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Readaholic

Bewertungen

Insgesamt 401 Bewertungen
Bewertung vom 29.05.2025
Beeren pflücken
Peters, Amanda

Beeren pflücken


ausgezeichnet

Die Suche nach Identität
Eine indigene Familie aus Kanada kommt 1962, wie jedes Jahr, über die Grenze in die USA, um dort Beeren zu pflücken. Alle Familienangehörige haben ihre Aufgabe, nur die vierjährige Ruthie ist noch zu klein. Eines Tages verschwindet sie spurlos und auch großangelegte Suchaktionen bleiben ohne Erfolg.
Zur selben Zeit erleben ein Richter und seine Frau die große Freude, dass ihr Kinderwunsch endlich erfüllt wurde. Das kleine Mädchen Norma wird allerdings von wiederkehrenden Träumen geplagt, in denen es eine Frau und einen Jungen sieht, im Traum ist dieser Junge ihr Bruder. Die Mutter tut diese Träume als Hirngespinste ab.
Als Leser ahnt man natürlich den Zusammenhang. Norma wird von allem ferngehalten, soll sich möglichst nur im Haus aufhalten. Sie spürt, dass etwas falsch ist, nur was, kann sie sich nicht erklären. Währenddessen gibt ihre wirkliche Familie nie auf, nach ihr zu suchen. Einmal, Jahre später, erhascht einer ihrer Brüder bei einem Besuch in Boston einen Blick auf sie, schafft es aber nicht, Kontakt zu ihr aufzunehmen.
„Beeren Pflücken“ ist ein sehr beeindruckendes Debüt. Die Kapitel des Buchs werden in Rückblicken abwechselnd von Norma und Joe erzählt. Wir erleben die Zerrissenheit des kleinen Mädchens, das instinktiv spürt, dass es anders ist als seine Eltern. Sie wird mit Lügen abgespeist und zweifelt an sich selbst. Erst spät im Leben erfährt Norma die Wahrheit.
Auf Seiten ihrer Ursprungsfamilie erfahren wir, welche Auswirkungen das Verschwinden Ruthies auf das Leben der einzelnen Familienmitglieder hat. Besonders stark beeinflusst hat es das Leben ihres zwei Jahre älteren Bruders Joe, der sich zeitlebens Vorwürfe macht, dass er damals nicht besser auf seine kleine Schwester aufgepasst hat. Er lebt ein Leben voller Wut und Selbstzerstörung.
Die Sprache des Buches ist eindringlich und voller Bilder, die sowohl die Schönheit als auch die Härte des Lebens widerspiegeln. Absolute Leseempfehlung!

Bewertung vom 23.05.2025
Maikäferjahre
Höflich, Sarah

Maikäferjahre


ausgezeichnet

Ein Roman, der unter die Haut geht
Das Buch beginnt im Kriegsjahr 1944. Längst glauben nur noch die Wenigsten an die Propaganda und den bevorstehenden Endsieg.
Anni, die kurz vor der Geburt steht, lebt bei ihren Eltern in Dresden. Ihr Mann Fritz ist an der Front, ihr Zwillingsbruder Tristan fliegt Jagdbombereinsätze über England und wird abgeschossen. Er hat Glück und überlebt schwer verletzt. Gegen alle Wahrscheinlichkeit wird er in einem britischen Hospital gesundgepflegt. Er verdankt sein Leben einem wohlmeinenden schottischen Arzt, für den alle Leben gleich viel zählen, auch deutsche, und der jungen Krankenschwester Rosalie. Doch die beiden sind die Ausnahme, die meisten anderen bringen dem Deutschen Ablehnung und Hass entgegen. Rosalie und Tristan verlieben sich ineinander, sehr zum Entsetzen von Rosalies Familie.
Anni bringt ihr Kind, Clara, zur Welt und erlebt kurz danach den Horror der Dresdener Bombennacht, als die ganze Stadt ein einziges Feuermeer wurde. Sie entkommt dem Inferno nur knapp mit Hilfe des halbjüdischen Geigers Adam, den Annis Vater vor den Nazis versteckt hatte. Gemeinsam begeben sie sich auf eine Odyssee auf der Suche nach einem sicheren Platz zum Leben. Sie landen in der Heimat von Annis Vater, Tirol, von wo auch ihr Ehemann Fritz stammt. Annis Schwiegereltern sind alles andere als begeistert, als Anni mit einem anderen Mann vor der Tür steht.
„Maikäferjahre“ hat mir wirklich sehr gut gefallen. Anhand der Einzelschicksale erlebt man hautnah die Grausamkeit der Bombenangriffe und der anschließenden Flucht von Millionen von Menschen. Hass und Ablehnung, Liebe und Versöhnung treffen aufeinander. Ein emotional sehr aufwühlendes Buch, das unter die Haut geht. Absolute Leseempfehlung!

