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kaffeeelse
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psychologiebegeiste und Ethnographie liebende Vielleserin

Bewertungen

Insgesamt 72 Bewertungen
Bewertung vom 02.05.2025
Für Polina
Würger, Takis

Für Polina


ausgezeichnet

Liebe und Musik

Hannes und Polina. Hannes und Polina lernen sich ganz früh kennen, sie wachsen nebeneinander auf. Sie sind sich nah. Von früh an. Das klingt richtig schön. Nach Wohlfühlen und Genießen.

Ganz so ein Wohlfühlen und Genießen war es für mich nicht von Anfang an. Erst plätscherte die Geschichte etwas. Ich dachte so wo bin ich denn hier. Aber so nach und nach entzündete sich ein Funke, aus dem nach und nach ein Feuer wurde.

Dieses Buch entwickelt sich. Und gerade diese Entwicklung bedingt in mir diese 5 Sterne Bewertung.

Von Takis Würger kenne ich bisher seine Geschichte um Stella Goldschlag und „Der Club“. Beide Bücher haben mir gefallen, mich berührt, mich neugierig gemacht auf diesen Autor. Hier erfolgt nun meine 5 Sterne Bewertung.

Eine Bewertung für die Zeichnung der Charaktere Hannes und Polina. Erst leise tröpfelnd, entwickelt sich in der Lektüre ein Wasserfall, reißend und voller Kraft. Mag die Geschichte vielleicht etwas märchenhaft sein, ja, durchaus, dennoch braucht man manchmal auch etwas Märchenhaftes.

Zwei Frauen begegnen sich in der Klinik, in der ihre Kinder zur Welt kommen und bleiben befreundet. Wie auch ihre Kinder. Einfach schön.

Mein Herz schlägt übrigens für Fritzi, Hannes Mutter! Sie ist kraftvoll und herzlich. Sie schlägt sich durchs Leben, ist voller Power. Ist ein Underdog. Begegnet anderen Underdogs. Herrlich. Mein Herz schlägt einfach für Underdogs. Vielleicht bin ich auch durch diesen Charakter etwas von Hannes und Polina abgelenkt gewesen. Könnte ja durchaus sein.

Diese Kinder sind Hannes und Polina. Sie sind beieinander, sie entfernen sich. Sie sind im Leben, welches mit uns manchmal Katz und Maus spielt. Sie agieren und reagieren, sie machen Fehler, es gibt Missverständnisse. Wie im realen Spiel.

Herrlich empfinde ich in diesem Buch auch die Zeichnung der Musik. Für mich war Musik einmal sehr wichtig. Heute ist sie es immer noch. Aber Literatur und Musik liefern sich in meinem Leben bisher immer wieder Rennen, mit wechselseitigem Ausgang. Momentan ist die Literatur die Siegerin. Aber die Musik ist natürlich nach wie vor da. Und so gefällt mir die Wichtigkeit der Musik in diesem Buch natürlich sehr.

Wie mir auch Hannes und Polina sehr gefallen!

Lesen!!!

Bewertung vom 02.05.2025
Die Toten im trüben Wasser des Mapocho
Fernández, Nona

Die Toten im trüben Wasser des Mapocho


sehr gut

Ein Blick nach Santiago

Nona Fernández kenne ich schon vom Buch „Twiligth Zone“. Schon in diesem Buch fiel sie mir durch eine intensive Schreibe auf, eine Schreibe, die das Gestern mit dem Heute verbindet.

Blicke auf dieses Gestern findet man auch in diesem Buch hier. Rucia reist ihrer großen Liebe Indio nach Santiago de Chile nach. Auf dieser Reise begegnen Rucia allerlei eigenwillige Gestalten. Und mit diesen Gestalten kann die Leserschaft einen Blick auf die Geschichte Santiagos werfen. Ein interessantes Buch! Definitiv. Schon der Titel lässt ein Interesse entstehen. „Die Toten im trüben Wasser des Mapocho“. Was für eine Wahl! Nun ist ja bei den Lateinamerikanern immer mal wieder dieser Magische Realismus zu bewundern. Indianisches Erbe trifft auf die neuen Machthaber würde ich immer mal wieder gern sagen. Dieser Magische Realismus ist hier in diesem Buch zu 100 % vertreten. Man begegnet der Geschichte Chiles, man begegnet einer blutigen Geschichte. Klar, in den lateinamerikanischen Staaten in der Geschichte auf Mord und Totschlag zu stoßen ist nicht schwer. Ich sage nur Konquista. Aber eigentlich findet man dieses Blut und die Toten doch überall auf der Welt. Scheint mit der menschlichen Gier zusammen zu hängen. Leider!

