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Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Yernaya
Wohnort: 
Linz

Bewertungen

Insgesamt 32 Bewertungen
Bewertung vom 10.12.2025
Die weiße Nacht
Stern, Anne

Die weiße Nacht


ausgezeichnet

Bedrückende Kälte in den Ruinen der Hauptstadt

Der Krieg ist vorüber, aber das Leben der Menschen in Berlin im Hungerwinter 1946/47 ist kein leichtes. Kälte und Hunger bestimmen den Tag, überall herrschen Chaos und Entbehrungen. Eine neue Polizei wird gerade erst aufgebaut, doch die Bedingungen sind alles andere als gut. Kriminalkommissar Alfred König geht es nicht anders, er friert und hungert und soll nun unter widrigen Bedingungen ermitteln. Und dann ist da Lou Faber, eine Fotografin, die eine weibliche Leiche findet.

Anne Stern beschreibt die harten Bedingungen des Hungerwinters so eindrücklich, dass man die Kälte spürt. Sie erschafft eine eisige Atmosphäre, in welcher man die Strickjacke etwas enger zuzieht und gebannt die Zeilen des Romans verfolgt. Und Stern nimmt sich dafür sehr viel Zeit. Man muss sich einlassen auf dieses Buch, dass detailreich und sehr ausführlich das historische Setting beschreibt. Doch gerade dadurch wirkt der Roman unglaublich authentisch. Die Stimmung ist bedrückend und düster. Wie sollte es auch anders sein? Hier wird nichts geschönt und dennoch ist der Schreibstil oft geradezu poetisch.

Das gilt auch für die Charaktere. Es sind Menschen, die einen Krieg überlebt haben dabei Narben an ihrem Körper und auf ihrer Seele davongetragen haben. Sie haben Traumata erlitten, Verluste erlitten, haben sich oft auch schuldig gemacht, denn es gibt in der Realität selten ein einfaches gut oder böse. Besonders gelungen finde ich die gedanklichen Einblenden der Vergangenheit und der Bezug auf aktuelle Ereignisse wie die Nürnberger Prozesse oder den Film Die Mörder sind unter uns.

Sehr spannend finde ich auch das Cover, das einen Blick durch ein Objektiv gewährt. Es ist, passend zur damaligen Zeit, in schwarz-weiß gehalten. Überraschend ist das Motiv, ein eher sommerliches Kettenkarussell. Ein Ausblick auf eine bessere Zeit? Jedenfalls endet das Buch mit Cliffhangern, so dass ich den Folgeband kaum abwarten kann. Die Krimihandlung des ersten Bandes ist aber abgeschlossen, schlüssig aufgelöst und nimmt an Spannung immer mehr zu. Doch wie gesagt, man muss sich Zeit lassen und erst einmal eintauchen in die damalige Zeit.

Ich spreche eine eindeutige Leseempfehlung aus und vergebe 5 Sterne ⭐⭐⭐⭐⭐ für einen großartigen Reihenauftakt.

Bewertung vom 30.11.2025
Safe Space
Bestgen, Sarah

Safe Space


sehr gut

Düsteres Verwirrspiel in der Forensischen Psychiatrie

"Ich heiße Anna Salomon und bin hier genau am richtigen Ort. "

"In der JVA Weyer zu sein, fühlt sich gleichzeitig so richtig und so falsch an. Ich suche Heilung an einem Ort, dem die Gefahr aus jeder Pore strömt, und weiß am Ende doch nicht sicher, ob mein Plan überhaupt aufgehen wird. "

Was bewegt eine junge Frau dazu, sich um eine Anstellung in einer forensischen Psychiatrie zu bewerben? Anna, die Hauptprotagonistin des Romans tritt kurz nach Abschluss ihres Studiums eine neue Stelle in einer fiktiven JVA in der Nähe von Köln an. Sie hat sich bewusst für den Einsatz im dortigen Maßregelvollzug entschieden, und nach und nach wird klar, dass sie dafür nicht fachliche sondern persönliche Gründe hat. Sie ist geradezu besessen von einer Mission, über die ich hier nicht zu viel verraten will. Mit Anna erleben wir den Alltag des Maßregelvollzugs, die beklemmende Atmosphäre der Justizvollzugsanstalt, die Auseinandersetzung mit gefährlichen Straftätern und eine ständige Bedrohung, denn irgendjemand weiß um ihre Motivation und spielt ein perfides Spiel mit ihr.

