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Benutzername: 
meany
Wohnort: 
Seligenstadt

Bewertungen

Insgesamt 160 Bewertungen
Bewertung vom 28.06.2025
Zehn Eis an einem Tag
Gundermann, Bettina

Zehn Eis an einem Tag


ausgezeichnet

Darf's mit Sahne sein?

Lange hatte ich nicht mehr ein derartig gutgelauntes Kinderbuch in der Hand: alle Beteiligten sind sympathisch und kooperativ. Und was für eine Idee - 10 Eis an einem Tag ist doch für Kinder die höchste Wonne. Man kann sich ja auch einfach einmal etwas Gutes tun, ohne dass der pädagogische Zeigefinger (gesunde Ernährung!) über Gebühr strapaziert wird.

Diese allgemeine Glücksatmosphäre wird lediglich konterkariert durch die missmutige Fee Huberta, die allerdings in Tusnelda, der Zahnfee, eine potente Gegenspielerin findet.

Zum Selberlesen ist das Buch für Anfänger nicht geeignet wegen der schwierigen Wörter, das Vorlesen macht Spaß gerade aufgrund der anspruchsvollen Ausdrucksweise, die gelegentlich auch das Erklären unbekannter Wörter durch die Erwachsenen fordert. Freude bereiten die lustigen Kapriolen und Sprachspielereien, vor allem die Zungenbrecher des Papageis. Alles ist geprägt von einer überschäumenden Fantasie, man erfährt alles Mögliche über das Leben der Feen, zum Beispiel, dass sie von Rotkehlchen aus Eiern ausgebrütet werden und Kröten vom Himmel plumpsen lassen können.

Die bunten Illustrationen zeugen nicht von großen künstlerischen Ambitionen, aber ergänzen und unterstützen den Text in gefälliger Weise.

Bewertung vom 28.06.2025
Teddy
Dunlay, Emily

Teddy


sehr gut

In einer Müllgrube meiner imaginierten vergangenen Ichs

Auch vom Schutzumschlag mit dem Bild der mondänen Frau im Stil Grace Kellys befreit liegt das Buch edel in der Hand durch den opaken Schimmer des Einbands. Sein Inhalt hat mich dagegen vor keine geringen Herausforderungen gestellt, angefangen damit, dass ich es keinem eindeutigen Genre zuordnen konnte - und da führt uns Emily Dunlay mehrfach in die Irre. Deshalb fällt mir eine Besprechung ohne Spoiler schwer.

Das naive Geplauder der offensichtlich verwöhnten Göre nervt von Anfang an, die vor ihrer überstürzten Eheschließung schon ein bisschen in die Jahre gekommen ist. Offensichtlich aus kultivierter, politisch einflussreicher US-Ostküstenfamilie stammend hat sie Probleme mit Selbstdisziplin und Finanzverwaltung, ist jedoch sachkundig, was Kunstwerke betrifft.

Rätselhaft ist auch ihr Ehegatte David, der sich vordergründig harmlosen Geschäften widmet und bald ein ausgesprochen patriarchalisches Verhältnis zu ihr entwickelt.

Wegen der Affäre mit dem Botschafter hätte ich sie am liebsten kräftig geschüttelt. Eigentlich von ihm belästigt leidet sie unter Schuldgefühlen und verstrickt sich nach einer Erpressung immer stärker in undurchsichtige Machenschaften, in denen auch noch ein geheimnisvoller Russe eine Rolle spielt, was auf eine Geheimdiensttätigkeit hindeutet. Man nimmt die ganze Zeit Teddys extrem unterentwickeltes Selbstbewusstsein wahr, dagegen betont sie häufig ihre auffällige Schönheit, der sie sich auch exzessiv widmet.

Das Ganze spielt sich ab vor der flirrenden Kulisse der Stadt Rom im Sommer 1963, auch das damalige Zeitgeschehen bildet den Hintergrund.

Wie ein Damoklesschwert schwebt das Schicksal ihrer Tante Sister über ihr, deren Lebensweg lange verborgen bleibt abgesehen von gelegentlichen Andeutungen. Die Spannung lag für mich darin, ob den Lesern am Ende noch eine Auflösung all der erstaunlichen Sachverhalte angeboten wird, und das müssen alle Interessierten mit ein wenig Durchhaltevermögen selbst herausfinden.

Bewertung vom 23.06.2025
Strandgut
Myers, Benjamin

Strandgut


sehr gut

Das Langzeitproblem der unumkehrbaren Erosion

Bucky, eine Art One Hit Wonder, gelangt unversehens zu spätem Ruhm, als der US-Bürger zu einem Festival in Scarborough eingeladen wird. Gequält von Schmerzen, durch ein Missgeschick auf kalten Entzug von seiner Medikamentenabhängigkeit gesetzt und ein Jahr nach dem Tod seiner geliebten Frau in tiefer Trauer versunken hangelt er sich vor Ort von Tag zu Tag, betreut von Dinah, die familiär gesehen auch nicht gerade vom Glück verwöhnt ist.

