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sleepwalker

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Insgesamt 501 Bewertungen
Bewertung vom 10.02.2025
Endlose Angst - Never Knowing / Spannung made in Kanada Bd.2
Stevens, Chevy

Endlose Angst - Never Knowing / Spannung made in Kanada Bd.2


sehr gut

„Never Knowing - Endlose Angst“ war mein erstes Buch der kanadischen Autorin Chevy Stevens. Das Buch und ich hatten einen holprigen Start miteinander, deshalb lag es auch fast zwei Jahre auf meiner „Noch zu Lesen“-Liste. Als ich dann aber in die Geschichte hineingefunden hatte, konnte ich es nicht mehr aus der Hand legen. Die psychologische Spannung in dem Buch hat mich vollkommen gebannt.
Aber von vorn.
Sara wusste schon immer, dass ihre Eltern sie adoptiert haben, als sie noch ein Baby war. Das Verhältnis zu ihrer Mutter ist sehr eng, das zu ihrem Vater etwas angespannt. Nun steht Sara, die selbst eine sechsjährige Tochter hat, kurz vor ihrer Hochzeit. Daher macht sie sich auf die Suche nach ihrer leiblichen Mutter. Sie findet sie, ihre Mutter möchte aber nichts mit ihr zu tun haben. Aber Sara lässt nicht locker, denn sie möchte auch wissen, wer ihr leiblicher Vater ist. Die Antwort, die sie bekommt, verändert allerdings ihr ganzes Leben: ihr Vater ist ein Serienkiller, ihre Mutter war eines seiner Opfer, das überlebt hat. Sie selbst entstand vor über 35 Jahren bei einer Gewalttat. Und plötzlich meldet sich ihr Vater bei ihr. Er fängt an, ihr Geschenke zu schicken, ruft sie immer wieder an und fordert ihre Aufmerksamkeit. Sara muss sich und ihr Umfeld vor ihm schützen, gleichzeitig treibt sie die Frage um, wie viel von den schlechten Eigenschaften ihres Erzeugers in ihr schlummern und wozu sie dadurch selbst fähig ist. Ein Katz-und-Maus-Spiel beginnt.
Die Idee hinter dem Buch fand ich ganz hervorragend. Auch der Aufbau, die Erzählung in Form von Therapiegesprächen zu gestalten, lag mir sehr gut, wobei man das meistens sowieso nur am Anfang der Kapitel bemerkt, wenn Sara ihre Therapeutin direkt anspricht. Obwohl ich anfangs etwas schwierig in die Geschichte fand, entwickelte sie dann einen Sog, dem ich nicht entkommen konnte. Auch sprachlich fand ich das Buch ansprechend, der Spannungsbogen entwickelt sich exponentiell von anfangs sehr flach bis enorm hoch in Richtung Schluss. Allerdings fand ich das Buch alles in allem ein wenig lang und einige Passagen hätte man getrost kürzerfassen können. Der psychologische Aspekt der Problematik wurde von der Autorin sehr gut herausgearbeitet und trieb unterschwellig (zumindest bei mir) die Spannung noch voran.
Die Charaktere sind teilweise sehr gut und detailreich ausgearbeitet, andere hingegen bleiben blass und eindimensional. Da ist auf der einen Seite das Adoptivkind, dass seine Wurzeln kennenlernen möchte. Sara steht mit ihrem Wunsch ziemlich allein da. Ihr Verlobter Evan unterstützt sie anfangs, ihm und allen anderen um sie herum wird das alles aber nach und nach zu viel. Die Adoptiveltern sind zwiegespalten, vor allem die Mutter fühlt sich brüskiert. Die leibliche Mutter mauert, wie man schnell erfährt, aus gutem Grund. Und dann ist da natürlich der leibliche Vater, genannt John, der wie ein stetiger Schatten über allem hängt. Bei allem, was er sagt und tut, muss man nämlich immer im Hinterkopf behalten, dass er ein gesuchter Mörder ist. Psychologisch ist das alles sehr spannend, aber sehr oft auch mehr psycho als Thriller. Auch die Frage, wie viel des eigenen Charakters durch Genetik bestimmt ist, und was durch Erziehung entsteht, ist interessant und wird durch Saras immer stärker werdende Selbstzweifel gut beleuchtet. Allerdings fallen andere Charaktere (beispielsweise Saras Adoptivvater) eher durchs Raster und auch die ermittelnden Polizeibeamten, die auf der Suche nach „John“ sind, fand ich sehr blass.
Insgesamt fand ich das Buch aber spannend und unterhaltsam, wenn auch ein bisschen lang. Zudem fand ich das Ende zwar schlüssig und okay, aber auch sehr vorhersehbar. Als Extra ist im Anhang des Buchs eine Kurzgeschichte mit dem Titel „Die andere Seite – Sandys Geschichte“, wo einiges aus der Sicht der ermittelnden Polizistin erzählt wird. Nett, erklärt noch ein paar Hintergründe, aber wirklich gebraucht hätte ich es nicht wirklich. Von mir gibt es vier Sterne.