Rucia fährt nach Santiago de Chile und sucht ihre Liebe Indio. Und hier kommt etwas Groteskes dazu. Denn Indio und Rucia sind Geschwister. Aber in ihrer Geschichte gibt es natürlich noch mehr. Geschehnisse, die eine tiefe Verbundenheit der Beiden aufzeigen. Was ihre Liebe füreinander erklären soll/erklären kann. Wer weiß. Dies liegt wohl im Auge des Betrachters. Denn darf sein, was nicht sein darf?!?!

Rucia taumelt durch ein eigenwilliges Santiago, ein Santiago, welches irgendwie unwirklich und etwas verzerrt erscheint. Die Erklärung dazu erfolgt in der Lektüre des Buches. Wenn ihr also wissen wollt, was ich meine hilft nur das Lesen des Buches.

Der Mapocho ist der Fluss, an dem Santiago de Chile entstand. Die Namensgebung des Flusses hat mit den indianischen Bewohnern seiner Ufer zu tun, den Mapuche, den Araukanern, wie sie früher genannt wurden. Ihr Siedlungsgebiet reicht in Chile vom Rio Choapa, 200 km nördlich von Santiago bis zur Insel Chiloe. Das sind in der Nord-Süd-Ausdehnung 1600 km. Sie widersetzten sich der spanischen Kolonisation massiv, so massiv, dass sie heute noch bedeutend sind, dass sie nicht verschwunden sind, dass sie nicht in der Mischbevölkerung, den Mestizen, aufgegangen sind. Sie bestehen weiterhin als Volk. Und natürlich besetzen sie einen wichtigen Platz in der Geschichte Chiles, und so findet man sie auch im Buch. Aber nicht nur sie.

Ein Land, welches auf einer Kolonisation beruht, danach die Unabhängigkeit von Spanien bewirkt und verschiedene Herrscher und Kriege kennt. Ein Land, in dem Konservative viel zu sagen hatten und haben, wird immer Gewalt kennen. Ein Land, welches kurz, ganz kurz, unter Allende einen neuen Versuch wagt, der auch von außen niedergeschlagen wird, auch wir Deutschen haben da keine schöne Stelle eingenommen. Und wieder stehen die Konservativen vorn. Erst jetzt versuchen linke Bündnisse in Chile eine Veränderung zu bewirken, den Machismo zu bekämpfen. Dies alles ist für viele Personen im Buch ursächlich. Personen, die Rucia begegnen, Personen, die der Leserschaft begegnen. Personen, die eine Geschichte erzählen. Eine Geschichte Santiagos, eine Geschichte Chiles. Ein interessantes Buch voller Magie! Lesen!

