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SvenSierseck
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Tübingen

Bewertungen

Bewertung vom 07.04.2025
Die Chroniken eines Liebestollen
Pirogov, Fynn

Die Chroniken eines Liebestollen


ausgezeichnet

Ein Buch wie ein Déjà-vu der Gefühle – lange nichts Vergleichbares gelesen

Ich war mir nicht sicher, ob Die Chroniken eines Liebestollen etwas für mich ist. Zuletzt habe ich Coming-of-Age-Romane eher beiläufig gelesen – oft klangen sie für mich zu bemüht originell. Dieses Buch hat mich überrascht. Und berührt.

Es war, als hätte jemand die Schichten meiner eigenen Jugend freigelegt – nicht durch konkrete Erlebnisse, sondern durch Stimmungen, Gedanken, Unsicherheiten. Der Erzähler, Milo, stolpert sich durch die Jahre mit einer Mischung aus Sehnsucht, Unverstandensein und unstillbarem Hunger nach Nähe – und das so unverstellt, so sprachlich eigenständig, dass ich immer wieder innehielt.

Der Stil ist alles andere als konventionell: mal poetisch, mal frech, dann wieder beinahe essayistisch – aber nie manieriert. Es fühlt sich nicht geschrieben an, sondern erinnert an das, was für mich gute Literatur ausmacht: ein innerer Ton, der bleibt. Es ist kein Buch, das man nicht einfach „wegliest“. Es hat in mir etwas zum Klingen gebracht, das ich vergessen hatte.

Wer vielleicht in den späten 80ern oder frühen 90ern groß geworden ist, wird hier vieles wiedererkennen – nicht in Details, sondern im Lebensgefühl. Mich hat es an Tschick erinnert, aber noch stärker an Herr Lehmann – nur jünger, verletzlicher, ernsthafter.

Ich habe lange kein Jugendbuch mehr gelesen, das mich als Erwachsener so unmittelbar getroffen hat. Vielleicht ist es auch gar kein Jugendbuch – vielleicht ist es ein Buch für alle, die einmal jung waren und sich daran erinnern wollen, wie das war: mit klopfendem Herzen, zittriger Stimme und viel zu großen Gefühlen.