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yellowdog

Bewertungen

Insgesamt 2065 Bewertungen
Bewertung vom 17.04.2025
Wir spielen Alltag
Doron, Lizzie

Wir spielen Alltag


ausgezeichnet

Ein Text voller Empathie

Leben in Israel seit dem 7.Oktober.
Der 7.Oktober 2023 mit dem heimtückischen Anschlag der Hamas auf Israel veränderte die Welt. Nach dem Massaker: Luftangriffe, Luftschutzkeller, Krieg im Gaza bestimmen das Leben und die Menschen Israel können nur versuchen, eine Alltag aufrechtzuerhalten. Doch es bleibt das Gefühl, diesen Alltag nur zu spielen, denn der Krieg ist allbeherrschend.

Lizzie Doron, die in Tel Aviv lebt, schildert in diesem Bericht ihre Beobachtungen und Emotionen unmittelbar nach diesem Ereignis. Es ist eine düstere Zeit. Viele sind traumatisiert. Und die Verhärtungen nehmen zu. Wer noch nach Toleranz und Verständnis strebte, sieht sich getäuscht. Lizzie Doron war immer eine Frau und Autorin, die für Ausgleich kämpfe.
Mit Schrecken nimmt sie die Veränderungen wahr.
Das Buch ist trotz des harten Themas nicht verkrampft, es lässt sich flüssig lesen und als Leser nimmt man Anteil.
Es erinnert mich an Dror Mishanis Buch Fenster ohne Aussicht. Beides sind sehr gute Bücher. Unbedingt lesenswert.

Bewertung vom 14.04.2025
Im Wind der Freiheit
Kinkel, Tanja

Im Wind der Freiheit


ausgezeichnet

Die Deutsche Revolution 1848

Von Tanja Kinkels historischen Romanen habe ich immer viel gehalten, da sie ein gutes Niveau hält, was nicht selbstverständlich ist im Genre historischer Roman. Zudem recherchiert sie gut für ihre Bücher.
Ihr lang ersehnter neuer Roman Im Wind der Freiheit erfüllt diese Kriterien erfreulicherweise auch. Zugleich lässt sich der Roman gut lesen.
Die Handlung erstreckt sich von 1835 bis 1849 und zeigt u.a. die Deutsche Revolution 1848.
Im Mittelpunkt stehen zwei Frauen. Zum einen die sozialkritische Schriftstellerin und Frauenrechtlerin Louise Otto (1819-1895) sowie die in ärmlichsten Verhältnissen aufgewachsene Arbeiterin Susanne.
Beide Frauen treffen aufeinander. Die eine etwas hochmütig, aber gerecht. Die andere forsch, aber auch verbittert.
Tanja Kinkel wird beiden Figuren gerecht und zeichnet sie unter den Bedingungen, die die Frauen geprägt hat.
Ein großartiger historischer Roman.

Bewertung vom 14.04.2025
Cinema Love
Tang, Jiaming

Cinema Love


sehr gut

Brokeback Cinema

Cinema Love ist das Debüt des chinesisch-amerikanischen Schriftstellers Jiaming Tang und es vermag von Anfang an durch einen wunderbaren Stil zu beeindrucken. Die Handlung umspannt lange Jahre, von der Jugend des Protagonisten Old Second und Bei Mao in China der achtziger Jahre. Der Handlungsstrang in den USA, in der sich die Protagonisten wiederfinden ist Jahrzehnte später, bis hin zum Lockdown. Und doch sind die Abschnitte literarisch gleichwertig und unverzichtbar.
Zu einem Teil wird es aber doch auch zu einem New York-Porträt.
Es entstehen Erinnerungen an den großen Hollywoodfilm Brokeback Mountain. Hier wie da gibt es den inneren wie äußeren Zwang zur Verstellung, um gesellschaftlichen Erwartungen zu erfüllen oder überhaupt zu überleben.
Bei der Thematik des Buches ist es erstaunlich, dass die Ehefrauen dieser Männer viel im Mittelpunkt stehen. Ihre Charakterisierungen gehen tiefer als die der Männer. Es ist ein sensibel erzählter Roman.

