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Arambol

Bewertungen

Insgesamt 95 Bewertungen
Bewertung vom 07.04.2025
Maikäferjahre
Höflich, Sarah

Maikäferjahre


ausgezeichnet

Zusammen oder gar nicht

"Wenn es Gott wirklich gab, dann hatte er hierfür verdammt lange gebraucht."

"Maikäferjahre" von Sarah Höflich ist ein Roman, der in den turbulenten Zeiten nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs spielt. Im Frühjahr 1945 fliehen Anni und ihre kleine Tochter Clara, zusammen mit dem jüdischen Musiker Adam, aus dem zerbombten Dresden zu ihren Schwiegereltern nach Tirol.
Ihr Zwillingsbruder Tristan, gerät in den letzten Kriegstagen schwer verletzt in britische Gefangenschaft und kämpft in England ums Überleben. Dabei findet er in der Krankenschwester Rosalie die große Liebe seines Lebens.

Sarah Höflich beschert uns einen außergewöhnlichen historischen Roman, der nicht nur berührt, sondern tief unter die Haut geht. Die Geschichte entfaltet sich in einer durchgehend spannenden Handlung, die von zahlreichen schicksalhaften und unerwarteten Wendungen geprägt ist. Besonders beeindruckend ist dabei die überzeugend anschauliche Schilderung der Nachkriegssituation: Die Not, die Angst, aber auch der spürbar unbändige Überlebenswille sind eindringlich bildhaft beschrieben und mit einer solchen Intensität dargestellt, dass man mit den Protagonisten fühlt, leidet und hofft.

Anni und Tristan stehen stellvertretend für eine ganze Generation, deren Schicksal von Krieg und Vertreibung gezeichnet ist. Sie vermitteln eindrücklich, wie wichtig es sein kann, weiterzumachen und zu versuchen, immer das Beste aus jeder Situation zu machen.

Die authentische, hautnahe Erzählweise der Autorin macht den Roman zu einem echten Leseerlebnis; man spürt dabei unmittelbar, dass jedes Detail von ihr sorgsam recherchiert wurde.

Ein packend empfehlenswerter Roman, der anschaulich von Liebe, Schuld und den moralischen Herausforderungen der Nachkriegszeit erzählt.
Eine historische Erzählung mit großen Gefühlen; für mich schon jetzt ein Highlight meines Bücherjahres.

"Manchmal muss man auch Leichtigkeit neu erlernen."

Bewertung vom 31.03.2025
Die Nacht / Art Mayer-Serie Bd.3
Raabe, Marc

Die Nacht / Art Mayer-Serie Bd.3


ausgezeichnet

temporeich und hochspannend

"Die innere Kälte, die dieser Ort in ihr auslöste, war schwer zu bezwingen."

Eins direkt und ganz deutlich vorweg: bitte zwingend zunächst die beiden ersten Teile "Der Morgen" und "Die Dämmerung" lesen!! Ohne Kenntnisse aus den ersten beiden Büchern ist "Die Nacht" kaum verständlich.

Art Mayer und Nele Tschaikowski sind endlich zurück: das extrem ungleiche Ermittlerduo, das mehr und mehr zusammenfindet und mich bereits in den vorangehenden Fällen vollends zu überzeugen wusste. Erneut fesselt mich dieser Thriller mit einer enorm dichten und intensiven Atmosphäre, sowie mit unvorhersehbaren Wendungen, die den Leser bis zur letzten Seite in Atem halten.

Die Handlung beginnt vor fünfzehn Jahren mit dem Verschwinden eines kleinen Jungen. Viele Jahre später verschwindet auch noch dessen Schwester Dana spurlos. Ein anonymer Hinweis führt das Ermittlerteam nun in eine alte Wohnwagensiedlung.
Parallel zum aktuellen Geschehen, wird in regelmäßigen Rückblenden Danas Vergangenheit beleuchtet.

