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Benutzername: 
dracoma
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LANDAU

Bewertungen

Insgesamt 239 Bewertungen
Bewertung vom 06.11.2025
Mama & Sam (MP3-Download)
Kuttner, Sarah

Mama & Sam (MP3-Download)


sehr gut

Mein Hör-Eindruck:

Gestern in unserer Zeitung: Eine Frau aus einem Nachbarort will Elon Musk € 20.000 überweisen. Die Bankangestellte wird stutzig, aber die Frau besteht darauf. Elon Musk, ein mehrfacher Milliardär, braucht das Geld einer niederbayrischen Rentnerin? Als Leser schüttelt man den Kopf – aber Love Scamming gibt es häufiger, als man denkt.
Sarah Kuttners Mutter wurde Opfer eines Love Scammers und verschuldete sich für ihren vermeintlichen Geliebten Sam Hugheon – Star aus der Outlander-Serie – bis über beide Ohren. Das Ausmaß der Verschuldung und auch der Abhängigkeit wird der Tochter erst nach dem Tod der Mutter klar, als sie den Nachlass sichtet. Sarah Kuttner stellt die Mechanismen schonungslos dar, aber sie fragt sich zugleich, wieso ihre Mutter einerseits die Ungereimtheiten im Chat durchaus erkennt, aber andererseits nicht von der Vorstellung abweichen kann, dass am anderen Ende tatsächlich ihr Sammy sitzt, der sie zu seiner Ehefrau machen will und dessen Geldnöte dies allerdings immer wieder verhindern. Erst im Nachhinein erkennt die Autorin die Einsamkeit und die Liebebedürftigkeit ihrer Mutter, beides in einem so großem Maß, dass die Mutter sogar mit ihrer Familie bricht. Die Auseinandersetzung mit dem Chat wird für die Tochter daher zugleich die Auseinandersetzung mit ihrer schon immer belasteten Beziehung zur Mutter. Die Autorin setzt sich nun das Bild ihrer Mutter neu zusammen und lernt, sie nicht in erster Linie als Mutter, sondern als Mensch zu sehen. Dieser Weg einer Neu-Entdeckung der Mutter geht nicht ohne Schmerzen ab, und alte Kränkungen werden wieder lebendig, teilweise werden neue Wunden geschlagen. Auf der anderen Seite wächst aber das Verständnis für die Frau, die ihre Mutter war, bei aller Wut und Enttäuschung: auch ihre Mutter ist nur ein Mensch.
Sarah Kuttner erzählt die Geschichte in chronologisch verwürfelten Szenen, und obwohl der Leser das Ende schon kennt, bleibt die Geschichte spannend. Einige Straffungen hätten dem Roman gutgetan. Das Buch wurde eingelesen von der Autorin, von Katharina Thalbach als Mutter und Julian Horeyseck als Scammer. Die Stimmen sind sehr unterschiedlich und bringen gerade dadurch die verstörende Geschichte äußerst eindringlich zu Gehör.

Bewertung vom 01.11.2025
Mord in der Willow Street / Ein Fall für Sally und Johnny Bd.3 (eBook, ePUB)
Hamilton, Henrietta

Mord in der Willow Street / Ein Fall für Sally und Johnny Bd.3 (eBook, ePUB)


