meinen Händen und finden immer wieder Zugang zu meinem Herzen. Sein Stil ist objektiv, mehr erzählend als bewertend und die Geschichten, die er beschreibt, umgibt immer eine gewisse Melancholie und Schwermut. Es gelingt ihm auch in diesem Roman seine Figuren liebevoll und greifbar zu charakterisieren. Er baut einen Kontext auf, zwischen den Menschen, ihren Handlungen und Eigenschaften, ihrer Interaktion miteinander und dem Verlauf der Geschichte.

Dieses Buch ist nun eindeutig eine Liebesgeschichte, doch vielmehr zwischen der inneren Welt und der Musik als zwischen Mann und Frau. Hannes und Polina finden zwar zueinander, doch sie gehen auch wieder getrennter Wege. Ihre Liebe gestaltet sich intensiv, aber unstet und von den Wirrungen des Lebens begleitet. Es gibt Fehlentscheidungen und Rückzüge, Verluste und Hoffnungen und eine alles überdauernde Sehnsucht, endlich dorthin zurückzukommen, wo man einst aufbrechen musste. Immer wieder steht die Frage im Raum, warum es so schwer ist, den Herzensmensch zu halten, obwohl man sich ein Leben ohneeinander weder vorstellen kann noch möchte.

Besonders wertvoll wird dieser Roman durch seine Nebenfiguren, die der minimalistischen Tatsachenlage wesentlich mehr Beiklang und Wertigkeit verleihen. Der ambitionierte Chef, der vom Leben selbst enttäuscht wurde und nun irgendwie Fuß fassen kann, der zufällig gewonnene Freund, der felsenfest gegen alle Widrigkeiten zum Protagonisten hält und das großväterliche Vorbild, dem nichts mehr wichtig ist auf der Welt, außer diesem Jungen, der sein Leben in die Hand nehmen und meistern soll. Freundschaft, Zusammenhalt und Unbeirrbarkeit tragen den Text über knapp 300 Seiten.

Fazit

Ich habe an diesem Buch unmittelbar und direkt großes Gefallen gefunden und vergebe 5 Lesesterne – der Text ist eingängig geschrieben, die Szenen gut herausgearbeitet und der Plot insgesamt ein gelungenes Gesamtkonzept. Die Liebe zur Musik ist sehr dominant, ebenso wie die unerschütterliche Liebe zu einer Frau, zu engen Freunden und einer Heimat ganz allgemein. Viele wichtige Themen finden hier den entsprechenden Anklang und eine gewisse Tiefe. Sicherlich könnte dieser Text auch eine geeignete Vorlage für eine Verfilmung sein, ein ständiges Finden und Verlieren aber auch eine große Kraft, die über all dem steht und wacht. Manchmal war mir der Text ein klein wenig zu weichgespült und es fehlte mir eine kleine Portion Identifikationspotential – aber beides kann ich in Anbetracht des ganzen Buches sehr gut verschmerzen. Eine lesenswerte Story, ein Lieblingsbuch, eine Hommage an das Gute im Menschen und den Griff nach den Sternen in der Hoffnung alles zu erreichen, was persönliches Glück ausmacht.