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Lu
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Hamburg

Bewertungen

Insgesamt 180 Bewertungen
Bewertung vom 03.02.2025
Shanghai Story
Min, Juli

Shanghai Story


gut

Juli Mins Debütroman „Shanghai Story“ erzählt die Geschichte der Familie Yang in Episoden rückwärts von 2040 zurück ins Jahr 2014. Dabei wird deutlich, dass es bei der reichen, schönen Familie hinter der Fassade einige Abgründe zu entdecken gibt. Die Figuren blieben für mich lange Zeit unnahbar, was wahrscheinlich aber auch beabsichtigt ist, da die Figuren der Familie einfach fast alle unsympathisch und neurotisch sind. Gleichzeitig gab es immer wieder starke, für sich alleinstehende Episoden – fast wie in einer Kurzgeschichtensammlung. Besonders gefallen haben mir zum Beispiel die Geschichte rund um Theia und das Kindermädchen oder die Episode über Straßenrennen in Shanghai, wobei gerade diese sich nicht um Familie Yang drehen. Auch die notwendigerweise offenen Enden der einzelnen Kapitel fand ich gelungen, weil sie Raum für eigene Gedanken lassen, auch wenn ich finde, dass die Einzelepisoden noch stärker miteinander verwoben hätten werden können.

Ein Aspekt, der mir negativ an der Erzählweise aufgefallen ist, war die konstante Betonung des weiblichen Äußeren. Fast jede Frau in diesem Roman wird in irgendeiner Weise nach ihrem Aussehen beurteilt, was mich zunehmend gestört hat. Selbst wenn das eine kritische Darstellung sein soll, hätte man diesen Aspekt nicht so oft reproduzieren müssen. Die Gesellschaftskritik, die eventuell mitschwingt, war mir für die Häufigkeit der Erwähnungen zu mild. Auch der Zukunftsaspekt war für mich nicht ganz überzeugend. Das Shanghai des Jahres 2040 wirkt technisch erstaunlich ähnlich zu unserer heutigen Welt, sodass die zeitliche Distanz eher künstlich erscheint. Besonders im Hinblick auf die Klimakrise hätte ich mir eine konsequentere Umsetzung gewünscht. Warum ein Teil der Geschichte nicht einfach in der Vergangenheit spielt, bleibt mir ein Rätsel.

Dennoch gibt es viele positive Aspekte: Die Charaktere sind komplex und das Verhältnis der Eltern hat mich besonders interessiert. Manches klärt sich erst im Laufe der Zeit auf, was dem Roman eine gewisse Tiefe verleiht. Einige Episoden haben mich wirklich gefesselt. Unterm Strich bleibt bei mir also ein zwiespältiger Eindruck. „Shanghai Story“ ist ein ambitionierter Roman mit einigen tollen erzählerischen Ideen, aber er schöpft sein Potenzial nicht ganz aus.

Bewertung vom 02.02.2025
Die theoretische Unwahrscheinlichkeit von Liebe
Hazelwood, Ali

Die theoretische Unwahrscheinlichkeit von Liebe


ausgezeichnet

Dies war mein erster Roman von Ali Hazelwood – und ich fand ihn herrlich eskapistisch! Die Geschichte um Biologie-Doktorandin Olive, die aus einer Notlage heraus einen Fake-Dating-Deal mit dem berüchtigten Labortyrannen Adam Carlsen eingeht, ist vorhersehbar, aber genau auf die beste Art: witzig, charmant und einfach unterhaltsam.

Ja, Hazelwood liebt ihre stereotypen Dynamiken: die unsichere, junge Wissenschaftlerin und der unglaublich große, wortkarge, aber eigentlich fürsorgliche Mann. Was mir in Hazelwoods späteren Romanen auf die Nerven gegangen ist, konnte ich hier noch unter (leider) „typisch Romcom“ verbuchen und so gut, es ging, ignorieren. Natürlich ist auch die Handlung sehr konstruiert, aber genau das macht ja auch den Reiz dieses Genres aus und sorgt dafür, dass man in dem Roman abtauchen kann und nicht groß nachdenken muss. Wer nach einer leichtfüßigen, humorvollen Lovestory mit klugem Science-Setting sucht, wird hier auf jeden Fall fündig. Mit anderen Worten: Man bekommt hier genau das, was auch versprochen wird.