Bewertung vom 02.02.2025
Die Frau mit dem Arm
Regener, Sven;Dorau, Andreas

Die Frau mit dem Arm


sehr gut

„Mein Name ist Andreas Dorau. Durch einen Welthit wurde dieser Name bekannt. Das nützt aber nichts. Am Ende trifft man doch nur Leute, denen der Name nichts sagt.“ – ja, ich gestehe, damit meint er mich. Ich kannte ihn und seinen ersten großen Hit „Fred vom Jupiter“ nicht, denn als er den veröffentlicht hat, war ich erst fünf Jahre alt. Trotzdem hat mich das Buch „Die Frau mit dem Arm“, das Dorau zusammen mit Sven Regener geschrieben hat, sehr interessiert. Vermutlich, weil der Titel so skurril klingt oder wegen Sven Regener, dessen Arbeit ich sehr schätze. Aber alles in allem lässt das Buch mich zwiegespalten zurück. Völlig Banales reiht sich an Uninteressantes, ab und zu unterbrochen von ein paar Abschnitten, die so charmant, poetisch und interessant waren, dass man nicht direkt querlesen wollte. Es war nicht mein Buch. Punkt.
Aber trotzdem von vorn.
Andreas Dorau befand sich zu Anfang des neuen Jahrtausends in einer Schaffenskrise und musste sich irgendwie neu erfinden. Und natürlich brauchte er, wie wohl die meisten von uns, Geld. Zusammen mit Sven Regener von Element of Crime schrieb er schon den ersten Teil seiner Biografie „Ärger mit der Unsterblichkeit“. Also, Sven Regener schrieb, Andreas Dorau war wegen seiner Legasthenie, der im Buch zwei Kapitel gewidmet sind, der Kopf dahinter. Berührend fand ich, die er über den Tod der Mutter 2007 erzählt. „Das traf mich sehr, mehr, als es mich viele Jahre zuvor getroffen hatte, dass mein Vater starb. Als Muttersöhnchen hatte ich mit meiner Mutter ein viel engeres Verhältnis als mit meinem Vater, ich hatte sie in der letzten Zeit auch gepflegt und ihr Tod und das damit verbundene Vollwaisensein warfen mich um. […] Das Leben wurde kalt, ich konnte keine Mutter mehr anrufen und nach diesem und jenem fragen und von diesem und jenem erzählen, alle Leichtigkeit und Verantwortungslosigkeit war aus den Dingen des Lebens verschwunden, weil es niemanden mehr gab, der mir so selbstverständlich helfen würde.“ Amüsant fand ich die Schilderung seiner Reise nach Moskau, eingeladen vom Goethe-Institut, die Erfahrungen beim Drehen von Videos und szenischer Umsetzung seiner Werke und seine Marotte, dass er wegen der Zeitschriften im Wartezimmer gern zum Arzt geht. Auch seine durch die Legasthenie bedingten Schwierigkeiten beim Einlesen von Theodor W. Adornos „Traumprotokolle“ fand ich interessant zu lesen und brachten mir den Künstler näher. Der Rest des Buchs las sich für mich aber ein bisschen plan- und konzeptlos, ohne richtigen roten Faden, mit sehr vielen Namen, die Kennern der Szene vielleicht geläufiger sind als mir. An diesen Stellen fand ich überhaupt keinen Zugang zu dem Buch.
Sprachlich und inhaltlich fand ich es also ebenso schwierig wie die Musik von Andreas Dorau, die ich zum besseren Verständnis des Buchs erst einmal im Internet angehört habe. Ich war und bin kein Fan und werde sicher nie einer werden. Nicht von seiner Musik und vermutlich auch nicht von seinen durchaus kreativen Ideen. Dennoch empfehle ich das Buch jedem Fan des Künstlers und jedem Kind der Neuen Deutschen Welle. Irgendwie erinnerte mich der manchmal etwas konfus wirkende Aufbau des Buchs, das Dinge zum Teil scheinbar wahllos aneinanderreiht, an „Wenn es dunkel und kalt wird in Berlin“ von Element of Crime. Zufall? Vermutlich nicht, denn auch das stammt aus der Feder von Sven Regener und da schließt sich für mich der Kreis. Ich vergebe vier Sterne, denn es ist kein schlechtes Buch, es war nur nicht das richtige für mich.

Bewertung vom 27.01.2025
Flüsterwald - Die magische Akademie. Gefährliches Zauberchaos (Flüsterwald, Bd. III-1)
Suchanek, Andreas

Flüsterwald - Die magische Akademie. Gefährliches Zauberchaos (Flüsterwald, Bd. III-1)


ausgezeichnet

Nach dem Ende der zweiten Staffel der „Flüsterwald“-Reihe von Andreas Suchanek hatte ich ein bisschen das Gefühl, die Geschichte sei langsam auserzählt. Jetzt hat der Autor aber mit „Die magische Akademie. Gefährliches Zauberchaos“ die dritte Staffel begonnen und die fängt mit einem Paukenschlag an: Lukas und Ella dürfen fortan die magische Akademie besuchen. Dort erwarten die Flüsterwald-Helden ganz neue spannende Abenteuer, die nicht nur ihnen die Haare zu Berge stehen lassen, sondern auch der Leserschaft.
Aber von vorn.
Lukas und Ella sind überrascht, als sie von einer kleinen grünen Frau besucht werden, die ihre magischen Fähigkeiten prüft. Mimmi Menteckel kommt von der magischen Akademie des Flüsterwalds und als die beiden bei der Prüfung zufriedenstellend abschneiden, eröffnet sie ihnen, dass sie an der Akademie angenommen wurden. Künftig werden sie an den Wochenenden von Freitag auf Samstag und von Samstag auf Sonntag jeweils über Nacht Unterricht in Fächern wie Delli-Reiten, Zaubertränke und Artefaktbau bekommen. Aber schon am ersten Wochenende bricht in der Akademie das Chaos aus. Und das liegt ausnahmsweise nicht an Rani, der sich unerlaubterweise mit Felicitas und Punchy in die Schule geschmuggelt hat. Da Begleiterinnen und Begleiter nicht gestattet sind, müssen der Menok, die Elfe und die Beschützerkatze draußen bleiben. Aber die drei finden natürlich einen Weg, ihre Freunde doch zu begleiten. Doch kaum angekommen stehen Schülerschaft und Lehrkörper vor einem Problem: die magischen Kräfte wurden vertauscht und plötzlich hat niemand mehr wirklich Kontrolle über das, was er so zaubert.
„Die magische Akademie“ war für mich bislang eines der besten „Flüsterwald“-Bücher überhaupt. Es hatte für mich mal wieder genau die richtige Mischung aus Witz und Spannung. Ja, die eine oder andere Idee von Andreas Suchanek erinnerte ein bisschen an Harry Potter, aber ich fand seine liebevoller ausgearbeitet und kreativer. Am meisten begeistert haben mich der Süßigkeitenautomat, der Süßigkeiten ausspuckt, wenn man ihm einen Witz erzählt (die Qualität der Süßigkeiten ist von der Qualität der Witze abhängig), dass im Speisesaal jeder genau das bekommt, was er in dem Augenblick möchte (plus eine Portion Gemüse) und die eigensinnigen Bücher. Aber mich würde wirklich interessieren, wie Säuselspuck schmeckt, denn das scheint die angesagte Geschmacksrichtung für alles zu sein.
Die Geschichte an sich ist spannend und, wie von Andreas Suchanek gewohnt, spielen Freundschaft und Zusammenhalt eine große Rolle. Ich finde es angenehm, dass der Autor sehr inklusiv schreibt, er schreibt generell von Schülerinnen und Schülern, Beschützerinnen und Beschützern und so weiter. Das mag den einen oder anderen stören, Binnen-I, Unterstriche, Doppelpunkte stören diejenigen beim Lesen aber auch, daher hat er das meiner Meinung nach elegant und gut gelöst. Und auch sonst fand ich das Buch sprachlich sehr ansprechend, altersgerecht und die Kapitel sind in einer Länge, die sowohl für ein Vorlesebuch als auch für Lese-Anfänger gut geeignet sind.
Die Charaktere sind sehr liebevoll ausgearbeitet, Andreas Suchanek gibt ihnen in jedem Band neue Facetten, sodass man ihre Entwicklung hautnah mitverfolgen kann. Ich habe mich über das Wiedersehen mit Jacub, Noah, Zoe und den anderen Beschützern und Beschützerinnen aus den internationalen Flüsterwäldern gefreut. Die Schauplätze sind anschaulich und lebendig beschrieben. Die Geschichte ist für Einsteiger und für Fans der Serie gut verständlich, aber Vorkenntnisse aus den anderen Teilen schaden nichts. Als Fan der ersten Stunde empfehle ich daher nicht nur dieses Buch gerne weiter, sondern natürlich alle anderen Bücher aus der Reihe auch.
Zu der „Story-Game-App zur Buchreihe“ kann ich nichts sagen, ich habe sie nicht getestet. Für das Buch gibt es von mir aber die volle Punktzahl, um es auf die Flüsterwald-Art zu machen: Danke, liebes Buch für die unterhaltsamen Stunden voller Spannung und Freundschaft. Fünf Sterne von mir.

