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nessabo

Bewertungen

Insgesamt 148 Bewertungen
Bewertung vom 31.05.2025
Sunburn
Howarth, Chloe Michelle

Sunburn


gut

Ein rauschhafter und phasenweise anstrengender Deep Dive in die Gefühlswelt eines Teenagers

Wobei ich mir sicher bin: Das Cover ist in seiner 90er-Optik gnadenlos gut gewählt!
Wobei ich mir unsicher bin: Welche Bewertung für dieses Buch die passende ist. Das erste Drittel des Romans fand ich wirklich extrem anstrengend. Das liegt zum einen an der mir nicht sonderlich sympathischen oder nahbaren Protagonistin und zum anderen an der Erzählweise. Wir sitzen nämlich ausschließlich und enorm intensiv in Lucys Kopf und Teenie-Köpfe sind nicht unbedingt mein Lieblingsort. 🙈

In der Handlung passiert relativ wenig Interaktion mit anderen, vielmehr begleiten wir Lucy bei der Entwicklung ihres Verlangens sowie der inneren Auseinandersetzung mit Konventionen in ihrem katholisch geprägten irischen Heimatdorf. Die Erwartungen einer sehr konservativen Familie an das Mädchen sind nicht weniger als erdrückend und ich war mehr als einmal wütend.
Und irgendwas ist etwa auf der Hälfte passiert, dass ich das Buch, obwohl ich die Erzählweise noch immer ziemlich langatmig fand und mich immer wieder dabei erwischt habe, wie ich einige Sätze übersprang, irgendwie auch doch nicht mehr so richtig aus der Hand legen wollte.

Die Situation in den 90er-Jahren in Irland scheint wirklich noch etwas rückschrittlicher zu sein im Vergleich zu dem Ort, in dem ich aufgewachsen bin. Die 90er waren natürlich noch nicht die progressivste aller Zeiten, aber ich habe schon gemerkt, dass ich diese Zeit hier als nicht so extrem kleinfamiliär und begrenzt erinnere. Ich finde es aber grundsätzlich gut wie die Autorin auch subtil Kritiken an der üblichen Vorstellung von Familie übt, natürlich an Queerfeindlichkeit und auch an der Tatsache, dass Mädchen oder Frauen, die Zärtlichkeiten austauschen, oft nicht einmal als potenzielles Liebespaar gelesen werden. Darin kann ein Vorteil liegen, aber natürlich ist es auch queerfeindlich begründet.

Auch was die Authentizität der Sprache angeht, bin ich hin- und hergerissen. Auf der einen Seite finde ich sie wirklich sehr authentisch. Das Übertriebene, die Obsession mit der ersten Liebe, das schonungslose Beschreiben von fettigen Haare, Schweißgeruch und Speichelfäden bei der Angebeteten – alles schon irgendwie sehr, sehr Teenie. 😅 Und nebenbei eine erfrischende Abkehr vom Male Gaze, dank welchem Frauenfiguren eigentlich immer nach Pfirsich duften. 🫠

Nichtsdestotrotz hab ich wiederholt gedacht, dass ich die Poesie und die Verwendung mancher Worte irgendwie nicht so richtig in die 1990er-Jahre packen würde, sondern eher in eine Zeit 1-2 Jahrhunderte früher. Nachdem ich mich daran gewöhnt hatte, fand ich es insgesamt aber okay und glaube, dass genau dieses schonungslose Eintauchen in Lucy Gedanken den Reiz des Buchs ausmacht. Wahrscheinlich cringen wir an einigen Stellen oder finden die Schilderungen eklig, aber auf jeden Fall werden eigene Emotionen bei den Lesenden ausgelöst.

Nichtsdestotrotz würde ich sehr klar sagen, dass mensch für das Buch bereit sein muss. Es sollte euch vorher klar sein, dass wir hier ganz, ganz tief in die Gedanken einer jungen Person eintauchen und es relativ wenig Beziehungsarbeit oder Dialoge mit anderen gibt. Ich konnte Lucy darüber hinaus auch wirklich sehr oft nicht besonders gut nachvollziehen, manchmal fand ich sie richtig unsympathisch, weil sie andere Menschen für ihr Wohlergehen benutzt. Auch habe ich die Chemie zwischen Lucy und Susannah ehrlicherweise nicht so wirklich gefühlt, aber das ist natürlich immer etwas sehr Subjektives.

