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Benutzername: 
_Lucy_

Bewertungen

Insgesamt 38 Bewertungen
Bewertung vom 10.12.2025
Memories so Golden Like Us / Blue Eternity Bd.2
Santos de Lima, Gabriella

Memories so Golden Like Us / Blue Eternity Bd.2


sehr gut

Vor den goldenen Erinnerungen steht jede Menge Grau
„Memories So Golden Like Us“ ist der zweite Teil von Gabriella Santos de Limas „Blue Eternity-Reihe“, kann aber problemlos unabhängig vom ersten Teil gelesen werden. Das Cover ist in verschiedenen Goldtönen gestaltet, in denen immer wieder Pinselstriche zu erkennen sind. Ähnlich verhält es sich mit dem Farbschnitt, dem noch ein wenig lila beigemengt ist und der sich bedauerlicherweise nur über die Längsseite, nicht jedoch über Ober- und Unterseite erstreckt.
Seitdem ihr Bruder Sam vor einem Jahr gestorben ist, stürzt sich Künstlerin und It-Girl Blair mit Partys, Alkohol und Männern von einem Skandal in den nächsten. Als ihre Eltern ihr den Geldhahn zudrehen, ist sie gezwungen ihr Leben im fernen St. Ives neu zu ordnen. Sie soll endlich an einer neuen Bildreihe arbeiten, deren Malprozess filmisch begleitet wird. Doch es ist ausgerechnet Connor, Sams bester Freund, Blairs heimliche Liebe seit Teenagertagen und Freund ihrer ehemals besten Freundin, der nicht nur die Kamera führt, sondern über Wochen mit Blair unter einem Dach lebt.
Der Roman beinhaltet die Tropes Forced Proximity und Brother‘s Best Friend. Trauer(bewältigung), Body- & Slutshaming und mediale Macht, sowie Alkoholmissbrauch sind ebenfalls zentrale Themen des Romans. Autorin Gabriella Santos de Lima stellt in ihrem Buch sehr nahbar den emotionalen Aufruhr in der Gefühlswelt ihrer Protagonistin Blair dar. Die einzelnen Kapitel sind teils aus Blairs Sicht, teils aus Connors Sicht in Ich-Perspektive verfasst, sodass die Gedanken und Gefühle der beiden Protagonisten ungefiltert aufgenommen werden. In Blairs Fall sind es zeitweise beinahe zu viele Emotionen, die völlig durcheinander und immer wieder auf’s Neue auf den Leser einprasseln. Insgesamt lässt sich der Roman sehr flüssig lesen, wobei sich die Handlung für meinen Geschmack an einigen Stellen ein wenig zu sehr in die Länge zieht – weil eben eigentlich gar nicht allzu viel geschieht. Durchbrochen wird die Handlung immer wieder von Artikeln der Boulevardpresse und entsprechenden Hasskommentaren der Leser. In der Art wie sehr viele Menschen sich profilieren, indem sie ohne jedes Hintergrundwissen über andere urteilen bzw. sie verurteilen wirkt diese Einschübe erschreckend authentisch. Blairs Unberechenbarkeit im Zusammenspiel mit ihrer Verurteilung in den Medien sorgt für ein gewisses Spannungsniveau.
Die 24-jährige Protagonistin Blair hat mit dem Tod ihres älteren Bruders den Halt im Leben vollkommen verloren. Ehemals privilegiert und sehr selbstbewusst, ist sie nun oft verunsichert und hypochondrisch. Mit jedem neuen Tag bringt ihr Handeln sie noch ein Stück näher an den Abgrund. Partys, Alkohol und Männer sind ihre Mittel mit dem Verlust umzugehen. Zwar erkennt Blair durchaus oft, wohin ihr Handeln sie führt, doch von ihrem Verstand lässt sie sich trotzdem kaum leiten. Unerklärlicherweise scheint aber auch ihre Familie sie nicht zu einer Therapie zu drängen. Während sie selbst ihr Leben zertrümmert, schlagen und treten Presse und Follower noch zusätzlich sinnbildlich auf die am Boden liegende Blair ein. Auch wenn Blair keineswegs sonderlich sympathisch erscheint – manchmal sogar ein wenig nervig und unreif - ruft die mediale Verurteilung absolute Abscheu hervor. Der eher introvertierte Connor bildet einen ziemlichen Gegensatz zur impulsiven Blair. Er ist die meiste Zeit ruhig und besonnen. Seine Mitmenschen können sich auf ihn verlassen. Doch auch er leidet nach dem Tod seines besten Freundes und seine Gefühle für Blair treiben ihn in eine Gewissensnot. Auch Blair ist seit ihren Teenagertagen heimlich in Connor verliebt, was die gemeinsamen Wochen unter einem Dach nicht eben leichter machen. Zwar öffnen sich die beiden einander nach und nach, doch Blairs Angst vor tiefgehenden Gefühlen und Connors Moralvorstellung stehen ihnen im Weg. Die Entwicklung ihrer Beziehung erscheint mir zunächst sehr stagnierend, um sich dann ziemlich abrupt zu verändern. So angenehm das Buch sich auch liest, springt der Funke hier doch nicht so ganz auf mich über.
Obwohl der Roman mich auf der Beziehungsebene der Charaktere nicht gänzlich überzeugt, ist er emotionsbeladen, lässt sich sehr angenehm lesen und spricht wichtige und hochaktuelle Themen an.