Von der ersten bis zur letzten Seite hält Marc Raabe den Spannungsbogen auf höchstem Niveau und sorgt mit dem ständigen Wechsel zwischen Vergangenheit und Gegenwart für eine außergewöhnliche Dynamik. Der Thriller überzeugt durch sein hohes Tempo und eine Erzählweise, die lebendig und mitreißend ist.

Art und Nele sind zwei sympathisch gezeichnete Charaktere, die nach und nach auch immer mehr Persönliches von sich preisgeben. Es fällt leicht, sich mit ihnen zu identifizieren

"Die Nacht" ist ein echter Pageturner – einmal begonnen, konnte ich das Buch kaum aus der Hand legen. Wer auf der Suche nach einem hochspannenden, temporeichen Thriller ist, kommt an diesem Buch nicht vorbei.

Absolute Leseempfehlung und wieder die volle Punktzahl für Art und Nele.

Ich bin schon jetzt äußerst gespannt, was "Im Morgengrauen" passieren wird.

Bewertung vom 24.03.2025
Klapper
Prödel, Kurt

Klapper


sehr gut

zwischen Nostalgie und Chaos

"Es war chaotisch, laut, es tat in den Ohren weh, aber das war alles genau richtig."

Der Roman spielt im Sommer 2011 und erzählt die Geschichte des 16-jährigen Thomas, genannt Klapper, der seine Zeit am liebsten allein vor dem Computer mit Counter strike verbringt. Doch als zu Beginn des neuen Schuljahrs die neue Mitschülerin "Bär" in seine Klasse kommt, verändert sich so einiges. Die beiden teilen eine gemeinsame Begeisterung für Videospiele und freunden sich an. Während ihre Beziehung sich langsam entwickelt, steuern sie gleichzeitig unweigerlich auf ein dramatisches Ereignis zu.

Jahre später holen Klapper die Erinnerungen an diesen Sommer wieder ein...

Mit "Klapper" legt Kurt Prödel einen bemerkenswerten Debütroman vor, der glaubwürdig die Stimmung der frühen 2010er-Jahre einfängt.

Der Schreibstil ist lebendig und wirkt authentisch. Gleichzeitig durchzieht das Buch aber auch eine irgendwie äußerst trübsinnige, fast depressiv wirkende Grundstimmung. Einsamkeit, ständige Unsicherheit und das ungute Gefühl, nicht dazuzugehören, sind sehr zentrale Themen der Erzählung.
Diese bedrückend dunkle Atmosphäre verleiht der Geschichte dann auch eine gewisse Schwere und Melancholie.

Ein Schwachpunkt des Romans sind meiner Meinung nach jedoch vor allem die Charaktere selbst, die nicht immer glaubwürdig wirken. Während Klapper als Protagonist noch recht glaubhaft erscheint, bleibt Vivi (alias Bär) in ihrer Entwicklung sehr blass und ist in ihren Handlungen wenig nachvollziehbar.

Insgesamt ist "Klapper" ein durchaus bemerkenswert interessanter und gelungener Debütroman, der mit seiner Mischung aus Nostalgie, inklusive des unvergesslichen Geschmacks von Zitronenkrümeleistee, und jugendlicher Melancholie überzeugt.

Bewertung vom 17.03.2025
Die Kammer
Dean, Will

Die Kammer


gut

Konnte mich nicht fesseln

"In dieser hermetischen Kapsel verflüchtigt sich der Sinn für Verhältnisse. Für Perspektiven."

Eine Gruppe von Tauchern soll in der Nordsee Wartungsarbeiten an einer Ölpipeline durchführen. Vor ihrem ersten Tauchgang müssen sie mehrere Tage in einer Druckkammer verbringen, um sich an den hohen Druck in der Tiefe anzupassen. Unerwartet kommt einer der sechs Taucher unter mysteriösen Umständen ums Leben. Da das vorzeitige Öffnen der Kammer für alle Insassen tödlich wäre, sind sie gezwungen, in der beengten Umgebung auszuharren. Es bleibt nicht bei diesem einen Todesfall und deshalb beginnt ein Überlebenskampf, bei dem niemand dem anderen trauen kann.