Bewertung vom 24.01.2025
Schuld / Team Oslo ermittelt Bd.3
Naess, Sven Petter

Schuld / Team Oslo ermittelt Bd.3


sehr gut

„Schuld“ ist der dritte Krimi aus Sven Petter Næss Serie um den norwegischen Ermittler Harinder Singh. Hundertprozentig konnte das Buch mich nicht begeistern, ich fand es etwas schwächer als den Vorgänger „Furcht“. Es war alles in allem kein schlechtes Buch, aber der Funke sprang einfach nicht über, außerdem fehlte mir ein bisschen die Spannung.
Aber von vorn.
Nachdem Harinder Singh endlich eine Kniegelenksprothese ins rechte Bein eingesetzt wurde, ist er noch nicht wieder dienstfähig. Die OP war kompliziert und die Reha zieht sich. Dass die Strafverteidigerin Christina Sandberg ihn um Hilfe in einem Fall bittet, ist eine willkommene Abwechslung für ihn. Helene Waaler war vor 18 Jahren wegen des Doppelmordes an ihrer Mutter und ihrem Stiefvater verurteilt worden. Jetzt wurde sie vorzeitig aus der Haft entlassen. Der Fall ist für Harinder sehr speziell: er kennt Helene und ihre verstorbene Mutter aus der Schulzeit. Helene war zwei Klassen unter ihm, ihre Mutter war seine Klassenlehrerin. Helene hatte immer ihre Unschuld beteuert und möchte mit Christina Sandbergs Hilfe ein Wiederaufnahmeverfahren anstrengen. Harinder beginnt zu ermitteln. Er geht alte Akten durch, besucht Tatorte und ehemalige Weggefährten von Helene. Schnell hat er mehr Fragen und Zweifel als Antworten. Außer seinem Chef Eystein Musæus, der damals die Ermittlungen gegen Helene leitete, scheint er auch noch anderen auf die Füße zu treten. Seine Wohnung wird verwanzt, seine Computer angezapft und er wird überwacht. Während er sich und seine Tochter Savi in Sicherheit bringen muss, drängt sich eine Frage auf: wurde Helene Opfer eines Justizirrtums? Hatten die Ermittler sich damals zu vorschnell auf sie als Täterin versteift? Noch komplizierter wird alles, als Helenes leiblicher Vater Stig Waaler tot aufgefunden wird. Sie hatte sich kurz zuvor mit ihm getroffen und sie gingen im Streit auseinander. Der alte Fall und ein neuer Mord treffen aufeinander.
Die Idee hinter dem Krimi finde ich ganz hervorragend. Es beginnt mit einem ermordeten Ehepaar und der Fall zieht weite Kreise. Über der ganzen Geschichte schwebt die Frage: cui bono? Wer profitiert von ihrem Tod? Die impulsive und aggressive Tochter, die Probleme mit Eltern und Drogen hatte und sich an den Abend der Tat nur noch bruchstückhaft erinnern kann? Oder der Bruder des Ermordeten, der den Hof erbte und alles an einen Investor verkaufte, nachdem Helene im Gefängnis war? Oder steckt jemand ganz anderes dahinter? Der Frage muss auch Harinder Singh nachgehen. Fast 20 Jahre später passiert im selben Umfeld noch ein Mord. Die Verknüpfung der beiden Fälle, die so lang auseinanderliegen und doch zusammenhängen, fand ich sehr spannend.
Psychologisch fand ich den Krimi gut. Was geht in einem Menschen vor, der fast sein halbes Leben im Gefängnis verbracht hat, vor allem, wenn er sein Leben lang als „schwierig“ galt? Was erwartet diesen Menschen, wenn er nach seiner Haftentlassung in die alte Heimat zurückkommt? Die Charaktere fand ich sehr gut ausgearbeitet. Vor allem Helene Waaler und Christina Sandberg zeichnet Sven Petter Næss als äußerst starke und selbstbewusste Frauen. Harinder Singh und seine Tochter Savi bekommen neue Facetten, wobei bei Harinder nicht wirklich eine Entwicklung festzustellen ist: er ist immer noch derselbe sture und zielstrebige Ermittler.
Sprachlich fand ich das Buch ansprechend, es lässt sich gut und flüssig lesen. In die laufende Erzählung werden immer wieder kurze Einblicke in die Gedanken eines Unbekannten eingeschoben (Zwischenkapitel, kursiv gesetzt). Er verfolgt sowohl Harinder Singh als auch die Anwältin Christina Sandberg. Wer er ist und wieso er die beiden observiert, erfährt man erst spät, wodurch die Leserschaft einen gewissen Wissensvorsprung gegenüber den Ermittlern hat. Dadurch wird die, sonst meiner Meinung nach etwas spärliche Spannung, etwas gesteigert. Begeistern konnte das Buch mich trotzdem nicht, aber es hat mich gut unterhalten. Von mir vier Sterne.

