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Benutzername: 
kerstin_aus_obernbeck
Wohnort: 
Ostwestfalen

Bewertungen

Insgesamt 84 Bewertungen
Bewertung vom 09.06.2025
Kojoten in dunklen Gassen
Karl, Dirk

Kojoten in dunklen Gassen


ausgezeichnet

Kojoten in dunklen Gassen / Dirk Karl
 
Die 80er Jahre haben Leo Mahler, Phil Grindlmayer und Thomas „Toto“ Theuerkorn im Kampf gegen die Grausamkeiten der Pubertät sowie in der tiefen Verehrung zum Heavy Metal zu untrennbaren Komplizen zusammengeschmiedet.
Aber nichts ist für die Ewigkeit, das Leben, die Liebe und andere in der Jugend nicht vorhersehbare Kapriolen haben dazu geführt, dass sich ihre Wege getrennt haben. Leo hat Stuttgart vor Jahren verlassen, als Journalist ein umtriebiges Leben geführt und in eine vermögende Familie eingeheiratet. Phil und Toto sind der Stadt treu geblieben, während Toto einen fein sortieren Plattenladen betreibt macht Phil im verwegenen Outfit auf seinem Bonanzarad die City unsicher und steuert substanzenunterstützt auf einen frühen Feierabend zu.
 
Aber nun ist Leo zurück, sein Höhenflug wurde zu einer Bruchladung und er hadert mit der Situation. Er bemüht sich vergeblich Kontakt zu seiner Tochter aufzunehmen, ebenso erscheint es unwahrscheinlich, dass das einstige metalllastige Dreigestirn wieder zusammenfindet. Silke, eine ehemalige Mitschülerin der drei Metalheads bringt die Reunion von Leo und Phil auf den Weg und die Monsters of Rock zelebrieren standesgemäß mit Getreidesprudel-all you can drink und Vinylexzessen ihr Wiedersehen.
 
Wenn nun auch noch Toto wieder dabei wäre, wäre es perfekt.
Aber dann schleicht sich der Teufel unerwartet durch einen hochgeklappten Toilettendeckel in ihr Leben – ist es zu spät, um die Fehler der Vergangenheit zu verzeihen?
 
„Die Musik, die du liebst, sagt alles über dich aus. Ohne eine eigene gefestigte Meinung hast du keinen Charakter, kein Rückgrat.“ (S.83)
So sieht es aus!

Wenn man mit AC/DC, Motörhead, Iron Maidon und Co., dem Metal der 80er etwas anfangen kann, dann sind die Gespräche, die die Protagonisten in dem Buch führen mit vielen Flashbacks verbunden und sorgen beim Lesen für eigene Erinnerungen, sei es vinyl- oder konzertartiger Natur - und natürlich auch ans Erwachsenwerden.

„Musik war ein kostbares Gut, das noch eine gewisse Wertigkeit hatte und nicht überall und jederzeit selbstverständlich zur Verfügung stand.“ (S.36)
Ich erinnere mich noch gut an diese Zeit und waren wir nicht alle

„Headbanger mit Bartflaum auf der Suche nach der Gebrauchsanweisung für das Erwachsenwerden.“ (S.25) ?

Wie in den Büchern des Autors üblich gibt es auch in diesem Roman wieder amtlich schräge Vögel – und einen, der als ihr Vorsitzender angesehen werden kann. Ich war von Anfang an #teamphil und sehe ihn lebhaft vor mir mit dem gelben Bonanzarad, dem Patronengurt und der gewagt kurzen Gerd Müller-Gedächtnis-Hose. Daher nehme ich es ihm auch nur semi-krumm, dass er in Oasis nur „Gehypte Hochvakuumparkas“ (S.183) sieht (was natürlich nicht stimmt).
 
Wie sich Dirk Karl so einen großartigen Scheiß ausdenkt, ist mir unerklärlich, aber ich feier’ es total und bin wieder einmal von dieser ganz anderen Art zu erzählen aller bestens unterhalten worden und absolut begeistert!
 
Wieder einmal eine großartige, maximal musiklastige Geschichte von Dirk Karl und ich bin begeistert! Die Freundschaft von Leo, Phil und Toto wird nachvollziehbar erzählt, angereichert ist diese Geschichte mit jeder Menge Musik, so dass der Roman auch ein wunderbarer Soundtrack des Heavy Metals der 80er ist - und wer vielleicht nicht mehr alle Lieder von damals auf dem Schirm hat kann die Trackliste im Anhang als Fahrschein back to the 80s nutzen.
 
Ganz große Leseempfehlung!  