In Rückblenden lesen wir die Tagebucheinträge von Sina, einer jungen Frau, die sich in einer toxischen Beziehung befindet und zudem noch gestalkt wird. Auch hier gelingt es der Autorin sehr gut, die psychische Anspannung von Sina darzustellen.

Und dann ist da noch Leon, ein Mann, der durch sein dysfunktionales Elternhaus geprägt wurde. Gerade in Bezug auf Leon wird die Leserin mit Szenen konfrontiert, die nichts für zarte Gemüter sind.

Der Roman trägt den Titel SAFE SPACE. Bestgen spielt wunderbar mit der Doppeldeutigkeit dieses Begriffs, denn Safe Space bezeichnet in der Psychologie das geschützte Verhältnis zwischen Therapeut*in und Patient*in. Da Anna so sehr von ihrer eigenen Motivation getrieben wird, verletzt sie diesen fachlichen Anspruch, Gleichzeitig wird ihr eigenen Safe Space, ihr Schutzraum, immer kleiner. Und das gilt gleichermaßen für Sina. So hält die Autorin durchgehend einen Spannungsbogen aufrecht, der das Buch zu einem Pageturner macht. Dabei spielt sie ein düsteres Verwirrspiel mit den Lesenden.

Typisch Psychothriller habe ich als Leserin keinen Wissensvorsprung vor der Hauptperson. Ich erlebe die Handlung durch Annas Augen, doch ich werde mit ihr nicht wirklich warm. Ihre Obsession empfand ich zunehmend als unangenehm. Überhaupt waren mir sowohl Anna als auch Sina zu eindimensional und statisch gezeichnet, es mangelt ihnen an einer charakterlichen Tiefe. Aber das macht Bestgen durch das hervorragende Setting, durch ihren gut zu lesenden Schreibstil und unerwartete Plot-Twists mehr als wett.

Sehr gut gefallen hat mir auch das Cover mit einem auffallenden orangen Farbschnitt und einem minimalistischen Cover mit einem ebenfalls orangefarbenem Stacheldraht. orange ist eine Warnfarbe und so wird direkt klar, dass hier eine Gefahr droht.

Fazit: Es hat mir Spaß gemacht zu ergründen, von wem diese Gefahr ausgeht und zu erleben, wie die Handlungsfäden miteinander verknüpft werden. Wer ein spannendes Leseerlebnis sucht und sich gerne von Plot Twists unterhalten lässt, wird hier einen Thrillergenuss erleben.

Ich vergebe ⭐⭐⭐⭐ 4 Sterne und freue mich auf weitere Bücher der Autorin.

Bewertung vom 10.11.2025
Dann ruhest auch du / Maya Topelius Bd.3
Åslund, Sandra

Dann ruhest auch du / Maya Topelius Bd.3


ausgezeichnet

Der beste Teil der Trilogie

Mit DANN RUHEST AUCH DU bringt Sandra Åslund ihre Trilogie um Maya Topelius zu einem großartigen Abschluss. Das Cover fügt sich sehr schön in die Reihe ein, der Wiedererkennungswert ist gegeben. Diesmal ist ein dunkles Rot die dominierende Farbe. Eine einsame Kirche, um die Vögel vor einem dunklen Himmel kreisen, stimmt auf eine spannende Handlung ein. Auch wenn hier eine Burgruine oder ein einsames Gutshaus besser zur Handlung gepasst hätten.