sehr gut

Der dritte Band einer wieder entdeckten Krimireihe um das junge Paar Sally und John! Inzwischen sind Sally und John Eltern geworden und leben am Wochenende in einem geerbten Cottage auf dem Lande, wo sie sich dem Gartenbau hingeben – very british.
Auch dieser dritte Band ist nichts für Leser, die rasante Verfolgungsjagden und dramatische Show-downs lieben. Das liebenswerte Ermittlerduo steht vor einem wirklich vertrackten Fall, bei dem vieles zusammenkommt: Erpressung, ein Mord im fernen Frankreich, Verrat, Flucht, Namenswechsel, Ehebruch, und ein geheimnisvolles Haus an der Themse, in dem alle Fäden zusammenlaufen. Der Fall wird natürlich gelöst, und zwar allein mit Logik. Man muss sich als Leser durchaus konzentrieren, um den Dialogen der Personen zu folgen, in denen sie ihre Beobachtungen schildern und ihre Gedankengänge darlegen. Mit dem Ermittlerduo zusammen begibt sich daher auch der Leser auf falsche Fährten, bis sich schließlich die Wahrheit in einer wirklich verzwickten Familiengeschichte finden lässt.
In diesem Krimi ist die Welt noch in Ordnung. Die Polizei kocht den Zeugen erst einmal Tee. Der Herr schützt die Dame und rettet sie, junge Frauen haben eine schnelle Sekretärinnen-Ausbildung (wenn überhaupt) und beenden ihre Tätigkeit mit der Heirat. Und eine studierte Frau findet es besser, sich bisschen dumm zu stellen.
Ein traditioneller englischer Krimi, dem hoffentlich die restlichen Bände bald nachfolgen!

Bewertung vom 27.10.2025
Der Fluch der Falodun Frauen (MP3-Download)
Braithwaite, Oyinkan

Der Fluch der Falodun Frauen (MP3-Download)


sehr gut

Mein Hör-Eindruck:
Auf den Frauen der Familie Falodun liegt ein Fluch. Seine Herkunft ist schnell erklärt: Vor einigen Generationen verfluchte die Ehefrau Nr. 1 die Ehefrau Nr. 2 aus Eifersucht, und seitdem leben die Frauen der Familie Falodun ohne Männer, sie erleben Enttäuschungen und ziehen ihre Kinder allein auf.
Die Autorin nimmt uns mit in ihre Heimat Nigeria, nach Lagos. Wir tauchen ein in ein patriarchalisches System und in eine Gesellschaft, in der Geisterglaube bzw. Spiritualität noch ihren eigenen Stellenwert hat. Über mehrere Generationen hinweg verfolgt der Roman die Auswirkungen des Fluchs, wobei er zwei Frauen deutlich in den Mittelpunkt rückt: Monife, die ihr Leben im Meer beendete, und ihre Nichte Enniyi, die am Tag ihres Todes geboren wurde. Die Nichte ähnelt ihrer Tante so sehr, dass sie als Inkarnation betrachtet wird. Hier öffnet sich das eigentliche Thema des Romans: die Frage nach der eigenen Identität in einer patriarchalischen Gesellschaft, die jeder Frau einen festen Platz zuweist.
Enniiyi kehrt zwar nach dem Studium wieder in das Haus ihrer Großmutter und Mutter zurück, aber sie verweigert sich der Zuweisung einer festen Rolle und damit auch der Vorstellung einer Reinkarnation. Sie beharrt auf ihrer eigenen Autonomie. Dazu gehört auch, dass sie die Angst der Familie vor dem Wasser beendet und in unendlich vielen Schwimmstunden sich die Herrschaft über das Wasser erobert. Hier spielt die Autorin eindrucksvoll mit der Metapher Wasser, das sie als Bild für den Fluch, aber auch als Bild für die gesellschaftliche Determiniertheit der Frau einsetzt. An anderen Stellen aber „verwässert“ die Metapher leider. Wenn sich z. B. in Monifes ehemaligen Zimmer ein feuchter Fleck zeigt, dann verliert die Metapher ihre Wucht und wird banal. Trotzdem: Ennniyi schwimmt sich buchstäblich frei, und damit verliert auch der Fluch seine Wirkung.
Da der Fluch sich auf das Liebesleben der Falodun-Frauen bezog, handelt der Roman fast ausschließlich von Liebesfreud und mehr noch Liebesleid. Ob das die Großmutter ist, die für viele Geld die Juju-Zauber zelebriert, um ihren untreuen Ehemann seiner neuen Familie zu entreißen, oder deren Schwester, die unermüdlich auf Männerfang geht und die Opfer dann abzockt – nach wie vor definieren sich die Frauen über Ehe und Familie, und als Leser fragt man sich gelegentlich, ob nicht etwas weniger Liebesgedöns – das zu unnötigen Längen führt - und dafür mehr Außenwelt das Bild vervollständigt hätte. Immerhin ist eine der Frauen Schulleiterin und Enniyi hat Humangenetik studiert, also beinhaltet ihr Leben sicher noch andere Facetten. Enniyi handelt jedoch mit einer gewissen Logik: sie entzieht sich dem Fluch nicht nur durch ihr Freischwimmen, sondern auch dadurch, dass sie den Dunstkreis der Familie und ihr Land verlässt.
Trotz der Längen: der Roman besticht durch das Erzähltalent der Autorin und ihre Erzählfreude. Beides wird von der Sprecherin sehr schön umgesetzt.
3,5/5*