„Es war nicht schick, es war Überzeugung, so wie sie alles voller Überzeugung damals konsequent angegangen sind.“ (S.38)
Dass mit der Überzeugung gilt auch noch heute und darum lege ich euch aus ehrlicher Überzeugung auch die anderen Bücher von Dirk Karl ans Herz:
 
Black Mustang Squad
White Shark Squad
Klabauternächte
 
Großartig Geschichten voller Musik, mit weirden Charakteren, schräg und mit hohem Unterhaltungspotential.

Bewertung vom 26.05.2025
Hunter B. Holmes - Eine Leiche zum Geburtstag
September, Wolf

Hunter B. Holmes - Eine Leiche zum Geburtstag


ausgezeichnet

Hunter B. Holmes – Eine Leiche zum Geburtstag / Wolf September

Die London Cosy Crime Reihe von Wolf September geht mit „Hunter B. Holmes - Eine Leiche zum Geburtstag“ in die vierte Runde und ich habe mich gefreut, dem sympathischen Ermittler erneut zu begegnen.

Hunter ist mit seinem Partner Steven, dem Butler Godric sowie David, Roberta und Lee, die für ihn mehr als nur KollegInnen sind auf dem Weg nach Rosemoor Hall, dem Anwesen der Familie Holmes, um dort seinen 44. Geburtstag zu feiern. Auf Bitten seiner Mutter, zu der er einen guten Kontakt hat, hat Hunter der Feier und dem Besuch in Rosemoor Hall zugestimmt, auch wenn das Verhältnis zu seinem Bruder und Vater eher überschaubar ist, insbesondere letzterer hat Vorbehalte hinsichtlich des privaten und beruflichen Lebensentwurfes seines Sohns.

Für Hunter ist die Reise nach Hause auch ein Trip in die Vergangenheit, in seinem Heimatort trifft er viele Menschen, die sich über das Wiedersehen freuen, aber es gibt auch andere Momente.

Das Fest wird ein voller Erfolg, aber der nächste Morgen bringt schlagartige Ernüchterung, als auf dem Anwesen der Holmes die Leiche des unbeliebten örtlichen Polizeichefs Charlie Fenton gefunden wird.

Der Mord fällt nicht in den Zuständigkeitsbereich von Hunter und seinem Team, die Ermittlungen werden von Cedric Thumble übernommen. Die Beiden kennen sich seit der Ausbildung und schon das erste Aufeinandertreffen nach langer Zeit zeigt, dass Cedric nicht gut auf Hunter zu sprechen ist. Diese Animositäten nehmen erheblich Einfluss auf die Morduntersuchungen und die Holmes geraten ins Visier des Ermittlers; Hunters Vater und sein Bruder Crispin werden des Mordes an Charlie Fenton verdächtigt und Hunter sind die Hände gebunden, wenn er kein Disziplinarverfahren riskieren will.

Wer hat Charlie Fenton ermordet?

Auch der vierte Teil der Hunter B. Holmes Reihe hat mich begeistert und ich habe ihn in einem Rutsch durchgelesen. Wolf September erzählt lebendig und mitreißend eine spannende Mordgeschichte in einer Umgebung, in der die Idylle trügt. Falsche Fährten und eine kluge Auflösung, dazu Charaktere, die mir von Buch zu Buch mehr ans Herz wachsen, sorgen für allerbeste Krimiunterhaltung!

Und wenn ich die letzten Seiten richtig interpretiere, gibt es ein Wiederlesen mit Hunter, Steven, Godric & Co. und das ist gut so, denn ich möchte sehr gerne wissen, wie es mit ihnen weitergeht.

Ganz große Leseempfehlung!

Bewertung vom 26.05.2025
'Wir waren Heldinnen'
Körner, Torsten

'Wir waren Heldinnen'


ausgezeichnet

„Wenn ich doch nur einmal Fußball spielen könnte wie die Männer, dachte sie dann, so mit einem Trikot in Gelb oder Blau, mit Stutzen und richtigen Schuhen, mit großen Toren und einem Netz dahinter.“ (S.11)

Mit diesem Wunsch ist Christa Kleinhans, geboren 1937 in Dortmund, nicht allein – jedoch ist ihr Weg, bis sie 2022 in die „Hall of Fame des deutschen Fußballs“ aufgenommen wird, voller Hürden, Willkür und alter Männer, die ihr statt eines Balls vor den Fuß lieber Steine in den Weg gelegt haben.