Bewertung vom 13.04.2025
Frau im Mond
Jarawan, Pierre

Frau im Mond


sehr gut

Montreal / Beirut
Es ist die Geschichte einer Familie in Kanada mit Wurzeln aus dem Libanon.
Erzählerin ist Lilit, die Dokumentarfilmerin ist. Die Erzählweise ist daher auch recherchierend, suchend und erinnernd gestaltet.
Lilit ist mit ihrer Zwillingsschwester Lina 1986 geboren.
Außer den Eltern ist besonders der Großvater Maroun eine zentrale Figur im Roman. Nicht anwesend ist die Großmutter. Die Suche nach ihrem Schicksal wird Lilit wichtig. Offenbar war sie armenischer Herkunft und im Sinne des Genozid an den Armeniern ihrer Herkunft schon als Kind beraubt.
Es gibt Rückblicke, z.B. auch die (etwas blasse) Liebesgeschichte als Maroun und Manoush sich kennen lernten.
Die Romanhandlung springt in den Zeiten und schafft es durchaus jeweils ein Gefühl für die Zeiten zu schaffen.
Das Buch ist themenreich und vielfältig. Pierre Jarawan ist außerdem stark bei den Details.
Kritisch kann man sagen, dass sich die anfangs gut angelegten Figuren im Laufe der Handlung nicht allzu viel weiterentwickeln. Es gibt nach meinem Empfinden in der Mitte zudem ein paar Längen.
Im Großen und Ganzen ein lesenswerter Roman.

Bewertung vom 11.04.2025
Die Straßenkatzen von Manila

Die Straßenkatzen von Manila


sehr gut

Auf der Straße

Die Straßenkatzen von Manila

Anhand von 6 gezeichneten Geschichten mit wenigen beigefügten Schlagwörtern entwirft der Autor Archie Oclos ein Porträt der philippinischen Stadt.
Die Katzen sind faszinierend gezeichnet. Das ganze Spektrum an charakterizierenden Merkmalen und Gesten von Katzen sind zu bestaunen. Gleichzeitig ist ein sozialkritisches Element beigefügt, indem gesellschaftliche Probleme in der Stadt gezeigt werden.
Das erhöht das Buch über die üblichen Katzenbücher.

Bewertung vom 08.04.2025
Hatokos wunderbarer Schreibwarenladen
Ogawa, Ito

Hatokos wunderbarer Schreibwarenladen


sehr gut

Leuchte, leuchte

Hatokos wunderbarer Schreibwarenladen ist ein Feelgoodroman, jedoch mit einer zurückhaltenden Hauptfigur. Das bringt Ruhe und Gelassenheit in den Text.
Hatoko ist ohne Eltern aufgewachsen, von einer lieblosen Großmutter aufgezogen und doch wird sie deren Nachfolgerin im Laden. Das besondere sind aber nicht die Schreibwaren, sondern ihre kalliografische Arbeit. Die Kunden kommen mit ihren Wünschen für Briefe, die meistens mit ihren Beziehungen zu tun haben. Klar, füpr geschäftliches würde sie E-Mails wählen, aber ihre Anliegen für diese Briefe sind private Anlässe. Und Hatoko kann mit ihrer Kalliografiekunst die Aufträge erüllen und erreicht etwas entscheidendes für ihre Kunden wie auch für die Briefempfänger.

Für mich war aber oft mehr Hatokos emotionales Gleichewicht interessant.
Nur einmal rebellierte sie als Jugendlichge, doch schlißelich nahm sie doch ihr künstlerisches Erbe an.

Bewertung vom 07.04.2025
Die Magnolienkatzen
Morishita, Noriko

Die Magnolienkatzen


ausgezeichnet

Die Magnolienkatzen ist ein wunderbares Buch ganz und gar über Katzen. Im Mittelpunkt steht die Straßenkatze Mimi und ihre fünf jungen.
Diese Katzen hat die Autorin, die zusammen mit ihrer schon älteren Mutter lebt, aufgenommen und kümmert sich um sie. Noriko Morishita schildert ihre Erfahrungen. Es ist mehr ein autobiografisches Buch als ein Roman,erzählerisch aber schon sehr gut gemacht.
Man erfährt so einiges über das Wesen der Katzen, aber auch, was es bedeutet, die kleine Katzen durchzubringen, die z.B. an einer Augenkrankheit leiden. Jede der Katzen hat seine Eigenarten, die sie ausmachen.
4 Kätzchen kann die Erzählerin schließlich in gute Hände weggeben. Doch Mimi bleibt bei ihr und auch Taro, eines ihrer Jungen.

Viele Details des Buches fand ich sehr interessant. Wer schon Katzen hat, kann dieses Buch auch lesen und dann sehen, ob die eigenen Katzen denen des Buches in manchen gleichen.