Das Buch ist irgendwie ein Rausch, der hätte deutlich kürzer sein können. Trotz meiner klaren Kritikpunkte habe ich aus irgendeinem Grund die zweite Hälfte überraschend flüssig lesen können. Trotzdem wurden meine Erwartungen an eine Geschichte rund um Queer Awakening mit all seinen Herausforderungen sowie queere Beziehungen generell schon enttäuscht. Natürlich ist es das Kernelement des Romans, aber die ausschweifenden Gedanken Lucys haben mich selbst auch immer wieder abschweifen lassen. Es ist für mich entsprechend kein Lieblingsbuch, aber durchaus ein solides Debüt und ich denke mit den richtigen Erwartungen kann es für viele eine gute Lektüre sein.

3,5 ⭐️

Bewertung vom 28.05.2025
Hunchback
Ichikawa, Saou

Hunchback


sehr gut

Eine schonungslose und unbequeme Erfahrung, die es sich lohnt zu machen

„Hunchback“ ist ein wilder Roman mit einer vulgären, extrem direkten Sprache. Das Buch ist mit seinen 90 Seiten eine einzige Erfahrung und ich halte es für ein forderndes, aber auch sehr wichtiges Stück internationaler Literatur.

Die Geschichte hat klare autobiografische Züge, die Autorin hat wie die Erzählerin selbst eine angeborene Behinderung. Das Besondere für mich ist die Selbstbeobachtung beim Lesen: Warum irritiert es mich, wenn eine behinderte Person so roh und vulgär über ihr Leben und eben auch über Sexualität schreibt? Die Autorin schafft es also exzellent, ihren Finger in die ableistische Wunde zu legen - nicht zuletzt, weil ihre Figur Shaka eben eine Behinderung und auch körperliche Leiden hat ohne dem abwertenden Bild einer „gequälten, lebensmüden Behinderten“ zu entsprechen.

Stattdessen schreibt die Protagonistin selbst Sätze wie „Wie eine normale Menschenfrau ein Kind empfangen und abtreiben – das ist mein Traum“ ins Internet und wirft hier anhand eines polarisierenden Themas Fragen rund um Normalität auf. Das Selbstbestimmungsrecht sollte schließlich für alle gelten, gleichzeitig finden sich behinderte Menschen oft irgendwo zwischen Fetischisierung und Entsexualisierung wieder. Beim Schreiben wandert die Autorin auf einem Pfad voll triefendem Sarkasmus, zynischer Direktheit und offener Vulgarität - ich mochte das sehr gern, eben genau weil es so aufwühlt. Aber das vor dem Lesen für sich selbst einzuordnen ist sicher nicht verkehrt.

Ich mochte auch die ehrliche und unaufgeregte Darstellung des Lebens einer behinderten Person. Über die tägliche Schleimabsaugung inklusive technischer Details wird ebenso geschrieben wie über Pflegeheim-Routinen, Arbeit und Sexualität. Immer wieder lernen wir, wie ableistisch unsere Welt gestaltet ist - klugerweise wird z. B. auch auf die Barrieren der Buchwelt hingewiesen.

Die Protagonistin lebt trotzdem verhältnismäßig privilegiert, weil sie sehr wohlhabend ist. Das kann kritisiert werden, aber ich wüsste nicht, warum solche Figuren nicht auch in der Literatur stattfinden sollten. Außerdem ist Ableismus eine so tiefgreifende und noch wenig beachtete Diskriminierungsform, dass ich diese Kritik irgendwie ein wenig fehlgeleitet finde. Nichtsdestotrotz konnte ich auch nicht alle Handlungen Shakas nachvollziehen und erwartungsgemäß passiert auf den wenigen Seiten vieles recht schnell.

Mit dem Ende war ich völlig überfordert, keine Ahnung, was genau uns Saou Ichikawa da sagen wollte. 🙈 Deshalb ziehe ich auch ein bisschen was von der Bewertung ab. Und doch empfehle ich diese sehr kurze, aufwühlende, grenzenauslotende Geschichte, weil sie eine Perspektive abbildet, die viel zu selten Raum bekommt. Lasst euch von diesem Stück japanischer Literatur herausfordern und bildet euch ein eigenes Urteil.

Bewertung vom 26.05.2025
Just for the Summer
Jimenez, Abby

Just for the Summer


ausgezeichnet

Eine Romance, in der Ernsthaftigkeit und Humor zusammenkommen

Abby Jimenez schreibt ganz besondere Romance, die sich weniger durch Spice oder eine klassische Love Story kennzeichnet, sondern vielmehr durch Figuren mit ungewöhnlich vielschichtiger und durchaus auch schwerer Vorgeschichte. Das Cover, welches zudem mit der üblichen Optik der Reihe bricht, halte ich für eine fragwürdige Entscheidung des Verlags und es wirkt auf mich ehrlicherweise auch ziemlich banal, was der Tiefe des Romans gar nicht gerecht wird.