30. Juli 1955. In der Sitzung des Bundestags des DFB findet sich „Frauenfußball“ in dem Tagesordnungspunkt „Verschiedenes“. Für das natürlich ausschließlich männlich besetzte Gremium eine einfache Frage, in einer flotten Abstimmung entscheiden die Herren, dass Fußball kein Frauensport sein kann und damit nur ja niemand auf die Idee kommt, sich dieser Entscheidung zu widersetzen,

„…untersagte der mächtige DFB seine Vereinen Frauenfußball anzubieten, ihm Plätze zur Verfügung zu stellen oder gar Schiedsrichter dafür abzustellen. Den Vereinen drohten empfindliche Strafen, wenn sie dieses Verbot nicht befolgten.“ (S.13)

Zack, erledigt, bitte keine Widerworte und flott zurück von der Kabine in die Küche.
Nee, ganz so war’s dann nämlich doch nicht, denn es gab viele begeisterte und talentierte Frauen, die sich das Fußballspielen nicht verbieten ließen und trotz Verbot und Widerstand Vereine gegründet und (Länder)Spiele organisiert haben.


Der DFB hat das Frauenfußball-Verbot am 31.10.1970 aufgehoben, eine Anerkennung der Leistungen von Frauen wie Christa Kleinhans oder Bärbel Wohlleben, die im Oktober 1974 als erste Frau für das „Tor des Monats“ ausgezeichnet worden ist, ging mit der Aufhebung des Verbotes jedoch nicht einher. Lange hielt sich hartnäckig die Frage:

„Ist das nun Sport oder Show?“ (S.78)

und Spielberichte in den Medien zeichneten sich überwiegend durch Spott und S*xismus und nicht durch Anerkennung der sportlichen Leistung aus.

Torsten Körner beschreibt in seinem Buch eine Szene aus „Wetten, dass…?“ in dem Paul Breitner von einer Kandidatin zum Torwandschießen herausgefordert wird und dieser die Gelegenheit vor dem großen Publikum nutzt, um seine Ansicht, dass er „Damenfußball absolut unästhetisch findet“ kundzutun. Geholfen hat es ihm nicht, er hat die Wette verloren.

„Wir waren Heldinnen“ ist alles andere als nur die Geschichte, wie Frauen den Fußball eroberten, es ist ein Buch über eine Gesellschaft im Wandel, über alte Männer und Männer mit altem Denken, über Gleichberechtigung und Völkerverständigung, zu der die deutschen Fußballfrauen mit ihren Spielen gegen die Niederlande einen wichtigen Beitrag geleistet haben.

„Ihr Herz schlug stetig und tapfer für den Ball, und es war rund.“ (S.14)

Durch Gespräche mit Zeitzeuginnen, Zeitungsartikel sowie Radio- und Fernsehberichte und Fotos wird das Buch zu einem lebhaften Leseerlebnis – und natürlich darf dabei auch nicht die Geschichte vom Kaffeeservice, dass der DFB den Spielerinnen 1989 zur Europameisterschaft geschenkt hat, fehlen.

Ergänzend gibt es im Anhang Literaturtipps und ein Personenregister.

Torsten Körner erzählt in diesem großartigen Buch die Geschichte des Frauenfußballs beginnend in den frühen 50er Jahren bis zum ersten offiziellen Länderspiel am 10.11.1982. Ich habe eine Menge über Fußball erfahren, riesig viel Respekt vor den Frauen, die sich nicht haben unterkriegen lassen, ich war unfassbar wütend auf den DFB und allen, die den Frauen, dass Spielen verboten haben - das Buch hat mich wirklich begeistert, es ist eine wunderbare Hommage an bemerkenswerte Frauen!

Ganz große Leseempfehlung!

Bewertung vom 26.05.2025
Eierlikör und tote Herzen
Mohr, Kerstin

Eierlikör und tote Herzen


sehr gut

Loni und Anneliese sind wieder da und ich habe mich gefreut, es gibt ein Wiedersehen mit den beiden rüstigen Hobbydetektivinnen. Hurra!
 
In wenigen Tagen soll im Romantikhotel „Zum Räuberherz“ die Hochzeit von Constanze Engelhardt und Frederik von Thalheim stattfinden. Loni ist mit ihre Enkelin Emma, der Hochzeitsfotografin, vor Ort und Anneliese in Begleitung ihres Lebensgefährten Erich, der mit dem Familienoberhaupt der von Thalheims befreundet ist.
Die Braut ist extrem angespannt und behandelt ihr gesamtes Umfeld sehr unhöflich. Ihre Trauzeugin und beste Freundin Inga sowie Freds Freund und Trauzeuge Nick proben mit Emma und Loni die Hochzeitsfotos. Die Braut erwartet unter anderem ein Foto auf dem zu dem Hotelgelände gehörenden Rapunzelturm. Als Emma dort zu den Probeaufnahmen eintrifft, findet sie Inga dort tot vor.
 
