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Top-Rezensenten Übersicht

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Raoul Chagny

Bewertungen

Insgesamt 52 Bewertungen
Bewertung vom 09.07.2025
Die Geschichte des Klangs
Shattuck, Ben

Die Geschichte des Klangs


gut

Leider nur unvollständige Übersetzung des Erzählbands
Trotz gelungener Übersetzung verbleibt nach Lektüre der deutschen Ausgabe des überzeugenden Erzählbands "Die Geschichte des Klangs" von Ben Shattuck leider ein eher fader Beigeschmack. Das liegt nicht an dem Text Shattucks: Die beiden Kurzgeschichten überzeugen durch ihre starke und eindringliche Sprache und das große Erzähltalent Shattucks und hätten an sich fünf Sterne verdient. Auch die Übersetzung von Dirk van Gunsteren liest sich gut und ist über jeden Zweifel erhaben. Doch wirft die Entscheidung des Hanser Verlags lediglich zwei der 12 (!) Erzählungen des Erzählbandes zu übersetzen große Fragen auf. Obwohl die deutsche Ausgabe das gleiche Cover wie das Original trägt, hat sie dementsprechend inhaltlich kaum etwas mit der englischsprachigen Fassung gemein und fasst lediglich knapp 100 Seiten (und diese auch nur, da der Text mit übergroßem Zeilenabstand gedruckt wurde - wohl um den nur geringen Inhalt der deutschen Fassung etwas zu verdecken). Es entsteht der Eindruck, dass der Hanser Verlag vor allem auf den kommerziellen Erfolg im Zuge der bevorstehenden Verfilmung der titelgebenden Kurzgeschichte spekuliert. Offenbar hielt man es für kommerziell sinnvoller, lediglich diese eine Geschichte samt einer weiteren zu veröffentlichen – vermutlich aus Sorge, ein vollständiger Erzählband mit Geschichten ohne zusammenhängende Handlung könne beim deutschen Publikum Verwirrung stiften oder sich schlechter verkaufen. Bedauerlich ist, dass die übrigen zehn Geschichten – im Hinblick auf das literarische Talent Shattucks und sehr positiven englischen Kritiken sicherlich durchweg lesenswert – nicht übersetzt wurden und damit dem deutschsprachigen Lesepublikum vorenthalten bleiben. Noch bedauerlicher jedoch ist der Eindruck, dass ein renommierter Literaturverlag wie der Hanser Verlag so deutlich wirtschaftliche Erwägungen über die literarische Aspekte stellt.

Bewertung vom 08.07.2025
Der Kaiser der Freude
Vuong, Ocean

Der Kaiser der Freude


sehr gut

Eindrucksvoller Roman über Freundschaft
"Der Kaiser der Freude" ist das zweite Prosawerk von Ocean Vuong, das vor allem thematisch große Ähnlichkeiten zu "Auf Erden sind wir kurz grandios" aufweist. Wieder stehen Verlust, Migration, Armut, Drogensucht, Familie und die Suche nach Zugehörigkeit im Mittelpunkt der Erzählung. In seinem Aufbau und seiner Ausgestaltung weicht dieser Roman jedoch erkennbar von seinem Vorgänger ab, sodass es sich keineswegs um eine bloße Kopie des gefeierten Debüts handelt. Dieser Roman zeichnet sich durch eine kontinuierliche Handlung, die von lebendig gezeichneten Figuren getragen wird. Passend zum zentralen Thema des Romans der Freundschaft der unterschiedlichen Figuren setzt Vuong auf eine starke Charakterisierung der Figuren und eine genaue Beschreibung ihrer Beziehungen und Dynamiken. Vuong gestaltet die Figuren mit viel Einfühlungsvermögen als vielschichtige und glaubwürdige Persönlichkeiten, die beim Lesen ans Herz wachsen. Verfasst ist das Buch in einer etwas weniger poetischen, aber dennoch sehr kunstvollen und mitreißenden Sprache. "Der Kaiser der Freude" ist ein leises, aber starkes Buch, das lange im Gedächtnis bleibt.

Bewertung vom 19.05.2025
Der Gott des Waldes
Moore, Liz

Der Gott des Waldes


gut

Feine Charakterzeichnungen
Mit "Der Gott des Waldes" legt Liz Moore eine gelungene Mischung aus einem Gesellschafts- und einem Kriminalroman vor. Beschreibungen des Lebens der amerikanischen Upperclass an der East Coast, für die die Adirondack Mountains vor allem ein ansprechender Entspannungs- und Urlaubsort sind, und des Lebens der weniger wohlhabenden Einwohner dort verbindet Moore mit einem soliden, vielleicht etwas zu konventionellen Kriminalfall. Überzeugen kann vor allem die feine Charakterzeichnung Moores, die sich durch scharfe Beobachtungen und ihre Nuanciertheit auszeichnet. "Der Gott des Waldes" von Liz Moore ist vor allem denjenigen zu empfehlen, denen weniger an einer actionreichen Handlung mit vielen Twists gelegen ist, sondern stattdessen an einem ruhigen Buch, dessen Spannung sich langsam und gut dosiert aufbaut.