Bewertung vom 23.10.2025
Der falsche Erbe (eBook, ePUB)
Tey, Josephine

Der falsche Erbe (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Mein Lese-Eindruck:
Josephine Teys Kriminalromane haben inzwischen Kultstatus. Mit „Der falsche Erbe“ legt der Kampa-Verlag den Roman „Der Erbe von Latchetts“ aus dem Jahre 1949 erneut vor, wobei die Übersetzung behutsam überarbeitet wurde.
Der Roman stellt das gängige Krimi-Muster auf den Kopf. Es fehlen die üblichen Ermittlerfiguren wie Polizisten oder Detektive. Stattdessen wird die Geschichte des jungen Hochstaplers Brat erzählt, der in auffallender Weise dem verschwundenen Erben eines großen Gutshofes ähnelt und der sich daher in Kumpanei mit einer verkrachten, aber kundigen Existenz dazu entschließt, sich als zurückgekehrter Erbe auszugeben. Die Ähnlichkeit macht ihn glaubwürdig, allerdings hegt der Zweitgeborene Zweifel an der Echtheit des neuen „Bruders“, und dafür hat er seine ganz eigenen Gründe.
Brat bzw. Patrick liebt das englische Landleben und gewinnt mit seiner Bescheidenheit und Freundlichkeit die Herzen seiner Familie und schließlich auch die der Leser. Brat wird jedoch von seinem Gewissen geplagt, und so entscheidet er sich, die Vorgänge um das Verschwinden des echten Patrick aufzuklären. Damit steht der Leser vor zwei spannenden Fragen: Gelingt ihm die Aufklärung über das mysteriöse Verschwinden des echten Patrick? Und wenn ja, welche Konsequenzen hat das für ihn und seinen Betrug?
Josephine Tey versammelt wieder einen Reigen liebenswerter und origineller Figuren in ihrem Roman, denen sie mit Humor und auch Ironie Leben verleiht. Da ist z. B. der Pfarrer, den „weder antike Ruchlosigkeit noch moderne Gottlosigkeit“ erschüttern können und der in seiner Sonntagspredigt den Dorfbewohnern „ihre Wochenration an Übersinnlichem“ zuteilt. Oder der Brauch der Familie, seit Napoleons Tagen immer dieselben Zimmer im selben Gasthaus zu beziehen; ein kleiner Seitenhieb auf das englische Traditionsbewusstsein. Josephine Teys Ironie zielt gelegentlich aber auch gegen ihre eigenen schottischen Landsleute.
Sie zeichnet hier ein sehr positives Bild des englischen Landlebens: die Familie ist zwar wohlhabend, aber sparsam, und jedes Familienmitglied trägt durch seine Arbeit auf dem Gestüt zum Auskommen bei. Und: es ist für die Familie selbstverständlich, alte oder kranke ehemalige Mitglieder des Hauspersonals ausreichend zu alimentieren.
Fazit: Ein gekonnt konstruierter Roman mit liebenswerten Figuren, fließend ruhig erzählt, spannend! Ein Lesevergnügen!