War es ein Unfall oder doch Mord, ist Inga das richtige Opfer oder war vielmehr die Braut gemeint und es handelt sich um eine Verwechslung? Als es bald darauf eine weitere Leiche gibt, spitzt sich die Situation zu.
 
Loni und Anneliese beschließen den Fall zu lösen. Sie beginnen mit den Nachforschungen und erkennen, dass alle Anwesenden dunkle Geheimnisse haben. Werden sie herausfinden, was wirklich passiert ist?
 
Auch in ihrem 3. Fall laufen die Eierlikör-Fans Loni und Anneliese zu Höchstform auf, unterstützt von ihren Partnern Julius und Erich und im eifrigen Wettstreit mit den beiden Mühlbacher „Jung“-Detektiven Jupp und Willi.
Der Fall ist spannend, es gibt ebenso viele Hinweise wie falsche Fährten, so dass die Auflösung nicht einfach zu erraten, aber letztlich schlüssig ist … und auch der Eierlikör kommt nicht zu kurz, sei es im Kaffee, Tiramisu oder als Torte.
Nun muss ich ehrlich zugeben, dass ich beim Thema Eierlikör aus vielerlei Hinsicht raus bin – bei mir sorgt Likör eher für Müdigkeit, Anneliese und Loni hingegen scheint das weniger auszumachen, denn auch in diesem Fall laufen sie wieder zu Höchstform auf und zeigen eindrucksvoll, dass sie alles andere als zum alten Eisen gehören.
 
Wie großartig ist bitte die Szene beim Zumba? Umwerfend!
Und ich freue mich, dass beide ihr Glück gefunden haben, das habe ich mir nach dem letzten Buch irgendwie heimlich gewünscht und es ist schön, dass es so gekommen ist.
 
Da ich die etwas ruhigere Art mag, wäre ich, sofern ich mich entscheiden müsste, wahrscheinlich #teamloni – aber darauf kommt es letztlich gar nicht an und zusammen sind die beiden ein unschlagbares Team!

Ein kurzweiliger Krimi mit interessanten Charakteren und einer raffinierten Auflösung.
Fans von kurzweiligen Krimis mit Lokalkolorit kommen bei diesem Buch auf ihre Kosten, es bietet vergnügliche Unterhaltung und macht nicht nur Appetit auf Eierlikör, sondern auch auf ein Wiederlesen mit den beiden Hobbydetektivinnen!

Bewertung vom 15.05.2025
Depeche Mode
Robb, Brian J.

Depeche Mode


ausgezeichnet

Depeche Mode – Alle Alben, Alle Songs / Brian J. Robb

Basildon, Essex – Frühling 1980. Dave Gahan schließt sich Vince Clark, Martin Gore und Andrew Fletcher an, mit denen er das Interesse an elektronischer Musik teilt.
Zum Bandnamen inspiriert sie ein französisches Modemagazin – und die Geschichte wäre nicht komplett, wenn ich euch vorenthalten würde, dass der beste aller Roberts großen musikalischen Einfluss auf Vince Clark hatte.

Schon auf dem Demo-Tape aus dem Sommer 1980, findet sich der Klassiker „Photographic“ und zurecht bekommen sie einen Plattenvertrag. Das erste Album „Speak & Spell“ mit all time favourites wie „Just can’t get enough“ und „New Life“.
erscheint im November 1981. Es ist ein Beginn einer großen Karriere!

Noch in den 1980er Jahren werden fünf weitere Studioalben veröffentlicht, auf denen sich Songs wie „Everything counts“, „People are People“ oder „Strangelove“ befinden. 1990 erscheint mit „Violator“ ein absolutes Meisterwerk mit Liedern für die Ewigkeit.
Dann wird es etwas ruhiger um Dave, Martin, Alan und Andrew, aber sie sind immer da und die Fans sind ihnen treu. 1997 feiern sie nach turbulenten Zeiten mit „Ultra“ ein Comeback und bringen seitdem regelmäßig neue Alben heraus. Im Jahr 2023 ist „Memento Mori“ erschienen, DM füllen Hallen und Stadien – und das wird hoffentlich noch lange so bleiben!

Das Buch von Brian J. Robb hat mich begeistert, weil es von all den wunderbaren Liedern erzählt, die zum Soundtrack meines Lebens gehören, dabei liest es sich kurzweilig und interessant. Für mich ist es das ultimative Depeche Mode-Nachschlagewerk und die tollen Abbildungen ergänzen es ganz wunderbar!