Bewertung vom 17.05.2025
Flusslinien
Hagena, Katharina

Flusslinien


sehr gut

Zwölf Tage im Sommer
Die Hauptperson in diesem Generationenroman ist die über hundertjährige Margrit Raven, die in einer Seniorenresidenz an der Elbe lebt und sich gedanklich auf ihren bevorstehenden Tod vorbereitet, indem sie Erinnerungen verarbeitet und sich mit dem Leben ihrer Mutter auseinandersetzt, die im Krieg ums Leben kam. Ihre Mutter wurde früh Witwe und erlebte ihre wohl glücklichste Zeit an der Seite der Landschaftsarchitektin Else, die den wunderbaren Römischen Garten am Ufer der Elbe anlegte. Dorthin lässt sich Margrit täglich von ihrem jungen Fahrer Arthur fahren. Arthur ist Student, Taucher und Erfinder von Sprachen. So macht er sich unter anderem Gedanken über die verschiedenen Arten von Stille und erfindet beispielsweise unterschiedliche Wörter zu Stille, wenn Besuch wieder gegangen ist oder Stille, wenn Freunde gemeinsam schweigen. Diesen Gedanken fand ich faszinierend und sehr originell.
Die dritte Protagonistin ist Margrits 18jährige Enkelin Luzie, die nach einem traumatischen Erlebnis während eines Auslandsaufenthalts die Schule kurz vor dem Abi schmeißt und sich als Tätowiererin selbstständig machen will. Margrit bietet sich als Übungsobjekt an, woraufhin ihr Luzie ein Ganzkörpertattoo des Römischen Gartens sticht. Das wiederum fand ich ziemlich abwegig, zumal die Prozedur zum Teil sehr schmerzhaft ist. Margrits Hintergedanke ist, dass Luzie sich ihr gegenüber während der Stunden des Tätowierens öffnet und ihr erzählt, was in Australien passiert ist. Dass sich andere Bewohner der Seniorenresidenz ihrem Beispiel anschließen und ebenfalls in hohem Alter plötzlich den Wunsch nach Tattoos verspüren, erscheint mir allerdings wenig glaubhaft.
„Flusslinien“ ist ein schwer zu beschreibender Roman, der das Leben der Protagonisten an zwölf aufeinanderfolgenden Tagen erzählt. Er ist poetisch und originell, aber teilweise auch etwas ausufernd. Im Großen und Ganzen habe ich ihn allerdings gerne gelesen, vor allem, als mehr und mehr über die Personen und ihre Beweggründe bekannt wird. Ein wenig seltsam finde ich, dass eine Hundertdreijährige eine 18jährige Enkelin haben soll, noch dazu aus der ersten Ehe ihres Sohnes, dessen jüngsten Kinder aus zweiter Ehe noch ganz klein sind. Aber alles in allem würde ich den Roman durchaus empfehlen, er lebt von den vielen einzelnen Geschichten, die sich wie ein Mosaik zusammenfügen, und hat mich auf emotionaler Ebene sehr berührt.

