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Lena
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Köln

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Insgesamt 145 Bewertungen
Bewertung vom 17.08.2025
Schwüre, die wir brechen / Svea Karhuu & Jon Nordh Bd.2
Voosen, Roman;Danielsson, Kerstin Signe

Schwüre, die wir brechen / Svea Karhuu & Jon Nordh Bd.2


ausgezeichnet

In Malmö ist ein Serientäter am Werk, der seine Opfer wie ägyptische Totengötter in Szene setzt und mit Hieroglyphen rätselhafte Botschaften hinterlässt. Kommissar Nordh nimmt nur widerwillig zusammen mit seiner jüngeren Kollegin Svea Karhuu die Ermittlungen auf, nachdem er sich erneut auf einen Deal mit seiner Vorgesetzten eingelassen hat. Nach Nordhs Empfinden handelt es sich beim Täter um einen Psychopath, was die Ermittlungen nicht nur aufgrund des zu befürchtenden Medieninteresses vor Herausforderungen stellt.
Als eine Jugendliche entführt wird und ein Bekennerschreiben eingeht, spekuliert die Presse, dass es sich um einen militanten Ökoterroristen handelt. Nordh gerät weiter unter Druck, aber nach einem dritten Todesopfer können die Hieroglyphen entschlüsselt werden und verdichten die Hinweise auf einen Täter, der zum erstellten Profil passt.

"Schwüre, die wir brechen" ist nach "Tode, die wir sterben" der zweite Band von "Tatort Malmö" des schwedisch-deutschen AutorInnen-Duos.
Der Fall mit den bizarren Leichenfunden handelt zehn Monate nach Band 1 und ist wieder wechselnd aus den Perspektiven der beiden Hauptfiguren Jon Nordh und Svea Karhuu geschrieben.
Zum Verständnis ist ein Vorwissen aus dem Auftaktband nicht unbedingt notwendig, denn die Charaktere mit ihrer jeweils belastenden Vergangenheit werden ausreichend eingeführt. Nordh ist weiterhin dabei, seinen persönlichsten Fall um den rätselhaften Unfalltod seiner Ehefrau aufzuklären, während Svea aufgrund der Tatsache, dass sie in einem Undercover-Einsatz in Notwehr einen Kollegen getötet hat, bedroht wird.

Der Krimi liest sich aufgrund der Rückblenden in die Vergangenheit Ende 1970er bis in die 1980er-Jahre, die Hinweise auf den Täter geben und die brutale Vorgehensweise und spektakuläre Inszenierung der Leichen wie ein Thriller.
Durch immer neue Hinweise und die schnell aufeinanderfolgenden Morde ist der Roman dynamisch und hält Ermittler wie Leser in Atem. Der Bezug zum alten Ägypten, zur ägyptischen Mythologie und die Interpretation der Bedeutung für den Fall ist zunächst rätselhaft, aber klug und originell gewählt.
Darüber hinaus ist die klassische Ermittlerarbeit authentisch dargestellt und gibt mit dem Kompetenzgerangel und Profilierungsneigung mancher Figur einen sehr guten Einblick in die Strukturen der Sicherheitsbehörden.
Wie auch in Band 1 ergänzen sich der verbitterte Witwer und erfahrene Kommissar Nordh und die strafversetzte, instinktgesteuerte Kommissarin Karhuu mit ihren unterschiedlichen Persönlichkeiten, Ansichten und Erfahrungswerten perfekt und sind als Team inzwischen gelungen zusammengewachsen. Trotz ihrer Unterschiede gleichen sie sich in ihrem Mut und Kampfgeist - und weichen mit ihren Alleingängen schon einmal von den Formalien ab.

Auch wenn die/ der LeserIn durch die Rückblenden einen Wissensvorsprung gegenüber den Ermittlern hat und frühzeitig klar ist, dass der Täter von seiner Vergangenheit geprägt ist und ein sehr persönliches Motiv bei seinen Morden verfolgt, ist der Roman ohne Längen durchgehend spannend und aufgrund der besseren Nachvollziehbarkeit der Zusammenhänge der einzelnen Spuren und Aufklärung der Taten noch eine Steigerung zu dem ersten gemeinsamen Fall.
Die Dämonen der Vergangenheit lassen die beiden Hauptfiguren nicht ruhen, nehmen in Band 2 spektakuläre Wendungen, sind aber noch längst nicht zufriedenstellend aufgeklärt. Nicht nur deshalb bin ich jetzt schon sehr gespannt auf Band 3 "Opfer, die wir bringen", der voraussichtlich im Herbst 2026 erscheinen wird.

