Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Skorpionin
Wohnort: 
Im Wald

Bewertungen

Insgesamt 3 Bewertungen
Bewertung vom 28.05.2025
Unsereins
Mahlke, Inger-Maria

Unsereins


sehr gut

Unsereins ist kein Buch, das man einfach so „wegliest“. Es fordert Aufmerksamkeit, Geduld – und belohnt genau das mit einer erzählerischen Tiefe, die mich noch lange beschäftigt hat. Inger-Maria Mahlke schreibt mit großer Klarheit und Sensibilität über die feinen Risse in Biografien, über Herkunft, Klassenunterschiede und die leisen, oft unausgesprochenen Machtverhältnisse im Alltag.

Die Geschichte entfaltet sich nicht laut oder dramatisch, sondern beinahe beiläufig – fast wie ein Blick durchs Schlüsselloch in eine Welt, die man zu kennen glaubt, aber nie ganz durchdringt. Die Figuren wirken zunächst distanziert, fast unterkühlt, aber je mehr ich las, desto mehr spürte ich, wie viel zwischen den Zeilen liegt: Verletzlichkeit, Wut, Scham, Liebe, Ohnmacht.

Was mich besonders beeindruckt hat, ist Mahlkes nüchterner, präziser Stil – ohne überflüssige Schnörkel, aber mit einer Intensität, die mich immer wieder innehalten ließ. Es ist ein stilles Buch, das in seiner Zurückhaltung sehr viel sagt über unsere Gesellschaft und über das, was uns prägt – ob wir wollen oder nicht.

Unsereins war für mich eine leise, aber nachhaltige Lektüre. Kein Roman, der laut klopft – aber einer, der bleibt. Und genau das macht ihn so besonders.

Bewertung vom 28.05.2025
Demon Copperhead
Kingsolver, Barbara

Demon Copperhead


sehr gut

Barbara Kingsolver ist mit Demon Copperhead ein literarisches Meisterwerk gelungen, das tief berührt und lange nachhallt. Inspiriert von Charles Dickens' David Copperfield verlegt sie die Geschichte eines benachteiligten Jungen in das ländliche Virginia der Gegenwart – und schafft dabei etwas ganz Eigenständiges und Hochaktuelles.

Der Protagonist Demon wächst unter schwierigen Umständen auf – Armut, Sucht, Vernachlässigung und der Kampf ums Überleben prägen seinen Alltag. Kingsolver erzählt seine Geschichte mit großer Wärme, einem feinen Gespür für Sprache und Figuren sowie mit einer Wucht, die einen nicht mehr loslässt. Dabei bleibt sie stets nah an Demons Perspektive, die trotz aller Härte auch voller Witz, Hoffnung und Überlebenswillen ist.

Besonders beeindruckend ist, wie Kingsolver soziale Missstände nicht belehrend, sondern menschlich und eindringlich thematisiert. Sie gibt jenen eine Stimme, die oft übersehen werden, und lässt uns tief in eine Welt blicken, die vielen fremd erscheint – ohne je in Klischees abzurutschen.

Demon Copperhead ist ein bewegender, kluger und kraftvoller Roman über Herkunft, Widerstandskraft und die Sehnsucht nach einem besseren Leben. Für mich gehört dieses Buch zu den eindrucksvollsten Lektüren der letzten Jahre – unbedingt lesenswert!