Melancholisch plätschert die Handlung so vor sich hin. Viel passiert nicht in der gesamten ersten Hälfte des Textes, der mich nur so lange bei der Stange hielt, weil er die Bewusstseinszustände durch vorzüglich treffende Worte plastisch erscheinen lässt. Myers fasst die trübsinnigen Gedanken seines Protagonisten in eine poetische Sprache: "Bucky fühlte sich wie das leere Haus einer Krabbe, die sich davongemacht hatte ..."

Dann ertönt plötzlich der Paukenschlag, als Bucky einer Interviewerin berichtet, welches tragische Ereignis seine beginnende Gesangskarriere im Keim erstickte, und damit ein pessimistisches Licht auf die gesamte amerikanische Gesellschaft wirft: "Dass eine Geschichte wie diese unter mir und meinesgleichen keine Seltenheit ist."

Die märchenhafte Situation, dass jemand aus dem grauen Alltag herausgerissen auf ein umjubeltes Podest gestellt wird, kann man kaum glauben, aber Myers bringt seine Botschaft doch wieder einmal auf den Punkt: das einzige, was einen aus den tiefsten Löchern herausholen kann, sind Liebe und Wertschätzung.

Bewertung vom 06.06.2025
Der Duft des Wals
Ruban, Paul

Der Duft des Wals


gut

Möge der Urlaub beginnen

Die Idee mit dem gestrandeten toten Wal, der den Pauschalurlaubern mit seinem Verwesungsgeruch die Ferien vermiest, hat mich sofort angesprochen, auch wenn John Ironmonger Ähnliches schon vor Jahren zum Gegenstand eines beeindruckenden Romans wählte.

Möglicherweise hätte einerseits etwas harmlos Heiteres oder aber eine bitterböse Satire auf den Tourismus à la David Foster Wallace daraus entstehen können: das Problem ist meiner Ansicht nach, dass Ruban sich für keins der beiden entscheidet und sich im Ungefähren durchlaviert

Der Bestand an Personen ist übersichtlich, und alle haben "einen Wal im Bassin" oder eine Leiche im Keller, dargestellt in einer Art absurdem Theater - Belèn mit ihrer Narkolepsie, Céleste mit den Geistererscheinungen und den Geißelungen, Hugo und Judith mit den Eheschwierigkeiten wegen seiner Vasektomie. Einzig die künstlerisch begabte Ava mit ihrem feinen Empfinden für die Zusammenhänge nahm mich für sich ein.

Die kapitelweise wechselnden Perspektiven erübrigen den auktorialen Erzähler, aber zum Ende hin hätte ich mir doch eine Schürzung der verschiedenen Knoten gewünscht. Zu viele aufgeworfene Fragen blieben für mich offen, sodass ich dieses Buch zu meinem Bedauern nicht ernsthaft empfehlen kann.

Bewertung vom 04.06.2025
Sputnik
Berkel, Christian

Sputnik


gut

Paris zu meinen Füßen

Nach den Erfolgen der Bestseller "Ada" und "Der Apfelbaum" ging ich natürlich mit einer entsprechenden Erwartungshaltung an das dritte Buch in Folge heran, das nun das Leben des Schauspielers beinhaltet.

Liegt es vielleicht daran, dass die Nachkriegsgeneration nicht den existenziellen Bedrohungen ausgesetzt war wie die Älteren, dass mir so manches etwas schal vorkommt? "Du hast ihn verpimpert", wirft der Vater der Mutter vor, die zeitlebens unter ihrem Schicksal als Jüdin auf der Flucht vor dem Nationalsozialismus leidet. Und so lese ich manch Selbstgefälliges zwischen den Zeilen heraus. Die frühe erotische Trophäensammlung des attraktiven "Tadzio", der uns vom Titelbild herausfordernd anschaut, nimmt einen nennenswerten Raum ein.

Interessanter fand ich seine ersten Schritte am Theater, aber hier konkurriert er auch mit Hartmann, Selge, Meyerhoff und vielen anderen mehr. Sein familiärer Hintergrund veranlasst den Zweisprachigen, sich mit seiner Nationalität auseinanderzusetzen, verknüpft mit den gesellschaftlichen Kontroversen der Siebzigerjahre, ausgelöst durch die Ausstrahlung der Fernsehserie "Holocaust" und die Diskussionen über die RAF. Dazu gelingt ihm schließlich noch ein sehr erschütterndes Kabinettstück: im Anschluss an das gemeinsame Anschauen der Sendung ergibt sich im Familienkreis eine Aussprache, die das Geistesgut der immer noch Gestrigen eindrucksvoll in authentische Worte fasst.