Bewertung vom 02.02.2025
Leonard und Paul
Hession, Rónán

Leonard und Paul


sehr gut

Es gibt Bücher, die mitreißend und dramatisch sind – und dann gibt es solche wie „Leonard und Paul“: ruhig, sanft und voller leiser Schönheit. Der Roman begleitet die beiden besten Freunde Leonard und Paul, die ein unspektakuläres, aber geordnetes Leben führen – bis kleine, aber bedeutende Veränderungen ihren Alltag aufrütteln. Mehr muss man eigentlich gar nicht wissen, weil in diesem Roman vor allem die Figuren Leonard und Paul sowie ihre Bezugspersonen und weniger die Handlung im Mittelpunkt stehen.

Besonders schön fand ich, dass der Roman den ganz normalen Alltag mit ganz normalen Menschen ins Zentrum rückt und Werte wie Freundlichkeit, Bescheidenheit und Sanftmut besonders hervorhebt. Dazu passte die unaufgeregte Erzählweise, die mir ebenfalls gut gefallen hat. Der Roman plätschert vor sich hin, aber genau das hatte für mich etwas Beruhigendes und Tröstliches. Zwischen den Zeilen steckt viel Tiefgang: Freundschaft, Veränderung und die Frage nach dem eigenen Lebensweg sind zentrale Themen, die zum Innehalten anregen und mir richtig gut gefallen haben, gerade weil in diesem Roman keine einfachen Antworten gesucht werden und an den zwei Freunden auch gezeigt wird, dass Glück auf verschiedene Weise gefunden werden kann. Eine Empfehlung für alle, die nach einer Auszeit von stressigem Alltag und Nachrichten suchen!

Bewertung vom 01.02.2025
Frau Hempels Tochter. Roman
Berend, Alice

Frau Hempels Tochter. Roman


ausgezeichnet

Dank der Klassikerinnen-Reihe des Reclam Verlags, die ich sowieso liebe, bin ich auf den Roman „Frau Hempels Tochter“ von Alice Berend gestoßen, der sich so rasant und unterhaltsam liest, dass man kaum glauben kann, dass er über 100 Jahre alt ist. Im Mittelpunkt des Romans steht eigentlich nicht Frau Hempels Tochter Laura, sondern Frau Hempel selbst. Als tüchtige Dienstbotin sehnt sie sich nach einem besseren Leben für ihre Familie oder zumindest für ihre Tochter. Durch Tatkraft und Intelligenz kommt sie ihrem Ziel, den kleinbürgerlichen Verhältnissen in einer Berliner Kellerwohnung zu entkommen, näher. Laura beobachtet währenddessen sehnsüchtig den melancholischen jungen Mann, der im selben Haus wohnt – einen verarmten Grafen. Auch dieser wird bald auf Laura aufmerksam, auch wenn die Liebe der beiden erst einmal weder in seine noch in Frau Hempels Pläne für Laura passt.

Es hat mich beeindruckt, wie zeitlos Berends Erzählweise offenbar ist – und dass ihre weiblichen Figuren so lebendig und eigenständig wirken. Sie erzählt mit viel Witz und scharfem Blick für die Gesellschaft erzählt, aber vor allem mit großer Zuneigung für ihre weiblichen Figuren. Die Frauen in diesem Roman sind die Macherinnen, die klug und entschlossen ihre Wege gehen. Trotz der humorvollen Überzeichnung und einiger Erzählerkommentare zwischen Lebensklugheit und Ironie hat mich die realistische Erzählweise teilweise an Effi Briest erinnert, wobei die Frauen bei Berend nicht nur Leidtragende gesellschaftlicher Normen sind, sondern aktiv ihr Schicksal gestalten.

Ich habe bis zum Ende mitgefiebert, ob Frau Hempels Pläne aufgehen und konnte deshalb auch über rassistische und sexistische Details hinwegsehen, die sicher der Zeit geschuldet sind, in dem der Roman entstanden ist. Wer gerne historische Gesellschaftsromane liest, aber auf trockene Lektüre verzichten will, sollte „Frau Hempels Tochter“ unbedingt eine Chance geben. Alice Berend war zu ihrer Zeit eine erfolgreiche Bestseller-Autorin, die mit ihren Romanen sechsstellige Auflagen erreichte, bevor ihre Bücher von den Nazis verboten wurden, weil sie Jüdin war. Ich bin froh, dass der Reclam Verlag diesen literarischen Schatz neu aufgelegt hat – schön gestaltet und absolut lesenswert!

