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sommerlese
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Zu meinen Hobbies gehört Lesen einfach dazu. Meine Rezensionen erscheinen auch auf meinem Blog. Schaut doch bei Interesse mal rein! https://sommerlese.blogspot.com/
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Bewertungen

Insgesamt 2668 Bewertungen
Bewertung vom 14.04.2025
Ósmann
Schmidt, Joachim B.

Ósmann


ausgezeichnet

Ein Buchhighlight dank großer Erzählkunst!
Im Diogenes Verlag erscheint der Roman Ósmann von Joachim B. Schmidt.

Im hohen Norden Islands bringt Jón Magnússon als Fährmann mit einer Seilwinde Mensch und Vieh über den Ós, die Flussmündung im Skagafjord. Er wird liebevoll Ósmann genannt, ein Hühne von Mann, kraftstrotzend und gesellig, ein Menschenfreund und Robbenjäger, Trinker und Poet. Seine Fährhütte dient vielen Menschen als Schutz vor Wetterkapriolen, sie wird zur Herberge, denn Ósmann ist gastfreundlich und teilt warme Speisen und Getränke. Das macht ihn zu einem beliebten Zeitgenossen, auf den man bauen kann. Dabei hat sich das Schicksal gegen ihn verschworen, im Land der Geister und Elfen war zu dieser Zeit die Kindersterblichkeitsrate hoch.

In dieser ergreifenden Geschichte erzählt Joachim B. Schmidt vom Leben des 1914 verstorbenen isländischen Fährmanns Jón Magnússon Ósmann und lässt uns eintauchen in die isländische Landschaft und in die Seele der Menschen.

Obwohl das Buch nicht chronologisch aufgebaut ist, gelingt die zeitliche Einbindung durch die vorangestellten Angaben der einzelnen Kapitel. Neben der Jahreszahl, den teilweise extremen Wetterbedingungen und und dem jeweiligen Alter Ósmanns enthalten sie auch Informationen zu Ernte, Krankheiten und Lämmersterben. Damit bekommt man einen Gesamteindruck unter welch schwierigen Bedingungen die Menschen im isländischen Norden ihr Leben fristen mussten.

Ende des 19. Jahrhunderts zog es viele Isländer nach Amerika und Kanada, die langen, extremen Winter, Nahrungsmittelknappheit und die hohe Sterblichkeitsrate ließen ihnen oft keine andere Wahl.

In dieser Zeit dient Ósmann fünf Jahrzehnte als Fährmann, pflichtbewusst, zu jeder Tages- oder Nachtzeit einsatzbereit, seine einzigen Freuden sind die Robbenjagd, gesellige, branntweinseelige Treffen mit Freunden und seine Familie. Er ist ein sympathischer Kerl, teilt seine Nahrung und hilft, wo er kann. Er spricht nicht viel, doch erzählt gerne Geschichte und seine etwas mystischen, unheilvoll klingenden Gedichte zeigen, dass er ein Poet ist.

"Es lockt die Grabesstille,
um Fried und Ruh bemüht.
Der letzte Funken Lebenswille,
in den Ós fällt und verglüht. "
Zitat Seite 215

Die hervorragende Erzählweise Joachim B. Schmidts enthält bildhafte Schilderungen, zeigt allgegenwärtigen Aberglauben, düstere Witterungsbedinungen und lässt tief in die Seele seines Protagonisten Ósmann blicken. Dieses großartige Buch hatte auf mich eine Sogwirkung und zog mich in den Bann dieses Fährmanns, zeigte mir die karge Landschaft der isländischen Einöde und erzählte aus einer vergangenen Zeit, die den Menschen viel abverlangte. Interessant sind auch die Einschübe über den Besuch des dänischen Königs und die Tradition des Ringkampf, ein Erbe der Wikinger.

Dieser einzigartig, berührender Roman macht das selbstbestimmte Leben des Fährmanns sichtbar. Mein Buchhighlight im April!

Ein ergreifender, wunderbar erzählter Roman mit einer tollen Hauptfigur und isländischem Flair.

Bewertung vom 12.04.2025
Der Maulwurf auf großer Reise
Saunders, Chris

Der Maulwurf auf großer Reise


sehr gut

Seid achtsam und dankbar für euer Leben!
Im Midas Verlag erscheint das Bilderbuch Der Maulwurf auf großer Reise von Chris Saunders für Kinder ab vier Jahren.