Brillant recherchiert erzählt Brian J. Robb nicht nur die Geschichte aller Alben und Songs, ihrer Entstehung und Bedeutung, sondern auch der Band; von Höhenflügen und Abschieden, von wechselhaften, wilden Zeiten.
Das Buch bietet jede Menge Infos über Depeche Mode und ist ein Muss für jeden Fan!

Begeisterte Leseempfehlung!

Bewertung vom 15.05.2025
Das Ministerium der Zeit
Bradley, Kaliane

Das Ministerium der Zeit


gut

Das Ministerium der Zeit / Kaliane Bradley

Eine junge Frau, deren Namen in der gesamten Geschichten nicht genannt wird, die bisher als Übersetzerin tätig war, bekommt einen Job in einem geheimnisvollen Ministerium.

Ihre Chefin zuckte die Schultern. „Zeitreisen“, sagte sie, als redeten wir von Kaffeemaschinen. „Willkommen im Ministerium.“(S.13)

Dem Geheimdienst und dem Ministerium ist es mit einem Portal gelungen, Menschen, die sich in der Vergangenheit in einer tödlichen Situation befunden haben, ins London der Gegenwart zu bringen; die Aufgabe der jungen Frau ist es als sogenannte „Brücke“ einen dieser Menschen beim Einleben zu begleiten.

Thomas Cardingham, ein Teilnehmer der Schlach von Naseby und Margaret Kremble, die zur Zeit der großen Pest in London gelebt hat, kommen aus dem 17. Jahrhundert, Anne Spencer erlebte 1793 die Französische Revolution und Arthur Reginald-Smyth hat im 1. Weltkrieg gekämpft. Sie bekommen jeweils eine eigene „Brücke“, die junge Frau wird sich um Graham Gore, Commander der Royal Navy und Polarforscher kümmern, der 1847 als Teilnehmer der Franklin-Expedition im Alter von 37 Jahren verstorben ist.

„Die Tatsache, dass ich mit einem viktorianischen Marineoffizier zusammenlebte, war schon verrückt genug.“ (S.119)

Aber nicht nur, dass sie ihm die Geschichte, die seit seinem Aufbruch in die Arktis passierte, nahebringen soll, veränderte Rollenbilder, technischer Fortschritt und moderne Kommunikation sind ebenfalls Teil des Einlebens – und auch wenn sich über all die Jahre viel verändert hat: die Liebe ist die größte Katastrophe von allen!

„Falls du jemals geliebt hast, bist du für den Rest deiner Tage eine Liebende.“ (S.280)

Ein schöner Satz aus dem Roman, der zum Glück nicht herzschmerzig ist - und das ist gut so; gleichwohl ich auch die "spicy Szenen" nicht gebraucht hätte, die Geschichte hätte auch ohne funktioniert.
"Funktionsstörungen" gab es für mich auch an der einen oder anderen Stelle, an denen mich Formulierungen und Sätze sehr irritiert haben, insbesondere die Bezeichnung „Expats“ für die Menschen aus der Vergangenheit hat mir nicht gefallen.

Der Roman ist vielschichtig, die Berichte über die Erfahrungen, die die Zeitgereisten beim Eingewöhnen machen und der Lovestory-Handlungsstrang lesen sich unterhaltsam, spannend wird es, als die Frage aufkommt, ob das Zeitreiseportal Wissenschaft oder Waffe ist - und als ein Kollege / Agent verschwindet und Graham, Arthur und Co. in Gefahr geraten.

In Rückblenden wird von der Franklin Expedition und den Erlebnissen von Graham Gore erzählt, den es tatsächlich gegeben hat. Das gefällt mir richtig gut.

„Alles, was jemals geschehen ist, hätte verhindert werden können, und nichts davon wurde verhindert. Das Einzige, das wir verändern können, ist die Zukunft. Glaub mir, wenn ich sage, das habe ich von der Zeitmaschine gelernt.“ (S.238)

Kaliane Bradley erzählt eine Geschichte, die situationsbedingt komische Momente hat, aber auch zum Nachdenken anregt – und natürlich ist sie auch für’s Herz (Stichwort: Junge trifft Mädchen)
Spannend wird es ebenfalls, denn so ein Portal bringt auch Gefahren mit sich, Waffe oder Wissenschaft, das ist hier die Frage!

Mich hat das Buch solide unterhalten.

