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TochterAlice
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Köln

Bewertungen

Insgesamt 1470 Bewertungen
Bewertung vom 22.10.2025
Mein Name ist Emilia del Valle
Allende, Isabel

Mein Name ist Emilia del Valle


sehr gut

Wie schon einige Male zuvor wählt Isabel Allende hier das Format eines historischen Romans und einmal mehr steht eine Frau im Mittelpunkt, nämlich die bereits im Titel genannte Emilia de Valle, die - wie es sich hier bereits andeutet - ihre (Vor)Geschichte aus der eigenen Sicht erzählt. Zumindest in weiten Teilen

Zu diesem Zweck versieht Frau Allende ihre Protagonistin mit einer großen Portion Schneid und einer noch größeren an Humor. Nur eine so erfahrene und begabte Autorin wie sie kann ein so dichtes Thema wie dieses mit einer unendlichen Lässigkeit und Breite zugleich darlegen.

Die Geschichte spielt in Amerika in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, beginnt in San Francisco, wo Emilia unehelich geboren wird, aber dennoch in einer ausgesprochen glücklichen Familie aufwächst, in der sowohl die Mutter als auch der (Stief)vater - dieser sogar ganz kompromisslos - darauf achten, dass ihre Interessen gewahrt bleiben und setzt sich dann in Chile - dem Herkunftsland ihres Erzeugers - fort, in das sie als Kriegsreporterin reist. Wie sie zu einer solchen wurde und wie sie diesen Auftrag erfüllt, das ist ein unglaubliches, sprachgewaltiges und vor allem sehr schmerzliches Abenteuer und dazu ein Stück bester frauenzentrierter - feministisch würde nicht so passen - Literatur, das trotz eines aus meiner Sicht unbefriedigenden Endes ausgesprochen lesenswert ist und das kein:e Freund:in klarer, direkter Worte einerseits und scharfsinniger, unterhaltsamer und ausgesprochen amüsanter Romane andererseits an sich vorbeiziehen lassen sollte. Allerdings sollte sie/er nicht zu zart besaitet sein!

Bewertung vom 22.10.2025
Da, wo ich dich sehen kann
Schreiber, Jasmin

Da, wo ich dich sehen kann


ausgezeichnet

Es ist nicht so, dass man den neuen Roman der Autorin Jasmin Schreiber nicht als solchen erkennen könnte - an ihrer Art zu schreiben, an bestimmten, von ihr bevorzugten Themen, z.B. den Naturwissenschaften. Auch hier ist sie vertreten mit dem Fach Astrophysik, aber es ist eher ein marginaler Aspekt des Romans.

Liv, eine der Protagonistinnen des Romans, ist nämlich Astrophysikerin, wenngleich sie bereits seit einigen Jahren nicht mehr in der Forschung, sondern als Lehrerin tätig ist. Sie trauert wie einige andere auch um Emma, ihre beste Freundin und nicht nur das: Emma war auch Mutter, Tochter und Ehefrau und es war ihr Ehemann, der sie sterben ließ: ja, er hat sie ermordet.

Ganz schön schwere Kost also, aber ich konnte das Buch dennoch nicht aus der Hand legen, denn aus meiner Sicht stimmt bei diesem Roman eigentlich alles. Die Autorin behandelt ihr Thema mit großer Achtung, begegnet ihm dennoch mit schriftstellerischer Leichtigkeit: in meinen Augen eine große Kunst. Denn vor allem wahrt sie die Würde der Trauernden, aus deren Sicht die Handlung angelegt ist.

Denn es ist ein Buch über das "Danach". Der Leser begleitet die Menschen um Emma, diejenigen, die nun ohne sie leben müssen - egal wie es ihnen dabei geht. Und das tut sie mit dem nötigen Abstand und der erforderlichen Nähe. Ein grandioser Roman über ein furchtbares Thema: er wird sicher nicht das Richtige für Jeden und Jede sein, aber für mich war er das: ein ausgesprochener Gewinn

Bewertung vom 20.10.2025
Lebensbande
Borrmann, Mechtild

Lebensbande


ausgezeichnet

Ein Roman, in dem die Lebenswege verschiedener Menschen zusammenfließen: Zunächst begegnen wir Lotte als alter Frau - wie kommt es, dass sie, die eigentlich ganz im Westen Deutschlands, nämlich in der Eifel aufwuchs, zur Zeit der Wiedervereinigung in Kühlungsborn, in der ehemaligen DDR lebt und dort auch viele Jahre ihres Lebens zugebracht hat? Wir folgen ihrem Rückblick aufs Leben und wundern uns bald über gar nichts mehr. Ihre Biografie trifft auf die von Nora und Lene - Nora war als Krankenschwester tätig und hat während der Zeit des Nationalsozialismus viel gesehen und noch mehr durchgemacht. Lene durfte den Mann, den sie liebte, nicht heiraten, was fatale Folgen für sie und ihr Umfeld hatte.