Bewertung vom 31.01.2025
Klapper
Prödel, Kurt

Klapper


sehr gut

„Klapper“ ist ein klassischer Coming-of-Age-Roman ganz nach meinem Geschmack: Mit viel Witz und Melancholie wird erzählt, wie sich der nerdige Außenseiter Klapper und die eigenwillige Bär anfreunden. Diese Dynamik ist das Herzstück des Romans. Bär - unbeeindruckt von sozialen Erwartungen, stark und gleichzeitig schwer greifbar - lockt den Computercrack Klapper immer mehr aus seinen eigenen, einsamen Routinen. Die Geschichte springt zwischen 2011 und 2025 und verwebt Erinnerungen an die jugendliche Intensität dieser besonderen Freundschaft mit der Ernüchterung von Klappers Erwachsenenleben.

Besonders gefallen hat mir der Erzählstil: locker, unterhaltsam und oft pointiert. Kurt Prödel hat ein gutes Gespür für absurde Details, die die Zeit und die Figuren lebendig machen – sei es die Erwähnung des großen leuchtenden M von McDonald's oder die typische Technik der Nullerjahre mit Overheadprojektoren und LAN-Partys. Einige Beschreibungen und popkulturelle Anspielungen hätten für meinen Geschmack nicht ganz so oft wiederholt werden müssen und waren mir mitunter auch doch etwas zu klischeehaft, aber insgesamt fand ich die Tonalität gelungen.

Wer Coming-of-Age-Geschichten mit schrägen, liebenswerten Charakteren mag, wird Klapper sicher mögen. Gerade für Millenials bietet der Roman viele nostalgische Momente, die den Charme der Geschichte ausmachen. Ich habe das Buch an einem Tag in einem Rutsch gelesen!

Bewertung vom 25.01.2025
Not your Darling
Blake, Katherine

Not your Darling


gut

„Not your Darling“ begleitet Loretta, die 1950 nach Los Angeles kommt, um sich in der schillernden, aber gnadenlosen Welt Hollywoods zu behaupten. Loretta war mir sofort sympathisch, ich mochte, wie sie sich durchsetzt, um ihren Weg zu gehen. Gleichzeitig zeigt sie eine impulsive, verletzliche Seite, die sie teilweise in Schwierigkeiten bringt und sie als vielschichtigen Charakter glaubwürdig macht.

Lorettas Einstieg in die glamouröse, aber oft grausame Filmbranche ist ein ständiges Auf und Ab. Sie navigiert durch eine Welt voller schlechter Manieren und Machtspielchen, wobei mir vor allem auch die Girlhood der Frauen gefallen hat. Ich mochte, wie unterschiedlich die anderen weiblichen Charaktere gestaltet waren: die toughe Geschäftsfrau Primrose, die naive Alice, die schlagfertige Sally und die strategische Grace! Mit ihnen zusammen schafft es Loretta, sich in Hollywood durchzuschlagen, wobei es auch zu psychischer und physischer Gewalt von Männern kommt, der die Frauen immer wieder ausgesetzt sind und die auch Lorettas Happy End gefährdet.

Der Schreibstil des Romans ist konventionell, aber unterhaltsam. Die kurzen Kapitel und die klare Sprache der Übersetzung von Astrid Finke machen es leicht, der Geschichte zu folgen. Besonders das Ende des Romans fiel für mich im Vergleich zum Rest des Romans aber ab, da es zu schnell abgehandelt wirkte. Dennoch ist Lorettas Entwicklung in einer nostalgischen Kulisse voller Glamour und Intrigen insgesamt durchaus spannend zu verfolgen, wobei mir die Geschichte vermutlich nicht länger in Erinnerung bleiben wird.

Bewertung vom 25.01.2025
Rückkehr nach Budapest
Kiss, Nikoletta

Rückkehr nach Budapest


sehr gut

„Rückkehr nach Budapest“ ist ein atmosphärisch dichter Roman, der im sozialistischen Budapest der 1980er Jahre und dem subversiven Ost-Berlin der Künstlerinnen und Künstler spielt. Dieses Setting bildet den Hintergrund für eine Dreiecksbeziehung - so etwas ist ja eigentlich immer spannend!

Die Handlung dreht sich um Márta und ihre intensive Beziehung zu ihrer Cousine Theresa – einer dynamischen, selbstbewussten jungen Frau, deren Unbeschwertheit Márta fasziniert und zugleich einschüchtert. Márta wächst am Plattensee auf und will zum Studium nach Budapest, während Theresa schon lange nicht mehr in Ungarn, sondern in Ostberlin lebt. Als Márta sie dort besucht, lernen beide den geheimnisvollen Schriftsteller Konstantin Berger kennen und verlieben sich in ihn, während dieser sich nicht festlegen will. Zahlreiche Wendungen und Dramen, die sich bis in die Gegenwart lange nach der Wende ziehen, sind vorprogrammiert.