Bewertung vom 16.08.2025
Die Wut, die bleibt
Fallwickl, Mareike

Die Wut, die bleibt


sehr gut

"Haben wir kein Salz?" Helene, Mutter dreier Kinder und Ehefrau von Johannes, die das Abendessen wie jeden Tag zubereitet hat, steht nicht auf, um das Salz zu holen. Sie steht auf, betritt den Balkon und stürzt sich aus dem fünften Stock des Mehrfamilienhauses in Salzburg zwölf Meter in die Tiefe. Übrig bleiben Schock, Hilflosigkeit, Trauer und Wut.
Helenes beste Freundin Sarah ist freiberufliche Schriftstellerin und unterstützt die Familie nach dem Tod ihrer Freundin, wo sie kann. Sie zieht sogar zeitweise in die Wohnung ein, um die Lücke zu füllen, die Helene hinterlassen hat. Schließlich kann sie von zu Hause aus arbeiten und Johannes muss als Ernährer der Familie zur Arbeit. Sarah fällt in die Rolle der Hausfrau und Mutter und spürt bald, was Helene belastet haben muss.
Helenes 15-jährige Tochter Lola spürt hingegen eine immer größere Wut - auf ihre Eltern, die sie im Stich gelassen haben und das patriarchale System, gegen das sie rebelliert und das sie für den Suizid ihrer Mutter verantwortlich macht.

Der Roman wird nach dem Tod von Helene abwechselnd aus der Perspektive ihrer besten Freundin Sarah und ihrer 15-jährigen Tochter Lola erzählt. Beide Sichtweisen wecken auf ihre Art Emotionen und es fällt leicht, sich in die Figuren und das, was sie antreibt, hineinzuversetzen - auch wenn man ihr Verhalten nicht immer gutheißen kann.

Sarah hat Helene einerseits um ihre Familie beneidet, andererseits wollte sie nie so leben und hat ihre Unabhängigkeit stets genossen. Sie macht sich Vorwürfe, dass sie die Not Helenes nicht erkannt hat und versucht ihre Schuldgefühle zu kompensieren, indem sie für ihre Kinder da ist. Sie krempelt ihr Leben um und hinterfragt die Beziehung zu ihrem Freund Leon, der sich in ihr Haus eingenistet hat, aber nicht für sie da ist und kein ernsthaftes Interesse an einer tiefer gehenden Beziehung zu haben scheint.

Lola missfiel die häusliche Rolle, in die sich ihre Mutter hat drängen lassen und kämpft aktiv gegen alles an, was typisch weiblich sein soll. Bislang hat sie nur verbal für ein starkes Frauenbild und Gleichberechtigung gekämpft. Nun macht sie dies auch körperlich und steigert sich zusammen mit neuen Freundinnen in einen regelrechten Männerhass hinein.

Trotz des Todes, mit dem alles anfängt, ist das Buch weniger eine Geschichte über Trauer, als vielmehr ein Roman über die andauernde Ungerechtigkeit zwischen Männern und Frauen, verfestigte Rollenbilder und den Kampf dagegen.
Die Ausgangssituation ist realistisch dargestellt und die Lage der Frauen wird durch die Pandemie noch verschärft. Wie verzweifelt und hilflos muss sich Helene gefühlt haben, um diesen Schritt zu gehen? Erschreckend irritierend ist, dass Sarah Helenes Rolle eins zu eins zu übernehmen scheint und sich klaglos um Kinder und Haushalt kümmert, während Helenes Ehemann ihre Hilfe selbstverständlich annimmt und ihr die Erziehung seiner Kinder überlässt. Irritierend ist zudem, in welche Spirale der Gewalt Lola gerät, indem sie die Rolle eines Racheengels für alle benachteiligten Frauen einnimmt. Beide Positionen sind extrem, wie auch die Passivität und Gleichgültigkeit der Männer in dem Roman, aber genau das provoziert und stimmt nachdenklich.

"Die Wut, die bleibt" ist keine feministische Kampfschrift, sondern stellt - wenn auch einseitig und überspitzt - dar, dass die Care-Arbeit klassisch den Frauen überlassen wird, ob sie wollen oder nicht. Gewalt gegen Frauen ist ein Tabu, gegen das brutal aufbegehrt wird. Dass Frauen sich hier nur mit dem Mittel der Selbstjustiz zu helfen wissen, ist dramatisch. Die Botschaft, dass sich Frauen viel mehr wehren müssen, laut sein müssen und wütend sein dürfen, wird deutlich. Neben all der Wut, Gewalt und den negativen Gefühlen ist der Roman jedoch auch eine Mut machende Geschichte über Befreiung, Selbstbehauptung und Frauensolidarität.