Wie schon gewohnt gibt Jimenez ihren Figuren nämlich ein Profil voller Komplexität: schwere bis traumatische Kindheitserfahrungen, PTBS und andere Traumareaktionen, Herausforderungen in zwischenmenschlichen Beziehungen, Verantwortung für das eigene Leben. Und trotzdem sind die Protagonist*innen immer so freundlich, dass es mein Herz sehr berührt. Das Drama in Jimenez’ Romanen entsteht weniger durch die üblichen Missverständnisse und Fehlinterpretationen, sondern kommt vielmehr aus den Figuren, die mit der eigenen Prägung umzugehen versuchen. Dass das geht, ohne andere Menschen extrem zu verletzen, finde ich ehrlich gesagt erfrischend und wohltuend.

Spice spielt weniger eine Rolle, stattdessen habe ich Emma und Justin von Anfang an einfach gern begleitet. Die beiden haben eine unglaublich gute Chemie und ich mochte das gegenseitige Verständnis sowie ihren Humor so gern, dass ich nicht aufhören wollte zu lesen. Die Verhalten beider Protas empfand ich stets als nachvollziehbar angesichts ihrer Vorgeschichten und aktueller Herausforderungen.

Gleichzeitig finde ich es einfach nur toll, dass auch hier wieder eine Freundinnenschaft so eine zentrale Rolle spielt. Emma wird nicht von Justin gerettet, stattdessen spielen ihre beste Freundin Maddy und Therapie eine wichtige Rolle. Generell existiert um die Hauptfiguren herum einfach noch ein Leben mit anderen Bezugspersonen, was die Geschichte für mich umso glaubhafter macht. Wie schon bei „Yours Truly“ ging es mir am Ende dann ein wenig zu schnell, aber insgesamt fand ich den letzten Teil der Reihe ganz toll und ich habe mich gefreut, einige bekannte Figuren des Universums wiederzusehen.

Klare Leseempfehlung für alle, die humorvolle Romance suchen, sich aber auch nicht vor Figuren scheuen, welche mit ihren eigenen Dämonen kämpfen. Ich lobe extrem, dass mentale Gesundheit bei Jimenez immer so viel Raum bekommt und finde es beeindruckend, wie sie aus dem Leben gegriffene Geschichten schreibt, die mitreißend sind ohne konstruiert dramatisch zu sein.

Bewertung vom 26.05.2025
Oh Sunny
Yun, Ta-Som Helena

Oh Sunny


weniger gut

Eine Geschichte mit viel Schwere, die mich trotz interessanter Impulse sehr angestrengt hat

Ich war sehr gespannt auf dieses Buch und die Einblicke in ein deutsch-koreanisches Leben. Und so spannend einige Impulse auch waren, habe ich mich doch aus verschiedenen Gründen ziemlich durch diese Geschichte geschleppt.

Sprachlich finde ich das Buch schon einmal eher herausfordernd. Wenig Dialoge, eine sehr in sich sitzende und damit auch isolierte Protagonistin, deren Leben und Gedanken für mich oft schwer auszuhalten waren. Ich mag dialogarme und sehr charakterbezogene Geschichten einfach deutlich weniger, weil ich vor allem Beziehungen und Figuren in Interaktion mit anderen reizvoll finde.

Und dann gibt es einfach Themen, auf die ich sensibel reagiere und die recht viel Raum einnehmen - völlig zu Recht, aber durch meine Empfindsamkeit war es mir in Summe einfach zu viel. Sunny und ebenso Ha als Nebenfigur erfahren wiederholt Gewalt in ihrem Leben, ganz speziell auch innerhalb ihrer Familien. Zusätzlich kämpft Sunny immer wieder mit schweren depressiven Episoden. Das allein finde ich schon nicht so leicht auszuhalten, auch wenn es sehr wichtige Themen sind. Doch durch das Buch zieht sich ein Muster von fehlender Bindung, ja gar von Beziehungsverweigerung, die mir Sunny hat fremd werden lassen. Auch kam mir die angekündigte Selbstfindung/Selbstermächtigung am Ende etwas holprig bzw. einfach zu kurz daher.

Interessant und tiefgründig fand ich verschiedene geschichtliche Komponenten, vor allem zu den euphemistisch bezeichneten „Trostfrauen“. Deren Geschichte kannte ich bislang nur absolut oberflächlich und ich mag es, wie im Roman immer wieder über die fehlende Aufarbeitung und die stattdessen existierende Scham reflektiert wird. Auch die Gleichzeitigkeiten von rassistischen Stereotypen und tatsächlichen Wahrheiten, die Sunnys Leben betreffen, fand ich spannend.