Nachdem der zweite Teil mit dem Cliffhanger geendet hat, indem Mayas Schulfreundin Clara in einem Telefonat mitteilt, dass sie die verschollene Mitschülerin Ingrid gesehen habe, will Maya einen Besuch bei ihren Eltern in der småländischen Stadt Kalmar dazu nutzen, diesem Hinweis nachzugehen. Zudem ist ein Kennenlernen zwischen ihrem Freund Christoffer und ihren Eltern geplant. Aber natürlich kommt Maya auch diesmal ein Mord dazwischen.

Der esoterische Sonderling Johann entdeckt in der Ruine von Schloss Borgholm die Leiche einer Frau. Schnell zeigt sich, dass das Opfer professionell hingerichtet wurde. Beim Opfer handelt sich um eine Journalistin und die Spur führt ins rechtsradikale Milieu. Maya und ihr Kollege Pär sollen die Ermittlungen übernehmen. Aber nicht jeder vor Ort empfängt die Verstärkung aus Stockholm mit offenen Armen.

Mit diesem Band knüpft Sandra Åslund an den ersten Band der Trilogie an, was Spannung und die Einbeziehung gesellschaftspolitischer und politischer Themen betrifft. Dabei erzeugt sie eine ungeheure Spannung. Die Charaktere werde meist sehr gut beschrieben, wobei in diesem Band neben Maya auch ihre Freundin Clara im Mittelpunkt steht. Und neben den offiziellen Ermittlungen rückt auch die Frage in den Fokus, was zur Schulzeit der Freundinnen wirklich passiert ist. Åslunds Schreibstil ist so lebendig und fesselnd, dass ich das Buch kaum aus der Hand legen konnte. Am Ende hätte ich mir lediglich zu zwei Personen noch mehr Informationen gewünscht, was dem Roman aber keinen so großen Abbruch tut, dass ich deshalb die Bewertung reduzieren müsste.

Ich würde mir wünschen, dass Åslund sich noch einmal überlegt, ob die Serie nicht fortgeführt werden könnte. Ich würde einen vierten Band auf diesem Niveau jedenfalls begrüßen.

Ich spreche eine eindeutige Leseempfehlung aus, würde den Band aber nicht ohne die Vorkenntnisse aus Band 1 und 2 empfehlen. Manches würde dann einfach nicht erschließen.

Bewertung vom 10.11.2025
Manche Schuld vergeht nie
Griffiths, Elly

Manche Schuld vergeht nie


sehr gut

Elly Griffiths hat sich bereits einen Namen als britische Krimischiftstellerin gemacht. Mit MANCHE SCHULD VERGEHT NIE (im Original: THE FROZEN PEOPLE) legt sie nun einen unerwarteten Mix aus Krimi und Zeitreise vor. Während der englische Originaltitel an den Begriff der Cold Cases anknüpft, lässt der deutsche Titel eine generationsübergreifende Schuld biblischen Ausmaßes vermuten. Am Ende hat sich mir die Wahl dieses Titels dann nicht erschlossen. Vielleicht liegt es daran, dass Band 1 nicht vollständig in sich abgeschlossen ist. Es bleiben noch viele Handlungsstränge offen. Das ist schade, denn Griffith hat erzählerisch so viel zu bieten. Die Beschreibungen der ProtagonistInnen und des Settings sind einfach großartig und lebendig. Gerade beim Blick zurück in das Viktorianische England meint man die Lebensbedingungen, winterliche Kälte, hygienische Bedingungen, andere Essgewohnheiten und gesellschaftliche Rollen mit allen Sinnen wahrnehmen zu können. Das ist für mich der große Pluspunkt des Buches. Auch ein Kriminalfall in der Gegenwart sorgt für Spannung. Ali Dawsen, die Hauptprotagonistin des Romans, wird seht sympathisch und lebensecht dargestellt, so dass sie mir auf Anhieb sympathisch war. Es hat Spaß gemacht, in ihre Welt und mit ihr gemeinsam in die Vergangenheit abzutauchen. Allerdings ergriff mich eine innere Unruhe, je mehr sich das Buch dem Schluss zuneigte, denn irgendwann war klar, dass nicht mehr alle Handelsstränge auf den verbleibenden Seiten würden aufgelöst werden können. Das hat mich bei aller Sympathie für die Grundidee des Buches und den Schreibstil etwas unbefriedigt zurückgelassen. Nun bleibt Band 2 abzuwarten, in der Hoffnung, dass dieser das Geschehen abrundet.