Bewertung vom 15.08.2025
Deep Cuts
Brickley, Holly

Deep Cuts


gut

Percy und Joe lernen sich im Herbst 2000 in einer Studentenkneipe in Berkeley kennen. Beide verbindet auf Anhieb die Leidenschaft zur Musik. Während Joe Musiker ist, Songtexte schreibt und gerade dabei ist, eine Band zu gründen, beschäftigt sich Percy mit den Inhalten und der Bedeutung von Songtexten. Joe bittet sie deshalb um Feedback zu einem seiner neuen Songs, woraus sich eine über Jahre anhaltende sporadische Zusammenarbeit ergibt, während der Joe als Indie-Musiker mit seiner Band "Caroline" berühmt wird.
Zwischen unausgesprochener Liebe, platonischer Freundschaft und beruflicher Partnerschaft sind Percy und Joe lose verbunden, auch wenn für Percy weitaus mehr Gefühle im Spiel sind. Doch mehrfache Zurückweisungen und Joes Befürchtung, seine wertigste Kritikerin zu verlieren, scheinen eine Beziehung unmöglich zu machen.

Die Geschichte führt von 2000 bis 2008 in eine Zeit zurück, als es noch Tonträger, Mixtapes in Form gebrannter CDs, TV-Musiksender, iPods und Napster gab.
Musik und Songtexte bilden einen wesentlichen Kern des Romans. Jedes Kapitel ist einem Song bekannter Künstler gewidmet und passt inhaltlich zu dem gegenwärtigen Geschehen. Dabei ist es allerdings schwierig, die Verbindung der Texte mit der fiktiven Geschichte zu erkennen und zu fühlen, da es sich, anders als erwartet, mehrheitlich nicht um Musik der 2000er handelt. Statt populäre Songs und Texte der Zeit heranzuziehen, die gerade für LeserInnen im Alter von Percy und Joe mehr Identifikationspotenzial geboten hätten, werden vorrangig Musiker vorangegangener Zeiten wie "The Beatles", "The Kinks", Buddy Holly oder Janis Joplin erwähnt und eben nicht gerade die Musik, die man üblicherweise Anfang der 2000er-Jahre gehört hat. Obschon ich mich als musikinteressiert bezeichnen würde und wahrlich nicht nur Mainstream-Pop/Rock höre, war ich beim Lesen ernüchtert, wie wenig Deep Cuts ich tatsächlich kannte, die für die Geschichte Relevanz hatten.

Der Roman kommt einer Musikanalyse gleich, die mit der Zeit ermüdend ist. Die komplizierte Beziehung von Percy und Joe, die zwischen Liebe, Freundschaft und geschäftlicher Partnerschaft schwankt, erhält zu wenig Raum. Auch die Spannung, die sich durch Percys Mitarbeit an Joes Musik, die zu wenig Würdigung findet, ergibt, bleibt verhalten.
Neben der Sezierung von Liedtexten stehen Percys berufliche und persönliche Entwicklung im Vordergrund, die authentisch dargestellt sind.
"Deep Cuts" ist nicht nur ein Ausdruck der Liebe zur Musik, die einen essentiellen Teil des Lebens ausmacht, sondern auch ein Coming-of-Age-Roman über den Wunsch nach Zugehörigkeit und der Sehnsucht, gehört zu werden.

Bewertung vom 13.08.2025
Girls
Capes, Kirsty

Girls


ausgezeichnet

Nach einem Krebsleiden ist die Künstlerin Ingrid Olssen, die für ihren ausschweifenden Lebensstil und ihre Unberechenbarkeit bekannt war, in London verstorben. Sie hinterlässt ihr künstlerisches Werk und ihre beiden erwachsenen Töchter Matilda und Nora, die als Kinder unter ihrer Verantwortungslosigkeit und Vernachlässigung gelitten haben.
Zwei Jahre nach ihrem Tod arbeitet der Journalist Richard Taper an einer Biografie über Ingrid Olssen und interviewt dafür eine Reihe von Personen aus Ingrids Umfeld. Darunter ist auch Matilda, der er auf diese Weise näher kommt. Zeitgleich plant Ingrids Managerin und Schwester Karoline eine Ingrid-Olssen-Retrospektive im Museum of Modern Art in San Francisco und hat dazu Nora überredet, ihren Anteil des Erbes zur Verfügung zu stellen. Ingrid hatte ihre Kunst nie verkaufen wollen und hätte auch diese Ausstellung nie gewollt. Nach ihrem Tod sollten alle ihre Gemälde ins Meer geworfen werden. Nora bereut ihre Entscheidung und macht sich nach einem wiederholten Klinikaufenthalt zusammen mit ihrer Schwester Matilda, deren Tochter Beanie und Ingrids Asche im Gepäck auf, um den letzten Wunsch ihrer Mutter zu erfüllen.