Wieder einmal legt Mechtild Borrmann einen grandiosen Roman vor, der den Dingen auf den Grund geht und sich nicht scheut, die Menschen in ihren dunkelsten Stunden zu porträtieren. Zartbesaitet darf man bei der Lektüre ihrer Bücher wirklich nicht sein. Immer wieder fasziniert mich, dass sie Menschen am Rande der Gesellschaft in den Fokus nimmt und ihnen eine Stimme gibt. Ihre historischen Romane gewähren Einblicke, die man sonst schwerlich erlangt. Hier ist ihr wieder einmal ein absoluter Volltreffer gelungen!

Bewertung vom 19.10.2025
Garden Girls
Patch, Jessica R.

Garden Girls


schlecht

Ein ungewöhnlicher Krimi: das Setting, die Figuren und das ganze Vorgehen ist ziemlich eigen und erinnert zumindest mich an eine Hexenjagd mit sowohl männlichen als auch weiblichen Hexen auf beiden Seiten der Front.

Gibt es denn keinen, der bei den "Guten" ist? Doch irgendwie schon, das gesamte Ermittlerteam nämlich. Aber auch dort ist niemand das, was er zunächst zu sein scheint!

So ist der Protagonist, Ermittler Tiberius Granger ein ehemaliges Sektenmitglied, das auf seine frühere Auserwählte, mit der er vor Jahrzehnten von dort fliehen wollte, trifft. Weiter hergeholt könnten die Zusammenhänge gar nicht sein!

Je mehr Räuberpistolen die Autorin auspackte, desto mehr verlor ich die Lust an dieser im negativen Sinne absolut märchenhaften Lektüre, so dass ich das Buch ab etwa der Hälfte nur noch überflog. Und auch so habe ich den Eindruck, dass ich deutlich zu viel Zeit darauf ver(sch)wendet habe!

Bewertung vom 15.10.2025
Oishii!
Braun, Stefan

Oishii!


ausgezeichnet

Beim Betrachten dieses Buchs läuft mir sofort das Wasser im Munde zusammen und ich beginne zu überlegen, was ich als nächstes daraus zubereiten will. Fast alles ist so "Oishii" (japanisch für lecker oder köstlich), dass ich sofort Appetit bekomme. In diesem Buch geht es nämlich um Izakayas in Japan: das sind Lokale, in denen man alkoholische Getränke erhält, wobei es dort in Japan immer etwas zu essen dazu gibt, manchmal sogar mit einer verbundenen Bestellverpflichtung.

Mir gefällt es sehr, mir die unterschiedlichen Izakayas anzuschauen und auszusuchen, was ich wohl als erstes bestellen würde. Es gibt eine Menge von Rezepten, die aus japanischer Sicht sehr unkompliziert sind und aus deutscher eigentlich auch - es ist nur alles zunächst ein bisschen fremd, vor allem die Zutaten.

Ein tolles Buch nicht nur für Japan-Fans und/oder Kneipengänger!

Bewertung vom 11.10.2025
Wilder Honig
Lewis, Caryl

Wilder Honig


sehr gut

Ein Mann geht
... und hinterlässt eine Menge: Bücher, Erinnerungen und eine Überraschung, die für Hannah, die trauernde Witwe, nicht gerade angenehm ist. Doch sie ignoriert die dadurch entstandenen neuen Umstände nicht, sondern ist bereit, sich damit auseinander zu setzen.

Im Mittelpunkt steht Johns Vermächtnis: die Bienenstöcke in Hannahs Obstgarten, die in seiner Obhut waren, zahlreiche Bücher, die er in seiner Funktion als Sprachforscher verfasst und Megan - die nun neu in das Leben von Hannah und ihrer Schwester Sadie tritt.