Bewertung vom 09.05.2025
Stromlinien
Frank, Rebekka

Stromlinien


gut

Teeniegeschichte
Die 17jährigen Zwillinge Enna und Jale wachsen bei ihrer Großmutter Ehmi in den Elbmarschen in der Nähe von Hamburg auf. Ihre Mutter Alea hatte an ihrem 18. Geburtstag einen Unfall verursacht, bei dem viele Menschen ums Leben kamen, und sitzt seitdem im Gefängnis. Jetzt rückt der Zeitpunkt ihrer Entlassung näher und Jale und Enna zählen die Tage und Stunden. Als es dann endlich so weit ist, ist Jale verschwunden und Enna wartet vergeblich vor dem Gefängnis auf ihre Mutter. Verzweifelt sucht sie Jale und Alea. Sind sie gemeinsam verschwunden und wenn ja, warum? Auf ihrer Suche bekommt sie Hilfe von ihrem Klassenkameraden Luca, dessen Mutter ausgerechnet bei der Polizei arbeitet, und auf die Polizei ist Ehmi seit Aleas Verurteilung nicht gut zu sprechen. Nach und nach erfahren wir mehr über die Hintergründe von damals und die Familiengeschichte, die von Schiffskatastrophen geprägt ist. Am Ende fügen sich die losen Fäden zu einem Ganzen, aber so richtig überzeugend fand ich die Geschichte nicht.
Zum einen wissen Jale und Enna bis fast zuletzt nicht, warum ihre Mutter im Gefängnis sitzt. Möglich, dass man als Kind noch nicht nachfragt, aber als Teenager will man doch wissen, warum die eigene Mutter einsitzt. Selbst wenn die Zwillinge selbst nicht nachgefragt haben sollten, hätten sie spätestens in der Schule von ihren Klassenkameraden die Geschichte, die ja im Dorf bekannt war, erfahren. Das ergibt überhaupt keinen Sinn. Großmutter Ehmi ist auch sehr seltsam und für mich wenig glaubhaft. Sie spricht so gut wie nichts mit ihren Enkelinnen, scheint vollkommen verbittert. Aber am unglaubwürdigsten war für mich das Verhalten von Alea nach ihrer Haftentlassung.
„Stromlinien“ liest sich wie ein Teenieroman. Ich lese gerne ab und zu Jugendromane und Coming-of-Age Geschichten, aber hier hat mich Ennas zickige Art und ihr in manchen Situationen ausgesprochen kindisches Verhalten doch sehr genervt. Die einzig sympathische Person im ganzen Roman ist in meinen Augen Luca. Ich habe das Buch beendet, weil ich wissen wollte, wie alles zusammenhängt, aber für mich war es kein Highlight.

Bewertung vom 02.05.2025
Das Licht in den Wellen
Mommsen, Janne

Das Licht in den Wellen


sehr gut

Von Oldsum nach Long Island
Die junge Inge verlässt mit Anfang 20 von heute auf morgen ihre Heimatinsel Föhr mit dem Ziel New York. Da es in New York eine große Auswanderergemeinde aus Föhr gibt, findet sie sofort Anstellung in einem typischen New Yorker Deli. Der Grund für Inges überstürzte Ausreise wird lange Zeit nur angedeutet, erst gegen Schluss erfahren wir den Grund.
Inge scheint ein wahrer Tausendsassa zu sein, bald ist ihr „magic potato salad“ das Aushängeschild des Ladens und sie erhält das Angebot, ihr eigenes Restaurant zu führen. Obwohl sie anfangs von Heimweh geplagt wird und immer wieder eine Rückkehr nach Föhr in Erwägung zieht, schlägt sie Wurzeln in Long Island, zumal sie in der Zwischenzeit ihre große Liebe kennengelernt hat. Ihr neues Restaurant ist ein Riesenerfolg, sogar JFK und andere Berühmtheiten sind Gäste bei „Tante Inge“, wie sie von ihren Gästen genannt wird.
Für mich war dies der erste Roman von Janne Mommsen. Die Leseprobe versprach einen interessanten Roman über die Geschichte deutscher Auswanderer, ich war daher erstaunt, dass es sich mehr um einen Wohlfühl- und Frauenroman handelt. Über lange Zeit wird ausführlich geschildert, wie unglaublich tüchtig Inge ist und alles, was sie in die Hand nimmt, gelingt. Dabei erledigt sie einfach alles selbst: Restaurant renovieren, Lebensmittel einkaufen, kochen, Gäste bedienen, zwischendurch bleibt sogar noch Zeit für Ausflüge mit ihrem Hauke. Eigentlich müssten ihre Tage 48 Stunden haben.
Nach der Hälfte des Buchs habe ich mich ein wenig gelangweilt. Amüsiert hat mich, dass Inge ihrem Bruder einen amerikanischen Toaster als Hochzeitsgeschenk nach Föhr schickt. Ich hoffe, sie hat auch einen Transformator mitgeschickt, sonst hatte der Bruder wenig Freude an dem Geschenk. Dass sich Inges bisheriger Gönner plötzlich von ihr abwendet, das soll wohl Dramatik in die Geschichte bringen, die Erklärung für sein Handeln erscheint mir wenig glaubhaft.
Die Geschichte wechselt immer wieder von der Gegenwart in die Vergangenheit. Inge ist mittlerweile 100 Jahre alt, lebt auf Föhr und will ihre Wahlheimat New York noch einmal sehen. Mit ihrer 20-jährigenUrenkelin Swantje besteigt sie ein Schiff in Richtung USA. Das Buch endet damit, dass die beiden in New York ankommen. Eine Fortsetzung ist wohl bereits in Arbeit, ich bin mir sicher, dass Swantje auch im Jahr 2022 alle Türen in New York offenstehen werden und sie einen kometenhaften Erfolg als Modedesignerin hinlegen wird!
Mein Fazit: ein netter Wohlfühlroman für zwischendurch, der von den anschaulichen Beschreibungen von Föhr und New York lebt. Trotz mancher Längen und obwohl ich etwas ganz anderes erwartet hatte, hat mich dieses Buch gut unterhalten.