Der Maulwurf lebte in seinem gemütlichen Bau unter der Erde, wo es ihm an nichts fehlte. Doch der Traum nach Abenteuern und fernen Orten liess ihn nicht los, also schnürt er sein Bündel, verlässt sein Zuhause und macht sich auf den Weg. Während er so wandert, folgen ihm immer mehr Tiere: Maus, Fuchs, Dachs, Hase, Rotkehlchen und Schnecke. Nachdem sie ihm lange gefolgt sind, fängt es an zu schneien und die Tiere fragen sich, welches Ziel der Maulwurf erreichen möchte. Jedes Tier hat eine andere Idee, die den eigenen Interessen möglichst nahe kam. Bis sie ihn gemeinsam fragen, was sein Ziel sei. Der Maulwurf lächelte sie an und antwortete: Nirgendwo! Nicht das Ziel ist entscheidend, sondern der Weg und die Möglichkeit mit anderen gemeinsame Momente zu erleben und zu teilen. Die Gemeinschaft der Tiere ist durch die erlebte Natur gewachsen und sie sind Freunde geworden.
Die wie mit Weichzeichner geschaffenen Illustrationen sind einfach ein Traum, so zauberhaft und in zartem Pastell erscheint die Natur in den schönsten Farben und wirkt sehr harmonisch.
Mit viel Liebe zum Detail besitzen die Tiere alle eine Persönlichkeit und haben eigene Vorstellungen von dem bestimmten Ziel ihres Weges, das ist einfach schön anzusehen. Der Fuchs trägt bunte Kleider, der Dachs wirkt wie ein englischer Lord und trinkt auch gerne Tee.

Dieses Buch kommt mit wenig Text aus, der ein wenig philosophisch wirkt und dennoch für kleine Kinder verständlich ist. Die Botschaft hinter der Geschichte ist die Achtsamkeit für die Natur, die die Tiere auf ihrem Weg erleben und der Gemeinschaftssinn füreinander, indem sie gegenseitig aufeinander aufpassen.

Achte auf die Umgebung und auf deine Mitmenschen, schätze die Natur und Umwelt und geh deinen Weg. Diese Geschichte ist sehr philosophisch und lässt uns über die Schnelllebigkeit unserer Gesellschaft nachdenken. Diese Botschaft ist für kleine Kinder vielleicht nicht gleich erkennbar, man sollte sie ihnen näher erklären. Dazu bietet sich diese Textstelle besonders gut an:

"Du kannst dir im Leben viele Ziele setzen. Streng dich an und lass dir Zeit, dann kannst du sie erreichen. Doch vergiss die Pausen nicht. Nimm dir Zeit für das, was es unterwegs zu sehen gibt ... und vor allem für die, die diesen Weg gemeinsam mit dir gehen." Zitat S. 32


Dieses zauberhafte Bilderbuch feiert die Achtsamkeit für Mensch und Natur und enthält traumhaft schöne Illustrationen! Seid dankbar für euer Leben!

Bewertung vom 09.04.2025
Stromlinien
Frank, Rebekka

Stromlinien


ausgezeichnet

Dieser großartig erzählte, atmosphärische Roman entwickelt einen Lesesog!
Im Fischer Verlag erscheint der Roman Stromlinien von Rebekka Frank.

Die 17-jährigen Zwillinge Enna und Jale leben bei ihrer Großmutter am Deich der Elbe, ihre Tage verbringen sie in der Natur der Elbmarschen, befahren den Fluss mit ihrem Holzboot "Sturmhöhe" und kennen das Spiel von Ebbe und Flut und den gefährlichen Sog. Beide Schwestern zählen die Wochen und Tage, bis ihre Mutter Alea endlich aus der Haft entlassen wird, doch als der Tag gekommen ist, verschwindet nicht nur die Mutter spurlos, sondern auch Jale. Es bleiben quälende Fragen, Enna macht sich verzweifelt auf die Suche und entdeckt ein dunkles Geheimnis, das ihre bisherige Welt auf den Kopf stellt und ihre Sichtweise auf ihr Leben verändert.