Der Garten und das Haus darin in einem kleinen walisischen Ort - das ist der hauptsächliche Schauplatz des Romans, in dem sich die Menschen - zu den drei Frauen kommt noch der junge Jack, der von John den Beruf des Imkers erlernt hat und nun seine Arbeit weiterführt. Sie alle haben es nicht leicht miteinander, vor allem das Reden fällt ihnen schwer, diesen knorrigen Menschen ganz im Westen des britischen Königreiches.

Zwischendurch droht die gesamte Handlung zu verstummen, um sich dann in einem runden Abschluss, in dem Menschen auf unterschiedliche Art miteinander kommunizieren, wiederzufinden. Ein aus meiner Sicht lohnenswerter Roman, in den man sich zunächst einfinden muss!

Bewertung vom 29.09.2025
Plant Lady
Kang, Minyoung

Plant Lady


sehr gut

Die junge Autorin hat für ihren Krimi um Yu-hee, Inhaberin eines besonderen Pflanzenladens, in dem sie die Gewächse quasi auf die jeweilige Kundschaft "zupflanzt", einen ebenso besonderen Stil gewählt. Dieser ist nichts für Leser:innen, die alles genau erklärt, hinterfragt und ausgeschildert haben wollen. Nein, der Stil ist ebenso reduziert und geheimnisvoll wie ihre Protagonistin Yu-hee.

Es ist bald klar, dass Yu-hee einen Sinn und ein Herz für Frauen hat, die getrieben sind oder sich verstecken wollen - oder ist sie am Ende selbst eine von ihnen? Auf jeden Fall sind gleich mehrere Männer - keiner von ihnen sonderlich sympathisch - nach ihrem Besuch in ihrem Laden nicht mehr aufzufinden.

Ein Roman, der ebenso reduziert wie geheimnisvoll und auch feministisch ist. Ein Krimi, in dem der Ermittler nicht fehlt, aber eine eventuelle Tatwaffe?

Wer sich auf diesen besonderen Krimi einlässt, sollte offen sein: für bestimmte Erkenntnisse, aber auch dafür, das vieles hier ganz anders ist als man es von Krimis gewohnt ist, gewissermaßen eine Neuheit. Nichts für die breite Masse, umso mehr jedoch für Leser:innen, die nach neuen Wegen in der (Kriminal)Literatur suchen.

Bewertung vom 29.09.2025
Fabula Rasa oder Die Königin des Grand Hotels
Kaiser, Vea

Fabula Rasa oder Die Königin des Grand Hotels


sehr gut

Endlich! Der neue Roman von Vea Kaiser liegt vor und es gibt nicht viele Autor:innen, deren Werke ich so ungeduldig erwarte wie die ihrigen. Diesmal war die Wartezeit besonders lang - die Autorin ist nämlich Mutter geworden und dieses Schicksal "blüht" auch ihrer Protagonistin, allerdings nicht sofort.

Wir begegnen Angelika Moser zunächst als junger Frau, die sich vom Leben nimmt, was ihr Vergnügen bereitet. Und das sind nicht nur die durchtanzten Nächte, sondern auch ein guter Job, nämlich der der Buchhalterin im Hotel Frohner, dem ersten Hotel am Platz. Darin ist sie nicht nur gut, sie ist brillant und das weiß der Hotelier alsbald zu schätzen.

Als sie nach einigen Jahren Mutter wird, wartet nach der Elternzeit schon die nächste Stufe auf sie - so sollte es zumindest sein. Doch auch bei der Moserin geht nicht alles nach Plan - der Kindsvater geht ihr flöten, die Rückkehr in den Beruf soll deutlich schneller vollzogen werden als besprochen.

Wie sie sich mit all dem arrangiert, das ist ein wahrhaft kaiserliche Variante von "leben und leben lassen".

Einmal mehr kommt bei Vea Kaiser weder der Humor noch das Wienerische zu kurz und ich habe mich in dem Roman, der mir nicht ganz so gut wie die beiden Vorgänger gefallen hat, gemütlich eingerichtet. Diese Abstufung ist aber eine auf höchstem Niveau und könnte auch der langen Wartezeit geschuldet sein, vielleicht hat diese mich einfach etwas ungnädig werden lassen. Wie es auch fast alle Charaktere in diesem ausgesprochen lesenswerten Roman mitunter sind!

