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TochterAlice
Wohnort: 
Köln

Bewertungen

Insgesamt 1475 Bewertungen
Bewertung vom 10.11.2025
Der brennende Garten
Ganeshananthan, V. V.

Der brennende Garten


ausgezeichnet

Erzählt wird aus der Sicht der jungen Tamilin Sashi, die wohlbehütet in einer Familie mit vier älteren Brüdern aufwächst und kurz davor steht, ihr Studium der Medizin aufzunehmen: sie möchte Ärztin werden und zieht dafür zu ihrer Großmutter, um sich mit Begeisterung in ein neues, akademisches Leben zu stürzen.

Das jedoch wird jäh unterbrochen durch den Beginn des Bürgerkrieges und sie muss miterleben, wie in der Nachbarschaft, ja gar in der eigenen Familie, die Interessen aufeinander prallen - mit häufig tödlichem Ende zumindest für eine Seite. An ein Studium ist bald für niemanden in Sri Lanka auch nur zu denken.

Als angehende Ärztin steht Sashi zwischen den Seiten, sie ist sich bald schon im Klaren darüber, was sie selbst für richtig hält, doch auch die anderen, in deren Reihen viele ihrer Freunde, Bekannten, ja, sogar ihre Brüder stehen, benötigen ihren medizinischen Beistand. Und sie folgt der Ethik der Mediziner, dass man wirklich jeden behandeln sollte und sieht daher deutlich mehr, als eine junge Frau, ein Mädchen fast noch, sehen sollte. Sie bekommt durch ihre frühere Professorin eine Möglichkeit, ihren Drang nach Gerechtigkeit zu stillen, nämlich durch die Dokumetation des Grauens, der sich in ihrer Heimat vollzieht.

Ein Roman, der schmerzhaft und quälend ist - ich brauchte einige Wochen, um ihn abzuschließen, nicht, weil er mir nicht zusagte, sondern weil er mich in meinem Innersten traf. Ich hatte streckenweise das Gefühl, selbst im Krieg zu sein!

Ein starkes Buch, das nichts für schwache Nerven ist. Dennoch empfehle ich den Roman von ganzem Herzen - er zeigt klar und deutlich, was Krieg eigentlich bedeutet und was er jeden einzelnen Menschen im Einzugsbereich kostet. Trotz meines langsamen Lesens fegte er wie eine Feuerbrunst durch meine Sinne und durch meinen Geist, ich denke nicht, dass ich ihn je vergessen werde. Das hat er auch nicht verdient!

Bewertung vom 09.11.2025
Prinzessin Alice
Dische, Irene

Prinzessin Alice


gut

Aus meiner Sicht ist Prinzessin Alice von Battenberg, spätere Königin von Griechenland, eine außerordentlich interessante historische Figur - leider eine ausgesprochen tragische! Und zwar bereits von Geburt an, kam sie doch bereits gehörlos zur Welt.

Quasi als Ausgleich wurde ihr (aus damaliger Sicht) ungeheure Schönheit geschenkt, aufgrund derer sie viele Männer begehrten und ebenso viele Frauen beneideten.

Was aber wahrscheinlich für die meisten Leser am interessantesten ist: sie war die Mutter von Prinz Philipp, dem langjährigen Ehemann der britischen Queen Elizabeth.

Für mich persönlich jedoch ist deutlich bemerkenswerter, dass sie in in Yad Vashem als Gerechte unter den Völkern geehrt wird, da es ihr während des Zweiten Weltkriegs gelang, einige Juden in ihrer damaligen recht ärmlichen Bleibe in Athen zu verstecken und damit zu retten, was allerdings Jahre nach dem hier geschilderten Lebensabschnitt von Alice geschah.

Dieser faszinierenden Person, einer Mutter von fünf Kindern, deren Mann, der griechische Prinz Andreas, sie bereits vor der Volljährigkeit der jüngsten Kinder verlies, widmet Autorin Irene Dische nun ihren neuen Roman.

Hier wird Alice, die viele Jahre lang als wunderlich oder gar schizophren galt, als leidende, gleichwohl den meisten Menschen geistig weit überlegene Person dargestellt, die nach der Abkehr ihres Gatten mittellos mit den Kindern klarkommen muss und einen ganz eigenen Weg geht. Einen, der einigen ihrer Kinder durchaus peinlich ist. Wir begleiten Alice in eine Klinik und auch wieder dort hinaus, treffen sie in Paris zunächst als mittellose Mutter, dann als von den meisten, auch von ihren Töchtern verstoßene Person, die auf die Unterstützung zweier Schwägerinnen, Mary und Edwina angewiesen ist, mit denen sie es auch nicht gerade leicht hat.