"Niemand auf dieser Welt kannte Jale schließlich so gut wie ich. Sie war ein Teil von mir. Und die Marsch ein Teil von uns." Zitat S. 71

In diese Familiengeschichte bin ich schnell eingetaucht, sie hat mich gepackt und einem Strudel gleich in einen Lesesog gezogen. Auf dieser Familie lastet ein schwerwiegendes Geheimnis, das die Großmutter den Enkelinnen bisher bewusst verschwiegen hat. Doch als Alea und auch Jale verschwinden, stellt Enna Nachforschungen an und ungeahnten Vorgängen auf die Spur.

Rebekka Eder lässt ihren fesselnden Roman aus verschiedenen Perspektiven ihrer Figuren und in mehreren Zeitebenen erzählen, das macht die Gedankenwelt der Figuren und das Zeitgeschehen sichtbar und lässt besonders fesselnde Spannung aufkommen, während dramatische Vorgänge das Schicksal vieler Menschen für immer verändern. Stück für Stück werden fehlende Informationen ergänzt, die Licht ins Dunkel bringen, sodass sich ein klares und verständliches Gesamtbild ergibt.

Die Erzählung ist eingebettet in die wunderschön geschilderte Kulisse der beeindruckenden Natur der Elbmarsch. Sehr bildhaft und absolut atmosphärisch werden Vögel, Tiere und Pflanzen und das Spiel von Ebbe und Flut der Elbe beschrieben, allein dafür sind fünf Sterne angebracht. Rebekka Eder hat für mich ihr Talent für Naturschilderungen bewiesen, die mich sehr an den Roman "Der Gesang der Flusskrebse" erinnert haben.

Die Figuren werden lebensnah gezeichnet und tragen alle besondere Facetten, die sie auszeichnen.

Dieser Roman ist mehr als eine Familiengeschichte, in der es um Herkunft und Identität geht. Geschickt in die Handlung eingebettet, sorgen alten Verbrechen der RAF und ein schreckliches Schiffsunglück im Atlantik für atemlose Lesespannung, die ich so gar nicht erwartet hätte. Wie die Dinge miteinander zusammenhängen, ist großartig durchdacht und gut umgesetzt und es werden Emotionen, Dramen und Hoffnungen sichtbar, die den Roman so wunderbar lesbar machen.
Bei diesem Roman erzeugen Naturschilderungen, Familiengeheimnisse und Krimihandlung ein Lesevergnügen mit beeindruckenden Szenen!
Ein atmosphärischer, packender Roman, den ich allen ans Herz legen möchte, besonders den Fans von "Der Gesang der Flusskrebse"!

Bewertung vom 07.04.2025
Wenn wir lächeln
Unterlehberg, Mascha

Wenn wir lächeln


sehr gut

Freundinnenschaft am Puls der Zeit
Wenn wir lächeln ist das Debüt von Mascha Unterlehberg, das im Dumont Verlag erscheint.

Jara und Anto lernen sich auf dem Fußballplatz kennen, Anto spielt nicht gut, ist mit Abstand die mutigste Spielerin auf dem Platz. Ihre Freundschaft wächst über die Jahre zu einer Schwesternschaft, sie teilen Lipgloss, Alkohol und Zigaretten miteinander, sind füreinander da und jeden Abend auf Achse. Doch irgendwann entgleitet ihnen die Kontrolle über ihre Gemeinsamkeiten und das enge Gefüge zerbricht.

Das Buch zeigt die Frauenfreundschadt zwischen Jara und Anto, es beginnt mit einem einschneidenden Ereignis und springt in die Vergangenheit zurück, um die Entwicklung der Figuren, die beide bei ihrer Mutter aufwachsen, näher zu beschreiben. Wir tauchen ein in ihr Leben, sehen, welch unterschiedlichen Milieus beide entstammen und begleiten sie bei ihren gemeinsamen Aktionen, ihren Streifzügen in der Nacht mit Einbrüchen, Alkoholexzessen und ihren Gewaltfantasien. Das mag verstören, doch man kommt den Freundinnen ganz nah, manche Themen werden aber nur angedeutet und es bleibt der Erfahrung oder Fantasie der Leserin überlassen, wie sie diese Lücken füllt oder auslegt. So deutet die Autorin beispielsweise einige Gewaltszenen an, bei denen man nicht genau weiß, wie sehr es die Figuren getroffen hat. Man kann es nur ahnen! Solche Stilelemente mögen gefallen, ich mag es lieber klar, auch wenn es auch hart zu lesen und zu ertragen ist. Auch habe ich lange das Gefühl gehabt, dass Jara in Anto verliebt ist, doch das wurde nie ausgesprochen oder näher thematisiert. Sicher ist aber, dass Neid und Eifersucht eine Rolle spielen.