Die Ausgangslage verspricht Spannung und psychologischen Nervenkitzel – doch leider bleibt der Thriller in vielen Punkten hinter den Erwartungen zurück.
Die beklemmende Atmosphäre der Druckkammer, die intensive Platzangst und Enge, ist eines der zentralen Elemente des Buches. Die Handlung dreht sich immer wieder im Kreis, ohne wirklich voranzukommen, was besonders im Mittelteil zu spüren ist.
Viele recht kurze Kapitel reihen sich aneinander, ohne dass wirklich etwas geschieht. Statt Spannung aufzubauen, werden zahlreiche Anekdoten und Erinnerungen der Protagonisten eingeflochten, die oft nur wenig zur eigentlichen Handlung beitragen.

Ein Thriller sollte fesseln, doch "Die Kammer" schafft es über weite Strecken nicht, echte Spannung zu erzeugen. Das Gefühl der Bedrohung ist zwar allzeit vorhanden, aber oft zu subtil, um wirklich mitzureißen. Als schließlich das Finale naht, bleibt dieses dann überraschend unspektakulär. Wer auf eine unerwartete Wendung oder einen packenden Showdown hofft, wird eher enttäuscht.

Auch die Figuren bleiben deutlich hinter ihren Möglichkeiten zurück. Keine der Figuren wirkt tiefgründig oder wirklich fesselnd. Da sich die Geschichte fast ausschließlich auf eine kleine Gruppe von Menschen fokussiert, wäre es entscheidend gewesen, dass ihre Dynamik und ihre Persönlichkeiten überzeugen. Das gelingt hier nur bedingt.

Wer sich generell für das Thema Tauchen interessiert oder ein Faible für klaustrophobische Szenarien hat, kann Gefallen an diesem Buch finden.
Für mich war "Die Kammer" inhaltlich einfach nicht mein Thema – und auch als Thriller hat mich das Buch nicht wirklich überzeugt.

Bewertung vom 12.03.2025
Hier draußen
Behm, Martina

Hier draußen


sehr gut

geplatzte Träume

"Dass hier nicht alles perfekt, idyllisch und konfliktfrei ablaufen würde, war ihm immer klar gewesen."

Das aus Hamburg stammende Ehepaar Ingo und Lara zieht mit ihren Kindern in das fiktive, etwa zweihundert Einwohner zählende holsteinische Dorf Fehrdorf, um dem hektischen Großstadttreiben zu entkommen. Doch das Leben auf dem Land bringt direkt einige unerwartete Herausforderungen mit sich, besonders für Ingo, der täglich zur Arbeit nach Hamburg pendeln muss. Eines Abends überfährt er auf dem Heimweg eine weiße Hirschkuh. Ein Aberglaube im Dorf will wissen, dass derjenige, der eine solche Hirschkuh tötet, nur noch ein Jahr zu leben hat.

Land. Weite. Ruhe. So stellen sich viele das Landleben vor. Aber stimmt das?
Natur, frische Luft, Platz für die Kinder. Traumhaft? Nicht ganz. Fehrdorf, ein Dorf wie viele andere auch: Jeder kennt jeden. Man hilft sich, man beobachtet sich und man redet mit- aber auch vor allem übereinander.

Martina Behm trifft stets den richtigen Ton, ist dabei immer sehr direkt und authentisch. Sie zeigt deutlich auf, dass das Dorfleben nicht nur Idylle sondern echtes Leben ist, mit allem Alltäglichen, was eben dazugehört. Sie entwirft ein emphatisches und auch warmherziges Porträt des Landlebens und seiner Menschen, die alle auf ihre Art und Weise auch "nur" nach einem kleinen Stück persönlichen Glücks suchen und streben.