Ich glaube, wenn ich nicht schon vor Jahren eine umfangreiche Biographie über Alice gelesen hätte, wäre ich hier vollkommen verloren, wobei ich nicht weiß, ob das besser oder schlechter wäre. Denn so war ich der mehrfachen eleganten Volten der Autorin gegenüber doch sehr misstrauisch und habe überlegt, ob das nun Fiktion ist oder einen wahren Kern hat.

Ein Roman, der keine leichte Kost ist, aber durchaus lesenswert für Rezipient:innen, die auch mal gerne fiktive Werke über reale Persönlichkeiten lesen!

Bewertung vom 08.11.2025
Die 1-Minuten-Strategie gegen mentale Erschöpfung
Nussbaum, Cordula

Die 1-Minuten-Strategie gegen mentale Erschöpfung


sehr gut

Ich habe sehr darauf gehofft, dass hier nicht der "übliche Mist" wiederholt wird und erfreulicherweise ist es so!

Kleine Petitessen wie weise Worte eines asiatischen Meisters, praktische Tipps für den Alltag oder Listen aus verschiedenen Bereichen der Selbsterkenntnis (diese brauche ich nicht unbedingt) wechseln einander ab. Mir gefallen die immer wieder eingebauten kleinen Übungen, die tatsächlich nicht länger als eine Minute dauern müssen (aber durchaus können) - kleine Erfrischungen oder auch Entspannungen immer dann, wenn es nötig ist - das sind aus meiner Sicht richtiggehende kleine Geschenke - und zwar welche für meinen Geist!

Ich kann längst nicht alles brauchen, picke mir aber so einiges raus und genau so ist es auch gut für mich. Als bereichernd empfinde ich auch die originellen Fotos, die sowohl witzig als auch zutreffend sind!

Bewertung vom 06.11.2025
Großmutters Geheimnis
Koppel, Benjamin

Großmutters Geheimnis


sehr gut

Kopenhagen 2015: Der Musiker Alexander hadert mit seinem Leben. Er hat einen Job als Musiker auf Abruf, um auf Festen bestellte Musik zu spielen. Zudem will seine Partnerin unbedingt ein Kind, das er ihr auf normalem Wege nicht schenken kann, die künstliche Befruchtung bleibt erfolglos, er fühlt sich unter Druck gesetzt. Ebenso von seiner ausgesprochen egozentrischen, ja zickigen Mutter Lilian, die von ihm erwartet, auf Abruf zur Verfügung zu stehen.

Bei einem seiner Aufenthalte bei ihr fallen ihm Kassetten in die Hand, die seine Großmutter Ruth, die er noch nie getroffen hat, für ihn besprochen hat - offenbar vor Jahren.

Die Leser:innen tauchen mit ihm zusammen in Ruths Vergangenheit, ihr Leben in den 1930er/1940er Jahren ein und stoßen auf eine grauenvolle Geschichte: aufgrund ihrer jüdischen Abstammung wurde ihr und ihrer Familie großes Leid zugefügt.

Zunächst erfolgen Schilderungen von Alexanders und Ruths Schicksal im Wechsel, da fühlte ich mich in dem neueren Strang oft verloren, da der Eindruck entstand, dass dort eigentlich nur Menschen miteinander leben (müssen), die kreuzunglücklich sind und nicht dazu fähig, einander zu unterstützen. Etwa ab der Hälfte des Buches beginnt alles einen tieferen Sinn zu ergeben - ab da las ich mit deutlich größerem Enthusiasmus.

Für Leser:innen, die gern mehr über den Holocaust und seine Folgen erfahren möchten, ist das Buch auf jeden Fall zu empfehlen, aber Vorsicht: über längere Passagen hinweg sind die Schilderungen extrem schmerzlich, ich konnte sie auch als Leserin in meiner sicheren Wohnung kaum ertragen!

Bewertung vom 26.10.2025
Lázár
Biedermann, Nelio

Lázár


schlecht

Leider konnte ich diesem vielgerühmten Werk überhaupt nichts abgewinnen. Schlimmer noch: ich kann die Begeisterung der Massen ganz und gar nicht nachvollziehen.