Ich vergebe trotzdem eine Leseempfehlung für Krimifans und solche, die auch einen Touch Fantasy/Mystery mögen. Freunde von SF und naturwissenschaftlicher Erklärungen werden sich weniger angesprochen fühlen. ⭐⭐⭐⭐

Bewertung vom 29.10.2025
Still ist die Nacht / Maya Topelius Bd.2
Åslund, Sandra

Still ist die Nacht / Maya Topelius Bd.2


gut

Mord im Yoga-Bullerbü

STILL IST DIE NACHT ist der zweite Band der Maja-Topelius->Reihe der deutschen Krimiautorin Sandra Åslund. Das Cover mit einem blauen Holzhaus neben einer Schweden-Flagge passt hervorragend zum ersten, in grüngehaltenen Band und - wie dank der Werbung bekannt ist - ebenso gut zum in rot gehaltenen dritten Band. Sehr schön sind die im Innencover enthaltenen Karten der Schäreninsel Svartlöga, dem Schauplatz der Handlung. Wie bereits im ersten band gibt es am Ende des Buches ein Glossar mit den verwendeten schwedischen Begriffen und Rezepte, die hier aber nicht zur Handlung passen.

STILL IN DER NACHT knüpft an die Ereignisse in IM HERZEN SO KALT AN, und es sicherlich von Vorteil, dass ich den ersten Band gelesen habe. Dennoch lässt sich das Buch wahrscheinlich auch ohne diese Vorkenntnisse lesen. Allerdings waren meine Erwartungen nach Band 1 relativ hoch, und - ich sage es gleich - Sandra Åslund konnte diese leider nicht erfüllen.

STILL IN DER NACHT dreht sich in weiten Teilen um die Beziehung zwischen den Freundinnen Maja und Emily. Die Ermittlerin nimmt an einem Yoga-Retreat der Freundin auf einer kleinen Schäreninsel teil. Was Sandra Åslund wunderbar gelingt, ist die Beschreibung der Insel und ihrer Atmosphäre. Auf Svartlöga leben heutzutage vor allem Sommerfrischler, aber es gibt keine Kanalisation und keinen Anschluss ans Stromnetz. Das klingt idyllisch und ein wenig nach Bullerbü. So stellt sich eine angenehme Wohlfühl-Atmosphäre ein, zumal auch gleich noch Midsommar gefeiert wird. Åslund lässt sich Zeit, bis die eigentliche Krimihandlung in Fahrt kommt. Die Leiche lässt auf sich warten. Stattdessen präsentiert die Autorin uns viel Meditation und Om, und noch viel mehr Privates aus dem Leben von Maja und Emily. Es gibt Konflikte um das Thema Vertrauen und Geheimnisse, und irgendwann beginnt mich dieser Zwist zwischen den beiden zu nerven. Vor allem, als es endlich eine Krimi-Handlung gibt und diese immer wieder in den Hintergrund gerät. Denn ehrlich gesagt kann ich Majas Verhalten diesbezüglich nicht nachvollziehen.

