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Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Lara89
Wohnort: 
Münster
Über mich: 
Geschichten sind das Größte

Bewertungen

Insgesamt 115 Bewertungen
Bewertung vom 27.07.2025
Das Geschenk des Meeres
Kelly, Julia R.

Das Geschenk des Meeres


sehr gut

Im schottischen Fischerdorf Skerry wird ein kleiner Junge an Land gespült. Er lebt, und er erholt sich bei der Lehrerin Dorothy, die vor vielen Jahren einen kleinen Jungen an das Meer verloren hat.
Die Geschichte entwickelt sich auf zwei Zeitebenen. Im Jahre 1900 kommt Dorothy ins Dorf, um zu unterrrichten. In der Gegenwart nimmt das Geschehen um den Findeljungen seinen Lauf, dabei werden Erinnerungen an die damalige Zeit wach. Ich musste manchmal nachschauen, ob ich gerade eine frische Erinnerung lese oder eine nacherzählte Vergangenheit. Aber alle Kapitel sind so betitelt, dass man sich stets gut orientieren kann.
Das Lebensgefühl der Menschen ist damals wie heute eng mit dem Meer verbunden. Einzelheiten gehen besonders zu Herzen: ein verlorener Stiefel, ein roter Ball zeigen die Machtlosigkeit des Einzelnen gegenüber der wilden Natur. Alte Sagen vom Meer werden erzählt und man fragt sich, was davon wahr sein könnte.
Der Stil ist sehr emotional. Nah an den Figuren werden ihre Sehnsüchte und Verletzungen beschrieben. Niemand hier ist ohne Vorgeschichte, insbesondere nicht Dorothy, die von einer lieblosen Mutter gelernt hat, keine Gefühle zu zeigen. So ist die Atmosphäre im Roman stets stürmisch, kühl und rau.
Eine fesselnde und stimmungsvolle Reise ans Meer.

Bewertung vom 27.07.2025
Onigiri
Kuhn, Yuko

Onigiri


weniger gut

Anstrengend

Liebevolle Erinnerungen an Mutter und Großmutter stehen im Zentrum dieses Buches. Die Großmutter verstirbt, die Enkelin nimmt das zum Anlass, mit der Mutter nach langer Zeit einmal wieder nach Hause zu fahren, nach Japan. Doch die Mutter ist dement.
Was eine kulturelle Begegnungsgeschichte hätte werden können, wird deshalb zu einem Versuch über die Bedeutung von Erinnerungen und über eine Beziehung zwischen Mutter und Tochter. Der Schreibstil bleibt sehr dicht an den beiden Protagonistinnen, und es gibt kaum wörtliche Rede. Hinzu kommt, dass Erinnerungen und Gegenwart so eng verwoben werden, dass es nicht immer ganz klar war, wo wir uns gerade befinden. Es war sehr schwierig zu lesen. Ich hatte das Gefühl, dass eigentlich nichts Spannendes passiert. Da sind die Beobachtungen der Tochter und die Erinnerungen der Mutter, das ist fast schon alles.
Eher etwas für Menschen, für die Demenz – oder Japan – gerade ein aktuelles Thema ist.

Bewertung vom 15.06.2025
Strandgut
Myers, Benjamin

Strandgut


ausgezeichnet

Poetisch
Er hatte mal einen Hit: Bucky, inzwischen über siebzig Jahre alt, ist nach England eingeladen, um ihn dort auf einem Festival zu singen. Zuhause in USA ist er längst vergessen, aber hier ist er ein Star, so wie er es als Jugendlicher hätte werden können. Doch seitdem ist eine Menge passiert. Jetzt trifft er auf Dinah, die ebenso wie er ein Leben voller Schwierigkeiten und Sorgen führt.
Wie das Leben uns verwundet, und wie wir trotzdem immer weitermachen, darum geht es in diesem Buch. Der Autor ist bei uns schon mit „Offene See“ bekannt geworden. Ich schätze seinen poetischen Stil und die Art, wie er Menschen beschreibt. Es sind glaubhafte, gebrochene Persönlichkeiten, die in ihrer Jugend voller Leidenschaft und Energie waren und im Laufe des Lebens viel haben einstecken müssen. Doch sie sind immer noch die, sie früher einmal waren.
Für Lesende, denen das Thema Altern bereits begegnet ist.