Bewertung vom 24.01.2025
Furcht / Team Oslo ermittelt Bd.2 (eBook, ePUB)
Naess, Sven Petter

Furcht / Team Oslo ermittelt Bd.2 (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

„Furcht“ ist mein erster Krimi des norwegischen Autors Sven Petter Næss und hat mich sehr überrascht. Ich brauchte zugegebenermaßen einige Zeit, mich in die Geschichte einzufinden, was eventuell auch daran liegt, dass ich den ersten Teil der Serie nicht gelesen habe. Auf Norwegisch sind inzwischen vier Teile erschienen, auf Deutsch wurden bisher drei davon übersetzt. Aber als ich die Charaktere auseinanderhalten konnte, begann das Buch Fahrt aufzunehmen und zunehmend Spaß zu machen. Ein norwegischer Polizist ermittelt in einem Fall in Edinburgh – das Setting hat Potential und der Autor holt das Maximum aus der Geschichte raus.
Aber von vorn.
Harinder Singh ist als Sohn indischer Einwanderer in Norwegen aufgewachsen und arbeitet als Polizist in Oslo. Familie ist ein wichtiges Thema für ihn, vor allem zu seiner Nichte Amandeep hat er ein enges Verhältnis. Ursprünglich wollte sie Polizistin werden, was von der Familie nicht akzeptiert wurde, daher ging sie nach ihrem Bachelor-Abschluss zur Armee, war im Auslandseinsatz und hat jetzt beschlossen, in Edinburgh ihren Master zu machen. Nach einem Wanderausflug mit Freunden wird sie an ihrer Haustür entführt und später schwerverletzt im Water of Leith, dem Fluss, der sich quer durch die Stadt schlängelt, gefunden. Harinder fliegt sofort nach Schottland, um der Familie beizustehen, aber auch um die Ermittlungen seiner schottischen Kollegen, allen voran DS Roisin Lawson gegebenenfalls zu unterstützen. Hilfe bekommt er durch Roisins ehemaligen Kollegen James Riddle. Hat Amandeeps ex Freund Vijay etwas mit dem Fall zu tun? Oder hat sie sich in ihrem letzten Nebenjob in einem dubiosen Club Feinde gemacht? Harinders Kollegin Rachel ermittelt in Oslo gegen die beiden Chefs des „Gemini“, denn sie werden unter anderem der Geldwäsche verdächtigt, sollen aber auch mutmaßliche Drahtzieher hinter einem Großteil des örtlichen Drogenhandels sein. Außerdem ist ihr Geschäftsführer vor einigen Monaten auf offener Straße hingerichtet worden. Zufälle oder hängt das alles zusammen?
Der Krimi hat mich nach einem etwas schleppenden Einstieg positiv überrascht. Oslo kenne ich nicht, aber die Schauplätze in Edinburgh hatte ich beim Lesen klar vor Augen. Die Charaktere fand ich gut ausgearbeitet. Harinder Singh ist ein kompetenter und zielstrebiger Ermittler, manchmal fand ich ihn allerdings etwas stressig in seiner Beharrlichkeit, oder besser gesagt: in seiner Sturheit. Auch die weiteren Personen wie Rachel Hauge, Roisin Lawson und James Riddle werden vom Autor lebendig beschrieben. Da ich den ersten Teil der Serie nicht kenne, waren mir die Protagonisten neu und auch sonst bin ich ohne Vorkenntnisse an „Furcht“ herangegangen. Probleme mit dem Verständnis hatte ich aber keine. Sprachlich fand ich das Buch ansprechend. Es ist flüssig zu lesen und die Übersetzung ist gelungen.
Insgesamt lebt das Buch von der fast konstant düster-bedrohlichen Atmosphäre. Durch die ständigen Wechsel der Schauplätze (der Autor wechselt fast kapitelweise zwischen Edinburgh und Oslo hin und her) ist das Tempo des Buchs und entsprechend auch der Spannungsbogen sehr hoch. Die Spannung wird durch einige Plot-Twists und die überwiegend kurzen Kapitel noch gesteigert. Fast jedes Kapitel endet mit einem Cliffhanger – danach wechselt der Autor den Schauplatz oder die Hauptperson und steigert damit die Spannung noch mehr. Der Schluss macht durch einen fulminanten Cliffhanger klar, dass das Buch Teil einer Serie ist, der nächste Band „Schuld“ ist auf Deutsch inzwischen ebenfalls erschienen.
Interessant fand ich auch, dass der Autor seinem Publikum Sikh- Traditionen nahebringt und anhand von Amandeep aufzeigt, welche Probleme diese für junge Frauen mit sich bringen können (arrangierte Ehen, eingeschränkte Freiheiten bezüglich der Berufswahl). Damit geht er über den reinen Krimi hinaus. Ich empfehle das Buch jedem, der psychologisch gut konstruierte spannungsgeladene Kriminalromane zu schätzen weiß. Fünf Sterne von mir.