Ihr Kollege Pär nimmt hier nur eine Nebenrolle ein und Maja ermittelt inkognito. Allerdings überzeugt sie mich in dieser Rolle gar nicht. Zumal sie sich weiterhin mehr mit ihren persönlichen Befindlichkeiten auseinandersetzt als mit den eigentlichen Fällen. Zudem wirkt die Dramatik einer durch Unwetter von der Außenwelt abgeschotteten Insel während einer Mordermittlung sehr gekünstelt. Es stellt sich einfach kein Locked-Room-Feeling ein. Dazu liegt der Fokus zu wenig auf der Krimi-Handlung. Täter und Opfer werden nicht annähernd so tiefgehend dargestellt wie Maja und ihre Freundin. Die Ermittlungen nehmen weniger Raum ein als das Private und das Esoterische. Während Band 1 noch ein gesellschaftspolitisches Thema mitbehandelt, fehlt so ein interessanter Ansatz hier weitestgehend.

Dennoch war es eine angenehme Lektüre und ich werde sicherlich auch den dritten Band lesen, um die Serie zum Abschluss zu bringen. Für STILL IN DER NACHT kann ich aber nur drei Sterne vergeben.
⭐⭐⭐

Bewertung vom 27.10.2025
Düsteres Tal
Lillegraven, Ruth

Düsteres Tal


ausgezeichnet

Die dunkle Seite einer Frau im Rampenlicht

Clara Lofthus ist eine Frau im Rampenlicht. Als UNICEF-Mitarbeiterin in Nairobi rettet sie Kinder, als ihre Vorzeigeschule von Terroristen überfallen wird. Zurück in Oslo übernimmt sie als gefeierte Heldin erneut den Posten der Justizministerin, den sie schon einmal innehatte. Sie ist Mutter zweier Söhne und hat einen Partner, der ihr bedingungslos den Rücken freihält. Doch schnell wird klar, dass diese Lichtgestalt auch dunkle Seiten hat.

Die Autorin Ruth Lillegraven zeigt einen mitreißenden Schreibstil. In kurzen Kapiteln und mit wechselnder Perspektive begegnen wir Clara als Ich-Erzählerin, ihrem Partner Axel und dem Journalisten Heier jeweils aus der Perspektive eines personalen Erzählers. Dadurch ergibt sich eine mehrdimensionale Sichtweise und ein interessanter Spannungsbogen. Die Charaktere sind allerding zumindest in diesem dritten Teil doch recht eindimensional. „Düsteres Tal“ ist nämlich das Finale einer Triologie um Clara Lofthus. Der Roman lässt sich dennoch auch ohne Vorkenntnisse gut lesen. Ich hätte mir trotzdem gewünscht, die anderen Teile vorab zu kennen. Vielleicht wären mir die Beweggründe und Abgründe der Titelheldin und der anderen Protagonist*innen dann noch verständlicher gewesen. So erscheint Clara kalt und skrupellos und Axel leichtgläubig und aufopferungsvoll bis zur Selbstaufgabe, ohne dass klar wird, warum das so ist.

„Düsteres Tal“ wird vom List-Verlag als Thriller vermarktet, ist aus meiner Sicht aber eher ein Spannungsroman mit den typischen Merkmalen eines Nordic Noir Krimis. Lillegraven lässt uns hinter die Maske einer scheinbar perfekten Politikerin blicken, und was wir dort sehen, ist düster. Untermalt wird dunkle Atmosphäre, insbesondere im letzten Teil des Buches, durch die norwegische Landschaft. Titel und Cover des Buches passen perfekt zum dunklen Geschehen. Die Autorin stellt unter Beweis, dass es keiner blutdurchtränkten Seiten oder unrealistischer Actionszenen bedarf, um pure Spannung zu erzeugen.

Mein Fazit: Ein schnell gelesener Pageturner, den ich weiterempfehle und mit 4,5 Sternen bewerte. Vielleicht wären es mit Kenntnis der Vorgängerbände glatte 5 Sterne geworden.