Bewertung vom 04.06.2025
Very Bad Widows
Hincenbergs, Sue

Very Bad Widows


ausgezeichnet

Schräg und spaßig
Es geht um vier wohlhabende Paare in ihren Sechzigern. Einer der Männer verstirbt bei einem Unfall. Oder war es Mord? Es wurde viel Geld unterschlagen, und die Ehefrauen, die sich um ihre Alterssicherung betrogen sehen, schmieden ein Komplott. Doch das ist erst der Anfang.
Die Geschichte ist voller Überraschungen und unerwarteter Wendungen. Und sie ist witzig: Es sind im Grunde ganz normale Menschen, die plötzlich mit monströsen Vorwürfen und Überlegungen konfrontiert sind. Dabei wollen sie eigentlich nur ein gutes Leben haben, am liebsten mit einander. Das Geschehen verändert die Menschen nicht, sie bleiben ebenso bieder und bürgerlich wie zu Beginn. Aber ihre Partnerschaften erleben eine neue Wertschätzung.
Die Handlung wird aus verschiedenen Perspektiven dargestellt, teilweise wird dieselbe Szene von den verschiedenen Beteiligten nacheinander geschildert, und sie ist jedes Mal ganz anders. Das wird spannend, wenn es darum geht, wer was weiß und wer eventuell einen (weiteren) Mord plant.
Ich hatte einen Krimi erwartet, vielleicht einen Thriller. Aber nicht so viele schräge Ideen und Verrücktheiten. Das hat Spaß gemacht! Wer Geschichten voller Überraschungen jenseits von Genres mag, ist hier richtig.

Bewertung vom 28.05.2025
Himmlischer Frieden
Wen, Lai

Himmlischer Frieden


ausgezeichnet

Großartig
Lai wächst in einem Arbeiterviertel in Peking auf. Als Erwachsene studiert sie Literatur und nimmt an den Protesten auf dem Platz des Himmlischen Friedens teil. Hier erzählt sie, wie es dazu kam. Der Roman basiert auf ihren eigenen Erfahrungen und auf den bekannten Tatsachen.
Es ist eine ruhig und fast poetisch erzählte Geschichte um eine schüchterne Protagonistin, die in Ich-Form von ihrer Kindheit, ihrer Schulzeit und ihrem Studium berichtet. Das liest sich authentisch und bewegend. Sie schildert ihre Familie und ihre Schulfreunde nuanciert und voller Wärme. Die Unterdrückung der Menschen in China durch die kommunistische Führung wird immer wieder an Einzelpersonen deutlich, beginnend mit ihrem Vater.
Die historischen Ereignisse gipfeln im Tiananmen-Massaker auf dem Platz den Himmlischen Friedens, mitten in Peking, im Juni 1989.
Ich freue mich sehr, aus dieser unbekannten Welt so eine angenehm zu lesende Geschichte ganz normaler Menschen genießen zu dürfen. Es ist großartige Literatur. Ein Highlight!

Bewertung vom 23.05.2025
Entromantisiert euch!
Frasl, Beatrice

Entromantisiert euch!


ausgezeichnet

Erschreckend
Stück für Stück zerlegt die Autorin das, was wir als Zweierbeziehung „romantischer Art“ so kennen und betreiben. Und manches ist ganz schön erschreckend. Das meiste davon ist längst allgemein bekannt. Es sind aktuelle Forschungsergebnisse aus Studien und Veröffentlichungen zum Thema. Im Namen der Liebe lassen Frauen sich weiterhin ausbeuten, benutzen und vergewaltigen.
Wichtig: Der Autorin geht es nicht um Liebe im Allgemeinen. Wir lieben schließlich nicht nur den Einen, Richtigen. Wir lieben unsere Freundinnen, unsere Kinder, unsere Familie, wir lieben Dinge, die wir tun und noch viel mehr. Aber für den Einen, Richtigen geben wir alles auf. Und das wird auch gesellschaftlich erwartet.
Ohne die romantische Liebe müssten die Männer ja selber ihre Wohnungen putzen, ihr Essen kochen und sich um ihre Gesundheit und um ihre Kinder kümmern. Ohne die romantische Liebe gäbe es vermutlich kaum Einkommensunterschiede zwischen den Geschlechtern, auch nicht im Alter.
Romantische Liebe dient der Unterdrückung der Frau. Sie hat fundamentale Bedeutung in der hiesigen patriarchalen Gesellschaft. Hier wird mal ordentlich und fachlich fundiert darüber gezetert. Das ist erhellend.

Bewertung vom 21.05.2025
Für immer (eBook, ePUB)
Lunde, Maja

Für immer (eBook, ePUB)


gut

Schwer vorstellbar
Schräge Geschichte mit tiefgründigen Fragen
Eines Tages bleibt die Zeit stehen. Die Menschen machen weiter wie bisher, aber es gibt keine Veränderung mehr, niemand wird geboren und niemand stirbt. Die Kinder wachsen nicht mehr, die Haare auch nicht. Wer verunglückt, überlebt verletzt, stirbt aber nicht. Wer Krebs hat, lebt weiter.
Mir diesem Setting konfrontiert die Autorin verschiedene Personen. Es sind ganz normale Menschen, glaubwürdig und sympathisch geschildert. Sie erhalten durch dieses Erlebnis einen neuen Blick auf ihr Leben. Im Zentrum steht Jenny, eine Fotografin und Mutter, die eine Krebsdiagnose bekommen hat. Ihre Fotografien halten in gewisser Weise die Zeit an, indem sie Augenblicke konservieren. Was passiert wirklich, wenn die Zeit angehalten wird? Das ist die Fragestellung, um die es der Autorin geht.
Aber als Geschichte funktioniert das nicht. Schon das Setting ist seltsam und teilweise unlogisch, die Auflösung noch viel mehr. Unbefriedigend.