Der Roman ist aus der Ich-Perspektive der älteren Tochter Matilda erzählt. Die gegenwärtige Handlung ist durchzogen von Erinnerungen an die Kindheit und Jugend, die beispiellos erschütternd war. Dazwischen gibt es Auszüge aus Mitschriften für die Biografie, die Richard Taper, ein Bewunderer Ingrids, verfasst.

Ingrid war eine geniale Künstlerin, die neben ihrem künstlerischen Schaffen Aufmerksamkeit durch ihr provokatives Verhalten in der Öffentlichkeit, ihre Drogenexzesse und Eskapaden erlangte. Ihre Kinder wurden zur Nebensache. Mehr als einmal hat sie sie alleingelassen, wobei als Entschuldigung ihre Erkrankung als manisch-depressiv herhalten musste.
Matilda und Nora haben auf unterschiedliche Art gelitten und ihre Leben dementsprechend gestaltet. Als Erwachsene ist ihr Verhältnis angespannt und von der Vergangenheit belastet. Schuldgefühle und unterschwellige Vorwürfe führten zu einem jahrelangen Kontaktabbruch. Erst die Diskussion um Ingrids Biografie und der Umgang mit ihrem Vermächtnis führt die beiden wieder zusammen.

Das Buch handelt von toxischen Familienverhältnissen, einer Mutter, die unfähig war, sich um ihre Töchter zu kümmern und einem abwesenden Vater. Die Erinnerungen Matildas sind erschütternd und machen wütend. Die Interviews, die Richard führt, ergänzen das Persönlichkeitsbild Ingrids - einer Künstlerin zwischen Genie und Wahnsinn.

Die Beschreibungen lassen einen fassungslos zurück und wirken dennoch authentisch. Durch die empathische und lebendige Schreibweise sowie die feine Charakterzeichnung werden die Figuren, ihre Erlebnisse, Gefühle und daraus resultierenden Handlungen leicht vorstellbar. Matilda ist als Mutterersatz im Teenageralter überfordert und später voller Schuldgefühle, nicht genug getan zu haben und voller Angst um die Gesundheit ihrer Schwester. Nora scheint als Performancekünstlerin in die Fußstapfen ihrer Mutter zu steigen und hat mit psychischen Problemen zu kämpfen, die gleich mehrfach in Selbstmordversuche mündeten.

Der turbulente Roadtrip sorgt hingegen für Leichtigkeit, für eine Annäherung der entzweiten Schwestern sowie für einen Abschied von der Mutter, der einer Entsorgung von Ballast gleichkommt.

"Girls" ist eine facettenreiche Geschichte über eine ungewöhnliche, denkwürdige Familie, über beschädigte Beziehungen und die Auswirkungen einer traumatischen Vergangenheit. Trotz aller Wut, Traurigkeit und Fassungslosigkeit, die die Geschichte auslöst, fehlt es ihr nicht an humor- und hoffnungsvollen Aspekten durch einen Ausblick auf Heilung und Versöhnung.

Bewertung vom 13.08.2025
Miss Taylor, das Wasser und die Liebe
Hopper, Sophie

Miss Taylor, das Wasser und die Liebe


sehr gut

Milla Taylor lebt mit 26 Jahren ein zurückgezogenes Leben in Cambridge und arbeitet in einem Museum als Nachtwächterin. Als die Vergangenheit sie einholt und sie daraufhin ihre Anstellung verliert, ist sie perspektivlos und steht vor dem wirtschaftlichen Ruin. Durch ihren einzigen Freund Jack aus Kindertagen lernt sie auf einer Silvesterparty 1950/ 1951 den ehemaligen Taucher Monty kennen. Er animiert Milla zu ihrem ersten Tauchgang, der sie von der Unterwasserwelt fasziniert. Im Wasser kann sie die Welt um sich herum ausblenden und alle Sorgen vergessen.
Als sie die Chance ergreift an einer archäologischen Expedition der Universität teilzunehmen und als Zeichnerin eine Gruppe von Frauen unter der Anleitung der Professorin Lawson nach Yucatán reist, ist es Milla, die auf einem Tauchgang endlich für ein Erfolgserlebnis sorgt.

Milla hat als Vollwaise viel durchgemacht und ist vom Ruf ihres Vaters als Wirtschaftsverbrecher belastet. Bis auf ihren langjährigen Freund Jack hat sie niemanden, der ihr nahe steht oder dem sie vertraut. Sie führt ein einsames Leben, was sich durch den Verlust ihrer Anstellung noch verschärft. Durch ein Handicap hat sie wenig Chancen auf dem Arbeitsmarkt und schafft es nur durch ihr künstlerisches Talent die Universitätsprofessorin von sich zu überzeugen.