Und dass er am Ende einen eleganten Bogen zum Anfang schlägt, möchte ich ihm aus literarischen Gründen zu Gute halten.

Bewertung vom 30.05.2025
tiptoi® Abenteuer Großwerden - Liv geht aufs Töpfchen
Grimm, Sandra

tiptoi® Abenteuer Großwerden - Liv geht aufs Töpfchen


ausgezeichnet

Pipimachen ist gar nicht so einfach

Unglaublich, was es da wieder alles zu entdecken gibt, tiptoi ist eine wahre Fundgrube. So einfach zu handhaben, dass das schon die Kleinsten beherrschen, und für alle ist etwas dabei. Manche Kinder hören sich immer wieder die Lieder an, aber jedes einzelne Motiv ist mit einer verbalen Bemerkung verknüpft, locker und fröhlich vorgetragen von munteren Sprechern. Dabei steht der eigentliche Gegenstand durchaus im Vordergrund, aber völlig unaufdringlich inmitten der Fülle an kindgerechten Informationen, was gerade beim heiklen "Sauberwerden" von Vorteil ist. Sogar das "Clair de lune" haben sie beim Glockenspiel untergebracht - man kann auch als Erwachsener vergnügte Überraschungen erleben.

Kurzum: der tiptoi-Stift erschließt Erziehern und Kindern neue Welten mit einem gut durchdachten Konzept und einem attraktiven, vielfältigen Angebot an Themen.

Bewertung vom 26.05.2025
Der Junge aus dem Meer
Carr, Garrett

Der Junge aus dem Meer


sehr gut

Sei gut zu deinem Bruder

Im Mittelpunkt dieses Familienromans steht der Konflikt zweier Brüder in einem irischen Fischerdorf, von denen die Eltern Ambrose und Christine einen als Findelkind adoptierten. Vom Eintreffen Ambroses in der Stadt und seiner Begegnung mit Christine an geht es für die beiden persönlich und wirtschaftlich bergauf, auch durch die Initiative und Schaffenskraft des jungen Mannes, bis sich die ökonomischen Umstände, bedingt durch EU-Regelungen und den Zwang zur Konzentration in immer größere Unternehmen seinen Erfolg kippen lassen und die Gemeinschaft in Mitleidenschaft ziehen. Dabei lockt in der Ferne ein imaginäres Rockall: "Alle Mühen und Sorgen fallen von einem ab."

Christines pflegebedürftiger Vater nimmt zusammen mit ihrer Schwester Phyllis weitere Kapazitäten in Anspruch, und dauernd müssen sie die Balance finden zwischen Effizienz und Ethos. Parallel dazu verläuft das Schicksal der Gemeinde, die wie ein Chor der antiken Tragödie als anonymes "Wir" den Hergang erzählt und kommentiert und dabei originalgetreu die bodenständige Mentalität der irischen Landbevölkerung verdeutlicht.

Bei der Zeichnung der komplexen Charaktere vermeidet Carr jegliche Schwarz-Weißmalerei, anekdotische Begebenheiten lassen die Leser sich in die jeweilige Wesensart einfühlen und geben niemals einem Einzelnen die Schuld am Unfrieden, der oftmals unvorhersehbare Wendungen nimmt. Durch die tiefe Mitmenschlichkeit und die praktizierte Hilfsbereitschaft hat mich das Buch nachhaltig berührt.

Bewertung vom 26.05.2025
Ein ungezähmtes Tier
Dicker, Joël

Ein ungezähmtes Tier


gut

Klischee auf Hochglanzpapier

Das war nun mein vierter Roman des versierten Bestsellerautors - ich habe ihn als Hörbuch gehört, eindringlich und unaufdringlich gelesen von Torben Kessler. Und ich denke, bis auf weiteres ist mein Bedarf gedeckt.

Es ist ein höchst vergnügliches Spiel, das Dicker da mit seinem Publikum inszeniert. Mit seinen Rückblenden stellt es immer wieder alles davor Geschehene auf den Kopf. Da er das an den passenden Stellen einflicht, kann man durchaus einigermaßen den Überblick behalten. Nur am Ende, wo es Schlag auf Schlag geht, fiel mir das zunehmend schwer, aber da war es mir auch schon gar nicht mehr so wichtig, denn vor lauter Purzelbäumen schwirrte mir der Kopf. Insofern ist das Buch ein Meisterwerk: kunstvoll wie ein Makrameegeflecht gäbe es einen attraktiven Wandschmuck ab, würde aber als Tasche kein Gewicht tragen können.