Bewertung vom 18.05.2025
Stars
Kullmann, Katja

Stars


sehr gut

Unterhaltsam und witzig
Carla Mittmann ist als Akademikerin gescheitert und verdient ihr Geld mit einem Bürojob. Nebenbei betreibt sie ein kleines Internetportal für Horoskope. Da bekommt sie plötzlich 10000 Dollar geschenkt. Sie nutzt das Geld, um sich mit Horoskopen selbständig zu machen.
Es liest sich ein bisschen wie ein Abenteuer, das Sterne-Startup von Carla. Wie in akademischen Kreisen üblich, hält sie die Astrologie eigentlich für esoterischen Unsinn. So wirken die Beschreibungen der Horoskope wie witziger Blödsinn. Doch die Menschen glauben ihr, und mehr noch: sie glauben, dass das alles wirklich etwas mit ihrem Leben zu tun hat. Der Rat, der aus den Konstellationen am Himmel folgt, wird angenommen. Und bezahlt.
Die Protagonistin ist eine etwas schräge Person, von der man nicht immer versteht, warum sie tut, was sie tut. Doch die Entwicklung, die sie durchmacht, ist begreiflich. Die Kundinnen und Kunden, die sie gewinnt und berät, werden eher oberflächlich beschrieben. Schließlich untersucht Carla ihr eigenes Horoskop.
Die Geschichte bietet einen Einblick in das, was Menschen heute glauben und gerne glauben würden. Können die Sterne mir sagen, was ich tun soll? Wissen sie, was richtig für mich ist? Was soll ich tun? Carla gibt Antworten. Bis zum Schluss.
Das ist interessant und unterhaltsam. Und manchmal ziemlich witzig.

Bewertung vom 10.05.2025
Das Echo der Sommer
Labba, Elin Anna

Das Echo der Sommer


ausgezeichnet

Steigende Wasser
Geschichte einer Vertreibung
Inga lebt mit Mutter und Tante nomadisch im Norden Schwedens. Sie gehören dem Volk der Samen (Lappen) an. Als sie eines Tages in ihr Sommerhaus zurückkehren wollen, ist das ganze Dorf überflutet: Man hat einen Staudamm zur Stromgewinnung gebaut und das Tal geflutet, ohne die Menschen vorher auch nur zu informieren. Und der Wasserspiegel steigt weiter. Vieles an der Geschichte und der geschilderten Lebensweise erinnert an die indigenen Völker Nordamerikas.
Die Frauen sind sehr lebensnah geschildert, sie sind emotional, naturverbunden und pragmatisch. Das Dorf ist eine lose Gemeinschaft, in der man einander hilft, und die Jahreszeiten geben den Rhythmus vor, zusammen mit den Rentieren. Das Leben ist hart und voller Herausforderungen. Ingas Mutter will etwas Dauerhaftes schaffen, für sich und ihre Familie. Doch das Tal, in dem sie leben, verschwindet im Stausee und mit ihm, nach und nach, auch die Lebensweise der Samen.
Was fehlt, ist ein Glossar. Es kommen zahlreiche samische Begriffe vor, die nicht erklärt werden und die man sich aus anderen Quellen erschließen muss. Es wird auch samisch gesprochen, ohne dass eine Übersetzung angegeben ist. Nur wenige Ausdrücke erschließen sich aus dem Zusammenhang.
Die Autorin hat mit einem Sachbuch zum Thema schon Preise gewonnen. Hier die fiktionale Bearbeitung der Vertreibung der Samen durch den Staudammbau im 20. Jahrhundert. Das ist sehr gelungen und mehr als lesenswert. Es ist großartige Literatur.

Bewertung vom 29.04.2025
Vorsehung
Moriarty, Liane

Vorsehung


ausgezeichnet

Aber was, wenn doch?
Auf einer Flugreise steht plötzlich eine alte Dame auf und sagt jedem Passagier voraus, wann und woran er sterben wird. Die Geschichte verfolgt die weiteren Lebenswege dieser Personen. Das ist eine spannende Idee. Die Autorin schreibt seit Jahren Bestseller und man merkt, dass sie das drauf hat.
Die Menschen sind plastisch und lebendig dargestellt. Man kann sie sich gut vorstellen, es sind ganz normale Leute. Niemand kann die Vorhersage wirklich ignorieren. Auch die Wahrsagerin selbst kommt zu Wort. Sie schildert in Ich-Form, wie sie wurde, was sie ist, und wie sie zu diesen Vorhersagen kommt. Das macht das Ganze rund. Stil und Sprache sind angenehm und flüssig zu lesen. Insgesamt ist das Buch äußerst unterhaltsam, obwohl das Thema abstrakt ist und die Menge an Protagonisten recht groß.
Die Geschichte nimmt zum Schluss noch Fahrt auf und es gibt eine Auflösung. Das ist beeindruckend. Hier werden existenzielle Fragen gestellt, mitten im normalen Leben. Gut geschrieben und wirklichkeitsnah.