Bewertung vom 02.05.2025
Ostflimmern

Ostflimmern


ausgezeichnet

Kluge und nachhallende Betrachtungen

Dieses Buch beleuchtet die Erfahrungen verschiedener Autor*innen in der Nachwendezeit, der Wende-Millenials. Die Herausgeber des Buches, Philipp Baumgarten und Annekathrin Kohout, versammeln in diesem Buch Texte von Paula Irmschler, Anne Waak, Philipp Schreiner, Valerie Schönian, Marlen Hobrack, Greta Taubert, Peter Hintz, Sebastian Jung, Nhi Le, Lukas Rietzschel, Anne Ramstorf, Elisabeth Heyne und Alexander Wagner. Und auch die beiden Herausgeber berichten über ihre eigenen Erfahrungen zur Thematik. So entsteht eine besondere Mischung der verschiedenen Sichten, die als Essay, oder in lyrischer und literarischer Form erscheinen. Als besonderes Beiwerk werden noch Fotos von Philipp Baumgarten in dem Buch verwendet, die die Sichten der verschiedenen Autor*innen noch interessant untermalen. Klug und nachhallend sind wohl die treffendsten Begriffe, die mir zum Buch "Ostflimmern" einfallen. Denn "Ostflimmern" rührt an unserem Verständnis der neuen Bundesländer, impliziert ein Verstehen seiner Bewohner. Was bedeutet es in einem Land geboren zu werden, dass es heute nicht mehr gibt? Was bedeutet es von ehemaligen Bewohnern dieses verschwundenen Landes großgezogen zu werden? Welche Erfahrungen bekommt man über diese Sozialisation mit? Was bedeutet es dem Osten zu entstammen, der lange Zeit und teilweise immer noch mit gewissen Assoziationen gleichgeschaltet wird? Kann man dann noch einen gewissen Stolz die eigene Herkunft betreffend nach außen tragen? Oder bedingt dies nicht gleich eine gewisse Abwertung? Manchmal bemerkt man als ehemaliges Ostkind diese Abwertung. Und diese Abwertung hinterlässt Spuren. Leider. Nun bedingen leider gewisse politische Prozesse eine Veränderung in der eigenen Bewertung des Ostens. Denn hier schwimmt eine gewisse Scham in der Betrachtung des Tuns der Mitbürger mit. Und auch eine Wut ob der Dummheit und Kleingeistigkeit gewisser Mitmenschen. Wir leben nach Covid in einer anderen Welt, in einer Welt, in der die Verbitterung mancher Zeitgenossen gnadenlos von gewissen politischen Kräften benutzt wird zur eigenen Machtübernahme. Doch dies darf meiner Meinung nach nicht einfach hingenommen werden, dies bedarf einer genauen Betrachtung des Gestern und des Heute. Wen der Osten interessiert, sollte unbedingt zu diesem Buch greifen. Denn wir sind das Produkt unseres Erlebens, in Ost und West und nur wer begreift, kann etwas verändern, in sich und auch in seiner Aktion. Denn jeder von uns, jeder in Ost und West muss lernen, dass wir in einer recht gefährlichen Zeit leben. Eine Zeit, in der die Demokratie bedroht ist. Eine Zeit, die auch zunehmend Mitglieder unserer Gesellschaft gefährdet, die deine und meine Freunde sind, die Mitglieder unserer Familien, Arbeitskollegen und Leistungsträger unserer Gesellschaft sind. Dies sollte uns allen klar sein. Denn eine funktionierende Gesellschaft zeichnet sich immer durch ein Miteinander aus, nie in einem Gegeneinander! „Ostflimmern“ leistet einen Beitrag für dieses Miteinander, einen wichtigen und lesenswerten Beitrag. Denn „Ostflimmern“ ist ein wunderbarer Lesetipp, der auch mein Erleben perfekt und treffend spiegelt.

Bewertung vom 02.05.2025
Zehn Bilder einer Liebe
Köhler, Hannes

Zehn Bilder einer Liebe


ausgezeichnet

Liebe

David und Luisa sind die Protagonisten im Buch „Zehn Bilder einer Liebe“ von Hannes Köhler. Der Autor, den ich schon durch Vorgängerbücher kannte und der mich in diesen („Ein mögliches Leben“ und „Götterfunken“) vollkommen überzeugen konnte, schafft es auch diesmal mich völlig mit seinen Charakteren zu überrennen, mich zu flashen, mir ein Lächeln ins Gesicht zu brennen.

„Zehn Bilder einer Liebe“ ist einfach bezaubernd wunderschön. Nun ist das Thema Liebe ja nicht unbedingt ein Thema, wo ich sofort auflodere. Gerade bei dieser Thematik kann man ja für meinen Gusto viel verkehrt machen. Das Thema Liebe gerät nun einmal allzu schnell seicht und weichgespült. Diesen Fehler begeht Hannes Köhler aber nicht und gerade dies erzeugt in mir ein unstillbares Brennen.

Denn in der Beziehung von David und Luisa gibt es natürlich auch Punkte, die nicht rosarot um die Ecke schauen. Gerade dies macht das Beziehungsbild der beiden Protagonisten aber in meinen Augen authentisch. Und gerade dies lässt mich für beide Charaktere entbrennen. Auch dies ist nicht so alltäglich. Meist schlägt mein Herz doch eher für die weibliche Seite. Doch Hannes Köhler schafft es mich auch für David zu erwärmen. Was für mich durchaus eine sehr schöne Erfahrung war!

Das Beziehungsfeld von David und Luisa wird in zehn chronologisch nicht geordneten Kapiteln beschrieben, eben diese Zehn Bilder einer Liebe. Beide Protas kommen zu Wort, schildern ihre Sichten, werden damit plastisch und irgendwie realer. Man erkennt vieles wieder, sei es aus dem eigenen Erleben heraus, sei es durch Erinnerungen an das eigene Umfeld. Probleme werden benannt, werden von den Protas versucht auf Augenhöhe zu bearbeiten. Dies gelingt wie auch im wahren Leben mit Höhen und Tiefen. Aber dies beschreibt Hannes Köhler ohne sentimentale Anwandlungen und überzeugt auch gerade dadurch.