Die Erzählweise ist besonders, mit kurzen, manchmal recht rohen Sätzen werden Dialoge und Erlebnisse beschrieben, es wird aber auch poetisch, sobald die jungen, schönen Frauen lächeln und es wird eindringlich, sobald die Abwehrfähigkeit im Raum steht.

Für mich stellte sich beim Lesen die Frage, müssen Frauen immer nur lächeln und zeigt dieses Lächeln auch das wahre Empfinden hinter einer schönen Fassade? Nein, denn tief in den Frauen brodelt es und selbst wenn sie lächeln, können sie gegenhalten und kontern. Dieses Rollenbild steckt in uns und lässt sich nicht so leicht abschütteln, es sei denn, man trägt einen Baseballschläger, um auszuteilen, in der Gefahr des Übergriffs.

In ihrem Roman zeigt die Autorin auch die Kampf- und Verteidigungsbereitschaft der neuen Generation von Frauen, sie sich wehren wollen, falls es nötig wird.

Mascha Unterlehberg spiegelt in ihrem Gegenwartsroman durch Anto und Jara die Rolle der Frau. Beide symbolisieren auf moderne Weise den femininen Charakter in einer patriarchalischen Welt, in der Frauen zusammen halten müssen. Sie entwickeln sich zur Frau, lehnen sich gegen das typische Rollenbild in der Gesellschaft auf, wollen auffallen, sind miteinander wie Schwestern verbunden, um sich dann wieder zu verlieren.

Eine bewegende Geschichte über das Einfinden in die Frauenrolle und ein Buch, das nachdenklich macht.

Bewertung vom 05.04.2025
Hier draußen
Behm, Martina

Hier draußen


sehr gut

Schein und Wirklichkeit des Dorflebens!
Bei DTV erscheint das Debüt von Martina Behm, ihr Roman trägt den Titel "Hier draußen".

Lara und Ingo ziehen mit ihren beiden Kindern aus Hamburg ins (fiktive) holsteinische Örtchen Fehrdorf auf einen renovierungsbedürftigen Hof, sie wünschen sich mehr Ruhe für die Familie. Doch so schön es hier auch ist, schon bald ergeben sich Probleme. Denn Ingo fährt auf seiner Pendelstrecke zur Arbeit nach Hamburg eine weiße Hirschkuh an, laut Jäger Uwe ist der Tod des Tieres ein schlimmes Omen. Der Aberglaube besagt, wer sie tötet, stirbt innerhalb eines Jahres. Gemeinsam erlösen sie das verletzte Tier.

In ihrem Roman stellt uns Martina Behm auf unterhaltsame Weise die ländliche Szenerie, sowie die unterschiedlichen Menschen aus Fehrdorf vor und lässt uns an ihren Erlebnissen, Lebensgeschichten und Gedanken teilhaben. Bei vielen Figuren erfahren wir die Wünsche und Pläne, die sie sich für ihr Leben erhoffen und bekommen im Laufe der Handlung mit, wie sich ihr Leben entwickelt und was aus den Träumen geworden ist. Das erhoffte friedliche Landleben ohne den Stress der Großstadt ist am Ende häufig ebenfalls problembelastet. Es ist ein Trugschluss, dass man hier die heile Welt vorfindet.


Bei diesem Roman habe ich etwas gebraucht, um mich einzulesen und die vielen Figuren musste ich erst einmal richtig einordnen können, um dem Fluss der Geschichte gut folgen zu können. Doch dann hat mich die Story immer mehr interessiert, denn die Figuren hauchen dem Ganzen Leben ein.

Lara wurde mir sympathisch und immer vertrauter. Sie arbeitet kaum noch als Grafikerin und kümmert sich statt dessen um die Kinder und die Renovierung des Hofs. Das Leben auf dem Land ist eintöniger, aber häufig genauso problembelastet wie in der Stadt. Neue Bewohner werden nicht gleich akzeptiert, bei Dorffesten lernt man sich näher kennen und gewinnt nähere Bekanntschaften.

Wir lernen den alleinstehenden Jäger Uwe kennen, der abergläubisch ist und den Hof seiner verstorbenen Eltern weiter führt.