Bewertung vom 24.01.2025
Cop Town
Slaughter, Karin

Cop Town


gut

„Cop Town“ ist ein Stand-Alone-Thriller von Karin Slaughter aus dem Jahr 2015. Es ist für mich nicht wirklich ein Thriller, sondern mehr ein gesellschaftskritischer Roman mit viel Gewalt und einigen Toten, außerdem fand ich es zu langatmig und zu wenig spannend. Die Tatsache, dass es mir beim Lesen ein sehr unangenehmes Gefühl in der Magengegend bescherte, liegt eher an der aktuellen politischen Situation als an dem Buch an sich, denn gefühlt sind die USA auf dem besten Weg zurück in die Zeiten, die in diesem Buch beschrieben werden. Dennoch ist es für mich eines der schwächsten Bücher von Karin Slaughter.
Aber von vorn.
Die Polizei in Atlanta ist im Ausnahmezustand. Ein Killer scheint wahllos Polizisten zu erschießen, fünf Opfer sind schon zu beklagen. Die Polizei schwört eher auf Rache als auf eine saubere Aufklärung der Morde. Mittendrin sind Maggie Lawson und Kate Murphy. Maggies Bruder Jimmy war dabei, als sein Partner Don erschossen wurde, die verwitwete Kate ist neu bei der Polizei. Niemand nimmt die beiden ernst, also ermitteln sie zusammen und kämpfen gegen Ignoranz und Hass von allen Seiten. Schnell entdecken sie, dass die Zeugenaussage von Maggies Bruder Jimmy so nicht stimmen kann. Will er etwas vertuschen?
Wow. In diesem Buch prallen völlig unterschiedliche Charaktere aufeinander. Auf der einen Seite: die Männer. Karin Slaughter beschreibt die Polizei von Atlanta des Jahres 1974 als eine misogyne, antisemitische, hasserfüllte und oft betrunkene Gruppe von selbstherrlichen Rassisten. Auf der anderen Seite, ebenso stereotyp: die Frauen. Diese sind eine inhomogene Gruppe, in der statt Solidarität eine gewisse „Stutenbissigkeit“ und Zickenkrieg herrschen. Kate als Neue hat es schwer. Sie stammt aus einer reichen jüdischen Familie, ihr Mann ist in Vietnam gefallen und es ist ihr erster Job. Maggie kommt hingegen aus einer eher einfachen Familie, ihr Onkel Terry und ihr Bruder sind ebenfalls bei der Polizei, ihrer Mutter wäre es lieber, sie würde als Sekretärin arbeiten. Beide Frauen haben unterschiedliche Gründe, wieso sie zur Polizei gegangen sind, aber beide wollen sich beweisen und ihren Platz innerhalb der Truppe behaupten.
Erzählt wird die Geschichte von einem externen Erzähler jeweils mit Maggie oder/und Kate als Mittelpunkt, in einigen spielt aber der Täter die Hauptrolle und man erfährt aus erster Hand etwas über seine Ziele und Motive. Das steigert einerseits die Spannung, weil man dazu angehalten wird, mitzuraten, wer sich hinter dem „Fox“ verbirgt, andererseits steigert es aber auch den Abscheu-Faktor, denn die Gründe für die Taten sind weder hehr noch dienen seine Taten der Wiederherstellung von „Recht und Ordnung“. Es ist vielmehr Selbstjustiz aus absolut niederen Beweggründen.
Sprachlich ist das Buch so, wie man es von Karin Slaughter gewöhnt ist: vulgär, primitiv und brutal. Da hört aber für mich auch schon die Ähnlichkeit zu ihren anderen Büchern auf. Obwohl sich die Geschichte nur über einen Zeitraum von vier Tagen erstreckt, fand ich „Cop Town“ zu langatmig, zu voller Nebensächlichkeiten und insgesamt zu wenig spannend. Es ist für mich kein Thriller, sondern vielmehr ein gesellschaftskritischer Roman rund um einen durchgeknallten Massenmörder. Die Jagd auf ihn verkommt aber schnell zur Nebenhandlung. Die Themen Rassismus und Frauen-Juden-Schwulenhass sind von der Autorin durchaus gut beschrieben, ebenso das unkollegiale Verhalten der Polizisten untereinander, die Stutenbissigkeit unter den Frauen und die aufkeimende Emanzipation gegen das immer noch vorherrschende Patriarchat.
Karin Slaughter hat zu diesem Thema sicherlich gründlich recherchiert. Sie beschreibt die Probleme weiblicher Polizeibeamter auch in ihrem Buch „Blutige Fesseln“, einem Teil der Georgia-Serie. Dieses fand ich allerdings um Klassen besser, wer also einen Thriller mit dem Themenschwerpunkt lesen möchte, dem sei dieses Buch eher ans Herz gelegt. Für „Cop Town“ reicht es bei mir nur für drei Sterne.