Bewertung vom 03.11.2023
Ich träumte von einer Bestie
Blazon, Nina

Ich träumte von einer Bestie


ausgezeichnet

Wenn es eines im literarischen Sektor gibt dem ich nicht widerstehen kann, dann sind es Adaptionen von Märchen und Legenden. Für Erwachsene, möchte ich betonen, also auch gerne düster und tiefgehend. In der Vergangenheit habe ich bereits einige sehr gute Beispiele davon kennen gelernt, wie beispielsweise die Bücher von Daniela Winterfeld, Christina Henry oder Madeline Miller. Ich liebe es mich so richtig in diese Geschichten fallen zu lassen, mich hinwegzuträumen. Meistens haben sie mystische Anklänge oder gehen in den Bereich der Fantasy, einfach der Tatsache geschuldet dass auch Märchen und Legenden meistens einen nicht zu vernachlässigenden übersinnlichen Einschlag haben.
Das war es also, womit ich auch bei diesem Roman zuerst gerechnet hatte. Dies kann ich auf jeden Fall schon einmal entkräften: Der Roman gehört für mich keinesfalls in das Genre der Fantasy. Obgleich die Autorin sich einige Dinge ausgedacht hat die so nicht existieren, wie sie im Nachwort erklärt, bleiben diese fiktionalen Fakten doch immer ausgerichtet an real existierenden Gegebenheiten. Ich muss zugeben, ganz zu Anfang mochte ich die Protagonistin Fleur nicht leiden. Sie war spröde, bärbeißig und verschlossen und ich bekam keinen rechten Zugang zu ihr. Überhaupt waren die ersten Seiten des Romans für mich eher holprig, wirkten typisch betulich deutsch, wenn auch sprachlich von Beginn an sehr schön zu lesen.
Aber dann, so nach 50 Seiten, packte es mich. Als im Laufe des Romans auch immer mehr von Fleurs Hintergrund offenbar wurde, machte ich meinen Frieden mit ihrer Art, die im Nachhinein für mich nachvollziehbar wurde und ziemlich gut dazu passte. Ebenso die Art ihrer Familie, bei denen mir zu Anfang nur Bruder und Stiefvater sympathisch waren. Was die äußere Form angeht, so hatte ich einen Roman erwartet wie ich ihn bei solchen Themen kenne: Auf zwei Zeitebenen erzählt. Unter uns, das empfinde ich langsam als wirklich zu Tode geritten, es entlockt mir nur noch ein Schnarchen. Ich hüpfte innerlich vor Freude als ich erkannte, dass die Autorin hier komplett darauf verzichtet- obgleich wir uns natürlich mit der Vergangenheit beschäftigen, uns der Legende von Gévaudan immer weiter annähern, ist die Handlung doch die ganze Zeit in der Gegenwart angesiedelt, was mir SEHR gut gefiel. Und überraschenderweise gelingt es Nina Blazon trotzdem, die Vergangenheit lebendig werden zu lassen.
Wer wirklich mal ein bißchen Frankreich fühlen will, ist hier gut aufgehoben. Immer wieder werden französische Ortschaften beschrieben, Charaktere erschlossen und die französische Sprache eingestreut. Aber immer wirkte es organisch, nie bemüht oder überhöht, und: Es liest sich, als würde die Autorin die Landschaft des Gévaudan genau kennen. Ich weiß nicht, ob sie dorthin gereist ist, aber ich könnte es mir gut vorstellen, so plastisch ist die Beschreibung, und, wichtig für mich: Der Flair. In dieser Hinsicht war der Roman wie ein Kurzurlaub für mich. Die Handlung selbst entfaltet sich wie eine hübsche Blume, wie es auch Fleur tut, die im Laufe der Geschichte immer mehr über sich selbst herausfindet und ihre eigentlichen Wurzeln erkennt.
Wenn ich herausstellen müsste was mir in einem Roman am allerwichtigsten ist, so wäre das die Charakterentwicklung. Nichts fesselt mich so sehr wie Charaktere die einen Weg gehen und dabei glaubhaft begleitet werden. Das war es, was ich hier fand: Glaubhafte Charaktere, nachvollziehbare Motive, Entwicklung.
Für mich war dieser Roman ein absolutes Highlight, ja, das muss ich wirklich sagen. Nachdem ich die ersten paar Seiten hinter mir hatte ließ er mich nicht mehr los, bis ich ihn zuschlug. Ich könnte mir sogar vorstellen ihn nochmal zu lesen, was ich sonst nie tue. Ich spreche eine unbedingte Leseempfehlung aus und vergebe die Maximalpunktzahl. Und natürlich werde ich die Autorin weiter im Auge behalten und hoffe innigst, dass es bald wieder etwas von ihr zu lesen geben wird, das so ein Feuerwerk in meinem Kopf entfacht.