Schweinezüchter Enno führt den Betrieb nach alter Tradition, seine Frau Tove hat ganz andere Vorstellungen vor der Zukunft des Hofes. Söhnke und Maggie mästen Hähnchen, ihre Tochter studiert, fühlt sich aber doch als Landwirtin wesentlich wohler. Jutta und Armin sind die Letzten der einst großen Kommune im Dorf, sie sind hier heimisch geworden.

Der Erzählton ist eher sachlich gehalten, die Beschreibungen der Figuren und Schwierigkeiten im ländlichen Raum wirken authentisch und verbergen nicht, welche Nachteile das Landleben mit sich bringt. Denn auch die Alteingessenenen haben mit Schwierigkeiten zu kämpfen, Kleinbauern fürchten um ihre Existenz, die Jugend zieht es in die Städte, die Hofnachfolge steht in den Sternen.


Im Ganzen wirkt die Geschichte auf mich recht düster und beklemmend, wobei daran besonders die Paarprobleme, Unfälle mit Tieren und Gefahr durch Güllegruben ihren Anteil haben. Der Autorin ist es gelungen, durch die ständigen Wechsel der Perspektive viele interessante Aspekte des Landlebens sichtbar zu machen und mit den Figuren zu einer runden Geschichte zu verflechten.


Ein authentischer Blick auf das Landleben und ein aussagekräftiger Roman über die Dorfgemeinschaft!

Bewertung vom 01.04.2025
Bis die Sonne scheint
Schünemann, Christian

Bis die Sonne scheint


ausgezeichnet

Eine Familie zwischen schönem Schein und Pleite!
Der Familienroman Bis die Sonne scheint von Christian Scheunemann erscheint bei Diogenes.

1983: Daniel Hormann freut sich auf seine Konfirmation und den Schüleraustausch nach Frankreich. Doch die finanzielle Situation der Eltern sieht schlecht aus. Das lassen die Eltern aber nicht offen erkennen, sie wahren den Schein und trotzen selbst dem Gerichtsvollzieher. Ihr Motto ist: Selbst ohne Geld muss man sich noch etwas gönnen.

Christian Scheunemann blickt auf seine Jugendzeit und das Leben seiner Familie zurück. Die Handlung spielt in den 80er Jahren, eine Zeit, die ich selbst sehr intensiv erlebt habe. Das weckt Erinnungen und nostalgische Momente, ich konnte mich wunderbar in die bildhaft beschriebene Szenerie einfühlen und hatte viele Erinnerungsmomente, die sich mit dem Zeitgeist der Geschichte decken. Die Familie besteht aus Eltern und vier Kindern, sie wohnen in einem großzügigen Bungalow, den der Vater selbst entworfen hat.
In Rückblenden tauchen wir in das Leben in der Nachkriegszeit der Großeltern ein, erfahren, wie sich Daniels Eltern kennen lernen, Nachwuchs bekommen, ein Haus bauen, eine Firma gründen, gut leben und finanziell in einer Abwärtsspirale enden.

Die Geschichte wird zu keiner Zeit langweilig und die liebenswürdigen Charaktere sind ein entscheidender Faktor, dass ich dieses Buch so gern gelesen habe. Ich habe mit Daniel gehofft, dass er die gewünschte Hose bekommt und mit ihm gelitten, als das Konfirmationsgeld flöten geht. Durch den lockeren, ruhigen Erzählstil werden die Erlebnisse der Hormanns lebendig und bildhaft genau geschildert und entwickeln sich durch das Familienleben und den lockeren Umgang mit Geld zu einer packenden Geschichte, die mit etwas Situationskomik durchzogen ist, authentisch fühlbar wird und richtig gut zu lesen ist. Sparen ist für die Hormanns ein Fremdwort und einer Pleite wird ausgewichen, indem man einfach in Richtung Süden der Sonne entgegen fährt. Ist doch ganz einfach, nur dass die Gläubiger sich damit nicht zufrieden geben. Beim Lesen tauche ich in wechselnde Emotionen ein, die Handlung springt zwischen Tragik, Witz und dem hilflos scheinenden Ansinnen, neue finanzielle Möglichkeiten zu entwickeln.
Der Bungalow steht von Anfang an für die Pleite, er ist noch nicht alt, doch das Wasser bahnt sich seinen Weg durch das Dach, eine grundlegende Renovierung ist unausweichlich. Christian Scheunemann beschreibt diesen Umstand sehr bildhaft, dass es schon fast grotesk und humorös erscheint. Vielleicht ist Lachen in dieser schwierigen Lage die beste Medizin.