Bewertung vom 03.05.2025
Der Inugami-Fluch
Yokomizo, Seishi

Der Inugami-Fluch


ausgezeichnet

Der Inugami-Fluch / Seisho Yokomizo

Tadaa!!! Kosuke Kindaichi ist wieder da und muss sich mit dem Inugami-Fluch beschäftigen.

Toyoichiro Wakabayashi, Anwalt der angesehenen Kanzlei von Kyozo Furudate erwartet, dass die Eröffnung des Testaments des kürzlich verstorbenen Seidenfabrikanten Sahei Inugami für Unfrieden in der Familie sorgen wird. Beunruhigt wendet er sich an den berühmten Privatdetektiven Kosuke Kindaichi und bittet ihn nach Nasu, wo sich das Anwesen der reichen Familie befindet. Doch noch bevor der Anwalt auf den Ermittler trifft und seine Bedenken mit ihm besprechen kann, kommt er auf mysteriöse Weise ums Leben – und dies ist nur der Anfang, denn nach der Verlesung des letzten Willens beginnt eine Serie grausamer Morde.

Gehen die Verbrechen von Saheis Töchtern, den Schwestern Matsuko, Takeko und Umeko aus, die das Erbe für ihre Söhne in Anspruch nehmen und gegen Tamayo Nonomiya, der Enkelin von Saheis Gönner Daini verteidigen wollen?
Wer ist Shizuma Aonuma, warum taucht dieser Name plötzlich im Testament auf?

Wird es Kosuke Kindaichi gelingen die Geheimnisse der Familie zu lüften und die Mordserie zu beenden?

Das Warten auf dieses neue Buch von Seishi Yokomizo hat sich absolut gelohnt, denn „Der Inugami-Fluch“ ist ein spannender und fesselnder Krimi, ein klassisches Whodunnit, das einfach nur großartig ist und allerfeinste Krimi-Unterhaltung bietet. Ich denke ja jedes Mal, dass es kaum besser werden kann und dann überzeugt mich der brillante Autor aufs Neue. Auch wenn man zunächst denken könnte, dass die Vielzahl an Personen eine gewisse Unübersichtlichkeit mit sich bringt, so ist das absolut nicht der Fall – und da auch in diesem Buch ein Personenregister ist, bekommt man leicht den Überblick. Mir gefällt ja auch immer das Glossar am Ende des Buches gut, da es ergänzende Erklärung zu der Geschichte selbst, sowie Land und Leuten bietet.

Seishi Yokomizo macht es einem leicht seine Bücher zu mögen, denn was er erzählt klingt nie an den Haaren herbeigezogen und konstruiert, sondern liest sich lebendig und klug. Mir gefällt besonders gut, dass er sich beim Erzählen Zeit lässt; auch wenn bereits auf den ersten Seiten Menschen Verbrechen zum Opfer fallen, entwickeln sich die Geschichten in einem angenehmen Tempo, sind weder zu trödelig noch zu hektisch.

Es ist spannend zu erleben, dass egal ob in Nasu oder St Mary Mead ein Mord passiert, die Beweggründe oftmals ähnlich sind und der Autor beschreibt seine Figuren, die Tathergänge und Motive nachvollziehbar und die Krimis enden mit Auflösungen, die nicht vorhersehbar waren, aber schlüssig sind.

Immer wieder faszinierend finde ich mit wie viel Phantasie der Autor seine Opfer zu Tode kommen lässt und noch mehr, in welcher besonderen Art und Weise sie aufgefunden werden. Selten wurden bizarre Leichen und grausame Leichenfunde so schön beschrieben!

Übersetzt wurde das Buch von Ursula Gräfe, sie macht die Geschichte auf wunderbare Weise erlesbar.

Ein wirklich genialer Krimi, der mir richtig gut gefallen hat. Ganz große Leseempfehlung!

Bewertung vom 03.05.2025
Hatokos wunderbarer Schreibwarenladen
Ogawa, Ito

Hatokos wunderbarer Schreibwarenladen


gut

"Hatokos wunderbarer Schreibwarenladen" erzählt von Hatoko, einer 25-jährigen Frau, die nach dem Tod ihrer Großmutter in ihren Heimatort Kamakura zurückkehrt und den traditionsreichen Schreibwarenladen der Familie übernimmt. Mit dem Geschäft übernimmt sie auch das Amt der öffentlichen Schreiberin. Im Laufe eines Jahres, das in vier Kapiteln den Jahreszeiten gewidmet ist, schreibt Hatoko Briefe für andere Menschen: Liebesbriefe, Trennungsbriefe, Trauerbriefe und vieles mehr. Sie schließt Freundschaften, sieht ihre Vergangenheit aus einer anderen Perspektive und lernt ihr Leben anzunehmen.