Ich habe dieses Buch geliebt und ich habe mich in beide Charaktere verliebt. Denn solche Menschen wie David und Luisa möchte man in seinem Dunstkreis haben. Gerade dieses miteinander auf Augenhöhe umgehen lässt dieses Lächeln im mir entstehen. Wie schön ist das bitte?! Einerseits genießt man das Schöne und andererseits empfinde ich das Gelesene auch als einen Fingerzeig, einen Hinweis, ich kam oft ins Sinnieren, in Rückblicke. Rückblicke, die das eigene Tun in Frage stellen. Es ist nicht so, dass dieses Buch dies jetzt ausgelöst hat. Das Infragestellen des eigenen Tuns begleitet mich schon ein Stück. Ein Glück! Aber jeder, der mich kennt, weiß, dass ich mir genau so ein Erleben regelrecht herbeiwünsche. Ein gutes Buch mit authentischen Charakteren und ein Sinnieren über das Erzählte mit Bezug zum eigenen Erleben. Und dies passiert in „Zehn Bilder einer Liebe“ punktgenau.

Wenn dann noch ein positives Empfinden der beiden Protagonisten hinzukommt, scheint einfach alles perfekt.

Danke für dieses wunderbare Buch! Ich hatte es als E-Book, aber natürlich musste dieses Buch in gebundener Form in meine heiligen Regale einziehen. Jeder Buchliebhaber versteht dies sicher nach meinen Ausführungen.

Unbedingt lesen!

Bewertung vom 02.05.2025
Das Alibi
Villalobos, Juan Pablo

Das Alibi


ausgezeichnet

Ein Tag in Barcelona

Die erzählende männliche Stimme in „Das Alibi“ ist glücklich. Der gebürtige Mexikaner kam einst nach Barcelona um zu promovieren. Dann kam die Brasilianerin. Und das erste Kind. Und so blieben sie und wurden eine vierköpfige Familie. Sie sind glücklich. Und er schreibt. Doch schreibt man über das Glück? Und wenn ja, was macht Glück so spannend?

Die erzählende Stimme beschreibt seinen Tag in Barcelona auf der Suche nach einem Nachweis für seine Frau, die diesen als Bescheinigung für ihren Arbeitgeber braucht.

Seine Frau, die Brasilianerin und auch seine Kinder, das Mädchen und der Halbwüchsige haben Bedenken in den Büchern des Erzählers aufzutauchen, für andere sichtbar und auch greifbar zu werden, daher ihre Namensgebung im Buch.

Auf der Suche nach dieser Bescheinigung begegnen dem Protagonisten skurrile Wesen, da gibt es die Frauen am Empfang der Klinik, in der die Untersuchung der Brasilianerin stattfand, die bretonische Friseurin mit Handicap und einen jungen Mann mit Schreibambitionen, die den Tag des Charakters im Buch durcheinanderwirbeln.

Und so wird ein normaler glücklicher Tag im Leben des Protagonisten zu etwas Besonderem. Denn was schreibt man über das Glück? Was macht Glück so spannend, dass es die Leser anzieht?

Der Protagonist durchlebt seinen Tag in Barcelona und nimmt die Leserschaft mit in das Banale, das in dem Text zu etwas Besonderem wird. Der Alltag wird zum Zauber mit der Kraft der Fantasie. Denn nach und nach wird klarer, dass der Erzähler der Autor selbst ist, der glückliche Autor, der über sein Glück schreibt, der dem Alltäglichen einen skurrilen Anstrich gibt und es damit der Leserschaft auf dem Silbertablett präsentiert. Sodass die Suche nach einem Formular, ein Friseurbesuch und ein Treffen mit einem ecuadorianischen Schreibanfänger sich zu einem spannenden und auch komischen Unterfangen gestalten.

„Das Alibi“, wer braucht hier eins und warum? Liegt dieses Alibi schon in der nebulösen Benamung der Protas? In der Bescheinigung, die die Brasilianerin braucht? Oder in der Gestaltung des Banalen, des Alltäglichen, das aufpoliert wird, um es der Leserschaft nachhaltig zu präsentieren.

Ein wunderschönes Buch, welches man mit einem Lächeln auf den Lippen durchschreitet. Lesen!

Bewertung vom 02.05.2025
Wie du mich ansiehst
Lohmann, Eva

Wie du mich ansiehst


ausgezeichnet

Gedanken zum Frausein

Eva Lohmann hatte mich mit ihrem Vorgänger „Das leise Platzen unserer Träume“ schon tief berührt. Und genauso gelingt ihr das mit diesem Buch hier, mit „Wie du mich ansiehst“.