Bewertung vom 18.10.2025
Der Gärtner und der Tod (eBook, ePUB)
Gospodinov, Georgi

Der Gärtner und der Tod (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Mein Lese-Eindruck:
„Mein Vater war Gärtner. Jetzt ist er ein Garten.“
Diese ersten Sätze gehen unter die Haut, und eigentlich umfassen sie das ganze Buch. Der Autor begleitet seinen sterbenden Vater in den Tod, und er fragt sich selber, welchem Genre er sein Werk zuordnen soll: ist es ein Memoir oder ein Gartenroman? „Der Botanik der Schwermut ist das egal“, meint er, und dem Leser auch.
Der Garten des Vaters ist ein ständiges Beispiel für Veränderlichkeit, Wachstum und Vergehen. Pflanzen wachsen, gedeihen, sterben ab und erneuern sich. Und so wird für den Autor der Garten des Vaters auch zum Bild der eigenen Sterblichkeit und Vergänglichkeit. Was er durchaus mit Humor nimmt, wenn er überlegt, dass Blumen wohl „heimliche Periskope der Toten sind, die unter ihnen liegen und die Welt durch ihre Stängel beobachten“. So wird der Garten zugleich zu einem Bild der Hoffnung auf ein Weiterleben.
Gospodinovs Vater war nicht nur Gärtner, sondern auch ein Geschichtenerzähler. Wichtig war dabei weniger das tatsächliche Geschehen, sondern die Erzählung, die aus dem Geschehen gemacht wurde. Der Vater erinnerte sich an eine Fülle von Anekdoten aus der Familiengeschichte, die er immer wieder zum Besten gab. Damit wurde er zum Chronisten der Familie. Längst verstorbene Familienangehörige und auch vergessene Ereignisse aus der sozialistischen Heimat erwachten wieder zum Leben.
Diese Aufgabe übernimmt nun der Sohn. Er streut diese Geschichten seines Vaters immer wieder in die Erzählung ein und verleiht damit seinem Abschiedsschmerz etwas Heiteres und Tröstliches. Die Verbindung zum Vater bleibt bestehen: im Garten, im Erzählen.
Der Verzicht auf ein lineares Erzählen mag manche Leser irritieren, sie werden aber belohnt durch eine bildhafte und poetische Sprache und ein meisterliches Erzählen. Keine Holprigkeit, keine Umständlichkeiten behindern die wie von selbst fließende Sprache.
Ein Buch zum Mehrmals-Lesen.

Bewertung vom 16.10.2025
Herbstgeschichte (MP3-Download)
Nadolny, Sten

Herbstgeschichte (MP3-Download)


sehr gut

Mein Hör-Eindruck:
Drei Freunde und eine Frau: das ist im Wesentlichen das Personal der Geschichte. Michael, der Schriftsteller, Bruno, der Schauspieler und Titus, der Drehbuchschreiber, sind Freunde seit der Schulzeit und alle erfolgreich in ihrem Beruf. Sie treffen sich nach Jahren durch Zufall wieder, und damit klingt schon ein wesentliches Thema des Romans an: das Finden und Wiederfinden, sie verlieren sich aus den Augen und finden sich wieder.
Michael und Bruno treffen auf einer Reise eine schöne junge Frau, die sich Marietta nennt. Marietta ist traumatisiert durch ihre Vergangenheit und aus der Psychiatrie geflohen. Sie bildet nun für viele Jahre das Zentrum, um das die Freunde Michael und Bruno kreisen, auch als Marietta dauerhaft im Rollstuhl sitzt und auf tägliche Fürsorge angewiesen ist. Hier zeigt sich ein zweites großes Thema des Romans: die Heilung durch Kunst. Mariettas persönliche Therapie besteht darin, sich intensiv mit Teppichen zu beschäftigen und schließlich auch die Kunst des Knüpfens zu erlernen. Als es ihr zunehmend schlechter geht, richten Michael und sie sog. Erzähltage ein, an denen sie sich Geschichten erzählen. Aktiviert Kunst, in welcher Form auch immer, die Selbstheilungskräfte? Heilt Kunst seelische Traumata? Schließlich wird auch Titus, der Drehbuchschreiber und fiktive Autor des Romans, mit ins Boot geholt: Mariettas Leben soll verfilmt werden, er soll das Drehbuch dazu schreiben.
Mariettas Leben wird ausschließlich aus der Perspektive der drei Freunde gesehen, und so ist das Buch auch aufgebaut. Der Autor erzählt aus mehreren Perspektiven, jedoch niemals aus der Perspektive Mariettas, obwohl sie immer im Mittelpunkt steht.
Die Zeit vergeht, Marietta und die Freunde verlieren wechselnd den Kontakt zueinander, einige finden wieder zueinander, andere nicht. Alle werden älter, und zunehmend wird das Vergehen der Zeit zu einem weiteren Thema des Romans. Sehr eindrücklich ist der Bericht des inzwischen 80jährigen Titus. Trotz seines Alters ist keine Resignation zu spüren, er ist offen für Begegnungen mit anderen Menschen und er erkennt, dass immer ein Neubeginn möglich ist.
Die Themen erlauben keinen Spannungsbogen; der Leser erfährt keine Ursache für Mariettas rätselhafte Erkrankung, nichts Genaueres über ihre Traumatisierung in der Kindheit, keine Details aus dem Leben der Freunde. Der Roman fließt immer ruhig, manchmal etwas zu gemächlich dahin, aber das in einer wohltuend altmodischen, sehr poetischen Sprache. Peter Kaempfes Stimme passt mit seinem Timbre sehr gut zu diesem Erzählton. Sein Vorlesen ist zugleich Gestaltung und erleichtert das Verständnis.