Bewertung vom 28.04.2025
Hier draußen
Behm, Martina

Hier draußen


sehr gut

Landlust und Landfrust
Das Hamburger Ehepaar Ingo und Lara hat das Leben in der Stadt satt. Als sie in dem kleinen Dorf Fehrdorf eine Stunde außerhalb von Hamburg einen leerstehenden Bauernhof finden, scheint das Leben perfekt. Die Kinder Erik und Erin sollen in der Natur, eingebettet in eine Dorfgemeinschaft, aufwachsen. Doch nach einer aufwändigen Renovierung stellt sich die Idylle nicht wie erwartet ein. Das tägliche Pendeln in die Stadt wird für Ingo immer mehr zur Belastung, Lara ist viel allein und kann ihren Job als Illustratorin nicht so ausüben, wie sie sich vorgestellt hatte.
Eines Abends fährt Ingo kurz vor Fehrdorf eine weiße Hirschkuh an. Der hinzugerufene Jäger Uwe besteht darauf, das Tier gemeinsam mit Ingo zu erschießen, da im Dorf erzählt wird, wer eine weiße Hirschkuh erschießt, habe nur noch ein Jahr zu leben. Diesen Fluch will Uwe nicht alleine tragen. Obwohl Ingo und Lara sich über den Aberglauben lustig machen, bleibt ein ungutes Gefühl zurück.
Ich hatte Probleme damit, in das Buch reinzukommen, nach etwa 100 Seiten war ich aber ganz in der Geschichte gefangen und es hat mir Spaß gemacht, die Bewohner von Fehrdorf kennenzulernen. Das Dorfleben ist alles andere als eine Idylle und geprägt von harter Arbeit, sei es im Schweinemastbetrieb oder auf der Hühnerfarm, die nur unter strengsten hygienischen Sicherheitsbedingungen betreten werden kann. Über Laras Anfrage, ob die Kinder sich nicht mal die süßen Küken anschauen können, können die Betreiber nur lachen, viel zu groß ist die Gefahr, Keime einzuschleppen. Auch die zwischenmenschlichen Beziehungen im Dorf werden beleuchtet. Tove ist zum Beispiel mit dem alten Griesgram Enno verheiratet, der sie praktisch als seinen Besitz ansieht. Das Geld, das sie bei ihrem Putzjob verdient, muss sie bei ihm abliefern, dass sie außerdem Tag und Nacht auf dem Hof schuftet, ist für Enno selbstverständlich. Doch Tove erkennt immer mehr, dass sie so nicht den Rest ihres Lebens verbringen will. „Hier Draußen“ ist ein äußerst interessanter Dorfroman ohne den romantisierenden Kitsch diverser Hochglanzmagazine, ein Buch, das ich nach anfänglichen Schwierigkeiten sehr gerne gelesen habe und gerne weiterempfehle.