Johanna ist die Protagonistin in diesem Buch, eine Frau in den Vierzigern. Eine Frau in unserer Gesellschaft, die sehr auf Äußerlichkeiten aufgebaut ist. Eine Protagonistin, die die Veränderung, die die Jahre mit sich bringen, bemerkt und die mit der Möglichkeit spielt, diese Veränderungen medizinisch zu verbessern. Gedankengänge, die man denke ich zumindest gedanklich einmal durchspielt. Damit trifft Eva Lohmann einen Nerv. Denn dieser Jugendwahn, dem unsere Gesellschaft unterliegt, trifft uns. Wir beobachten die Falten, die grauen Haare, unseren Körper sehr genau. Wir cremen und färben und unterziehen uns Diäten. Wir optimieren uns. Wie kurz ist da der Weg zu medizinischen Eingriffen? Wie viele von uns nehmen diese in Anspruch? Manche schon in jungen Jahren. Und zu diesem Schritt kommt auch Johanna. Diese tiefe Falte, sie stört. Denn wie wird Johanna mit dieser Falte wahrgenommen? Bemerken sie die Männer noch? Oder wird sie unsichtbar mit den Veränderungen, die das Altern nun einmal mit sich bringt? Gedanken, die der Leserschaft sicherlich bekannt vorkommen werden. Man könnte natürlich sagen, dass man Frieden mit seinem Alterungsprozess schließen könnte. Aber tun wir das wirklich? Wir cremenden und färbenden und abspeckenden Wesen. Oder versuchen wir nicht immer wieder gängigen Schönheitsidealen zu entsprechen, die uns eine immerwährende Aufmerksamkeit in der Gesellschaft suggerieren? Die nächste Falle in den medizinischen Möglichkeiten ist das Wann hört man auf mit der Selbstoptimierung. Denn nach dieser Falte kommt die nächste oder ein anderer Ort am Körper, der zu verschönern wäre. Und damit eine Verlockung, vielleicht für manche auch eine Sucht, oder ein Druck von außen, der Reaktionen hervorruft. Wie gesagt Eva Lohmann trifft für mich einen Nerv mit ihrem Buch in dieser vom Schönheitswahn befallenen Welt.

Aber nicht nur dieses Thema beackert Eva Lohmann in ihrem Buch. Denn dieses Schönheitsthema impliziert natürlich auch die Wahrnehmung der Weiblichkeit in unserer Welt, unsere Stellung in dieser patriarchal tickenden Welt. Und die Interaktionen, denen wir ausgesetzt sind.

Wichtige Thematiken, die Eva Lohmann in ihrem Buch beschreibt. Und sie beschreibt sie mit ihrer sehr sympathischen Protagonistin Johanna, mit ihrer Tochter Rosa und ihrer Freundin und Geschäftspartnerin Ruby.

Ein weiteres Thema ist Johannas Elternhaus, ihr Vater Karl ist verstorben, ihre Mutter hatte sich von ihrem Vater getrennt, lebt allein, hat mit ihrem Weggang auch Johanna verletzt. Das Beziehungsgeflecht der Eltern vergleicht Johanna mit der Beziehung zu ihrem Mann Hendrik, genauso wie sie Blicke wirft auf das Geflecht zwischen sich und ihrer Tochter Rosa und dies in Beziehung setzt zum Verhältnis zwischen ihrer Mutter und ihr. Interessante Gedanken.

Und trotz der Vielzahl der Thematiken ein gelungenes Buch. Denn dieser mir sehr sympathische Charakter Johanna beschäftigt mich sehr, vor allem auch weil Johanna nicht vollkommen ist und mit ihren „Fehlern“ umgeht. In eine Aktion kommt. Und dies in einer ruhig erzählten Art. Gefällt mir sehr. Wie mir auch die Thematiken des Buches sehr gefallen haben. Denn diese Thematiken betreffen uns ja irgendwie alle.

Lesen!

Bewertung vom 02.05.2025
Wenn wir lächeln
Unterlehberg, Mascha

Wenn wir lächeln


ausgezeichnet

Jara und Anto

Jara und Anto. Zwei Freundinnen. Dies könnte ein Buch über eine einfache Mädchenfreundschaft sein. Mädchen, die älter und erwachsener werden. Ist es. Aber nicht nur!