Bewertung vom 19.05.2025
Das Haus der Türen
Eng, Tan Twan

Das Haus der Türen


sehr gut

Fakten und Fiktion
"Fakten und Fiktion" verwebt Twan Eng Tan geschickt in seinem Roman "Das Haus der Türen" und erschafft so einen lebendigen Roman, der zugleich mit vielen interessanten, historischen Informationen aufwartet. Mit seiner Erzählung, die im Mittelteil sowohl sprachlich als auch zeitlich dicht (mit wiederkehrenden Sprüngen in die Vergangenheit) gewebt ist, erschafft Tan gleichermaßen ein Portrait des Autors Somerset Maugham wie auch des Lebens in der britischen Kronkolonie Penang. Tan erschafft in einer zarten, aber zugleich ausdrucksstarken Sprache ein sehr lebendiges und eindrückliches Bild der Kolonialgesellschaft und ihrer herrschenden Moral und der Grenzen, die durch sie gesetzt wird. Zur Lebendigkeit des Romans tragen insbesondere auch die detaillierten und sehr sensorisch geschriebenen Darstellungen der Handlungsplätze ein, für die allein es sich schon lohnt, diesen Roman zu lesen.

Bewertung vom 09.05.2025
Cinema Love
Tang, Jiaming

Cinema Love


sehr gut

Eindrucksvolles Panorama
Überzeugen kann "Cinema Love" von Jiaming Tang insbesondere durch den starken Schreibstil des Autors. Der Roman ist einer starken und originellen Erzählstimme verfasst, die zu fesseln weiß. Mit seiner eindrucksvollen Sprache gelingt es Tang immer wieder, lebendige Bilder und Schilderungen zu erschaffen, die lange im Gedächtnis bleiben. Auf diese gelingt Weise gelingt Tang ein eindrücklicher Roman, der gekonnt die Schicksale mehrerer Charaktere über die Jahre hinweg verknüpft und so ein starkes Panorama erschafft. Ausgehend von einem Arbeiterkino in der Provinz Fuzhou, in dem die homo- und bisexuellen Männer nur heimlich und im Dunkeln mit anderen Männern in Kontakt treten können, spannt Tang einen weiten Bogen bis zu dem Leben von chinesischen Einwanderer:innen in den USA, die auf den amerikanischen Traum hoffen, aber Ausbeutung erleben. Ein eindrucksvolles Debüt!

Bewertung vom 09.05.2025
Tuberkulose
Green, John

Tuberkulose


ausgezeichnet

Informativ und bewegend - das Highlight des Jahres
Das neue Buch von John Green "Tuberkulose" ist eine umfassende, aber zugleich kurze und kurzweilige Darstellung der Infektionskrankheit Tuberkulose und ihrer Medizin- und Kulturgeschichte. Das große Schreibtalent John Greens merkt man auch diesem Buch an: Mit starker Sprache und eindrucksvollen Sätzen berichtet er von der großen Rolle die Tuberkulose in der Menschheitsgeschichte gespielt hat und stellt sowohl die medizinischen Hintergründe als auch die gesellschaftlichen Zusammenhänge eingängig dar. Indem Green seinen Bericht mit persönlichen Eindrücken und den Erfahrungen von Betroffenen verknüpft, schafft er ein informatives und zugleich sehr bewegendes Buch. Nicht zuletzt ist "Tuberkulose" von John Green ein Plädoyer gegen die gesellschaftlichen Ungerechtigkeiten, die dazu führen, dass über eine Million Menschen jährlich weiterhin an einer heilbaren Krankheit stirbt. Zugleich gibt diese Buch Hoffnung und zeigt auf, dass sich diese gesellschaftlichen Zustände ändern lassen. So spannend wurde noch nie über eine Krankheit berichtet. Eine unbedingte Kaufempfehlung!