Die Mischung aus ultrakurzen Sätzen, die teilweise nur aus einem oder zwei Worten bestehen, und dann auch wieder sehr intensiv geführten Dialogen lässt den Roman immer lebendig erscheinen.

Das Ende der Erzählung ist sehr offen und unspektakulär gehalten, nicht alle Konflikte werden aufgelöst und leider bleiben viele Fragen unbeantwortet.
Das Leben auf dem Land geht weiter.

Leseempfehlung für alle, die sich für das wahre Leben im Dorf interessieren.

Bewertung vom 06.03.2025
Vor hundert Sommern
Fuchs, Katharina

Vor hundert Sommern


ausgezeichnet

wichtiges, bewegendes Buch

"Es sind die Ängste, die unserem Glück im Weg stehen - dabei entbehren sie häufig jeder Grundlage."

Der Roman "Vor hundert Sommern" von Katharina Fuchs erzählt die bewegende Schicksalsgeschichte dreier Frauen über mehrere Generationen hinweg.
Die Erzählung beginnt mit der jungen Studentin Lena, die gemeinsam mit ihrer Mutter Anja die Wohnung ihrer Großmutter, die in ein Pflegeheim umgezogen ist, ausräumen muss. Dabei stoßen sie auf den Nachlass von Anjas Großtante Clara, über deren Leben schon immer ein unausgesprochenes Geheimnis lag. In Gesprächen mit ihrer Großmutter erkennt Lena schnell, dass Scham und Schuld aus längst vergangenen, dunklen Zeiten der deutschen Geschichte bis in die Gegenwart ausstrahlen und ihre eigene Familie beeinflussen.

Katharina Fuchs gelingt mit mit ihrem neuen Buch "Vor hundert Sommern" ein fesselnder Generationenroman, der sehr gekonnt historische Ereignisse mit persönlichen Schicksalen verknüpft.
Geschickt verstrickt sie dabei die Vergangenheit mit der Gegenwart.

Die Protagonistinnen sind vielschichtig und authentisch gezeichnet, ihre Konflikte und Beweggründe erscheinen nachvollziehbar. Der Schreibstil ist lebendig und atmosphärisch, sodass man sich mühelos in die verschiedenen Zeitebenen hineinversetzen kann. Historische Details fügen sich nahtlos in die Handlung ein, ohne jemals belehrend zu wirken. Der Bezug zur gegenwärtigen politischen Realität ist beunruhigend offensichtlich.

Das Buch ist ein äußerst anrührender Roman über Mut, über persönlichen Verlust und den möglichen Einfluss längst vergangener Ereignisse auf die Gegenwart.

Unbedingt Lesenswert.

Und leider: "Auch heute bleibt die Geschichte erschreckend relevant."

Bewertung vom 26.02.2025
Verlassen / Mörderisches Island Bd.4
Ægisdóttir, Eva Björg

Verlassen / Mörderisches Island Bd.4


sehr gut

ungewöhnliche "Fortsetzung"

"Manchmal denke ich, das größte Problem ist nicht die Sache selbst, sondern wie darüber geredet wird."

"Verlassen" ist zwar der vierte Band der Krimireihe "Mörderisches Island" von Eva Björg Ægisdóttir, aber als Prequel angelegt. In diesem Roman versammelt sich der sehr wohlhabende Snæberg-Clan zu einem Familienfest in einem futuristischen Hotel, das inmitten der Lavafelder Westislands liegt. Als einer der Gäste verschwindet, und auch noch eine Leiche gefunden wird, kommen mehr und mehr dunkle Geheimnisse aus der Vergangenheit ans Licht, und es wird klar, dass hier niemand dem anderen trauen kann.