Von Noriko Morishita gibt es noch ein erfolgreiches Buch, das anscheinend nicht auf Deutsch übersetzt ist. Doch nach den Magnolienkatzen würde ich das auch gerne lesen.

Bewertung vom 01.04.2025
Für immer
Lunde, Maja

Für immer


gut

Standalone


Mit Für immer hat die norwegische Schriftstellerin Maja Lunde nach ihrem Klimaquartett einen Standalone geschrieben.
Dieser Roman bietet ein Gedankenspiel. Was wäre, wenn niemand mehr sterben oder altern kann? Dieser Idee geht Maja Lunde anhand verschiedener Figuren, die in den Kapiteln wechseln, nach. Der Stillstand kommt abrupt und für alle überraschend.

Es beginnt mit Jenny, Fotografin und Mutter von 2 Kindern, die todkrank ist. Doch durch den Stillstand wächst ihr Tumor nicht mehr.
Dann gibt es die Rentner Margo und Otto, die gerade aus ihrem Haus ausgezogen waren.
Jakob, der sich sorgen um sein ungeborenes Kind macht, das nach der 25.Schwangerschaftswoche nicht mehr wächst.
Anne, eine Krankenschwesterm die sich um Babys kümmern muss, die sich nicht weiterentwickeln.
Auch Menschen, die schwer verunglückt sind, sterben nicht.

Doch es bleibt die Hoffnung, dass der Stillstand enden wird und alles wieder normal wird.

Obwohl es in der Literatur schon ein paar Beispiele gibt, die diese Idee hatten, habe ich die Konsequenzen nie so beschrieben gesehen, wie von Maja Lunde. Dennoch bleibt es auch irgendwie ein Thesenroman.

Bewertung vom 30.03.2025
Der Duft von Kuchen und Meer
Barns, Anne

Der Duft von Kuchen und Meer


ausgezeichnet

Feelgood-Buch

Moin, dann starte ich mal mit der Rezi, denn wat mut, det mut.
Normalerweise gehören Bücher wie dieses nicht unbedingt zu meinem bevorzugten Genre, aber der einladende Titel Der Duft von Kuchen und Meer und vor allen der Schauplatz mit der Insel Amrum hatte mich gelockt. Ausserdem habe ich in die Autorin Anne Barns Vertrauen, dass sie eine gute Geschichte schreiben kann.
Die Figuren sind gleich sympathisch und das geerbte Haus auf Amrum wird von der jung verwitweten Maren und ihrer sechsjährige Tochter Leni bezogen.
Auf Amrum warten einige Geheimnisse. Die Leute auf der Insel sind eigenwillig, das fängt schon mit der friesischen Sprache Öömrang an.
Ein paar Kapitel sind Rückblicke ins Jahr 1946 und 1970.
In der Gegenwart leben sich Maren und Leni schnell ein.

Das Buch liest sich schnell weg und bietet die Entspannung die man manchmal einfach braucht.

Bewertung vom 26.03.2025
Der etwa vierzigjährige Mann
Lange, Hartmut

Der etwa vierzigjährige Mann


ausgezeichnet

Das gedankliche Überschreiten des realen.

Hartmut Lange ist Spezialist für Erzählungen und auch dieses Buch besteht aus 3 Erzählungen.
Wie immer schreibt der inzwischen 87jährige Schriftsteller sehr sorgfältig und genau und von enormer Dichte.

Zur Titelgeschichte:
Ein Mann von etwa vierzig Jahren steht an der Elbe, in Gedanken versunken, als er plötzlich eine Zeitreise antritt. Zunächst 2000 Jahre zurück. Dort ist er im Kolosseum, trifft später Seneca. Dann geht es Richtung Renaissance, die Zeit der Medici. Botticellis Kunst fasziniert ihn.
Dann das ausgehende 18 Jahrhundert in Weimar. Schließlich Versailles. Aber all das wird von Gewalt und Schrecken begleitet. Am Ende steht der schrecklichste Ort.
Doch der etwa vierzigjährige Mann sucht nach Kunst, nicht nach der Wirklichkeit.

Es folgt eine längere, sehr originelle Geschichte in Form eines Dramas und noch eine kürzere, sehr fein gemachte Story, in der ein philosophisches Gespräch geführt wird. Doch die Titelgeschichte hatte mich am meisten erreicht, da das gedankliche Überschreiten des realen faszinierend ist.