Sicher zeigt die Geschichte auf sehr authentische Weise die innere Zerrissenheit einer jungen Deutsch-Koreanerin. Doch insgesamt habe ich einfach deutlich zu sehr gekämpft mit diesem Roman. Die Kombination aus meinen Präferenzen in Bezug auf Schreib- sowie Erzählstil und meiner Sensibilität den behandelten Themen gegenüber machte das Buch einfach nicht zu einem Match für mich.

Bewertung vom 23.05.2025
Halbinsel
Bilkau, Kristine

Halbinsel


ausgezeichnet

Ein ruhiger Generationsroman voller Tiefe und emotionaler Komplexität

Kristine Bilkau ist so eine Meisterin darin, ruhige Texte voll menschlicher Tiefe und Nahbarkeit zu schreiben, dass es mich nach „Nebenan“ nun schon zum zweiten Mal von den Socken gehauen hat.

Dieser Roman ist eine Mutter-Tochter-Geschichte und so viel mehr. Er ist eine Erzählung über die Verantwortung älterer Generationen gegenüber den jüngeren und eine Ode an zwischenmenschlichen Respekt. Annett ist, als ihre Tochter Linn nach einem Zusammenbruch ihren Job kündigt und wieder zu ihr zieht, nicht nur mit ihren Erwartungen an Linn konfrontiert, sondern reflektiert dadurch ausgelöst auch über ihre eigenen Lebenswünsche. Dabei ist sie ausgesprochen authentisch, ohne je ihrer Tochter gegenüber abwertend zu sein. Im Endeffekt ist Annett (und damit offenbar auch Bilkau selbst) für mich wie ältere Generationen sein sollten: reflektiert und emotional zugänglich.

Schon vor der Lektüre habe ich Bilkau in einem Interview so respektvoll über junge Menschen und deren Herausforderungen in der heutigen Zeit sprechen hören, dass ich sie direkt ins Herz geschlossen habe. Und „Halbinsel“ unterstreicht ihre Einstellung noch einmal ganz deutlich. Es sollte natürlich keiner Komplimente bedürfen, wenn Menschen mit mehr Lebensjahren nicht überheblich auf jüngere Generationen gucken und dann auch noch ihre Verantwortung für eine lebenswerte Zukunft anerkennen. Und doch ist das einfach nicht oft der Fall. Ich habe selten eine Autorin gelesen, die nicht nur gut über ihre eigene Generation, sondern auch so menschlich und greifbar über eine jüngere schreiben kann. Dadurch konnte ich mit beiden Figuren gleichermaßen mitfühlen und hatte keine Chance, in eine einseitige Solidarität zu verfallen.

Bilkaus Sprache ist präzise, leise und zart, mit einem Hauch Melancholie, aber nie verträumt. Mich zieht es immer wieder hinein in diese norddeutschen Geschichten, weil sie mich mit ihrer Tiefe begeistern, ohne zu sehr aufzuregen. Das kann dazu führen, dass manche die Handlung zu plätschernd finden. Als eine Person, die sich bei banalen Geschichten schnell langweilt, kann ich das überhaupt nicht bestätigen. Was an Drama „fehlt“, wird durch emotionale Komplexität dreimal wieder rausgeholt.

Ich kann meiner Begeisterung für diese Autorin unmöglich angemessene Worte verleihen. Ihre Erzählungen sind von einer solchen Prägnanz und Aktualität, dass sie mich niemals kalt lassen. Lest ihre Bücher, wenn ihr zwischenmenschliche Geschichten sucht, die besonders bei jüngeren Menschen wie eine Umarmung wirken können, weil die Autorin sich über ihre Erzählerin auch mit jungem Widerstand solidarisiert.
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„Wer kann mit Gewissheit sagen, dass die Älteren in der Überwindung von Krisen besser geschult sind als die Jüngeren? Wie krisenfest ist ein Erwachsener, der an einem beliebigen Morgen am Straßenrand steht und angesichts einer Gruppe von Menschen, die mit ihrem Protest andere Menschen am Weiterfahren hindern, einer jungen Frau gegen den Kopf tritt?“

Bewertung vom 23.05.2025
Teddy (MP3-Download)
Dunlay, Emily

Teddy (MP3-Download)


sehr gut

Porträt einer Frau zwischen Glamour und Abhängigkeit

Zum Hörbuch: Cathleen Gawlich fand ich als Sprecherin wirklich hervorragend gewählt. Ihre Stimme verkörperte für mich sehr gut, wie ich mir Teddy vorstelle: Eine Frau, die unterschätzt wird, aber eigentlich genau weiß, was sie will. Außerdem ist es ihr eindrucksvoll gelungen, anderen Figuren eigene Stimmen zu verleihen. Zusätzlich mochte ich die leichte Sassyness, mit der gesprochen wurde - das passte gut zum scheinbar Glamourösen der Handlung. Die Kapitel sind dank der Datumsangaben und auch der Einordnung des Jetzt sehr gut voneinander trennbar. Ein tolles Hörerlebnis!