Bewertung vom 24.04.2025
Vorsehung
Moriarty, Liane

Vorsehung


ausgezeichnet

Und wenn es doch stimmt?
Auf einem australischen Inlandflug steht eine ältere Frau auf und beginnt damit, den Fluggästen ihr Todesjahr und die jeweilige Todesursache vorherzusagen. Manche tun sie sofort als Spinnerin ab, andere sind geschockt, vor allem, da bei manchen der vorhergesagte Todeszeitpunkt schon kurz bevorsteht. Als dann eine junge Frau tatsächlich zum angegebenen Zeitpunkt stirbt, verbreitet sich die Geschichte rasend schnell im Netz. Die Leute sind verunsichert, was, wenn die „Todesdame“ keine Verrückte war, sondern eine tatsächliche Hellseherin?
Große Teile von „Vorsehung“ konnte ich kaum aus der Hand legen. Die Geschichte ist wirklich spannend, zumal die Wahrsagung großen Einfluss auf das weitere Leben der Flugpassagiere nimmt. Einer, dem für das nächste Jahr ein tödlicher Arbeitsunfall prognostiziert wurde, überlegt zum Beispiel, seinen Job zu kündigen. Eine Frau, deren Kleinkind angeblich im Alter von sieben Jahren ertrinkt, belegt zwanghaft jeden Schwimmkurs mit dem Kleinen, den sie finden kann.
Jedes Kapitel beschäftigt sich mit einem anderen Fluggast und dessen Umgang mit der Prophezeiung. Abwechselnd dazu lernen wir die „Todesdame“ kennen, die in Wirklichkeit Cherry Hetherington heißt und deren Mutter tatsächlich ihren Lebensunterhalt mit Wahrsagen verdient hat. Diese Kapitel über Cherry und ihr Leben waren mir zum Teil etwas zu ausführlich. Das ist jedoch nur ein kleiner Kritikpunkt an einem fesselnden Buch, das mir sehr viel Lesevergnügen bereitet hat!

Bewertung vom 14.04.2025
Wo wir uns treffen
Hope, Anna

Wo wir uns treffen


sehr gut

Ein Projekt namens Albion
Der Patriarch der Familie, Philip Brooke, ist gestorben und hinterlässt sein 400 Hektar umfassendes Anwesen im ländlichen Sussex seiner ältesten Tochter Frannie. Gemeinsam mit ihr hatte er die letzten zehn Jahre die Renaturierung der riesigen Waldflächen vorgenommen und wollte, dass das Projekt in diesem Sinne weitergeführt wird. Milo, Frannies Bruder, beabsichtigt allerdings auf einem Teil des Landes ein Retreat für reiche Leute errichten, die bereit sind, ein Vermögen für eine Nacht in einem Baumhaus zu bezahlen. Anlässlich der Beerdigung des Vaters kommen die drei Geschwister Frannie, Milo und Isa für ein paar Tage zusammen. Alte Konflikte brechen auf und neue entstehen durch den Besuch einer vermeintlichen Halbschwester aus den USA, die unangenehme Wahrheiten über die Familie ans Licht bringt.

„Wo wir uns treffen“ ist ein sehr vielschichtiger Roman. Die Autorin versteht es hervorragend, die schwierigen Beziehungen der Protagonisten untereinander herauszuarbeiten und gleichzeitig darzustellen, wie die Entwicklung der Personen zu dem, was sie sind, stattgefunden hat. Es werden eine Vielzahl von Themen angesprochen, unter anderem Verantwortung für die Natur und seine Mitmenschen und die Frage, inwiefern die heutige Generation für die Schuld verantwortlich ist, die frühere Generationen auf sich geladen haben.

Ana Hopes Schreibstil hat mir gut gefallen, ihre Sprache ist bildhaft und präzise. Besonders gut gefallen hat mir Frannies Tochter Rowan, die durch ihr Aufwachsen mitten in der Natur und ihr naturwissenschaftliches Interesse vorurteilsfrei an Themen herangeht, mit denen sie bei Gleichaltrigen und ihrer Lehrerin Befremden hervorruft. Ein wirklich lesenswerter Roman, der allerdings teilweise etwas ausufernd ist.