Bewertung vom 18.10.2025
Gejagt durch Brandenburg
Brandes, Richard

Gejagt durch Brandenburg


ausgezeichnet

Mein Sohn: ein Mörder? - Wie gut kennen wir unsere Nächsten?
Brillante Fortsetzung der Carla-Stach-Reihe in einem sehr persönlichen Fall

Er hat es wieder getan! Nach bereits drei hervorragenden und spannenden Krimis um die Kommissarin Carla Stach legt Richard Brandes nur erneut einen brillanten und durchweg spannenden Kriminalroman vor. Der Fall geht unter die Haut. In einem Mordfall steht ein Heranwachsender unter Verdacht, den Carla allzu gut kennt – ihr Sohn Toni. Doch wie gut kennt man eine Person wirklich, die einem sehr nahesteht? Diese Frage zieht sich durch alle 316 Seiten dieses großartigen Romans. Und sie bezieht sich auf alle möglichen Beziehungen, Eltern-Kind, Paarbeziehungen, Freundschaften, Koleg:innen. Wie gewohnt sind die Protagonist:innen psychologisch ausgefeilt gezeichnet, die Dialoge realitätsnah und glaubwürdig. Nicht nur für Kenner der Carla-Stach-Serie ein absolutes Highlight. Einmal damit begonnen, konnte ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen. Ich vergebe fünf Sterne Plus ⭐⭐⭐⭐⭐➕ und spreche eine uneingeschränkte Leseempfehlung aus.

Bewertung vom 02.10.2025
Auf dem Gräftenhof
Pesch, Arnold

Auf dem Gräftenhof


sehr gut

Die Geschichte einer Familie zwischen Tradition und Wandel

Arnold Pesch hat in seinem Roman "Auf dem Gräften-Hof - das Vermächtnis" Geschichte lebendig werden lassen. Selbst 1939 geboren wuchs er im Münsterland auf. Er ist somit Zeitzeuge der Ereignisse, die er beschreibt. Auch wenn es sich um eine fiktive Geschichte handelt, wirkt sie sehr authentisch. Das liegt an dem kundigen Wissen des Autors über die Heimatgeschichte der Region ebenso wie an den immer wieder eingeflochtenen Dialogen im Münsterländer Platt (der Inhalt wird dabei immer übersetzt oder erläutert). Im Mittelpunkt steht die Familie Große-Bawinkel nebst ihrer nächsten Nachbarn, den Schulze-Westhoffs. Und natürlich der Gräftenhof, ein von einem Wassergraben (Gräfte) umgebener Großbauernhof. Pesch nimmt und mit auf eine Zeitreise in die 50er- und 60er Jahre des 20. Jahrhunderts, beschreibt die tiefe Verwurzelung der Menschen in ihre Heimat, die Traditionen, die Bodenständigkeit und das Gottvertrauen der bäuerlichen Gesellschaft. Doch es ist eine Zeit der Umbrüche. Die Folgen des Zweiten Weltkrieges, Flucht und Vertreibung, der Mauerbau und vieles mehr sind auch im Münsterland spürbar. Die Landwirtschaft erfährt bedeutende Veränderungen durch die Mechanisierung, während zugleich noch gesellschaftliche Schranken zwischen den Schichten bestehen. Trotz aller Schicksalsschläge, die das leben schreibt, bleibt der Grundton des Buches optimistisch. Mir war es an mancher Stelle etwas zu sehr "Heile Welt" und die Dialoge wirkten etwas hölzern und pathetisch. Die heimatkundlichen Kenntnisse des Autors machen das aber allemal wett.