Zum Buch selbst: Ich bin in meiner Einschätzung zur Protagonistin und zur Handlung selbst wirklich unentschlossen. Ich fand, dass der Handlungsaufbau schlau konstruiert ist - und zwar insofern, dass Teddy sehr lang die Spannung aufgebaut lässt und uns trotzdem am Anfang gleich klar wird, dass irgendetwas passiert ist. Dazu muss ich aber auch sagen, dass mir die Handlung zumindest im letzten Drittel doch etwas zu lang war, was mich im Hörbuch nicht großartig gestört hat, aber im Buch wahrscheinlich schon.

Mir fällt mein Urteil deshalb so schwer, weil Teddy keine einfache Figur ist. Sie wirkt, und das gilt auch fürs Hörbuch, interessanterweise gleichzeitig total naiv und kindlich, aber auch ziemlich abgebrüht. Sie scheint einerseits ein glamouröses Leben zu wollen und beneidet berühmte Persönlichkeiten um ihren Status, ihre Kleidung, ihr Make-Up und ihr Leben im Allgemeinen. Andererseits möchte sie vielleicht auch einfach ein gutes Leben führen und ist gar nicht so scharf auf den Ruhm?

Die Handlung spielt ja vor allem in den 60er-Jahren. Es geht viel um Politik, Diplomatie, Spionage sowie die Beziehung zwischen den USA und Russland. Und vor allem geht es um Männer. Teddy fällt da als Protagonistin ziemlich raus, wobei sie doch durchaus auch einige Attribute hat, die ich verglichen mit anderen Figuren als männlich beschreiben würde. Dazu möchte ich gar nicht so viel im Detail sagen, da lohnt sich auf jeden Fall die Lektüre selbst. Da es eine Männerwelt ist, erfahren wir beim Lesen auch Einiges an sexistischen Kommentaren, Einschränkung der körperlichen Selbstbestimmung von Frauen und allerlei andere „Nettigkeiten“ dieser Zeit. Das hat mich phasenweise ganz schön wütend gemacht, doch dadurch, dass Teddy sich an alldem nicht wirklich zu stören scheint, war ich emotional einfach deutlich weniger involviert als ich es hätte sein können.

Ich denke, das Buch ist vor allem etwas für Menschen, die sehr gern Bücher mit starkem Charakterfokus lesen und sich auch an einer glamourösen und intrigenreichen Welt erfreuen. Die ganzen politischen Verstrickungen fand ich im Hörbuch manchmal etwas schwer zu erfassen, finde sie aber grundlegend sehr spannend. Manche Enthüllungen am Ende kamen mir irgendwie zu unspektakulär daher, vor allem verglichen mit ihrem vorherigen Spannungsaufbau. Ich kann abschließend weder sagen, dass ich total von den Socken noch dass ich enttäuscht bin. Für mich ein sehr solides Buch mit äußerst spannenden Elementen, welches ich gerne gehört habe und durchaus auch empfehle, das mich aber zumindest auf emotionaler Ebene zu wenig gecatcht hat, als dass es mich noch länger beschäftigen würde.

Bewertung vom 14.05.2025
30 Days, 10 Dates & 1 Drama / West End Heartbeats Bd.1
Kaib, Lea

30 Days, 10 Dates & 1 Drama / West End Heartbeats Bd.1


weniger gut

Eine flache, unnatürliche Geschichte, die mich sehr enttäuscht hat

Es tut mir wirklich aufrichtig leid, weil ich die Werke von Jungautor*innen und im Speziellen queere Geschichten so ungern schlecht bewerten will - aber das Buch war eine herbe Enttäuschung für mich.

Der Trope "Friends to Lovers" ist einer meiner liebsten und dann noch als queere Geschichte - meine Erwartungen waren hoch und ich habe eine cozy Romance erwartet. Doch für mich hakte es an so vielen Stellen, dass ich schon nach dem ersten Drittel genervt war und ab der Hälfte nur noch quergelesen habe, weil ich wissen wollte, wie sich die Beziehung zwischen den beiden Freundinnen intensiviert.

Da komme ich gleich zum ersten Punkt: Die Chemie passte für mich einfach GAR nicht. Selbst die Freundinnenschaft war für mich emotional flach, es wurde viel beschrieben, aber gefühlt habe ich da beim Lesen nichts - erst recht keine Anziehung! Das kam für mich so unglaublich aus dem Nichts (wobei ich natürlich wusste, was auf mich zukommt), dass ich wirklich sauer darüber war, wie unnatürlich sich das angefühlt hat.