Bewertung vom 29.09.2025
Du musst meine Hand fester halten, Nr. 104
Abel, Susanne

Du musst meine Hand fester halten, Nr. 104


ausgezeichnet

Spannend und eindringlich, vor allem aber ausgesprochen emotional ist dieser Roman, in dessen Mittelpunkt Margret und Hardy stehen. Sie begegnen einander in einem Kinderheim kurz nach dem Ende des zweiten Weltkrieges, nicht ahnend, dass sie - abgesehen von einer kleinen Pause - ihr ganzes Leben miteinander verbringen werden.

Margret ist schon fast ein Backfisch, Hardy gerade aus dem Kleinkindalter heraus, als sie einander in der Hölle begegnen. Denn in diesem katholischen Kinderheim im Sauerland ist nichts kindgerecht, die Kinder werden wie Sträflinge behandelt, nein, gar wie Erzfeinde. Margret muss nach ihrer Rettung durch Verwandte erfahren, dass die Hölle sogar noch schlimmer sein kann - dasselbe erfährt Hardy in einem anderen Kinderheim. Dort aber finden sie einander wieder und dank Margrets Mut und Initiative gehen sie Jahre später eigene Wege - zusammen.

In einem parallelen Handlungsstrang begegnen wir ihrer Familie - Tochter Sabine, Enkelin Julia und Urenkelin Emily - jede von ihnen ist zu großen Teilen in Köln-Kalk bei der kalten Margret und dem warmherzigen Hardy aufgewachsen.

In diesem Roman erfährt man in allen Einzelheiten, was es heißt, mit Altlasten zu leben - und zwar für immer. Der neue Roman von Susanne Abel kann ohne Weiteres mit den beiden Vorhängern mithalten - auch hier konnte ich das Buch nicht aus der Hand legen und war traurig, als es zu Ende war. Die Autorin beschäftigt sich vor allem mit den Schwächsten der Gesellschaft - den Kindern und Jugendlichen, beziehungsweise steigt sie in das Leben ihrer Protagonisten ein, wenn diese noch klein bzw. jung sind. Hier zeigt Susanne Abel einmal mehr, was warmherzige Literatur bedeuten kann - fern von Kitsch und Schwülstigem bringt sie die Dinge auf den Punkt. Ein Roman, wie er treffender und damit wertvoller nicht sein könnte!

Bewertung vom 21.09.2025
Lügennebel / Hanna Ahlander Bd.4
Sten, Viveca

Lügennebel / Hanna Ahlander Bd.4


ausgezeichnet

Der Tod kann uns immer und überall ereilen: Und leider auch in sehr jungen Jahren. In diesem, mittlerweile bereits vierten Fall der Are-Serie, wird das sehr deutlich. Das Opfer, eine erst 19jährige junge Frau, die ein wenig über die Stränge schlug. Sie war mit Studienfreunden aus Uppsala für ein verlängertes Wochenende nach Are gereist, um Ski zu fahren und sich zu entspannen - wer hätte ahnen können, dass sie nicht wiederkehren würde?

Wer wie ich Hannas vorherige Fälle mit großem Genuss verfolgt hat, der darf sich freuen: es geht mindestens genauso spannend weiter. Ich empfand diesen Fall als besonders spannend: auch wenn einiges verdächtig erscheint, ist am Ende wenn auch nicht alles, so doch vieles ganz anders, als es scheint.

Kurz nach dem Mord folgt auch noch ein gefährlicher Brand auf dem in den Gebäuden, in denen die Freunde untergekommen sind: Hanna und ihr Kollege Daniel haben wieder gut zu tun und wir lernen auch andere Kollegen des Teams besser kennen.

Viveca Sten schreibt wie gewohnt so fesselnd und mitreißend, dass ich das Buch kaum aus der Hand legen konnte und die gut 500 Seiten in zwei Tagen durch hatte. Ich habe mich durch den Fall gefressen, muss ich sagen. Denn nicht nur der Stil der Autorin vermag zu begeistern, nein, mehr noch ist es der Inhalt. Wieder einmal hält die Autorin geschickt die Balance zwischen Zufällen und Fakten. Diesmal empfand ich auch die Liebesgeschicke der Ermittler:innen als durchaus geschickt eingebaut, so dass dieser Fall aus meiner Sicht ein absolut rundes Ding ist.