Bewertung vom 15.10.2025
Das Geheimnis der weißen Weihnacht
Mitchell, Gladys

Das Geheimnis der weißen Weihnacht


gut

Ein englischer Landsitz in den schönen Cotswolds, strahlendes Winterwetter: ein schönes Setting für einen gemütlichen Krimi! Und dazu ein Verwöhnambiente: Um so profane Dingen wie Einkaufen, Kochen, Putzen und dergleichen kümmert sich das Personal, und die Herrschaft und ihre Gästeschar vertreiben sich die Zeit mit Spaziergängen in der Umgebung, mit Plausch, Zeitungslesen und Briefeschreiben. Frauen sind entweder verheiratet oder Lehrerinnen, eine uneheliche Geburt ist ein lebenslanger Makel, Schreibmaschinen sind selten. Ein Krimi aus einer untergegangenen Zeit...
In diese Idylle auf dem Lande kommt nun Unruhe. Anonyme Briefe mit pikanten Details, Geisterglaube, merkwürdige Fußspuren im tiefen Schnee, eine geheimnisvolle Nachbarin, schließlich sogar ein Mord, dem bald ein zweiter folgt. Adela Bradley, die Tante des Hausherrn, ist in ihrem Element: sie ermittelt.
Adela Bradley ist eine renommierte Psychoanalytikerin und Nervenärztin mit eigener Klinik. Ihr Äußeres wirkt irritierend: sie ist „reptiliengesichtig“, sie hat magere „Klauen“ mit langen gelben Fingern, sie lacht „meckernd“ und sie bedenkt ihre Umgebung mit einem „teuflischen Grinsen“, was sie auch nicht liebenswerter macht. Die Familie jedoch liebt ihre Tante Adela, und so arrangiert sich der Leser auch mit ihren Absonderlichkeiten. Denn immerhin: Adela Bradley verfügt über einen scharfen Verstand, der bei der Lösung der Mordfälle zum Tragen kommt.
Der Leser begleitet die Suche nach dem Bösewicht in den langen Dialogen, in denen Adela ihre Vermutungen darlegt. Hier heißt es Aufgepasst!, denn Adela erkennt ein kompliziertes Geflecht aus Absichten und Bosheiten, in das der Leser eingebunden wird. Das alles aber hindert sie nicht, an einer rasanten, langwierigen und letztlich erfolglosen Fuchsjagd teilzunehmen, die die Autorin mit Leidenschaft schildert.
Wer einen originellen Krimi in der Art Agatha Christies sucht, ist hiermit gut beraten! Hier gibt es keine aktionsreichen Verfolgungen, keine Schießereien und kein dramatisches Show-down, sondern hier wird der Bösewicht ausschließlich mit Verstand und Logik gefunden. Und ein bisschen trickreicher Raffinesse.