Ich habe den Roman an einem Tag verschlungen, weil mich Handlung und Setting so in ihren Bann gezogen haben. Auch die gleichzeitig poetische und klare Sprache hat mir gut gefallen. Insgesamt ist „Rückkehr nach Budapest“ ein fesselnder Roman über Freundschaft, Liebe, Verrat und die Frage nach persönlicher Schuld und Freiheit.

Bewertung vom 21.01.2025
Middletide - Was die Gezeiten verbergen
Crouch, Sarah

Middletide - Was die Gezeiten verbergen


ausgezeichnet

Autor Elijah kehrt nach einer gescheiterten Karriere und einer gescheiterten Liebe zurück in seine Heimat Point Orchards in sein abgelegenes Elternhaus an einer stürmischen Meerenge im Staat Washington, das er von seinem Vater geerbt hat. Seine Jugendliebe Nakita wohnt dort noch immer in einem Reservat. Was zunächst wie ein Versuch wirkt, mit seiner Vergangenheit abzuschließen, wird bald zur lebensgefährlichen Herausforderung, als die angesehene Ärztin Erin Landry tot auf seinem Grundstück gefunden wird – unter Umständen, die erschreckende Parallelen zu Elijahs erstem Roman aufweisen.

Die Autorin Sarah Crouch hat es geschafft, mich in die atmosphärische Landschaft von Point Orchard hineinzuziehen und gleichzeitig eine dichte, emotional aufgeladene Geschichte zu erzählen, wobei sich die Übersetzung von Lena Kraus flüssig lesen lässt. Die Rückblenden in Elijahs Vergangenheit, die sich mit den Kapiteln der Gegenwart abwechseln, in denen wegen des Todesfalls ermittelt wird, sorgen fühl eine abwechslungsreiche Lektüre, bei der Charakterentwicklung und Spannung sich die Waage halten, was mir persönlich einfach richtig gut gefallen hat. Die Figuren des Romans sind dabei größtenteils sympathisch gestaltet, auch wenn einige Männer in ihrer „harte Schale, weicher Kern“-Darstellung leicht klischeehaft wirken. Schade fand ich deshalb, dass Nakitas Perspektive auf die Ereignisse wenig Raum bekommt, obwohl sie als zentrale Figur in Elijahs Vergangenheit und Gefühlen dient.

„Middletide“ ist eine gelungene Mischung aus Krimi, Naturroman, Liebesgeschichte und Entwicklungsroman, der mich mit seinem Sog und seiner Atmosphäre tatsächlich an „Der Gesang der Flusskrebse“ erinnert hat, was ich auch schon mochte. Wer diesen Roman mochte, wird sicher auch "Middletide" mögen. Ich habe die Lektüre sehr genossen und habe den Roman deshalb kaum aus der Hand legen können.

Bewertung vom 19.01.2025
30 Pflanzen pro Woche
Seiser, Katharina

30 Pflanzen pro Woche


sehr gut

Ich habe mir schon öfter vorgenommen, mindestens 30 verschiedene Pflanzen pro Woche zu essen, weil das sehr gut für das Mikrobiom im Darm sein soll. Meistens habe ich das Ziel dann aber schnell nicht mehr aktiv und bewusst verfolgt. „30 Pflanzen pro Woche“ ist ein Kochbuch, das nicht nur zum Nachkochen einlädt, sondern auch einen Motivationsboost zu einem gesünderen Lebensstil liefert. Basierend auf Erkenntnissen der Mikrobiomforschung zeigt Katharina Seiser, wie wichtig pflanzliche Vielfalt für unsere Gesundheit ist – und wie leicht man sie im Alltag umsetzen kann. Von Gemüse und Obst bis zu Nüssen, Kräutern und Gewürzen: Das Buch macht Lust darauf, neue Zutaten auszuprobieren und die eigene Küche bunter und abwechslungsreicher zu gestalten.