Denn Tiefgang darf man hier absolut nicht erwarten. Sophie ist schon von vornherein "schön" für ihre fast vierzig Jahre und wird immer "schöner" - auf welche Weise, das kann sich der Leser selbst ausdenken. Der aufwendige Lebensstil reicher Leute drückt sich im Porsche aus und im Konsum von Champagner und Kaviar. Ob die Handlungsweisen der Akteure psychologisch nachzuvollziehen sind, tritt in den Hintergrund der Dramaturgie, auch wenn sich der Autor bemüht, in mehr oder weniger glaubwürdigen Dialogen die Motive zu erklären.

Wer noch nicht genug von Dickers Masche hat, wird auch hier wieder voll auf seine Kosten kommen. Immerhin ist das Buch ja auch nicht ganz so dick wie die vorangegangenen und deshalb gar kein schlechter Einstieg.

Bewertung vom 18.05.2025
Das Teufelshorn
Nicholas, Anna

Das Teufelshorn


gut

Das wahre Juwel in der Krone dieses Tals

Die in Deutschland wie in Großbritannien über die Maßen beliebte Urlaubsinsel Mallorca hat eigentlich das ganze Jahr über Saison. Nun wartet der Diogenes-Verlag mit einer Übersetzung eines bereits vor sechs Jahren erschienenen Krimis auf, der uns in jeglicher Hinsicht Appetit machen soll auf eine Reise dorthin und uns mit allerlei Informationen versorgt über die dortige Natur, allerlei Gebräuche und vor allem auch eine Menge den Mund wässernden Speisen. Als sprachlich Unkundige habe ich allerdings ein Glossar vermisst, auch eine Aussprachehilfe für die mallorquinischen Spezialbegriffe hätte ich als hilfreich empfunden.

Wir haben es hier mit einem Krimi zu tun, in dem sich die sympathische, engagierte Kommissarin mit mindestens zwei Fällen befasst: der Entführung eines kleinen Mädchens und einem brutalen Mord, dessen Spuren nach Südamerika führen. Die Ermittlungen leiten sich logisch aus den vorliegenden Indizien her und sind auch für zartere Gemüter nicht nicht allzu aufregend. Wie immer wieder nach einem Erfolg bei den Recherchen die Ergebnisse in mir reichlich gestelzt vorkommenden Dialogen referiert werden, erscheint mir ausgesprochen realitätsfremd. Das Ende ist so gestaltet, dass man zur Klärung offener Fragen eine Fortsetzung erwartet, die auf Englisch auch bereits vorliegt.

Bewertung vom 08.05.2025
Schwimmen im Glas
Lugbauer, Eva

Schwimmen im Glas


sehr gut

Die Möglichkeit eines Ausgangs

In dieser Coming-of-Age-Geschichte eines Mädchens auf einem Dorf der Achtzigerjahre erzählt die auch als Lyrikerin erfolgreiche Eva Lugbauer die Vorgänge in Lores Kindheit . Dabei stehen Diskriminierungen durch ihre Brüder und andere männliche Bezugspersonen, aber auch deren Zudringlichkeiten im Vordergrund, konterkariert durch die besondere Rolle von Tante Ursula, der der Absprung in ein selbstständiges Leben als Künstlerin in der Stadt gelungen ist und die sich dann und wann ihrer Nichte annimmt.

Frühzeitig am Lesen interessiert und am Formulieren eigener Texte zum Beispiel im Tagebuch, in dem sie um einzelne Wörter regelrecht ringt, flicht die Autorin durch die Perspektive ihrer Protagonistin Betrachtungen ein über die Sprache an sich und wie diese die Kommunikation prägt. Der elaborierte Stil lebt nicht von langen Sätzen, die vermeintlich kindliche Sprache klingt lakonisch und zieht Andeutungen vor, deren Sinn man zwischen den Zeilen erfasst.

Dabei erörtert sie Themen, die allen vertraut sind: die Neugier auf Sex, die sich im Sammeln von "Busenbildern" äußert, das Nachdenken über "Zungenküsse", deren erste Erfahrung sich schließlich als sehr widerlich erweist. Pubertären Irritationen der introvertierten Jugendlichen stehen verständnislose, kontrollierende Eltern gegenüber. Die Erlebnisse auf dem Kindermaskenball haben mich sehr ergriffen.

Aus jedem Satz sprüht Zorn über die dauernde Benachteiligung des weiblichen Geschlechts, und mir wird bewusst, wie selbstverständlich das damals das Gros der Gesellschaft akzeptierte. Nach etwa der Hälfte des Buchs kommt auch die Sicht der erwachsenen Lore ins Spiel, die eine gesunde, reflektierte Entwicklung aufzeigt.