Bei mir liegt es zu einem großen Teil an der sehr komplexen Sprache des Autors, die mich stellenweise an Schlager der 1970er Jahre erinnert. Ein Satz wie "Die Jahre kamen und gingen, zogen wie die Roma mit ihren Pferden und Zirkuswagen durch das Habsburgerreich, durch die im Donausumpf versinkende Monarchie. (S.45) lädt mich so gar nicht zum Weiterlesen ein. Ich habe es dennoch getan und wurde leider nicht positiv enttäuscht - nein, mit kleinen Erholungspausen ging es so weiter.

Der Inhalt wirkt auf mich ähnlich dramatisch wie diese Sätze, er ist demaskierend, entblößend, aufwühlend. Leider findet sich in diesem für den Schweizer Buchpreis nominierten Roman für mich nichts Erhebendes, Anregendes, Erhellendes: wie ich es mir erhofft hatte. Schade, aber ich kann diesem Roman nichts Positives abgewinnen.

Bewertung vom 22.10.2025
Mein Name ist Emilia del Valle
Allende, Isabel

Mein Name ist Emilia del Valle


sehr gut

Wie schon einige Male zuvor wählt Isabel Allende hier das Format eines historischen Romans und einmal mehr steht eine Frau im Mittelpunkt, nämlich die bereits im Titel genannte Emilia de Valle, die - wie es sich hier bereits andeutet - ihre (Vor)Geschichte aus der eigenen Sicht erzählt. Zumindest in weiten Teilen

Zu diesem Zweck versieht Frau Allende ihre Protagonistin mit einer großen Portion Schneid und einer noch größeren an Humor. Nur eine so erfahrene und begabte Autorin wie sie kann ein so dichtes Thema wie dieses mit einer unendlichen Lässigkeit und Breite zugleich darlegen.

Die Geschichte spielt in Amerika in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, beginnt in San Francisco, wo Emilia unehelich geboren wird, aber dennoch in einer ausgesprochen glücklichen Familie aufwächst, in der sowohl die Mutter als auch der (Stief)vater - dieser sogar ganz kompromisslos - darauf achten, dass ihre Interessen gewahrt bleiben und setzt sich dann in Chile - dem Herkunftsland ihres Erzeugers - fort, in das sie als Kriegsreporterin reist. Wie sie zu einer solchen wurde und wie sie diesen Auftrag erfüllt, das ist ein unglaubliches, sprachgewaltiges und vor allem sehr schmerzliches Abenteuer und dazu ein Stück bester frauenzentrierter - feministisch würde nicht so passen - Literatur, das trotz eines aus meiner Sicht unbefriedigenden Endes ausgesprochen lesenswert ist und das kein:e Freund:in klarer, direkter Worte einerseits und scharfsinniger, unterhaltsamer und ausgesprochen amüsanter Romane andererseits an sich vorbeiziehen lassen sollte. Allerdings sollte sie/er nicht zu zart besaitet sein!

Bewertung vom 22.10.2025
Da, wo ich dich sehen kann
Schreiber, Jasmin

Da, wo ich dich sehen kann


ausgezeichnet

Es ist nicht so, dass man den neuen Roman der Autorin Jasmin Schreiber nicht als solchen erkennen könnte - an ihrer Art zu schreiben, an bestimmten, von ihr bevorzugten Themen, z.B. den Naturwissenschaften. Auch hier ist sie vertreten mit dem Fach Astrophysik, aber es ist eher ein marginaler Aspekt des Romans.

Liv, eine der Protagonistinnen des Romans, ist nämlich Astrophysikerin, wenngleich sie bereits seit einigen Jahren nicht mehr in der Forschung, sondern als Lehrerin tätig ist. Sie trauert wie einige andere auch um Emma, ihre beste Freundin und nicht nur das: Emma war auch Mutter, Tochter und Ehefrau und es war ihr Ehemann, der sie sterben ließ: ja, er hat sie ermordet.

Ganz schön schwere Kost also, aber ich konnte das Buch dennoch nicht aus der Hand legen, denn aus meiner Sicht stimmt bei diesem Roman eigentlich alles. Die Autorin behandelt ihr Thema mit großer Achtung, begegnet ihm dennoch mit schriftstellerischer Leichtigkeit: in meinen Augen eine große Kunst. Denn vor allem wahrt sie die Würde der Trauernden, aus deren Sicht die Handlung angelegt ist.