Leider erweist sich für mich dieser vierte Band als der schwächste Teil der Reihe. Obwohl das Buch direkt mit einem übersichtlichem Stammbaum aufwartet, fiel es mir schwer, die recht zahlreichen Figuren und ihre komplexen Verwandtschaftsverhältnisse zu überblicken. Dadurch gelang es mir anfangs auch kaum, mich wirklich in die Geschichte hineinzufinden.

Die Erzählweise ist anspruchsvoll und nicht-chronologisch, mit häufigen Zeitsprüngen und stetig wechselnden Perspektiven. Erst nach etwa der Hälfte des Buches wurde deutlich, wer die für die Handlung wirklich wichtigen Protagonisten sind. Ab diesem Punkt nimmt die Spannung dann auch spürbar zu. Vorher zieht sich die Handlung streckenweise und enthält einige unnötige Längen.

Das Ende kann dann mit einer umfassenden und plausiblen Auflösung aller Handlungsstränge überzeugen.

Dennoch konnte mich dieser Band nicht wirklich begeistern, vor allem, weil mir eine typische Krimi-Handlung viel zu kurz kam.

„Verlassen“ ist eine ungewöhnliche "Fortsetzung" der Reihe, die mich leider, insbesondere im Vergleich zu den vorherigen Bänden nicht gänzlich überzeugen konnte.

Bewertung vom 13.02.2025
Bis die Sonne scheint
Schünemann, Christian

Bis die Sonne scheint


sehr gut

Emphatisch unterhaltsam

"Wir hatten einen Plan und eine Aufgabe, die dem Nachmittag einen Sinn und dem Leben eine Normalität geben würden."

Christian Schünemann gelingt mit "Bis die Sonne scheint" ein anrührender Roman, der das glaubhafte Porträt einer Familie in den 80er Jahren zeichnet. Im Mittelpunkt steht der fünfzehnjährige Daniel, aus dessen Perspektive die Geschichte erzählt wird. Seine Erlebnisse als Jugendlicher prägen den Roman ebenso wie die Einblicke in die familiären Hintergründe seiner Eltern Marlene und Siegfried und in die Vergangenheit von Daniels Großeltern.

Der Roman überzeugt durch seinen authentischen 80er-Jahre-Flair, einer Zeit ohne soziale Medien, in der das Leben noch viel unmittelbarer und greifbarer erscheint. Besonders eindrucksvoll ist die Art und Weise, wie der tägliche Kampf der Familie ums wirtschaftliche Überleben geschildert wird. Trotz aller Herausforderungen bewahren sich die Hormanns ihren Humor, was sich immer wieder in den zahlreichen, sehr amüsanten Anekdoten zeigt.

Die Erzählstruktur ist stimmig: Schünemann wechselt zwischen Daniels persönlichem Erleben und den Erfahrungen der Eltern, wodurch das Familienschicksal lebendig erfahrbar wird. Allerdings gibt es eine Vielzahl von handelnden Personen, weshalb ein Personenverzeichnis hilfreich gewesen wäre, um besser den Überblick halten zu können.

Der Schreibstil ist angenehm lesbar, flüssig, die Charaktere empathisch. Leider verliert die Geschichte zum Ende hin etwas an Spannung und Dramatik – hier hätte ich mir einen stärkeren Abschluss gewünscht.

Dennoch bleibt "Bis die Sonne scheint" eine lohnende Lektüre, die auf berührende Weise daran erinnert, dass sich das Leben nicht nur um beruflichen Erfolg dreht. Es ist eine Reise zurück in eine Zeit, in der andere Werte im Mittelpunkt standen – eine Geschichte über Familie, Zusammenhalt und die kleinen, aber bedeutsamen Momente des Lebens.
Lesenswert.

Bewertung vom 04.02.2025
Dunkle Asche
Thomsen, Jona

Dunkle Asche


gut

Unspektakulär

"Ein Fenster in die Vergangenheit öffnete sich, zu einem Sommer, den sie am liebsten vergessen hätte."