Bewertung vom 13.01.2025
Die unbekannte Astrid Lindgren
Bohlund, Kjell

Die unbekannte Astrid Lindgren


ausgezeichnet

Wie so viele bin ich mit Astrid Lindgrens Büchern aufgewachsen. Kjell Bohlunds Buch „Die unbekannte Astrid Lindgren. Ihre Zeit als Verlegerin“ zeigte mir eine völlig andere, aber mindestens ebenso beeindruckende Seite der weltbekannten Autorin. Kjell Bohlund beleuchtet anschaulich, worin der Unterschied zwischen Astrid Lindgren als Verlagsmitarbeiterin und als Person des öffentlichen Lebens bestand. Für mich war das Buch interessant, informativ und unterhaltsam, denn der Verfasser ist ein Kenner Astrid Lindgrens. Er war selbst Verleger bei Rabén & Sjörgen, dem Stockholmer Verlag, in dem sie arbeitete und der auch ihre Bücher verlegte. Außerdem war er Vorsitzender der Astrid-Lindgren-Gesellschaft. Obwohl es sich mehr auf Fakten abseits der bekannten Werke konzentriert, fand ich es keineswegs trocken, sondern durchaus lesenswert.
Aber von vorn.
Die wenigsten kennen wohl den Werdegang Astrid Lindgrens. Während des Krieges war sie für die Postüberwachung des schwedischen Geheimdienstes tätig, nach Kriegsende musste sie sich neu orientieren. 1944 nahm sie einem Schreibwettbewerb des Verlags Rabén & Sjörgen teil. Der Verlag bestand erst seit 1942 und stand kurz vor dem Bankrott. Astrid Lindgren gewann den zweiten Platz bei dem Wettbewerb. Ihr Debüt bekam gute Kritiken, verkaufte sich aber nur mäßig. Beim Wettbewerb im Jahr darauf reichte sie „Pippi Langstrumpf“ ein, das zuvor von einem anderen Verlag abgelehnt worden war. Mit diesem Manuskript gewann sie, einen Monat vor Heiligabend 1945 erschien das Buch und wurde zu Astrid Lindgrens erstem Bestseller. Trotz ihres Erfolgs nahm sie einen Job als Bürokraft im Verlag an, denn statt ausschließlich als freie Autorin zu arbeiten, bevorzugte sie „eine Stelle mit festem Gehalt und einen Arbeitsplatz, den sie täglich aufsuchen konnte.“ So schrieb sie morgens an ihren Büchern und mittags arbeitete sie im Verlag. Dieser entging dem Konkurs, Astrid Lindgren feierte Erfolge – der Rest ist Geschichte.
24 Jahre lang war sie nicht nur das literarische Zugpferd des Verlags, sondern auch die erste auf Kinderliteratur spezialisierte Lektorin und später eine der erfolgreichsten Verlegerinnen der schwedischen Buchbranche. Innerhalb von fünf Jahren wurde aus Rabén & Sjörgen vom Konkurs-Kandidaten Skandinaviens führender Kinderbuchverlag mit solidem wirtschaftlichem Fundament und hohem Ansehen. Astrid Lindgren bewies ein Näschen für erfolgreiche Bücher. Neben ihren eigenen Werken kümmerte sie sich nachmittags im Verlag um die Werke zahlreicher anderer Autoren (obwohl sie kein Freund der Bücher Enid Blytons war, ließ sie sie von ihrer Schwester aus dem Englischen ins Schwedische übersetzen und sorgte für die Veröffentlichung). Ihre Zusammenarbeit mit Illustratoren und Illustratorinnen und Autoren und Autorinnen beschreibt Bohlund anschaulich. Sie war eine taffe Geschäftsfrau, eine behutsame Lektorin und eine konstruktive Kritikerin. Oft hat sie sich wohl für ihre geübte Kritik sogar entschuldigt, was psychologisch ein kluger Zug ist.
Die deutsche Übersetzung des Buchs ist zwei Kapitel länger als die schon 2018 in Schweden erschienene Version. Der Autor schreibt sehr ausführlich über die Beziehung der Autorin zu Deutschland und die erfolgreiche geschäftliche Zusammenarbeit mit dem Verlag Friedrich Oetinger, in dem auch heute noch ihre Bücher veröffentlicht werden. Auch über diesen Verlag erfährt man einiges, ebenso die Freundschaft zwischen Lindgren und den Oetingers.
Ob „Die unbekannte Astrid Lindgren“ als Kinderbuch wirklich richtig platziert ist, wage ich zu bezweifeln. Ich bin ja ein sehr „fortgeschrittenes“ Kind, mir hat es gefallen. Der Autor gibt sich Mühe, anschaulich und lebendig zu schreiben, dazu gibt es Bilder und Auszüge aus Briefen von Astrid Lindgren an ihre Eltern. Als Jugendlicher hätte das Buch mich vermutlich eher gelangweilt. Mir hat es aber die Autorin als eine Art „Superfrau“ und „role model“ nähergebracht, daher von mir fünf Sterne.