Durch die Begegnung mit Monty und die Reise nach Yucatán wird ihre Sehnsucht nach dem Gefühl des Freiseins im Wasser geweckt und noch verstärkt. Unter Wasser ist Milla von der Stille eingenommen und auch die Stimmen in ihrem Kopf geben Ruhe. Die Liebe zum Tauchen führt zu Reisen um die Welt und am Ende auch zu sich selbst, wobei unerwartet Erinnerungen in ihr geweckt werden, die sie mit der Vergangenheit versöhnen.

Milla ist eine eigensinnige junge Frau, die zu unrecht ausgegrenzt wird. Sie hat sich jedoch mit ihrer Einsamkeit arrangiert und möchte ihre Unabhängigkeit bewahren. Sie ist ihrer Zeit damit voraus, was im weiteren Verlauf der Handlung bedeutsam wird, als sie mit ausgerechnet mit dem Verrat einer Frau konfrontiert wird.
Trotz ihrer Unerfahrenheit und ihres Wunsches nach Unabhängigkeit entwickelt sie zarte Gefühle für einen Mann, als sie Montgomery Chester kennenlernt, der seine Leidenschaft für das Tauchen nicht mehr ausüben kann und sich ebenso wie sie zurückgezogen hat. Vordergründig ist jedoch das Element Wasser und der Friede, den Milla darin findet. Ihre Sehnsucht und ihr Talent führen zu abenteuerlichen Reisen, die sie nach Mexiko, Frankreich und Griechenland führen.

Es ist die Geschichte über eine Außenseiterin, die durch das Tauchen einen Weg zurück ins Leben findet, neuen Mut und Selbstbewusstsein entwickelt und verdiente Anerkennung erhält. Es ist ein ermutigendes, hoffnungsvolles Buch vor dem Hintergrund des Zeitgeists der 1950er-Jahre, das von realen Personen inspiriert ist und eine Hommage an die unberührte Natur ist, die Magisches bergen kann.

Bewertung vom 11.08.2025
Die Frau in den Fluten
White, Loreth Anne

Die Frau in den Fluten


sehr gut

Chloe Cooper arbeitet als Barkeeperin, kümmert sich um ihre todkranke Mutter und führt in ihrem Wohnviertel in einem Küstenort in der Nähe von Vancouver Hunde aus. Sie ist unscheinbar und hat wenig soziale Kontakte, beobachtet ihre Mitmenschen dafür umso genauer. Als in das neu gebaute Haus gegenüber neue Nachbarn einziehen, freut sich Chloe auf ihre persönliche Theaterbühne. Sie ist fasziniert von der glamourösen Arztfrau Jemma, die als Influencerin aktiv ist und jeden morgen Schwimmen geht, aber beunruhigt über ihren Ehemann Dr. Adam Spengler, einem renommierten onkologischen Chirurg, der ein ungutes Gefühl in ihr auslöst.
Ungewollt erfährt Chloe mehr über das Paar, als ihr lieb ist, und versucht, Jemma klammheimlich beizustehen. Als sie eines nebligen Septembermorgens ihre übliche Runde mit dem Hund ihrer Mutter dreht, sieht sie, wie eine Schwimmerin von einem Jetski absichtlich überfahren wird und ist sich sicher, dass Adam seine Frau getötet hat.

Der Roman ist aus verschiedenen Perspektiven der allesamt etwas undurchdringlichen Charaktere geschrieben. Neben der überwiegend chronologischen Erzählung, die zeitlich mit dem Einzug der Spenglers beginnt und nur drei Wochen umfasst, erfolgt sechs Jahre später ein Rückblick auf den Kriminalfall durch eine True Crime-Sendung "Die Chloe-Cooper-Story". Die Berichterstattung und Interviews sorgen für Abwechslung und geben eine neutrale Sicht auf die vergangenen Ereignisse und warten mit ungeahnten Enthüllungen auf.

Der Psychothriller ist spannend und wendungsreich, beinhaltet allerdings eine klischeehafte Charakterdarstellung, Wiederholungen und eine an mancher Stelle konstruierte Handlung, die von einigen Zufällen geprägt ist. Die Hauptfiguren sind wenig sympathisch, haben Dinge zu verbergen und agieren zumal wirklichkeitsfremd. Auch die Ermittlungen der Polizei erscheinen bei der Tätersuche nicht immer authentisch.

Die Hintergründe sind traumatisch und liefern damit eine Erklärung für Manipulation, Besessenheit, Einsamkeit und den Wunsch nach Zugehörigkeit. Daneben geht es um Betrug, Verletzungen, Erpressung und Rachegelüste, die die niedrigsten Instinkte im Menschen wecken.