Bewertung vom 02.10.2025
Der Tote im Kamin
Meyrick, Denzil

Der Tote im Kamin


ausgezeichnet

Vintage Crime in der Nachkriegszeit des Vereinigten Königreiches

Wir schreiben das Jahr 1952. Der ehemalige Cricket-Spieler und Kriegsveteran Francis "Frank" Grasby fristet sein Dasein als tollpatschiger Polizeiinspektor. Sein eigener Vater, ein pensionierter Pfarrer, hält ihn für einen Versager und sein cholerischer Vorgesetzter sieht sich nach einem weiteren von unzähligen Mißgeschicken dazu veranlasst, unseren "Helden" ins fiktive Örtchen Elderby in die North Yorkshire Moors zu verbannen. Dort soll er einfache Farmdiebstähle aufklären und es vor allem nicht wieder vermasseln.

Denzil Meyricks 1. Band aus dieser Reihe erschien im britischen Original 2023 unter dem Titel Murder at Holly House. Nun hat der Dumont-Verlag den ersten Fall für Inspector Frank Grasby unter dem Titel "Der Tote im Kamin " herausgebracht, als schmuckes Hardcover -Buch mit Lesebändchen und einem Retro-Cover, welches die Leserinnen und Leser bereits auf den Vintage -Krimi einstimmt.

Die vermeintlichen Memoiren des Frank Grasby sind durchdrungen von einem feinen britischen Humor. Wir begegnen wunderbar gezeichneten skurrilen Figuren und erleben mit Frank groteske Szenen. Statt dem idyllischen Dorfleben zu frönen, stolpert der Pechvogel in der verschneiten Winteratmosphäre in verwirrende Intrigen. Kein Cozy Crime, wie man anhand des Klappentextes vermuten könnte, sondern ein humorvoller historischer Kriminalroman. Genau das richtige Buch für lange Winterabende mit Tee und Inselwetter. Ich vergebe gerne fünf Sterne 🌟 🌟 🌟 🌟 🌟 für exzentrische Lesestunden .

Bewertung vom 24.09.2025
Knäckeblut / Mörderisches Småland Bd.3
Berenz, Björn

Knäckeblut / Mörderisches Småland Bd.3


weniger gut

Plüschiger Cosy Crime, doch Fehler und Ungereimtheiten stören den hyggeligen Lesefluss

Wenn deutsche Autoren sich für ihre Kriminalromane ein ausländisches Setting wählen, dann kann das Urlaubssehnsüchte wecken und ein charmantes Spiel mit gängigen Klischees sein. Insbesondere, wenn die Urlaubslandschaft so hyggelig verschneit dargestellt wird, wie in Björn Berenz "Knäckeblut". Besonders gut gefallen haben mir die kleinen Einschübe, in denen schwedische Begriffe und Redewendungen erläutert werden. Das lies mich auf ein schönes Leseerlebnis hoffen. Für mich war es die erste Begegnung mit der mittlerweile dreibändigen Serie um die deutsche Buchhändlerin Ina und den schwedischen Polizisten Lars. Ich kam schnell ins Geschehen und das trotz der relativ großen Anzahl an Protagonist*innen. Aber warm wurde ich mit keiner dieser Personen. Ina wurde mir von Seite zu Seite unsympathischer, sie wirkte oft arrogant und betrieb ihre Nachforschungen ohne Rücksicht auf Verluste. Lars kam mir manchmal fast schon vor wie ein trotteliger Dorfpolizist. Weitere Personen möchte ich in dieser Rezension nicht benennen, um nicht zu spoilern.

Der Handlungsablauf stellte sich aber als das größere Problem dar. Leider häuften sich inhaltliche und logische Fehler. Der Plot hätte Potential gehabt, wurde jedoch unglaubwürdig aufgelöst. Mordsspaß in Schweden kam bei mir deshalb nicht auf. Es reicht eben nicht aus, eine Amateurermittlerin in eine Wohlfühlatmosphäre zu setzen. Hier standen die privaten Beziehungen der Protagonisten oft so sehr im Fokus, dass das Ermitteln zur Nebensache wurde. Vielleicht fehlten mir beim Lesen aber auch nur eine gehörige Portion Moltebeerenschnaps und Glückstee, von dem im Buch reichlich getrunken wurde.