Die Geschichte zeigt den Familienalltag in den 80er Jahren, sie macht die Wünsche, Sorgen und Hoffnungen des Protagonisten sichtbar, spiegelt den Bankrott der Eltern mit dem gleichzeitigen Verdrängen der Probleme.

Ein Leseerlebnis, das nachhallt und mich gespannt in seinen Bann gezogen hat. 4,5 Sterne, die ich gerne aufrunde!

Bewertung vom 31.03.2025
Milli Meerjungfee legt los
Sturm, Linda

Milli Meerjungfee legt los


sehr gut

Guter Einstieg für Leseanfänger!
Das Erstlesebuch Milli Meerjungfee legt los von Linda Sturm mit Illustrationen von Angela Glökler erscheint bei Penguin Kinderbuch. Es ist der sechste Band der Reihe Einfach selbst lesen: 1. Lesestufe.

Auf dem Stundenplan von Meerjungfrau Milli steht eine Wassertanz-Stunde, doch darauf hat Milli gar keine Lust. Das ist einfach nur langweilig und Milli hat eher Lust auf ein echtes Abenteuer. Zum Glück bekommt sie eine Feen-Ausrüstung geschenkt, die bis eintausend Meter wasserfest sein soll. Das muss sie gleich ausprobieren und soll als echte Meerjungfee auch gleich einen ersten Wunsch erfüllen. Doch die Zauberei als richtige Fee ist gar nicht so leicht und hat ihre Tücken, vor allem für kleine Heringe...

Dieses Buch bietet Erstlesern eine lustige Geschichte von Milli und ihrem Freund Mo, die sich auf die Suche nach dem verschwundenen Hering Nr. 8 machen und dabei spannende Abenteuer erleben.

Das erste Kapitel ist die Einführung in die Geschichte, sie sollte vorgelesen werden. Als kleine Mitleseaufgabe werden die Namen Milli, Mo und Fee im Text eingebunden, sie sind besonders gut erkennbar weil sie farbig hervorstechen. Die weiteren Kapitel enthalten kurze Sätze zum Selberlesen, die in großer Erstleseschrift in Druckbuchstaben gut lesbar ausgeführt werden.

Die Suche nach dem kleinen Hering durchzieht die ganze Geschichte und beschreibt ein Abenteuer mit einem Fischer und einem Hai. Sehr deutlich hervorgehoben werden die Dialoge in Form von Sprechblasen, was mir sehr gut gefällt.

Die Texte enthalten auch einige Reime, so macht das Lesen auch richtig Spaß. Einen Kritikpunkt habe ich mit dem für mich ungewöhnlichen Satz "Der Stab tut nicht." in einer Sprechblase. Das hätte man auch besser formulieren können.

Die farbigen Illustrationen wirken sehr lebendig und sind niedlich anzusehen, sie begleiten die Texte auf verständliche Weise.
Am Ende des Buches befindet sich ein einfaches Lesequiz, das Inhalte aus dem Text abfragt.

Diese abenteuerliche Geschichte weckt Interesse zum Selberlesen und unterhält mit seinen schönen Illustrationen und liebenswerten Figuren.

Bewertung vom 26.03.2025
Tricksen, Täuschen, Tarnen
Pribbenow, Babette

Tricksen, Täuschen, Tarnen


sehr gut

Lehrreiches Sachbilderbuch, das Interesse weckt!
Im Tulipan Verlag erscheint für Kinder ab vier Jahren das Sachbilderbuch Tricksen, Täuschen, Tarnen von Babette Pribbenow mit Illustrationen von Rinah Lang.

Tiere haben erstaunliche Tricks auf Lager, um sich vor Feinden zu schützen oder um sich selbst ungesehen an ihre Beute heran zu machen. Manche erwecken mit ihrem Äußeren den Eindruck, ein anderes, gefährliches oder ungefährliches Tier zu sein. Diese Täuschung nennt man Mimikry und findet sie sowohl bei Beutetieren, als auch bei Räubern.

Die Schwebfliege sieht zur Abschreckung einer gefährlichen Wespe täuschend ähnlich und entgeht damit einigen Feinden. Der Seeteufel sieht auf dem Meeresboden aus wie ein mit Algen besetzter Stein und lockt mit seiner Angel Beutetiere heran.