Ruhig, oft detailverliebt beschreibt Ito Ogawa das Leben von Hatoko, lässt uns an ihren Gedanken und ihrem täglichen Leben teilhaben. Die Autorin nimmt sich Zeit für die Beschreibungen der Natur, der Umgebung und der Arbeitsgeräte, die Hatoko für ihre Schreibarbeiten verwendet.

Ito Ogawa's "Hatokos wunderbarer Schreibwarenladen" ist in bester Gesellschaft mit anderen feel-good Büchern aus Japan, es hat mich jedoch weder begeistert noch berührt. Die Liebe zum Detail, die mitunter sehr ausgeprägten Beschreibungen habe ich als etwas langatmig, einige Szenen gar als befremdlich empfunden und es hat sich für mich beim Lesen mitunter zusammengewürfelt angefühlt.

Die Autorin vermittelt das japanische Lebensgefühl, lässt die Lesenden viel über japanische Traditionen und die Religion erfahren, die Karte zu Beginn des Buches gibt einen schönen Überblick über Kamakura und die Briefe in allerfeinsten Schriftzeichen sind hübsch anzusehen. Und die Tradition jährlich Post von Herzensmenschen mit einem Ritual zu verbrennen, finde ich wirklich wunderbar!

Auch wenn mir der Zauber dieser Geschichte ein wenig verborgen geblieben ist wird es bestimmt viele Lesende geben, die sich in Hatakos wunderbarem Schreibwarenladen wohlfühlen werden – und das ist gut so!

Bewertung vom 03.05.2025
Ms Darling und ihre Nachbarn
Sampson, Freya

Ms Darling und ihre Nachbarn


ausgezeichnet

Ms Darling und ihre Nachbarn / Freya Sampson

In der Poet’s Road im beschaulichen Chalcot steht das 1891 erbaute und nun etwas in die Jahre gekommene Shelley House. Zur viktorianischen Zeit wohnte dort die Familie eines Industriellen, nun befinden sich in dem Haus Mietwohnungen. Wohnung 5 und 6 im Dachgeschoss sind an Tomasz Wojcik und Gloria Brown vermietet, in der mittleren Etage wohnen Omar Siddig und seine Tochter Ayesha sowie der Mann, den alle nur den Störenfried nennen. Die Mieter*innen im Erdgeschoss wohnen am längsten im Haus, in Wohnung 2 Joseph Chambers und Dorothy Darling in Wohnung 1.
Ms Darling (auf das Ms legt sie großen Wert!) lebt seit 34 Jahren in dem Haus, die ehemalige Englischlehrerin verlässt es nur selten und widmet sich mit Hingabe der Beobachtung der Nachbarschaft, dem Protokollieren von Vergehen und der Zurechtweisung der Übeltäter*innen. Dies trägt nicht zu einer außerordentlichen Beliebtheit bei, aber das ist Ms Darling egal. Ganz besonders piesepamelig wird sie, wenn es um ihren Nachbarn Joseph geht – und als dieser widerrechtlich in seiner Wohnung die pinkhaarige Kat als Untermieterin aufnimmt, ist für Dorothy Schluss mit lustig.

Aber Kat ist nicht der einzige Grund zur Aufregung – per Post werden die Bewohnenden von Shelley House aufgefordert auszuziehen, da das Haus abgerissen werden soll. Während Dorothy den Brief ignoriert, beschließt Joseph dagegen zu protestieren. Kurz danach wird er bewusstlos in seiner Wohnung aufgefunden – und schon bald überschlagen sich die Ereignisse.

Wer hat Joseph angegriffen und kann Shelley House gerettet werden?

Eine spannende Wohlfühlgeschichte mit Herz und wunderbaren Momenten – so würde ich das wohl nennen, was Freya Sampson in „Ms Darling und ihre Nachbarn“ erzählt, und es liest sich wie eine Geschichte mitten aus dem Leben, die so oder so ähnlich passieren kann, wenn eine bunt zusammengewürfelte Mieter*innengruppe aufeinandertrifft und das Zuhause bedroht ist, da es zu exklusivem Wohnraum umgestaltet werden soll.