Denn Mascha Unterlehberg zeigt in ihren Protagonistinnen Jara und Anto schon diese Freundschaft, zeigt Konflikte in dieser Freundschaft, zeigt das Spannungsfeld zwischen Jara und Anto. Sie entstammen unterschiedlichen Milieus, haben einen unterschiedlichen Background. Auch dies eröffnet sich den beiden nicht völlig offensichtlich. Denn in dieser Freundschaft gibt es natürlich auch Unausgesprochenes. Natürlich ist hier eben nicht alles sonnig und klar. Denn in welcher Frauenfreundschaft ist alles klar und einfach? Reibungspunkte gibt es wohl in jeder Beziehung und die Jugend der beiden Charaktere spielt hier ebenso hinein. Wer öffnet sich in diesem Alter vollkommen? Wer kennt sich vollkommen, in diesem Alter und auch später? Eigentlich lernt man sich ja immer wieder neu kennen. Denn das Erlebte verändert. Das positive Erleben und auch das negative Erleben. In der Jugend, aber auch später. Schon in dieser Blickrichtung ist „Wenn wir lächeln“ besonders und richtig gut aufgebaut und geschrieben. Das Buch ist nicht chronologisch geschrieben. Es beginnt an einer Ausnahmesituation und springt in das Geschehen zurück, um die Charaktere auszuleuchten, um Jara und Anto ihre wohlverdiente Bühne zu geben. Schon dabei ist das Buch wunderbar gelungen und lässt mich in Flammen aufgehen für Jara und für Anto.

Was mich hier in „Wenn wir lächeln“ aber am meisten begeistert hat, ist der Umstand dieses Lächelns. Dieses Lächeln, dieses Gefallen sollen, dieses Gefallen wollen. Etwas, was der weiblichen Welt eingetrichtert wird in der Erziehung. Nicht nur durch das familiäre Umfeld. Sondern innerhalb unserer patriarchalen Gesellschaft. „Wenn wir lächeln“ zeigt diese patriarchale Welt, der wir von klein auf ausgesetzt sind und „Wenn wir lächeln“ zeigt mögliche Folgen. Ebenso wie „Wenn wir lächeln“ auch eine neue Generation von Frauen zeigt. Denn diese Generation zeigt sich öfters auch in einem nicht mehr ganz so lächelnden Äußeren. Diese neue Generation zeigt eine gewisse Kampfbereitschaft. In der Jugend ist die Risikobereitschaft natürlich eine Andere als in späteren Jahren, frau fühlt sich unbesiegbar und frau zeigt dies auch. Und diese Risikobereitschaft zeigen Anto und Jara recht deutlich. Dies muss man natürlich nicht vollkommen in Ordnung finden. Aber es lohnt sich darüber nachzudenken!

Wie Simone de Beauvoir schon so treffend sagte „Frauen, die nichts fordern, werden beim Wort genommen. Sie bekommen auch nichts“ oder „Man wird nicht als Frau geboren, man wird es.“

Dieses Buch zeigt die Diskrepanz in unserer Kultur des Gefallens und der Wirklichkeit auf. Denn dieses uns eingeimpfte Lächeln, wir sollten es ablegen. Ob wir stattdessen den Baseballschläger herausholen sollten. Sicherlich nicht. Aber völlig handzahm kommen wir auch nicht weiter, auch wenn die Reaktionären uns gern handzahm lassen würden und sich immens wundern, dass das Geschöpf Frau nicht mehr nur lächeln und gefallen möchte.

Wenn man sich aber in der Geschichte umsieht hat es immer schon den weiblichen Kampf gegeben, er wird nur von den patriarchalen Geschichtsschreibern gezielt minimiert. Denn was haben Hatschepsut, Zenobia, Elizabeth I, Katharina die Große, die Suffragetten, Mary Kingsley, Marie Curie, Simone de Beauvoir, Margaret Mead und viele viele mehr geleistet?

Uns kommt die Rolle zu nicht mehr ganz so zu lächeln und unsere Zähnchen zu zeigen. Dies sollte doch machbar sein, Mädels?

Mascha Unterlehbarg zeigt in Anto und Jara zwei moderne Charaktere, die nicht ganz so feminin rüberkommen, wie uns unsere bisher bekannte Sicht auf das Feminine das nahe legt. „Wenn wir lächeln“ ist ein Roman, der hart ist, aber gleichzeitig ist er auch zart, wenn man sich Antos und Jaras Interaktion betrachtet und sie irgendwie beschützen mag, vor sich selbst und/oder vor ihrer Umwelt. Übrigens die Umwelt von uns allen. Mascha Unterlehberg ist hier ein wunderbares Buch gelungen, dem ich sehr sehr viele Leser wünsche. Und noch mehr Leute, die über die Jaras und Antos unserer Welt nachdenken und ihnen helfen, uns helfen.