Bewertung vom 09.05.2025
Greta & Valdin
Reilly, Rebecca K

Greta & Valdin


ausgezeichnet

Starke Charaktere und ein humorvoller Großstadtroman
Zu Beginn ihres Romans "Greta & Valdin" wartet Rebecca K Reilly mit einer Übersicht der wichtigen Figuren auf, die - ähnlich wie bei einem klassischen, russischen Roman - vielzählig und oft einen ganz anderen Spitznamen haben. Diese Übersicht erweist sich besonders zu Beginn des Romans als hilfreich, um die erwähnten Figuren besser einordnen zu können. Im Gegensatz zu klassischen, russischen Romanen besteht jedoch hier zu keinem Zeitpunkt die Gefahr, den Überblick über die wichtigen Charaktere zu verlieren. Grund hierfür ist vor allem die starke Zeichnung und Charakterisierung der Figuren, die diese lebendig werden und im Gedächtnis bleiben lässt. Mit direkter, unmittelbarer und authentischer Erzählstimme führt durch die Handlung schafft dabei ein (fast) realistisches und unterhaltsames Portrait des Lebens zweier junger Menschen in einer Großstadt. "Greta & Valdin" ist ein sehr gelungener und Großstadtroman, der sich durch seinen Humor und die starken Charakter besonders auszeichnet.

Bewertung vom 09.05.2025
Jeder im Zug ist verdächtig / Die mörderischen Cunninghams Bd.2
Stevenson, Benjamin

Jeder im Zug ist verdächtig / Die mörderischen Cunninghams Bd.2


ausgezeichnet

Sehr zu empfehlender Krimi-Spaß!
"Jeder im Zug ist verdächtig" so lauten Titel und Programm von Bejamin Stevensons zweiten Roman seiner Reihe um die "mörderischen Cunnninghams": Auch dieser Roman zeichnet sich durch einen clever konstruierten Plot mit vielen Twists und Geheimnissen und vor allem undurchschaubaren Verdächtigen aus. Es handelt sich um einen fairen Kriminalroman, es werden also - wie zu Beginn angekündigt - den Lesenden keine Hinweise vorenthalten, sondern diese werden sorgfältig in die Handlung eingebaut und kunstvoll miteinander verknüpft - die überraschende Auflösung bleibt dennoch bis zum Schluss verborgen. Besonders besticht dieser Kriminalroman jedoch durch die Erzählweise von Stevenson, der gekonnt Humor mit Meta-Referenzen kombiniert und so zugleich eine Hommage als auch eine Aktualisierung des klassischen Kriminalromans schafft. "Jeder im Zug ist verdächtig" ist ohne Einschränkung sowohl den Fans der Kriminalromane von Agatha Christie als auch denjenigen zu empfehlen, die moderne Kriminalromane bevorzugen.

Bewertung vom 09.05.2025
Dunkle Momente
Hoven, Elisa

Dunkle Momente


gut

Spannende Themen in einen soliden Roman verpackt
"Dunkle Momente" von Elisa Hoven hinterlässt ein gemischtes Bild: Positiv fällt auf, dass die Darstellung der Verbrechen durch Hoven auf Grund ihres Hintergrunds als Strafrechtsprofessorin differenzierter und deutlich weniger klischeehaft als in den meisten anderen Kriminalromanen erfolgt. Leider zeigt sich diese differenzierte Herangehensweise weniger bei den Figuren des Romans, die oft oberflächlich oder sogar stereotyp gezeichnet sind. Der Stil Hovens ist souverän und routiniert, aber oft zu zurückhaltend und zuweilen monoton. Eine Darstellung mit mehr "show" und weniger "tell" hätte den Roman dynamischer und spannender gemacht. Auch wäre eine tiefere Auseinandersetzung mit den aufgeworfenen strafrechtlichen Aspekten wünschenswert gewesen. Der Roman bleibt angesichts dieser spannenden Themenauswahl leider zu oberflächlich und lässt interessante Fragen weitgehend unbeantwortet. Insgesamt handelt es sich um einen soliden Kriminalroman, der sowohl Potenzial als auch Verbesserungsmöglichkeiten erkennen lässt.

Bewertung vom 09.05.2025
Der letzte Mord am Ende der Welt
Turton, Stuart

Der letzte Mord am Ende der Welt


ausgezeichnet

Origineller und spannender Kriminalroman
Mit seinem neuen Roman "Der letzte Mord am Ende der Welt" zeigt Stuart Turton mehr, dass er der Autor schlechthin für spannende und kreative Genre-Experimente ist. Auch bei diesem Buch erfindet sich Turton ganz neu und überrascht mit einem originellen Setting und vielen einfallsreichen Handlungsansätzen. Eine Konstante ist hingegen Turtons Stärke im World-Building. Mit viel Detailtreue schafft er eine lebendige Romanwelt mit vielschichtigen Figuren. Die Handlung zeichnet sich durch ihre geschickte Führung und die spannungsreichen Wendungen aus, bei denen Turton geschickt mit den Erwartungen seiner Leserschaft spielt. Zugleich gelingt es Turton als Autor unberechenbar zu bleiben, sodass auch die Leserinnen und Leser seiner beiden vorherigen Bücher von diesem Buch überrascht sein werden. An Herz gelegt sei dieses Buch nicht nur den Fans von Kriminalromanen, sondern all denjenigen, die auf der Suche nach einer spannenden und originellen Geschichte sind.