Das war auch ein generelles Problem des Textes. Daisy ist sehr verkopft, das ist auch nicht grundsätzlich ein Problem für mich. Aber die Autorin hat für mich einfach viel zu viel auserzählt. Blicke, Gesten, Tonlagen - all das immer wieder auszuschreiben, machte den Roman für mich zu einer Herausforderung. Ich habe mich immer wieder gefühlt, als wäre ich 7 Jahre alt und müsste alles ganz genau erklärt bekommen. Und nicht falsch verstehen - Jugendliteratur hat absolut ihre Berechtigung, ich lese sie auch gerne. Aber wir haben hier 21-jährige Protagonistinnen, da muss auch der Erzählstil entsprechend angepasst werden. Ich habe schon YA-Romane gelesen, die emotional vielschichtiger waren und die Lesenden selbst zum Mitdenken/-fühlen angeregt haben.

Die Story hätte wirklich Potenzial gehabt, aber beim Lesen hatte ich nur das Gefühl, dass die gesamte Handlung einfach nur geschrieben werden muss, die Dates schnell abgehakt, damit es dann ganz am Ende auf die eigentliche Sache hinauslaufen kann. Dabei kritisiere ich nicht die Vorhersehbarkeit, die dem Genre absolut angemessen ist, sondern die fehlende Tiefe. Zu Nebenfiguren gibt es eigentlich gar keine Beziehung und das titelgebende Drama... Na, ich weiß ja nicht.

Ich gebe aus reinem Wohlwollen 2 Sterne, obwohl ich das Buch weder als YA- noch als NA-Roman empfehlen kann. Da gibt es deutlich bessere auf dem Markt, so leid es mir für Lea Kaib tut.

Bewertung vom 12.05.2025
In ihrem Haus
van der Wouden, Yael

In ihrem Haus


ausgezeichnet

Ein unglaubliches Werk, das persönlich erfahren werden muss

Ich bin lange um die Rezension herumgeschlichen, weil ich meine Faszination für dieses Buch gar nicht wirklich in Worte fassen kann. Dabei bin ich gar nicht so ein großer Fan historischer Romane, aber dieser ist einfach ein unglaubliches Werk, das völlig zu Recht für den Booker Prize nominiert war.

Zu Beginn dachte ich noch, das historische Setting um 1960 in den Niederlanden könnte mir zu langweilig sein - mehr hätte ich mich nicht täuschen können! Die Zeit ist meiner Meinung nach sehr akkurat abgebildet und mit der entsprechenden Sprache sowie Atmosphäre habe ich gerne mal meine Schwierigkeiten. Aber Yael van der Wouden hat mich so sehr in den Bann gezogen, dass ich quasi mit angehaltenem Atem gelesen habe.

Isabel wirkte mir am Anfang noch etwas distanziert und das ist sie ja schließlich auch, so isoliert wie sie lebt. Beim Lesen in ihrem Kopf zu sitzen war nicht immer einfach, aber sie kann als Protagonistin die Geschichte wirklich außerordentlich gut tragen. Eva hingegen ist eine unglaublich vielschichtige Figur, die so viel mit sich herumzutragen scheint und sich stückchenweise für uns Lesende entschlüsselt, dass ich nur von ihr schwärmen kann. Und nicht nur die beiden Figuren selbst sind für mein Empfinden makellos geschrieben, auch die Beziehungsdynamik zwischen den zwei Frauen sucht ihresgleichen in der Literatur.

Dabei ist die queere Anziehung mit all ihren Herausforderungen der damaligen Zeit so greifbar und echt beschrieben, dass mein Herz ordentlich mitgelitten hat. Die absolute Ambivalenz der inneren Gefühlswelt hat mich wirklich alles andere als kalt gelassen. Und doch ist der Roman noch so viel mehr, was hier unmöglich spoilerfrei beschrieben werden kann. Deshalb sage ich an der Stelle nur so viel: Das Erbe dieser Nachkriegszeit verwebt Eva und Isabel auf eine Art, die für mich schlicht beispiellos ist.

Eine sanfte und gleichzeitig harte Geschichte, die den Grat entlang möglicher Versöhnung in verschiedener Hinsicht auszuloten versucht und dabei auf mündige Leser*innen angewiesen ist. Denn dieser Pageturner ist keine passive Lektüre, sondern zerrt an den eigenen Überzeugungen. Die Spannung ist subtil und überlädt die feinen Zwischentöne nicht, von der Auflösung war ich trotzdem im positiven Sinne überwältigt.