Bewertung vom 02.05.2025
Die Familie
Mesa, Sara

Die Familie


ausgezeichnet

Dysfunktionale Familie

Die Familie. Mutter, Vater, zwei Töchter, zwei Söhne. Eine vollkommen durchschnittliche Familie. Mitnichten. Sara Mesa durchleuchtet diese Familie, öffnet die Zimmer der Wohnung, erhellt die Dunkelheit darin, zeigt das, was niemand sehen soll, niemand sehen darf. Und dies passiert in einem grandiosen Ton, der von einem schwarzen Humor durchzogen ist, den ich feiere, den ich liebe. Denn diese äußerlich so perfekten Familien, sie haben dunkle Räume, in die niemand blicken sollte und die den perfekten Schein sofort zerstören.

Ein hehrer Familienvater mit recht hohen Ansprüchen an das Leben und an seine ach so geliebten Mitmenschen. Von Empathie scheint er wenig, bis gar nichts zu verstehen, dafür baut er einen Druck auf, der Folgen hat. Denn natürlich regt dieser Druck den Widerspruchsgeist der Umgebung an, wie dieser Druck natürlich auch zerstört. Und natürlich lassen sich seine geliebten Familienangehörigen Auswege einfallen.

Sara Mesa blickt auf die Familienangehörigen zu unterschiedlichen Zeiten, die in den verschiedenen Kapiteln chronologisch nicht geordnet erfolgen. Durch diese variablen Blicke und das zeitlich versetzt Geschilderte erfolgt ein intensiver und aussagekräftiger Blick auf die verschiedenen Familienmitglieder, auf das Gefüge innerhalb der Familie. Der Vater mit seiner Herrschsucht und seiner Manipulation beeinflusst das Geschehen massiv. Und die anderen Familienangehörigen reagieren.

Von Sara Mesa ist auf den 256 Seiten des Buches „Die Familie“ eine perfekte Sezierung des Geschehens in ihrer Romanfamilie erfolgt. Der bissige Ton lässt das Geschehen für mich besser klingen, besser ertragen, denn dieser Vater, nun, der reizt mich schon massiv.

Sara Mesa ist ein wunderbares Psychogramm der beteiligten Personen gelungen und das finde ich schon sehr bewundernswert, schließlich sind sechs Menschen in dieser Familie und das Buch hat „nur“ 256 Seiten. Dies muss man erst einmal schaffen.

Von Sara Mesa kenne ich schon den Vorgänger „Eine Liebe“, ebenso ein sehr gutes Buch. Aber hier triggerte mich der Hauptcharakter massiv, so dass ich nicht so in den Genuss des Gelesenen kam.

Das ist hier bei diesem Buch „Die Familie“ vollkommen anders. ich brannte lichterloh bei der Lektüre. Perfekt ausgeleuchtete Charaktere und ein dunkles Geschehen, was einerseits abstößt, andererseits aber auch ungeheuer fasziniert.

Ein wunderbares Buch, ein 5 Sterne Kandidat, ein Lese-Muss. Also Leute, holt euch dieses Buch hier und bitte unbedingt Lesen. Ich habs geliebt, habs geliebt, habs geliebt!

Bewertung vom 02.05.2025
Brooklyn (eBook, ePUB)
Tóibín, Colm

Brooklyn (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Eilis Laceys Reise

Eilis Lacey lebt mit ihrer Mutter und ihrer etwas älteren Schwester in Enniscorthy, einer Kleinstadt im Südosten von Irland. Wir sind in den 50er Jahren, das Leben ist nicht einfach, die Laceys sind arm, Arbeit gibt es nicht und so verlässt Eilis auf Drängen der Familie Irland und geht nach Amerika, in die USA nach Brooklyn.

Dort angekommen vermittelt ihr ein irischer Priester, ein Bekannter der Familie ein Unterkommen in einer Pension, die von einer Irin geleitet wird und einen Job in einem Kaufhaus. Eilis lebt sich langsam ein, doch sie fühlt sich allein, bekommt den Geschmack der Dunkelheit zu spüren. Auch hier hilft wieder der Priester, er vermittelt ihr einen Platz am Brooklyn College, da er ihr Potenzial erkennt und so besucht sie fortan Kurse in Buchführung am College. Tóibín zeichnet ein stimmiges Bild einer vergangenen Zeit, in der Frauen nicht die Möglichkeiten hatten, die sich uns heute so mannigfaltig bieten. Dies ist recht bestürzend zu lesen, denn eins sollte man sich hier klar machen, so lange ist das noch nicht her.