Besonders gefallen hat mir der übersichtliche und interessante Infoteil zu Beginn. Die beiliegende Wochen-Checkliste – sowohl im Buch als Kopiervorlage als auch online verfügbar – ist ein praktisches Tool, das den spielerischen Ansatz des Buches unterstreicht und hilft, die guten Vorsätze zu verfolgen. Die anschließenden Rezepte sind vielfältig und jedes Rezept ist anschaulich bebildert. Die Gerichte stammen nicht nur von Seiser selbst, sondern auch von renommierten Köch*innen wie Haya Molcho, Stevan Paul oder Feminine Food, was die Qualität und Kreativität der Rezepte garantiert. Besonders gelungen finde ich, wie durch die Rezepte die Tipps aus dem Infoteil konkret umgesetzt werden: Es wird mit einer breiten Palette an Kräutern, Gewürzen und Gemüsesorten gearbeitet, die über die gewohnte Alltagsküche hinausgehen, was sich als Prinzip aber auch auf eigene Lieblingsgerichte übertragen lässt. Ein kleiner Wermutstropfen ist, dass einige Zutaten – wie Yuzu, Sumach oder Asafoetida – selbst für mich in einer Großstadt schwer im direkten Umfeld zu bekommen sind. Hier hätte ich mir Vorschläge für Alternativen gewünscht, um den Zugang zu den Gerichten zu erleichtern.

Insgesamt ist „30 Pflanzen pro Woche“ aber ein inspirierendes und durchdachtes Kochbuch, das nicht nur leckere Rezepte bietet, sondern auch einen wichtigen Beitrag zu einer gesünderen Ernährung leistet. Es ist ein Buch, das ich gerne zur Hand nehme – sei es, um die Checkliste für meine Woche zu nutzen, oder einfach, um mich von den farbenfrohen Gerichten inspirieren zu lassen.

Bewertung vom 18.01.2025
Tunesisch vegan
M'hiri, Malek

Tunesisch vegan


gut

„Tunesisch vegan“ bietet eine spannende Reise durch die tunesische Küche – authentisch, vielfältig und rein pflanzlich interpretiert. Mit 60 Rezepten, die von Frühstücksideen über einfache und aufwendigere Hauptgerichte bis hin zu Gebäck reichen, richtet sich das Kochbuch an alle, die die Aromen Tunesiens entdecken wollen. Besonders gelungen sind die einführenden Kapitel: Sie erklären nicht nur die typischen Gewürze und Zutaten, sondern setzen sich auch kritisch mit kultureller Aneignung auseinander. Solche Gedanken findet man selten in Kochbüchern und sie verleihen dem Buch zusätzliche Tiefe. Es hat mir großen Spaß gemacht, das Kochbuch nicht nur zu nutzen, sondern tatsächlich von vorne bis hinten durchzulesen – was bei mir eine Seltenheit ist!

Allerdings bleibt „Tunesisch vegan“ hinter seinem Potenzial zurück. Der Verzicht auf Fotos für jedes Rezept ist ein großer Schwachpunkt, besonders bei einem Kochbuch, das sich auf weniger bekannte Gerichte konzentriert. Oft bleibt die Vorstellungskraft gefragt, da viele Seiten neben den Rezepten nur mit dekorativen Zeichnungen gefüllt sind. Das wirkte auf mich unfertig. Auch die Vielfalt der Rezepte hätte durch geschickteres Zusammenfassen und Ergänzen noch besser zur Geltung kommen können – gerade die zahlreichen Shakshuka-Varianten hätten auf einer Doppelseite gebündelt werden können. Auch wenn das Buch auf Authentizität setzt, hätte ich mir generell mehr Flexibilität und Variationsvorschläge gewünscht, etwa wie man bestimmte Zutaten ersetzt, die man vor Ort nicht bekommen kann, oder wie man das Nährstoffprofil der Gerichte mit oft wenigen Zutaten durch die Zugabe von Gemüse oder frischen Kräutern anreichern kann. Für Leser*innen ohne Zugang zu spezialisierten Märkten wären solche Hinweise hilfreich gewesen. Die Gerichte, die ich ausprobiert habe, habe ich tatsächlich selbst noch ergänzt, weil mir oft etwas Frisches gefehlt hat, ich wäre neugierig gewesen, was hier die Vorschläge des Autors gewesen wären.

Insgesamt ist „Tunesisch vegan“ ein ambitioniertes Kochbuch mit einem tollen Konzept, das aber in der Umsetzung noch Luft nach oben hat. Ich hoffe sehr, dass es eine zweite, überarbeitete Auflage geben wird. Das Potenzial ist definitiv da, denn ich finde sowohl den Löwenzahn Verlag als auch den Autoren des Kochbuchs ganz großartig!