Bewertung vom 13.01.2025
#ALS und andere Ansichtssachen
Bär, Christian

#ALS und andere Ansichtssachen


sehr gut

„Humor ist, wenn man trotzdem lacht“ – das könnte über Christian Bärs Buch „ALS und andere Ansichtssachen“ stehen. Ich kannte den Verfasser und seinen preisgekrönten Blog [ madebyeyes ] vorher nicht, hatte aber einige flüchtige Berührungspunkte mit ALS, daher hatte ich an das Buch keine Erwartungen und wurde positiv überrascht. Es ist ein überwiegend flapsig geschriebenes Buch und trotz einiger Exkurse in Politik und Organisatorisches locker zu lesen. Die viele Selbstironie und der „Galgenhumor“ haben mich aber doch manchmal überrascht.
Aber von vorn.
Christian Bär ist 38 Jahre alt und gerade Vater geworden, als er 2016 die Diagnose ALS (Amyotrophe Lateralsklerose) bekommt. Begonnen hatte seine Krankheit schon früher mit Muskelzucken („Mein rechter Bizeps fing an, unentwegt zu zucken und hat damit bis heute nicht mehr aufgehört. Stattdessen hatte er seine Nachbarn motiviert, es ihm doch gleichzutun, und so zuckte ein Jahr später so ziemlich alles. Bis zum All-you-can-zuck lag aber noch ein Jahr vor uns“) und Muskelschwäche („Sowohl mein rechtes Bein als auch mein rechter Arm funktionierten nicht so schnell wie ihre linken Pendants“). Als er es vor seinem Umfeld nicht mehr verbergen kann, drängen ihn seine Frau und seine Schwiegermutter, einen Arzt aufzusuchen. ALS lautet die Diagnose, eine Lebenserwartung von drei bis fünf Jahren beträgt bei rapide fortschreitender Pflegebedürftigkeit lautet damit die Prognose. Der passionierte Sportler ist zunehmend auf Hilfe angewiesen, benötigt ab 2017 einen Rollstuhl, ein rollstuhlgerechtes Auto und verliert zunehmend Fähigkeiten wie sprechen. Bei der Kommunikation greift er auf einen Sprachcomputer zurück, den er Klaus nennt. Diesen steuert er mit den Augen, auch das Buch und sein preisgekrönter Blog entstanden so.
Christian Bär ist realistisch. Alle Medikamente, die im Zusammenhang mit ALS genannt werden, bringen keine Heilung, bestenfalls einen Aufschub. Er schreibt über Riluzol, das einzige in Deutschland zugelassene Medikament und über Edaravone, ein Mittel, das in Deutschland und der EU nicht zugelassen ist. Es kann verschrieben und verabreicht werden, „Die Kosten können auf Antrag von der Krankenkasse übernommen werden.“ – dieser Satz taucht einige Male im Buch auf und zeigt die immer wiederkehrende Willkürlichkeit, der Menschen mit chronischen Erkrankungen und/oder Behinderungen ausgesetzt sind. Natürlich schreibt Christian Bär auch sehr viel über das „Reha- und Intensivpflege-Stärkungsgesetz“ der alten Bundesregierung, das Menschen aus der ambulanten Intensivpflege in die vollstationäre Unterbringung zwingen wollte. Dieses „RISG“ hängt wie ein Damoklesschwert über den Betroffenen.
Der sehr spezielle Humor des Verfassers ist sicher nicht jedermanns Sache, ebenso die Tatsache, dass er gefühlt in jeden Kapitel vom Thema abschweift und sich selbst dann zur Ordnung ruft. Aber eines ist klar: Christian Bär zeigt, dass er trotz seiner zunehmenden Hilfsbedürftigkeit das Positive im Leben sehen kann. „Nur weil ich altere und mich verändere, fühlt sich mein und unser Leben nicht weniger lebenswert an“, schreibt er. „Ich bin zum Ergebnis gekommen, dass ich insgesamt glücklich bin. [..] Mir geht dieses in Mode gekommene Dauergejammer ohnehin auf den Senkel.“ Bei den von ihm verwendeten Hilfsmitteln erwähnt er, dass der inzwischen verstorbene Bruno Schmidt von „ALS – Alle lieben Schmidt“ eine Liste erstellt hat. Da traf Christian Bär bei mir einen Nerv, denn ich durfte Bruno Schmidt kennenlernen und zwei Benefizläufe mit ihm bestreiten.
Das Buch besteht mehr oder weniger aus aneinandergereihten Blog-Beiträgen, die mit Augensteuerung geschrieben wurden. Keine Ahnung, ob es daher überhaupt ein Lektorat gab. Fakt ist, dass mir einige handwerkliche Fehler aufgefallen sind, Rechtschreibfehler, Wiederholungen und die schlichtweg falsche Aussage, „Die Pandemie ist überstanden […].“ Große Literatur ist es nicht, aber ich fand es informativ und unterhaltsam und vergebe vier Punkte.

Bewertung vom 02.01.2025
Schattenblume / Grant County Bd.4
Slaughter, Karin

Schattenblume / Grant County Bd.4


ausgezeichnet

„Schattenblume“ ist der vierte Band der „Grant County“-Serie von Karin Slaughter. Zwar ist es ganz sicher nicht der beste Teil der Reihe, aber jetzt, da ich das Buch ein zweites Mal gelesen habe (ich hatte es 2004 schon einmal gelesen), gefällt es mir tatsächlich besser. Wie der Titel „Schattenblume“ zustande kommt, erschließt sich mich allerdings nach wie vor nicht. Im Original heißt das Buch „Indelible“ (auf Deutsch etwa „unauslöschlich“), was um einiges besser passt. Sei’s drum. Ich fand den Thriller spannend und lesenswert.
Aber von vorn.
Zwei Bewaffnete laufen in der Polizeiwache von Heartsdale Amok. Außer einigen Polizeibeamten sind auch Rechtsmedizinerin Sara Linton und eine komplette Grundschulklasse in der Gewalt der beiden, die schnell das Feuer eröffnen und ein Blutbad anrichten. Polizeichef Jeffrey Tolliver wird getroffen und schwer verletzt. Seine ex Frau Sara versucht, ihn am Leben zu halten, bis die Wache gestürmt und befreit werden kann. Die beiden hatten noch kurz vorher diskutiert, ob sie wieder zusammenziehen wollen. Die Schützen scheinen mit Jeffrey eine offene Rechnung begleichen zu wollen. Aber warum und wer sind sie?
Die Wahrheit liegt wohl in der Vergangenheit, wie Karin Slaughter in einem zweiten Handlungsstrang erzählt. Jeffrey kommt aus einem kleinen Ort Sylacauga und hatte keine schöne Kindheit gehabt. Sein Vater war kriminell, verprügelte seinen Sohn und seine alkoholabhängige Ehefrau. Vor 1991 war Jeffrey zum ersten Mal mit Sara in seinem Heimatort, dort traf sie auf seine Mutter, seine ex Freundin Darnell und einige seiner Kumpels aus der Schulzeit. Man kann nicht sagen, dass sie freundlich empfangen wurde, noch dazu kommt in ihrer ersten Nacht dort ein Mensch zu Tode – Robert, einer von Jeffreys ehemals besten Freunden, erschießt in Notwehr einen Einbrecher. Aber seine Geschichte hat Lücken, war es etwa doch ein Mord? Und dann findet Sara auch noch das Skelett einer jungen Frau in einer Höhle.
„Schattenblume“ hat es wirklich in sich. Es ist ein Buch voller Gewalt, Engstirnigkeit und Hass auf alles Mögliche. Und es ist ein Buch voller Überraschungen. Jeffreys Vergangenheit und das Aufwachsen in einer dysfunktionalen Familie haben mich ebenso überrascht, wie die Tatsache, dass seine Beziehung zu Sara eigentlich von Anfang an eher kompliziert war. Lena Adams darf überraschenderweise wieder als Polizistin arbeiten, wenig überraschend ist hingegen, dass sie immer noch mit dem ex Knacki Ethan Greene zusammen ist. Und natürlich wartet auch die eigentliche Handlung mit einigen Überraschungen auf. Zu diesen kann ich natürlich nichts sagen, ich möchte ja nicht spoilern.
Fakt ist, dass das Buch mich beim zweiten Lesen mehr begeistert hat als beim ersten. Irgendwie fand ich es wie guten Wein: wir mussten beide wohl etwas reifen. Die Charaktere reifen auch, sie entwickeln sich seit Band 1 der Serie stetig weiter. Karin Slaughter baut sie mit viel Liebe zum Detail mehr oder weniger sympathisch aus. Für Fans der Serie ist dieses Buch natürlich ohnehin ein Muss, Neulinge dürften mit diesem Teil vielleicht Probleme haben, da einiges Wissen aus den „Vorgängern“ vorausgesetzt wird. Die Handlung von „Dreh dich nicht um“ liegt zeitlich nur knapp drei Monate vor den Geschehnissen in „Schattenblume“, daher empfiehlt sich die Lektüre aller Bücher der Serie in der richtigen Reihenfolge.
Die Handlung ist spannend erzählt, vor allem auch deshalb, da die Geiselnahme sich innerhalb von sehr wenigen Stunden abspielt und die Handlung in der Vergangenheit im Laufe weniger Tage. Bei der Handlung in der Gegenwart wird man sehr unvermittelt in die Spannung geworfen, in der Vergangenheit entwickelt es sich etwas langsamer. Es ist auch lange unklar, wie die beiden Stränge zusammenhängen.
Für mich war es ein psychologisch interessanter und äußerst spannender Thriller, der mir vor allem Jeffrey etwas näherbrachte und einige offene Fragen beantwortete. Von mir fünf Sterne.