Eine Ausnahmeautorin, die ich auf jeden Fall weiterverfolgen werde und ein Buch, das ich als eines meiner Jahreshighlights gar nicht ausdrücklich genug empfehlen kann.

Bewertung vom 12.05.2025
Trost
Hofmann, Madeleine

Trost


sehr gut

Ein etwas plätscherndes Werk mit umarmenden und mutmachenden Impulsen

Ich bin mit meiner Rezension dieses Buches sehr hin- und hergerissen. Die Autorin war mir persönlich sehr sympathisch und ich habe einen riesengroßen Respekt davor, sich so offen und verletzlich zu zeigen. Durch die immer wiederkehrenden Schilderungen ihrer eigenen Geschichte, die über die Krankheitsgeschichte hinausgeht, bleibt das Sachbuch emotional greifbar.

Außerdem bietet das Buch wirklich eine unglaubliche Sammlung an Impulsen und Ideen rund um ein Thema, dass uns alle in irgendeiner Form wohl schon betroffen hat und auf jeden Fall noch treffen wird: Trost. Ob tröstende oder getröstete Person - für beide Seiten sind hier unzählige Elemente dabei. Ich fand die Impulse rund um Aktivismus, aktives Zuhören beim Trösten und die tröstende Wirkung unserer tierischen Mitbewohner*innen (wobei ich hier auch tierrechtliche Kritik habe) am hilfreichsten. Weniger ansprechend war für mich wiederum alles rund um Spiritualität und Religion, aber das kann für andere natürlich einen sehr tröstenden Effekt haben.

Was mir das Lesen trotz der Tatsache, dass ich gerade wirklich Einiges an Trost gebrauchen könnte, schwer gemacht hat, ist die fehlende Struktur. Ich mochte die eher assoziativen Überschriften nicht so gerne und die Kapitel dazu sind auch relativ lang, während Hofmann viele verschiedene Themen behandeln. Dadurch entstand für mich nicht der Eindruck, dass es hier pro Kapitel zum Beispiel relativ klar um einen bestimmten Bereich geht. Das hätte mir beim Lesen aber auf jeden Fall geholfen, ggf. auch kürzere Kapitel. Innerhalb dieser springt die Autoren nämlich relativ oft zwischen verschiedenen Trostmöglichkeiten, den Gedanken öffentlicher Person sowie den eigenen Erfahrungen hin und her. An sich mag ich das Durchbrechen etwas trockener Theorie durch greifbare persönliche Erfahrungen und praktische Beispiele sehr gern. Hier hätte ich mir aber eine klarere Abgrenzung gewünscht, da ich zwischendrin immer wieder ein bisschen verloren war.

Das letzte Kapitel war wiederum ein wirklich sehr gut gewählter Abschluss für mich, die Kapitelbezeichnung traf es mit „Hoffen“ sehr gut. Die Sammlung von Möglichkeiten, die Hoffnung angesichts multipler Krisen nicht zu verlieren, eine tröstende Bezugsperson sowie sanft mit sich selbst zu sein, hat mir außerordentlich gut gefallen.

Die strukturelle Kritik oben reduziert zwar meine Bewertung, ich möchte aber trotzdem sagen, dass das natürlich eine sehr individuelle Präferenz meinerseits ist. Ich weiß an dem Buch sehr zu schätzen, dass es, und da bin ich mir sicher, für alle Menschen hilfreiche Gedanken bieten kann. Während mir manche Elemente eher egal waren, haben mich andere richtig aufgefangen und emotional sehr ergriffen. Diese werde ich also auch mitnehmen und noch in Zukunft über sie nachdenken, insgesamt ist es für mich aber nicht unbedingt ein Buch, das mich in Gänze nachhaltig beschäftigen wird.

Ich habe zu diesem Thema keine gute Vergleichsmöglichkeit, daher möchte ich das Buch trotzdem auch empfehlen - vor allem für Menschen, die sich gerne mit der schreibenden Person mitbewegen und nicht so sehr von einer Struktur abhängig sind. Die Schreibart ist weder zu trocken noch emotional zu überfordernd, von daher ist es grundsätzlich auf jeden Fall ein gut lesbares Werk, welches auch nicht zu lang ist und trotzdem tiefgründig.