Denn es ist ein Buch über das "Danach". Der Leser begleitet die Menschen um Emma, diejenigen, die nun ohne sie leben müssen - egal wie es ihnen dabei geht. Und das tut sie mit dem nötigen Abstand und der erforderlichen Nähe. Ein grandioser Roman über ein furchtbares Thema: er wird sicher nicht das Richtige für Jeden und Jede sein, aber für mich war er das: ein ausgesprochener Gewinn

Bewertung vom 20.10.2025
Lebensbande
Borrmann, Mechtild

Lebensbande


ausgezeichnet

Ein Roman, in dem die Lebenswege verschiedener Menschen zusammenfließen: Zunächst begegnen wir Lotte als alter Frau - wie kommt es, dass sie, die eigentlich ganz im Westen Deutschlands, nämlich in der Eifel aufwuchs, zur Zeit der Wiedervereinigung in Kühlungsborn, in der ehemaligen DDR lebt und dort auch viele Jahre ihres Lebens zugebracht hat? Wir folgen ihrem Rückblick aufs Leben und wundern uns bald über gar nichts mehr. Ihre Biografie trifft auf die von Nora und Lene - Nora war als Krankenschwester tätig und hat während der Zeit des Nationalsozialismus viel gesehen und noch mehr durchgemacht. Lene durfte den Mann, den sie liebte, nicht heiraten, was fatale Folgen für sie und ihr Umfeld hatte.

Wieder einmal legt Mechtild Borrmann einen grandiosen Roman vor, der den Dingen auf den Grund geht und sich nicht scheut, die Menschen in ihren dunkelsten Stunden zu porträtieren. Zartbesaitet darf man bei der Lektüre ihrer Bücher wirklich nicht sein. Immer wieder fasziniert mich, dass sie Menschen am Rande der Gesellschaft in den Fokus nimmt und ihnen eine Stimme gibt. Ihre historischen Romane gewähren Einblicke, die man sonst schwerlich erlangt. Hier ist ihr wieder einmal ein absoluter Volltreffer gelungen!

Bewertung vom 19.10.2025
Garden Girls
Patch, Jessica R.

Garden Girls


schlecht

Ein ungewöhnlicher Krimi: das Setting, die Figuren und das ganze Vorgehen ist ziemlich eigen und erinnert zumindest mich an eine Hexenjagd mit sowohl männlichen als auch weiblichen Hexen auf beiden Seiten der Front.

Gibt es denn keinen, der bei den "Guten" ist? Doch irgendwie schon, das gesamte Ermittlerteam nämlich. Aber auch dort ist niemand das, was er zunächst zu sein scheint!

So ist der Protagonist, Ermittler Tiberius Granger ein ehemaliges Sektenmitglied, das auf seine frühere Auserwählte, mit der er vor Jahrzehnten von dort fliehen wollte, trifft. Weiter hergeholt könnten die Zusammenhänge gar nicht sein!

Je mehr Räuberpistolen die Autorin auspackte, desto mehr verlor ich die Lust an dieser im negativen Sinne absolut märchenhaften Lektüre, so dass ich das Buch ab etwa der Hälfte nur noch überflog. Und auch so habe ich den Eindruck, dass ich deutlich zu viel Zeit darauf ver(sch)wendet habe!

Bewertung vom 15.10.2025
Oishii!
Braun, Stefan

Oishii!


ausgezeichnet

Beim Betrachten dieses Buchs läuft mir sofort das Wasser im Munde zusammen und ich beginne zu überlegen, was ich als nächstes daraus zubereiten will. Fast alles ist so "Oishii" (japanisch für lecker oder köstlich), dass ich sofort Appetit bekomme. In diesem Buch geht es nämlich um Izakayas in Japan: das sind Lokale, in denen man alkoholische Getränke erhält, wobei es dort in Japan immer etwas zu essen dazu gibt, manchmal sogar mit einer verbundenen Bestellverpflichtung.

Mir gefällt es sehr, mir die unterschiedlichen Izakayas anzuschauen und auszusuchen, was ich wohl als erstes bestellen würde. Es gibt eine Menge von Rezepten, die aus japanischer Sicht sehr unkompliziert sind und aus deutscher eigentlich auch - es ist nur alles zunächst ein bisschen fremd, vor allem die Zutaten.

Ein tolles Buch nicht nur für Japan-Fans und/oder Kneipengänger!