Bewertung vom 13.12.2024
Zerstört / Grant County Bd.6
Slaughter, Karin

Zerstört / Grant County Bd.6


ausgezeichnet

„Zerstört“, der sechste und letzte Teil von Karin Slaughters „Grant County“-Serie, hat es in sich. Mittendrin dieses Mal: Lena Adams, Polizistin, enfant terrible und bekannt als Magnet für Unheil und Probleme. Das Buch ist der letzte Teil der Serie, der Schluss kommt also ein bisschen wie eine kalte Dusche, wenn man die Charaktere vorher liebgewonnen hat. Ich hatte es vor über zehn Jahren zum ersten Mal gelesen, jetzt in der Neuauflage noch einmal – und ich muss sagen, es gefiel mir dieses Mal noch besser.
Aber von vorn.
Jeffrey Tolliver, Polizeichef von Heartsdale, wird nach Reese im Elawah County gerufen. Seine Kollegin Lena ist in dem Ort aufgewachsen, ihr Onkel Hank lebt noch dort. Jetzt wurde eine weibliche Leiche in einem ausgebrannten Auto gefunden und Lena ist in Polizeigewahrsam. Sie ist gleichzeitig Zeugin und Hauptverdächtige. Dr. Sara Linton, Kinderärztin und Rechtsmedizinerin, hat einen Kunstfehlerprozess am Hals, der sie sehr mitnimmt. Daher nutzt sie die Gelegenheit, ihren Mann Jeffrey nach Reese zu begleiten. Lena schafft es, aus dem Gewahrsam zu verschwinden und taucht unter. Telefonisch fordert sie Jeffrey und Sara mehrfach auf, die Stadt so schnell wie möglich zu verlassen. Als eine männliche Leiche durch das Fenster in deren Motelzimmers geworfen wird, bekommen die beiden einen Eindruck von der wirklichen Dimension der Kriminalität in Reese. Der tote Mann hat nicht nur ein auffälliges Hakenkreuz-Tattoo am Arm, in seinem Rücken steckt auch noch Lenas Messer. Weiß ihr inzwischen inhaftierter ex-Freund Ethan Green etwas über die Morde? Und was hat das alles mit Lenas Familiengeschichte zu tun?
Es ist eine ganze Menge, die Karin Slaughter da ihrer Leserschaft auftischt. Saras Kunstfehlerprozess, unter dem sie sehr leidet, verkommt da schnell zur Nebensache. Drogen, Gewalt und Rechtsradikale prägen den Handlungsstrang, der in Reese spielt. Und mittendrin befinden sich Lena Adams und ihr Onkel Hank. Die beiden sind die wahren Protagonisten des Buchs. Hank hängt inzwischen wieder an der Nadel und, obwohl es ihr selbst nicht gefällt, sorgt sich Lena um ihn, schließlich hat er sie und ihre Zwillingsschwester Sybil großgezogen. Karin Slaughter baut die beiden Charaktere in allen möglichen Facetten sehr detailreich aus. Lena wird dadurch nicht sympathischer und ihre Handlungen auch kein bisschen logischer. Jeffrey und Sara, inzwischen wieder miteinander verheiratet, haben sich dazu durchgerungen, ein Kind zu adoptieren. Der Rest der Charaktere verkommt allerdings mehr zu Nebenfiguren, eher stereotyp als dreidimensional.
Karin Slaughter erzählt die Geschichte in mehreren Zeitebenen und aus verschiedenen Perspektiven, aus der Sicht von Lena und Jeffrey und Sara. Die Handlung schließt zeitlich sehr nah an den Vorgängerband an und erstreckt sich grob über eine Woche. Man erfährt einiges aus Lenas Vergangenheit und aus der Zeit direkt vor dem ersten Mord. Sprachlich ist das Buch so, wie man es von der Autorin erwartet: brutal, blutig und voller Kraftausdrücke, dieses Mal wird auch ganz gerne mal gezündelt. Wie immer wird geflucht und beleidigt, was das Zeug hält. Der blanke Rassismus, den Slaughter beschreibt, ist sicherlich realistisch und die Verstrickungen und extrem gute Vernetzungen der Beteiligten sind beängstigend realitätsnah. Ich brauchte eine Weile, bis ich mit dem Buch warm war, aber nach ein paar Dutzend Seiten hatte es mich gepackt. Dann fand ich auch den Spannungsbogen zum Teil fast unerträglich hoch und bin nur so durch die Kapitel geflogen. Die Auflösung des Falls war für mich eine Überraschung und das Buch endet mit einem Paukenschlag.
Für mich war „Zerstört“ ein enorm spannender Thriller, den ich Karin-Slaughter-Fans und solchen, die es werden wollen, ans Herz legen möchte. Eventuell sollte man aber die anderen Teile der Serie vorher in der richtigen Reihenfolge lesen, es erleichtert das Verständnis ungemein. Von mir gibt es fünf Sterne.