"Die Frau in den Fluten" ist ein unterhaltsamer Thriller mit erschütternden Offenbarungen, in der eine Kette von Ereignissen ausgelöst wird, die zu mehreren Morden führen. Kritisch anzumerken ist, dass den handelnden Personen beachtliche Lasten aufgebürdet worden sind und dass die stümperhaften Ermittlungen zu keinem ganz befriedigenden Ende führen, woran auch der True Crime-Report Jahre später nichts ändert.

Bewertung vom 09.08.2025
Daydreams
Hankin, Laura

Daydreams


sehr gut

Anfang der 2000er-Jahre wurden die Teenager Summer, Noah, Kat und Liana mit der Serie "The Daydreams" berühmt. Auf dem Höhepunkt ihres Erfolgs, mit der Livesendung zum Finale der zweiten Staffel, erfolgte das spektakuläre Aus, das bis heute Fragen aufwirft.
Während sich Kat anschließend aus der Öffentlichkeit zurückgezogen hatte und als Anwältin in Washington, D.C., arbeitet, ist Noah der Film- und Fernsehbranche treu geblieben und hat es sogar bis zu einer Oscarnominierung gebracht. Liana ist mit einem Spitzensportler verheiratet und als Influencerin aktiv. Summer hat mehrere Aufenthalte in Entzugskliniken hinter sich und ist gerade clean.
Auf Wunsch der Fans kommt es 13 Jahre nach dem Eklat vor laufenden Kameras zu einer Reunion für ein Special zu "The Daydreams". Jeder der vier ehemaligen Freunde hat ein eigenes Interesse an dem Wiedersehen und der Neuauflage. Während sie sich zaghaft annähern und allmählich die Magie der Serie wie zu Teenagerzeiten verspüren, drohen alte Geheimnisse ans Licht zu kommen, die ihre Freundschaft für immer zerstören könnten und in jedem Fall wieder zu Schlagzeilen führen werden.

Der Roman wird aus der Perspektive von Kat geschildert, die neben Summer und Noah, die das Pärchen mimten, eine Nebenrolle in der Serie hatte und die "Zicke" darstellte. Sie hatte sich am meisten gegen eine Reunion gewehrt, sich aber letztlich überreden lassen, um einen Fehler wiedergutzumachen. Über die Motive ihrer Schauspielerkollegen kann zunächst nur spekuliert werden.

Neben den gegenwärtigen Ereignissen erfolgen Rückblenden in die Jahre 2004/ 2005, als der Erfolg der Serie die Teenager übermannte und sie einerseits mit heftigen Gefühlen von Zuneigung und Eifersucht und andererseits mit dem Druck der Medien und zudringlichen Paparazzi umzugehen lernen mussten.

Zeitungsausschnitte, Interviews, Tweets und Blogbeiträge ergänzen Kats Erzählweise. Sie sind stimmig zu dem Medieninteresse, das "The Daydreams" auslöste, sorgen für Abwechslung und Authentizität, indem sie den Einfluss der Medien und die Überforderung der Teenie-Stars noch deutlicher machen. Darüber hinaus gibt es Einträge aus Summers Tagebuch, die nicht zum Image der braven Jungschauspielerin passen möchten.

Die Charaktere sind facettenreich, haben über die Jahre eine nachvollziehbare Entwicklung durchgemacht und warten schlussendlich mit überraschenden Geständnissen auf. "Daydreams" vermittelt einen authentischen Blick hinter die Kulissen einer Fernsehproduktion. Der Roman handelt von großen Träumen, von Reue, Wiedergutmachung und Versöhnung, aber auch von Manipulation, persönlichen Zusammenbrüchen, Eifersucht und Rachegelüsten.

Spannend, dramatisch und unerwartet wendungsreich wird wie in einer guten Seifenoper inszeniert, was damals mit ihrer Freundschaft passiert ist und welche Auswirkungen der Skandal, der sie trennte, auf ihre weitere Entwicklung hatte. Noch spannender ist, ob die Erwachsenen aus ihren Fehlern von damals gelernt haben und ob tatsächlich ein neues Serienende der alleinige Zweck der Reunion ist.