Eilis lebt sich langsam ein, obwohl ihr dennoch die irische Heimat fehlt, denn diese doch buntere amerikanische Welt verblüfft sie, man merkt ihr die Enge an, unter der sie in Enniscorthy gelebt hat. Doch man ist woher man stammt, und dies passt auf den Charakter der Eilis perfekt.

Dann lernt sie den italienischstämmigen Tony kennen, sie verspürt eine Faszination, bis sie schließlich zu fliegen beginnt. Auch hier merkt man wieder die Enge der damaligen Zeit. Doch dann kommt ein Brief aus der Heimat mit einer schlimmen Nachricht, der sie zu einer Rückkehr nach Irland zwingt. Und hier in Irland trifft sie wieder auf Jim, die Vergangenheit wummert an ihre Tür. Zwei Leben, zwei Männer, eine Entscheidung.

Von Colm Tóibín ist dieses Buch wunderbar geschrieben worden, die Rolle der Eilis fand ich wunderbar gezeichnet. Ihre Entscheidungen, ihre Sichten ecken manchmal mit meinen eigenen Sichten an, aber es ist eine andere Zeit. „Brooklyn“ ist ein exzellenter Blick und auch ein spannender Blick in die Vergangenheit, „Brooklyn“ ist ein Buch, das ich sehr gern gelesen habe und „Brooklyn“ ist ein Buch, welches ich völlig überzeugt empfehle.

Bewertung vom 02.05.2025
Brooklyn (Ungekürzt) (MP3-Download)
Tóibín, Colm

Brooklyn (Ungekürzt) (MP3-Download)


ausgezeichnet

Eilis Laceys Reise

Eilis Lacey lebt mit ihrer Mutter und ihrer etwas älteren Schwester in Enniscorthy, einer Kleinstadt im Südosten von Irland. Wir sind in den 50er Jahren, das Leben ist nicht einfach, die Laceys sind arm, Arbeit gibt es nicht und so verlässt Eilis auf Drängen der Familie Irland und geht nach Amerika, in die USA nach Brooklyn.

Dort angekommen vermittelt ihr ein irischer Priester, ein Bekannter der Familie ein Unterkommen in einer Pension, die von einer Irin geleitet wird und einen Job in einem Kaufhaus. Eilis lebt sich langsam ein, doch sie fühlt sich allein, bekommt den Geschmack der Dunkelheit zu spüren. Auch hier hilft wieder der Priester, er vermittelt ihr einen Platz am Brooklyn College, da er ihr Potenzial erkennt und so besucht sie fortan Kurse in Buchführung am College. Tóibín zeichnet ein stimmiges Bild einer vergangenen Zeit, in der Frauen nicht die Möglichkeiten hatten, die sich uns heute so mannigfaltig bieten. Dies ist recht bestürzend zu lesen, denn eins sollte man sich hier klar machen, so lange ist das noch nicht her.

Eilis lebt sich langsam ein, obwohl ihr dennoch die irische Heimat fehlt, denn diese doch buntere amerikanische Welt verblüfft sie, man merkt ihr die Enge an, unter der sie in Enniscorthy gelebt hat. Doch man ist woher man stammt, und dies passt auf den Charakter der Eilis perfekt.

Dann lernt sie den italienischstämmigen Tony kennen, sie verspürt eine Faszination, bis sie schließlich zu fliegen beginnt. Auch hier merkt man wieder die Enge der damaligen Zeit. Doch dann kommt ein Brief aus der Heimat mit einer schlimmen Nachricht, der sie zu einer Rückkehr nach Irland zwingt. Und hier in Irland trifft sie wieder auf Jim, die Vergangenheit wummert an ihre Tür. Zwei Leben, zwei Männer, eine Entscheidung.

Von Colm Tóibín ist dieses Buch wunderbar geschrieben worden, die Rolle der Eilis fand ich wunderbar gezeichnet. Ihre Entscheidungen, ihre Sichten ecken manchmal mit meinen eigenen Sichten an, aber es ist eine andere Zeit. „Brooklyn“ ist ein exzellenter Blick und auch ein spannender Blick in die Vergangenheit, „Brooklyn“ ist ein Buch, das ich sehr gern gelesen habe und „Brooklyn“ ist ein Buch, welches ich völlig überzeugt empfehle.

Wunderbar intoniert von Katja Danowski.