Bewertung vom 14.04.2025
The Surf House
Clarke, Lucy

The Surf House


sehr gut

Surferparadies mit Schattenseiten
Bea hat ihren Job als Model so satt, dass sie von heute auf morgen bei einem Shooting in Marrakesch alles hinschmeißt. Sie irrt durch die Gassen und wird prompt überfallen und bedroht. Zum Glück greift eine Passantin beherzt ein und bewahrt sie vor Schlimmerem. Doch Beas Rucksack mitsamt Pass sind weg. Ihre Retterin Marnie nimmt sie kurzerhand mit an die Küste, wo sie mit ihrem Partner ein Hotel für Surfer betreibt. Bea kommt es wie das reinste Paradies vor, wäre da nicht eine große Summe Geld, die sie schnellstmöglich auftreiben muss.
Eines Tages taucht der Amerikaner Seth auf, der auf der Suche nach seiner Schwester ist. Zuletzt wurde sie in Marnies Surf House gesehen. Bea hilft Seth bei der Suche nach Hinweisen auf Savannahs Verbleib und merkt schnell, dass es viele Ungereimtheiten gibt.
Mir hat das Setting des Romans sehr gut gefallen, das unbeschwerte Surferleben, die jungen Menschen aus aller Herren Länder, Abende am Lagerfeuer am Strand. Die ausführlichen Beschreibungen des Surfens waren auch interessant, das entsprechende Fachvokabular hätte ich allerdings nicht gebraucht. Auch Beas Schwärmen für den attraktiven Nachbarn („mir wurde heiß, als er meinen Namen sagte“) war mir manchmal etwas zu schwülstig. In der Mitte des Buchs plätschert die Story so vor sich hin und ich habe ein bisschen das Interesse verloren. Zum Glück wird es dann wieder spannender und endet in einem rasanten Showdown, bei dem alle losen Enden miteinander verknüpft werden.
„The Surf House“ bietet gute Unterhaltung, Spannung und Lokalkolorit, ist aber sicher kein Buch, das mich nachhaltig beeindruckt.

Bewertung vom 04.04.2025
Halbinsel
Bilkau, Kristine

Halbinsel


ausgezeichnet

Der Sommer mit Linn
Die Endvierzigerin Annett lebt allein in einem Dorf bei Husum. Ihr Mann ist mit Anfang 30 gestorben, die Tochter Linn längst aus dem Haus. Nach einem Schwächeanfall während eines Vortrags kehrt Linn in ihr Elternhaus zurück, um sich zu erholen und sich darüber klar zu werden, wie sie ihr weiteres Leben gestalten will. Annett ist einerseits froh, die Tochter bei sich zu haben, andererseits ist die Stimmung angespannt, denn Linn weicht ihren Fragen aus und Annett versteht nicht, was die Krise bei Linn ausgelöst hat. Sie war doch immer so selbständig und unabhängig, wie kann es sein, dass sie sich jetzt stunden- und tagelang in ihr Zimmer zurückzieht und nicht weiß, wie es weitergeht? In Gedanken bespricht sie sich mit ihrem verstorbenen Mann Johan, sie weiß genau, welche Fragen er ihr gestellt und welche Ratschläge er ihr gegeben hätte.
Kristine Bilkau hat mit „Halbinsel“ einen sehr berührenden Roman geschrieben, der viele Denkanstöße gibt. Wie erziehen wir unsere Kinder richtig? Kann es zu viel Fürsorge geben? Ein Satz ist mir in Erinnerung: „Aus Fürsorge erwächst Hoffnung, Hoffnungen verwandeln sich in Erwartungen.“ Auch Annett sieht ihre Erwartungen an Linn nicht erfüllt. Langsam beginnen die beiden Frauen sich einander wieder anzunähern und besser zu verstehen.
Das Buch behandelt mit viel Feingefühl und leisen Tönen eine Vielzahl an Themen, die nicht nur Annett und ihre Tochter umtreiben. Verantwortung für die Umwelt, wie möchte ich leben, was erwarte ich vom Rest meines Lebens sind nur einige davon. Unbedingte Leseempfehlung für dieses Buch, das zu Recht mit dem Preis der Leipziger Buchmesse für den Bereich Belletristik ausgezeichnet wurde!