Bewertung vom 09.08.2025
Die Verlorene (eBook, ePUB)
Georg, Miriam

Die Verlorene (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Als Lauras Großmutter Änne stürzt und anschließend bewusstlos im Krankenhaus liegt, findet Laura in deren Wohnung eine Kiste mit Erinnerungen aus der Zeit in Schlesien, wo Änne aufgewachsen ist. Ein altes Foto wirft dabei Fragen auf, die auch Lauras Mutter Ellen nicht beantworten kann. Zeit ihres Lebens hatte Änne über die Flucht aus Schlesien geschwiegen und keine Erklärung dafür, warum sie die einzige ist, die von ihrer Familie übriggeblieben war.
Laura, die gerade vor einem neuen Lebensabschnitt steht, beschließt, nach Schlesien zu dem Gutshof zu fahren, wo ihre Mutter geboren ist. Sie hofft dort noch jemanden zu finden, der die Familie kannte und ihre Fragen beantworten kann, die sie nun Änne nicht mehr stellen kann. Sie begibt sich auf eine Reise in die Vergangenheit in die 1940er-Jahre, als Deutschland an allen Fronten Kämpfte, Schlesien von direkten Kampfhandlungen jedoch verschont blieb. Auch wenn Familien dennoch Verluste zu beklagen hatten, wurden die Auswirkungen des Krieges besonders spürbar, als die Front der Russen immer näher rückte und sich auch die Kräfteverhältnisse auf dem Gutshof umkehrten.

Der Roman handelt auf zwei Zeitebenen und wird überwiegend aus einer weiblichen Perspektive geschildert. Die Vergangenheit handelt im Zeitraum von 1941 bis 1947 auf dem Pappelhof in Schlesien, wo Änne geboren und aufgewachsen ist. Änne galt als Problemkind, aber es war die Ankunft eines russischen Zwangsarbeiters im Jahr 1943, die alles veränderte.
In der Gegenwart macht sich Laura auf eine Spurensuche, nähert sich dabei ihrer Mutter an und versucht zudem eine Versöhnung zwischen ihrer Mutter und ihrer Großmutter herbeizuführen. Ungeahnt wird ihre Reise zu einer Suche nach den Wurzeln und der eigenen Identität.

Durch den unregelmäßigen Wechsel zwischen Gegenwart und Vergangenheit wird sukzessive eine unglaubliche Familiengeschichte aufgedeckt, die für anhaltende Spannung sorgt, was 1943 passieren und was Laura über 70 Jahre später herausfinden wird. Erst allmählich wird klar, was sich in den Kriegsjahren auf dem Gutshof in Schlesien ereignet hat, das so traumatisch war, dass Änne nie mit ihren Angehörigen darüber sprechen konnte und wollte.

Die detailgetreuen Schilderungen sind erschütternd und bewegend und trotz ihrer Dramatik authentisch. Durch die lebendige Erzählweise hat man nicht nur den Gutshof in den Kriegsjahren und im Jahr 2019 in umgebauter Form klar vor Augen, sondern kann sich auch sehr gut in die handelnden Personen und ihre Gefühle hineinversetzen und ihre innere Zerrissenheit nachvollziehen.

Es ist eine Geschichte über das Schweigen der Kriegsgeneration, über schwierige Mutter-Tochter-Verhältnisse, über Eifersucht und die mangelnde Fähigkeit, Loslassen zu können. Teil des Romans ist zudem eine tragische Liebesgeschichte, die jedoch von dem Auseinanderfallen einer ganzen Familie überlagert wird.
Auf einfühlsame Weise erzählt Miriam Georg eine spannende und hochdramatische Geschichte vor dem Hintergrund des Zweiten Weltkriegs, die von ihrer eigenen Familiengeschichte inspiriert ist und auch deshalb nachdrücklich bewegt, zumal die Aspekte von Flucht, Vertreibung und Heimatverlust in einer unruhigen Welt zeitlos sind.

Bewertung vom 06.08.2025
Scheue Wesen
Chambers, Clare

Scheue Wesen


sehr gut

Helen Hansford arbeitet 1964 als Kunsttherapeutin an einer psychiatrischen Klinik. Seit drei Jahren hat sie eine Affäre mit einem der leitenden Ärzte, der sich fortschrittlich für neue Therapiemethoden einsetzt. Helen steht für ihn auf Abruf bereit, solange sie noch an sein Versprechen glaubt, seine Ehefrau, die ausgerechnet eine entfernte Cousine Helens ist, zu verlassen, wenn ihre Kinder aus dem Gröbsten heraus sind.
Als ein neuer Patient eingeliefert wird, der isoliert mit seiner Tante zusammenlebte, verwahrlost und mindestens zehn Jahre nicht mehr das Haus verlassen hatte, ist Helen von seinem Schicksal berührt. Sie erkennt sein künstlerisches Talent und versucht mehr über ihren stummen Patienten herauszufinden.

Die Geschichte handelt im Jahr 1964 und gibt dabei Einblicke in den Alltag in einer "Irrenanstalt" und entwirft ein anschauliches Porträt der Gesellschaft der damaligen Zeit. Durch Szenen aus dem Familienleben werden die patriarchalen Strukturen und die Stellung der Frau erkennbar.