3,5 ⭐️

Bewertung vom 12.05.2025
Onyx Storm / Flammengeküsst Bd.3 (Deluxe-Ausgabe mit Farbschnitt)
Yarros, Rebecca

Onyx Storm / Flammengeküsst Bd.3 (Deluxe-Ausgabe mit Farbschnitt)


sehr gut

Ein eher langsamer Mittelteil, in dem ich die Figuren aber besser fand

Ich fand die ersten beiden Teile sehr gut und konnte sie trotz einiger Kritik kaum aus der Hand legen, so sehr war ich gefesselt. Das habe ich mir entsprechend bei „Onyx Storm“ auch erhofft, aber nicht so ganz bekommen. Ich habe vier komplette Tage gebraucht, was mir für ein spannendes Fantasy-Buch wirklich zu lang ist. Die Cliffhanger zwischen den Kapiteln waren oft nichtig und nicht so gut gesetzt wie in den Vorgänger-Büchern. Auch der finale Cliffhanger macht mich jetzt ehrlicherweise nicht so fertig wie die der letzten Teile - das werte ich allerdings nicht als Kritik. 😃

Was mir dagegen richtig gut gefallen hat, war die Tiefe der Nebenfiguren. Ich kann persönlich nicht nachvollziehen, warum andere kritisieren, dass sie auch hier wieder blass waren. In meiner Wahrnehmung spielen sie eine deutlich größere Rolle als zuvor und bekommen überhaupt mal ein Profil. Die neuen Erzählperspektiven am Ende fand ich interessant, aber ehrlicherweise im Ton nicht so gut umgesetzt - für mich klang es immer wie eine leicht abgewandelte Version von Violet. Und doch finde ich es immer noch toll, dass hier verschiedene Identitäten einen Raum finden, ohne diese jeweils in den Mittelpunkt zu stellen. So wird z. B. oft darauf hingewiesen, dass auch gebärdet wird, was dieser Sprache eine angenehme Normalität verleiht. Richtig gut hat mir außerdem der sarkastische Humor gefallen, der die Komplexität dieser Welt doch deutlich auflockert. Und schließlich: endlich wieder richtig viel Drachen! 🫶🏻

Auch Violet als chronisch kranke Protagonistin finde ich noch immer gut. Natürlich haben wir hier einen Widerspruch insofern, dass Behinderung als eine Abweichung von der sogenannten Norm dargestellt wird, sie aber durch verschiedene Adaptionen doch wieder mit den nicht chronisch kranken Körpern mithalten soll, damit Violet dann doch die Mächtigste von allen ist. Und ich wüsste nicht, wie sich das sinnvoll auflösen ließe, wenn es halt eine Heldinnenstory sein soll. Ich finde es auch okay, wenn andere die Protagonistin nervig finden. Sich aber darüber zu beschweren, dass ihre Schmerzen wiederholt Raum einnehmen, halte ich für ableistisch.

Die Beziehung zwischen Violet und Xaden ist keinesfalls frei von Kritik, aber ich fand sie deutlich besser als in „Iron Flame“ - die Latte hängt hier aber auch tief! 🥴 Ich fand sie in ihrer Kommunikation erwachsener, auch wenn mir diese bedingungslose Obsession bei beiden ein bisschen auf die Nerven ging. Ebenso angestrengt war ich leider auch vom Spice. Ich glaube, Yarros hat hier ihr Pulver zu früh verschossen, sodass die 6szenen austauschbar und krampfhaft eingebunden wirken. Mehr Slowburn in den ersten beiden Teilen wäre wohl fies, aber insofern vielleicht besser gewesen.

Abschließend das, was ja auch schon viele vor mir kritisiert haben: Das Buch ist mir für seine Handlung einfach zu lang, 300 Seiten weniger hätten dem Text gut getan. Gerade der Anfang war für mich echt schwer und ich habe verhältnismäßig lange gebraucht, um wieder in die Geschichte einzusteigen. 
Es passiert phasenweise ziemlich wenig, gleichzeitig gibt es mir zu viele Figuren, Namen und Orte, als dass ich mich einfach so ins Buch hätte reinfallen lassen können. Immer wieder gibt es Cues oder Situationen, in denen sich Violet über irgendetwas „wundert“, ohne dass es dann weiterverfolgt wird - was soll das denn? Einige Hinweise wurden mir auch deutlich zu lange mitgeschleift, bevor sie zur Anwendung kamen. Manches schien mir zudem einfach unlogisch konstruiert. Wahrscheinlich ist das für einen Mittelteil aber auch vertretbar und ich gehe nun erstmal wohlwollend davon aus, dass Yarros die ganzen Hinweise für die folgenden Teile braucht.

Ich möchte also wirklich wissen, wie es weitergeht, auch wenn es bislang der schwächste Teil der Reihe ist. Und ich hoffe, dass die Autorin sich nun wie angekündigt mehr Zeit nimmt und die Handlung wieder strafft. Ein Dreiteiler wäre vielleicht auch ausreichend gewesen, zumindest mit allem, was wir bis hierhin wissen. Und bitte: erweitert die Karte, wenn neue Orte dazukommen - das war für mich schon arg frustrierend!