Jona Thomsens Krimi "Dunkle Asche" entführt uns an die Ostseeküste, genauer gesagt in den kleinen Ort Kalifornien, wo ein alter Mordfall neu aufgerollt wird. Im Zentrum der Handlung steht das neu formierte Ermittlerduo mit Gudrun Möller und Judith Engster; zwei Charaktere, die unterschiedlicher kaum sein könnten.
Die anfängliche übergroße Distanz zwischen den beiden Ermittlerinnen entwickelt sich im Laufe der Geschichte zu gegenseitigem Vertrauen. Besonders für Gudrun wird der Fall sehr schnell zu einer persönlichen Reise in ihre eigene Vergangenheit.

Aufgrund einiger, für mich schwer nachvollziehbarer Handlungen, bin ich mit den beiden Figuren jedoch nie richtig warm geworden.

Der Krimi ist insgesamt flüssig zu lesen, die Kapitel sind überschaubar kurz. Die Geschichte selbst ist handwerklich gut geschrieben, dennoch fehlt es durchgehend an wirklicher Spannung und Überraschung. Zwar sorgt das Ende noch für eine unerwartete Wendung, doch diese wirkt übertrieben konstruiert und ist nun wirklich enttäuschend und unnötig klischeehaft ausgefallen.

Die falschen Fährten, die Jona Thomsen immer wieder legt, sind stets allzu offensichtlich, sodass sich der Fall relativ früh durchschauen lässt.

Wer auf Hochspannung und zahlreiche Wendung hofft, wird möglicherweise enttäuscht. Alles in allem ist "Dunkle Asche" ein solider, aber gleichzeitig auch unspektakulärer Krimi.
Kein herausragendes Highlight, aber dennoch unterhaltsam für zwischendurch.

Bewertung vom 28.01.2025
Dancing Queen
Fabbri, Camila

Dancing Queen


weniger gut

schwer zugänglich

"Nicht zu fassen, dass sie schon wieder so viel Lust zum Weinen hat."

Camila Fabbri entführt uns in "Dancing Queen" in die Gedankenwelt von Paulina Almada, die so grenzenlos und enorm chaotisch ist, dass sie mich damit sowohl fasziniert als auch absolut überfordert hat. Auch der Umgang mit ihrer einzigen Freundin Maite, mit der sie spontan zu einem schicksalhaften Roadtrip aufbricht, spiegelt Paulinas Unfähigkeit wider, Nähe dauerhaft zuzulassen.

Fabbris eigenwillige Erzähltechnik ist herausfordernd und gerät mehrfach zur Geduldsprobe: Der Roman verzichtet fast völlig auf eine zusammenhängende Handlung oder einen roten Faden; der fragmentierte Stil, erschwert den Zugang zum Buch.
Hinzu kommt Fabbris mitunter derbe und teils recht provokante Sprache, die stark polarisiert, jedoch Paulinas inneres Chaos treffend beschreibt.
Die Lektüre ist alles andere als leichte Kost, die Erzählung verliert sich zusehens in der Schilderung von Momentaufnahmen und Stimmungen.

Nachdem mich das erste Kapitel spektakulär mit einem Autounfall fesseln konnte, habe ich mir vom weiteren Verlauf des Romans wesentlich mehr erwartet. Dabei ist leider auch Paulina selbst eine wenig sympathische Figur, deren impulsives Verhalten es mir schwer gemacht hat, mich mit ihr zu identifizieren.

Am Ende ist "Dancing Queen" dann überraschend, sehr plötzlich irgendwie vorbei und lässt viele Fragen offen – zu viele.

Wer sich auf die besondere Atmosphäre und Fabbris außergewöhnlichen Stil einlassen kann, wird mit einem intensiven Porträt einer zerrissenen Protagonistin belohnt. Ich kann gut verstehen, dass man diesen Roman mögen kann; mich hat er nicht erreicht. Leider hat er irgendwie von allem etwas übertrieben zu viel und schafft es gleichzeitig nichtssagend zu bleiben.