Mit dem Auffinden von William Tapper ergänzt eine weitere Perspektive die Handlung. In Rückblenden, die sich mit der Gegenwart 1964 abwechseln, wird Williams Lebensgeschichte chronologisch rückwärts erzählt und deckt auf, was ihm ab dem Jahr 1938 widerfahren ist und zu der prekären Situation der Abschottung in einem Haus mit einer zunehmend verwirrten Tante geführt hat.

Die Geschichte ist warmherzig und einfühlsam geschildert. Helen widmet sich liebevoll ihrer Arbeit mit den Patienten in der psychiatrischen Klinik. Auch für Dr. Gil Rudden steht das Wohl seiner Patienten an erster Stelle, weshalb er neue Ansätze vertritt und die Gesprächstherapie statt einer alleinigen medikamentösen Behandlung vorzieht. Gleichzeitig sind sie moralisch wenig integer, indem sie ihre heimliche Affäre bereits seit drei Jahren praktizieren.
Während Helen versucht, das Geheimnis hinter Williams Isolierung zu entschlüsseln und sich um ihre Nichte sorgt, die ebenfalls als Patientin in Westbury Park aufgenommen wird, stellt sie zunehmend sie ihre Beziehung zu Gil in Frage, die auf unterschiedlichen Erwartungen beruht.

"Scheue Wesen" ist dramatisch und spannend, wird jedoch sehr sanft und einfühlsam erzählt und spiegelt auf diese Art auch den Titel wider. Das Schicksal Williams geht zu Herzen und fesselt durch die Art der Erzählweise, die erst allmählich seinen Hintergrund aufdeckt.
Es ist ein zartfühlender Roman über Trauma, Verlust und Selbstfindung sowie ein Plädoyer für Freundlichkeit und Mitgefühl im Umgang mit einander.

Bewertung vom 04.08.2025
Das Comeback
Berman, Ella

Das Comeback


gut

Grace Turner wurde als 13-Jährige entdeckt und für einen Film gecastet. Mehrere Jahre war sie der Star der Filmbranche Hollywoods, bis sie sich auf dem Höhepunkt ihrer Karriere ohne eine Erklärung zurückzog.
Ein Jahr später ist sie zurück in Los Angeles, wo sich die Presse gierig auf die junge Frau stürzt, die verwirrt erscheint und ungepflegt auf die Straße tritt.
Die Öffentlichkeit weiß nicht, dass Grace einen Suizidversuch hinter sich hat und was die Gründe dafür sind. Traumatisiert kämpft Grace sich allmählich ins Leben zurück und beschließt Rache an ihrem Peiniger, Hollywood-Produzent Able zu nehmen, der sie groß hat werden lassen, aber gleichzeitig erniedrigt hat. Ausgerechnet seine Ehefrau hilft ihr dabei, wieder auf die Beine zu kommen und schlägt sie für die Laudatio für das Lebenswerk Ables vor.

Der Roman beginnt mit einer psychisch gebrochenen Frau, die wieder bei ihren Eltern eingezogen ist, sich über die Jahre jedoch von ihnen entfremdet hat und weder Halt noch Verständnis dort findet. Grace ist innerlich leer und spürt die Folgen ihrer jungen Karriere. Geblieben sind Geld und Ruhm, aber keine Freunde und eine zerrüttete Ehe.

Im Rückblenden erfährt man das Offensichtliche, was Grace kaputt gemacht hat und was ihr Mentor ihr angetan hat. Grace war viel zu jung und unerfahren, konnte am Filmset nicht für sich einstehen und sich schon gar nicht gegen einen manipulativen, übergriffigen Filmemacher zur Wehr setzen, von dem sie abhängig war. Sie flüchtete sich in den Konsum von Alkohol, Opiaten und Drogen, um sich zu betäuben.

Die Darstellung aus Graces Sicht ist eindringlich und authentisch. Durch die öffentliche Berichterstattung über Machtmissbrauch in Hollywood und #metoo-Debatten ist auch ohne dass zu sehr ins Detail gegangen wird nachvollziehbar, was Grace erlebt haben muss. Der Roman erscheint deshalb als ein beispielhaftes Schicksal, das sich tatsächlich so zugetragen haben könnte.
Gerade deshalb fehlt es aber auch an Spannung und vor allem in der ersten Hälfte ist das Buch langatmig, bis Grace auf ihre Art die Nähe zu ihrem Peiniger sucht und sich abzeichnet, dass sie ihr Schweigen brechen wird. Am Ende fällt ihr Befreiungsschlag allerdings besonnener und weniger leidenschaftlich aus, als erhofft.