Bewertung vom 09.10.2025
Der Donnerstagsmordclub und der unlösbare Code (Die Mordclub-Serie 5) (MP3-Download)
Osman, Richard

Der Donnerstagsmordclub und der unlösbare Code (Die Mordclub-Serie 5) (MP3-Download)


sehr gut

Mein Hör-Eindruck:
Der Donnerstagsmordclub wird nicht arbeitslos. Dieses Mal geht es um ein Millionenvermögen in Form von Bitcoins, deren Zugang mehrfach verschlüsselt in einem unterirdischen Bunker versteckt ist. Das hört sich nach Hightech an, ist es aber nicht. Letztlich ist der angeblich unlösbare Verschlüsselungscode sogar von einem gewitzten Kind zu knacken. Und es geht um einen Mord, der mit den Bitcoins in Zusammenhang steht.
Die gewitzten und munteren Rentner nehmen sich in gewohnter Manier der Sache an. Wer die bisherigen Romane kennt, trifft bei Elizabeth, Joyce, Ron und dem Allesversteher Ibrahim auf alte Freunde. Um dieses Quartett herum gruppieren sich einige weitere Figuren, und wer nicht alle Vorgänger-Romane gelesen oder gehört hat, kommt leicht ins Schleudern, bis er endlich weiß, wie Jason, Bogdan, Donna, Chris und wie sie alle heißen eigentlich zusammenhängen.
Die Handlung dagegen ist in sich abgeschlossen und setzt keine Vorkenntnisse voraus. Eine bunte Geschichte breitet sich vor dem Leser aus: da geht es um häusliche Gewalt, um verarmten Adel, um Trauer und Einsamkeit, um Resozialisierung, um Drogenhandel und organisierte Kriminalität. Es geht aber auch um Freundschaft, um Zuwendung, um Fürsorge und Zuwendung, und das macht den Roman um die muntere Rentnertruppe so liebenswert. Jeder der Vier hat seine Schrullen, die von den Freunden geduldig und großzügig toleriert werden.
Die Stärke des Romans liegt weniger in seiner spannenden Handlung; im Gegenteil: der Spannungsbogen zeigt sich gelegentlich sehr flach. Es sind die vielen pointierten Dialoge, die den Roman zum Lesevergnügen machen, die Gesprächs- und Situationskomik und der immer leichte, oft humorig- ironische Erzählton.
Und genau diesen Ton geben die beiden Sprecher perfekt wieder. Ein Hörvergnügen!

Bewertung vom 04.10.2025
Die Farbe des Schattens (eBook, ePUB)
Tägder, Susanne

Die Farbe des Schattens (eBook, ePUB)


sehr gut

Mein Lese-Eindruck:
Auch Susanne Tägders zweiter Roman spielt kurz nach der Wende, in Mecklenburg, und wie bei ihrem ersten Roman hat sie sich von wahren Fällen anregen lassen. Der Leser begegnet bereits bekannten Personen, allen voran dem Hamburger Kommissar Groth, der als Aufbauhelfer Ost in seine Heimatstadt versetzt worden war.
Die Situation ist nach wie vor schwierig. Die Menschen erleben die Wende als eine Zeit der Verunsicherung, weil altbekannte und vertraute Systeme weggebrochen sind.Sie fühlen sich entwurzelt, und die Neu-Orientierung fällt nicht immer leicht. Deutlich wird auch in diesem Roman, dass die Führungseliten auch im Polizeibereich aus dem Westen kommen und altgedienten Ost-Kollegen nicht immer gerecht werden.
Arno Groth ist ein Ermittler der leisen Art. Er ist kein Heldentyp und kein genialischer Ermittler, der in Alleingängen und in einem spektakulären Show-down den Bösewicht fasst. Im Gegenteil. Groth setzt auf beharrliche und kleinteilige Ermittlungsarbeit, auf Teamarbeit und auch sein Bauchgefühl. Er ermittelt dieses Mal in einem prekären Milieu, gekennzeichnet durch Arbeits- und Perspektivenlosigkeit, Alkoholismus, Armut und durch rechtslastiges Gedankengut schon bei Kindern. Dazu reaktiviert er seinen ehemaligen Ostkollegen Gerstacker, der aufgrund seiner StaSi-Tätigkeit vorzeitig in den Ruhestand geschickt worden war; hier wären vielleicht einige erklärende Sätze zu dessen StaSi-Tätigkeit erhellend gewesen.