Das Chamäleon ist ein Meister der farblichen Verwandlung und passt sich geschickt an seine Umgebung an. Diese Form der Tarnung nennt man Mimese und wird auch vom Fetzenfisch und vom Polarfuchs genutzt.

Manche Tiere sind besonders auffällig und farbprächtig und deuten damit auf ein wehrhaftes Verhalten hin. Ein Beispiel dafür sind die Pfeilgiftfrösche im Amazonas-Regenwald.

Richtig gut gefallen mir die Abbildungen der Tiere und Pflanzen, sie kommen den Originalen sehr nahe. Geschickt vermittelt die Farbwahl des Hintergrundes den natürlichen Eindruck von Blumenwiese, Regenwald, Unterwasserwelt oder verschneiter Landschaft.

Dieses Buch stellt viele Tarn- und Verwandlungskünstler aus dem Tierreich vor, die zu ihrem Schutz oder zum besserem Beutefang bestimmte Tricks entwickelt haben. Man erfährt interessante Fakten zu Zweihöcker-Spinnenfressern, Glühwürmchen, Feuerfisch oder Oktopuss, manche Inhalte sind sehr einzigartig und erfordern biologisches Interesse und Wissen, was bei Kleinkindern noch nicht entsprechend vorliegt.

Vom inhaltlichen Anspruch her erscheinen mir die Texte für die Altersklasse ab vier Jahren etwas hoch gegriffen. Besser gelingt die Wissensvermittlung durch die den naturnah gestalteten Bilder, sie vermitteln optisch die speziellen Tarn- und Täuschungstricks recht eindeutig.

Ein thematisch gut aufbereitetes Sachbuch über Mimikry und Mimese, die an mehreren Beispielen aus dem Tierreich interessant erläutert wird. Um diese Fakten gut zu verstehenen, würde ich die Altersklasse allerdings um einige Jahre nach oben korrigieren.

Bewertung vom 24.03.2025
Flusslinien
Hagena, Katharina

Flusslinien


sehr gut

Ein tiefgründiger Roman über Wendungen des Lebens!
Katharina Hagenas Generationenroman Flusslinien erscheint bei Kiepenheuer & Witsch.

Margrit war früher Atemtherapeutin und Stimmbildnerin, sie ist 102 Jahre alt und lebt in einer Seniorenresidenz nahe der Elbe. Täglich bringt sie ihr Fahrer Arthur in den Römischen Garten, wo sie beim Anblick der Elbe ihre Gedanken in die Vergangenheit schweifen lässt. Sie hat viel erlebt und denkt an ihre Jugend zurück, an die Kriegsjahre und an die Beziehung ihrer Mutter Johanne zu einer anderen Frau. In dieser Zeit sucht Arthur mit einem Metalldetektor das Flussufer ab. Margrits Enkelin Luzie hat kurz vor dem Abi die Schule abgebrochen, sie möchte Tätowiererin werden. Alle drei Figuren haben ihre persönlichen Geheimnisse und Traumata, die ihnen zusetzen.
In "Flusslinien" begleiten wir Margrit, Arthur und Luzie über einen Zeitraum von zwölf Tagen und tauchen in ihre Gedanken und tiefsten Geheimnisse ein. Katharina Hagena hat eine erzählerische Kraft, die mich besonders mit den zwölf Beschreibungen der Atmosphäre des Elbstrandes fasziniert hat. Die Elbe ist die Lebensader der Geschichte, die die Lebensgeschichten der Figuren miteinander verbindet.

Für mich war Margrit die interessanteste Figur im Roman, sie besitzt trotz ihres Alters noch erstaunlich viel Lebenskraft. Als frühere Atemtherapeutin bestimmt die Atmung ihr Innerstes und während ihrer Erzählperspektive konnte ich gut mit ihr fühlen. Bei ihren täglichen Besuchen des Römischen Gartens erinnert sich sie an Else Hoffa, die Schöpferin des Gartens und gleichzeitig Geliebte ihrer Mutter. Doch sie denkt auch an die Kriegstage in Hamburg, an Menschen, die verschwanden und nie wieder kehrten. Und sie sorgt sich um ihre Enkelin Luzie, weil die aktuellen gesellschaftlichen Probleme sie auch an früher erinnern.