Ohne Frage ist Ms Darling gewöhnungsbedürftig, ihre Protokolle und die Zurechtweisungen der Nachbarschaft alles andere als sympathienobelpreisverdächtig – und doch ist sie mir im Laufe der Geschichte ans Herz gewachsen und das nicht nur wegen diesem Moment:

„Heute hatte Dorothy diese Kombi durch einen altmodischen Regenmantel und grüne Gummistiefel ersetzt, obwohl es ein herrlich sonniger Tag war. Ein schwarzes Kopftuch, das sie unter dem Kinn zusammengeknotet hatte, bedeckte ihr silbernes Haar. Es war ein widersprüchliches Outfit, irgendwo zwischen einer Nonne und der Queen…“ (S.106)

Oder weil sie insgeheim herausfinden möchte, wer Joseph überfallen hat:

„Sie hatte genug Agatha-Christie-Romane gelesen, um zu wissen, dass es die Details waren, die den Mörder am Ende verrieten.“ (S.76)

Die einzelnen Charaktere der Geschichte sind vielleicht ein wenig stereotyp, die Handlung in gewisser Weise vorhersehbar – und doch hat mich das Buch begeistert und in manchen Momenten auch berührt, weil ich schöne Erzählungen über Mut und Freundschaft und das es nie für was auch immer zu spät ist, einfach gerne mag.

Ich wäre auch gern als Untermieterin bei Joseph eingezogen, aber auch ohne Wohnsitz in der Poet’s Road habe ich mich in Shelley House sehr wohl gefühlt.
Ein schönes Buch, das einfach angenehm zu lesen ist, Spaß macht und mit viel Wärme erzählt, dass jeder von uns seine/ihre eigene Geschichte hat und sich immer ein Blick hinter die Fassade lohnt.

Herzliche Leseempfehlung!

Bewertung vom 03.05.2025
Von einem Mädchen, das das Schreiben liebte. Jane Austen
Hopkinson, Deborah

Von einem Mädchen, das das Schreiben liebte. Jane Austen


ausgezeichnet

Von einem Mädchen, das das Schreiben liebte – Jane Austen / Deborah Hopkinson, Qin Leng

Es ist eine allgemein anerkannte Tatsache, dass Jane Austen eine der brillantesten Schriftstellerinnen aller Zeiten ist (Klappentext).
Das Bilderbuch „Von einem Mädchen, das das Schreiben liebte“ erzählt von den frühen Jahren der Autorin, von ihrem einfachen Leben auf dem Land und den Kindertagen in einem turbulenten Haushalt mit vielen Geschwistern.
Jane war ein schüchternes Mädchen, das nicht gern im Mittelpunkt stand, jedoch aufmerksam das Geschehen um sie herum beobachtete und davon oftmals amüsiert war. Sie war geschickt beim Federball und hat begeistert bei den Vorbereitungen für die vorweihnachtlichen Theateraufführungen der Familie Austen geholfen.
Schon als Kind liebte Jane das Lesen und wusste genau, was ihr gefällt und was nicht. Sie hat das Gelesene mit kleinen Notizen und witzigen Bemerkungen ergänzt, ihr Vater erkannte ihr Talent und unterstützte sie und schon bald entstanden kurze Geschichten und auch der erste Roman ließ nicht lange auf sich warten.
Jane Austen wäre bestimmt begeistert, wenn sie wüsste, wie sehr ihre Geschichten auch noch heute geliebt werden - und all das begann mit einer Kindheit in Steventon.

Zauberhaft und wunderschön ist dieses Buch aus der Bilderbande-Reihe des E. A. Seemann Verlags. Die Texte sind kindgerecht, jedoch nicht kindisch, sondern vermitteln verständlich, wie man zu der damaligen Zeit lebte. Wunderhübsch sind auch die Zeichnungen, die für den Betrachtenden viele kleine Details bereithalten und farblich sehr stimmig sind. Eine auf der aktuellen Forschung basierende Zeittafel, weist auf die wichtigen Momente in dem Leben der Autorin hin und in „Janes Bücherregal“ finden sich Informationen zu ihren sechs Büchern.

Deborah Hopkinson @deborah_hopkinson erzählt lebendig die Geschichte von Jane Austen, von ihren klugen Beobachtungen und ihrem ganz eigenen Charme und Witz. Illustriert wurde das Buch von Qin Leng @qinillustrations und die Bilder sind einfach nur wunderbar. Die Übersetzung ist von Nora Schröder. Das Buch ist für Kinder ab 4 Jahren gedacht – aber ich bin überzeugt, dass es ein Hingucker in jedem Austen-Regal ist.

„Von einem Mädchen, das das Schreiben liebte“ ist voller Begeisterung für Jane Austen, mit viel Liebe gestaltet und es ergänzt eine Austen Büchersammlung ganz hervorragend.

Es ist wunderbar und wird #janeites allen Alters begeistern.
Ganz große Leseempfehlung!