So wie Arno Groth ist auch der Roman einer von der leisen Art. Die Autorin erzählt immer ruhig und unaufgeregt, und bei der Entlarvung des Bösewichts steht die kleinteilige und mühselige Ermittlungsarbeit im Vordergrund. Wie nebenbei entsteht dabei ein dichtes Bild der Stimmung und der Probleme in der ostdeutschen Stadt.
Fazit: Insgesamt ein lesenswerter Roman, der die Ermittlungsarbeit der Polizei spiegelt und die besondere Situation im Osten Deutschlands nach der Wende überlegt und verständnisvoll, aber auch kritisch in den Blick nimmt.
4,5/5*

Bewertung vom 27.09.2025
Die Galerie des Wahnsinns
Brooke-Hitching, Edward

Die Galerie des Wahnsinns


ausgezeichnet

Mein Lese-Eindruck:
Edward Brooke-Hitching will sich, so sein Vorwort, ausdrücklich nicht mit den kanonisierten und bekannten Werken der Kunstgeschichte befassen, sondern mit eher vergessenen, absonderlichen und auch verrückten Kunstobjekten. Diesem Anspruch wird sein Buch gerecht. In chronologisch geordneten und übersichtlich gestalteten Kapiteln stellt er seine ausgewählten Objekte vor. Dabei spannt er einen großen Bogen und fasst den ganzen Globus, unterschiedliche Traditionen und alle Epochen ins Auge, beginnend mit der sog. Venus vom Hohlen Fels aus der Schwäbischen Alb bis zu Bildern der KI. Jedes Kapitel ist reich bebildert und sichert damit die Anschaulichkeit.
Mit jedem Kunstobjekt spricht der Autor einen bestimmten Themenkreis an, den er dann mit anderen Objekten aus anderen Epochen und anderen Kulturkreisen ergänzt. Damit schafft er interessante Querverbindungen, die den Leser über den eigenen kulturellen Tellerrand hinausschauen lassen.
Die Themenkreise sind recht unterschiedlich: Phantastisches, Memento Mori, behaarte Frauen, Monster, Propaganda, missglückte Restaurierungen etc. . Interessant und neu, allerdings auch grausig, war für mich die „Kunst des Kannibalismus“: ethnografische Gemälde des niederländischen Malers Albert Eckhout, der zusammen mit Kollegen die Ureinwohner Brasiliens malte, um sie im kolonialen Mutterland zu zeigen.
Oder man erfährt, dass Jack Pollock, „Jack the Dripper“, mit seiner Aktionskunst nicht der Erste war, der die Farben scheinbar wahllos aufs Papier tropfen ließ, sondern ein chinesischer Maler, „der Tintenschleuderer Wang“, der bereits im 8. Jhdt diese Technik in grotesk-exzessiven Sitzungen anwandte.
Das Buch richtet sich an den interessierten Laien. Der Autor verzichtet daher auf detaillierte Beschreibungen des Objekts und kunsthistorische Fachtermini, sondern wendet sich direkt der Besonderheit des Werks zu. Mit Anekdoten zur Entstehung, zur Rezeption etc. reichert er die Kapitel an und rückt damit die Werke über die Jahrhunderte hinweg dicht an den Leser heran. Am Schluss beruhigt er den besorgten Leser: nein, die KI wird den Künstler nicht überflüssig machen. Die Antriebskräfte der menschlichen Fantasie – Trauer, Wut, Humor etc. – können von keiner KI übernommen werden. Was abzuwarten bleibt.
Fazit: Ein kurzweiliges Buch für den Laien, vielfältig, interessant, reich bebildert, anschaulich. Ein sehr originelles Geschenk!