Durch die Erzählweise, die zwischen Margrits, Luzies und Arthurs Perspektive wechselt, tauchen wir in die unterschiedlichen Geschichten ein, die das Leben am Fluss geprägt haben. Nicht nur die Vergangenheit hatte dunkle Schatten, auch die Jugend erfährt schlimme und prägende Erlebnisse, die wie bei Luzie und Arthur schon traumatische Auswirkungen haben. Nach und nach taucht man in die verschiedenen Geheimnisse ein, so wird der Roman zu einer nebulösen Geschichte, aus der die Vorgänge allmählich sichtbar werden und aus dem Nebel aufsteigen.

Aufgrund der sich langsam öffnendem Sichtweise hat mir "Flusslinien" sehr gut gefallen, trotzdem führten mich einige Szenen zu weit über die eigentliche Handlung hinaus und ich hätte auf diese Längen verzichten können. Ich konnte auch nicht nachvollziehen, dass sich Margrit von Luzie eine Tätowierung in Form von Flusslinien stechen lässt und bis auf die Verbindung zur Elbe fand ich es etwas unglaubwürdig.


Die unterschiedlichen Perspektiven lassen tiefe Einsichten in die drei Schicksale zu und verleihen dem Roman eine tiefgründige Aussage, die zum Nachdenken anregt. Für mich war besonders die gegenseitige Beziehung der Protagonisten ein schöner Aspekt, der das Buch zu einer warmherzigen Geschichte gemacht hat.

Ein tiefgründiger Roman mit vielen Facetten, auf den man sich einlassen muss, damit er seine volle Wirkung entfalten kann!

Bewertung vom 20.03.2025
Mord im Chateau / Ein Brite in Frankreich Bd.3
Moore, Ian

Mord im Chateau / Ein Brite in Frankreich Bd.3


gut

Dieser Cosy-Crime konnte mich nicht fesseln!
Im Rowohlt Verlag erscheint der Kriminalroman Mord im Chateau von Ian Moore, es ist der dritte Band der Reihe Ein Brite in Frankreich.

Der Brite Richard Ainsworth führt eine kleine Pension im Loiretal, in der sich eine Filmcrew eingemietet hat. Sie drehen im benachbarten Château de Valençay einen historischen Film, was Richard als promovierten Filmhistoriker begeistert. Aber dann stirbt plötzlich ein Schauspieler unter merkwürdigen Umständen. Richard und Valérie haben inzwischen ein Detektivbüro und arbeiten als Sicherheitsteam am Drehort, diese Gelegenheit kommt ihnen gelegen, um undercover zu ermitteln. Dabei kommen sie einigen Intrigen und Streitigkeiten auf die Schliche. Der Täter muss unter den Filmleuten sein!

Richard und Valérie sind als Sicherheitsleute zum Schutz der Filmcrew engagiert. Valéries Nichte wird angeblich von einem Stalker verfolgt und bedroht und dann stirbt ein Statist im stolzen Alter von 102 Jahren, doch ihn traf kein natürlicher Tod. Kurz darauf gibt es ein weiteres Opfer, das stärkt den Verdacht, das hier doch ein Mord vorliegen könnte.

Dies ist mein erstes Buch der Reihe und ich habe viel Aufmerksamkeit darauf verwendet, um bei der Vielzahl an Figuren den Überblick zu behalten und die Beteiligten und ihre Beziehungen zueinander richtig einordnen zu können. Ein Personenregister wäre durchaus hilfreich gewesen. Die Charaktere sind bunt gemischt, teilweise recht skurril, kamen mir bis auf die liebenswerten Figuren Richard und Valérie leider nicht sehr nah. Dabei enthält die Handlung amüsante Szenen mit britischem Wortwitz und der undurchsichtige Fall scheint interessant und wird stimmig gelöst. Leider hat mich aber die doch recht langatmige Aneinanderreihung von endlosen Gesprächen und belanglosen Szenen der zahlreichen Figuren irgendwann nicht mehr gefesselt.

Einziges Highlight sind Richards Kämpfe, die er mit dem Pfau im Schlosshof abhält. Ansonsten hat sich mir der rote Faden im Krimi nicht so recht erschlossen, er scheint zwischen den abschweifenden Erzählungen auf der Strecke geblieben zu sein. Irgendwann verlor sich mein Interesse für den wahren Mörder und das Tatmotiv, trotzdem habe ich geduldig bis zum Ende gelesen.

Leider konnte mich der Fall nicht fesseln!