Bewertung vom 10.12.2025
Rosebay Hope - Irischer Winterzauber (MP3-Download)
Wellen, Jennifer

Rosebay Hope - Irischer Winterzauber (MP3-Download)


sehr gut

Dilemma in der Weihnachtsbäckerei
„Irischer Winterzauber“ gehört zu der Rosebay Hope-Reihe von Jennifer Wellen, kann aber vollkommen unabhängig gelesen bzw. gehört werden. Das Hörbuch wird gesprochen von Mario Lucas und Carolin-Therese Wolff.
Konditorin Ivy steht kurz vor dem Weihnachtsgeschäft und einem wichtigen TV-Backwettbewerb mit einem großen Problem da: Nach ihrem Freund Sam hat sie nun auch noch ihr überragender Geschmackssinn verlassen. In ihrer Verzweiflung versucht Ivy wirklich alles um ihren Geschmack wiederzuerlangen. Bei einem Ausflug nach Dublin sorgt sie dabei für eine peinliche Begegnung mit Noel, nicht ahnend, dass sie ihn nur allzu bald im heimatlichen Marble Hill wiedertrifft. Und ausgerechnet Noel ist es, der ihr Unterstützung anbietet. Aber ob er Ivy wirklich helfen kann?
Das Cover mit dem behaglichen, winterlichen Cottage direkt an der Irischen See und dem Kranz aus Weihnachtssternen, der sich um den Titel windet, wirkt sehr gefällig, spiegelt den Inhalt des Romans in meinen Augen aber nur in Ansätzen wider.
Jennifer Wellens Schreibstil ist sehr eingängig und bietet sich damit prima als leichte Lektüre oder eben Hörbuch für zwischendurch an. Insbesondere Ivys kleine Wunderwerke aus der Küche sind so eindrücklich beschrieben, dass sie alle Sinne ansprechen und mir beim Hören das Wasser im Mund zusammenläuft. Allerdings hätte ich mir durchaus ein wenig mehr irische Winteratmosphäre gewünscht. Die blitzt zwar gelegentlich auf, wird aber doch immer nur angerissen. Die Spannungskurve bewegt sich auf einem cozy-typischen Niveau mit kleinen Wellenbewegungen und einem Anstieg kurz vor Schluss – obwohl das Ende keine wirklich große Überraschung liefert. Die Kapitel sind abwechselnd aus Ivys und Noels Sicht in Ich-Form geschrieben, was das Eintauchen in die Wünsche und Gefühle der Figuren leicht macht.
Neben den beiden Protagonisten taucht u. a. auch Krimi-Autorin Gigi als Ivys liebenswerte und gute Freundin wieder auf, die im ersten Teil der Reihe noch im Zentrum stand. Ivy selbst ist Konditorin mit Leib und Seele und übertreibt es in ihrem Ehrgeiz das Geschäft zu erweitern gelegentlich mit ihrer Arbeit. Ihre Verzweiflung über den Verlust ihres Geschmacksinns ist voll und ganz nachvollziehbar. Trotzdem ist Ivy mir mit ihrer ziemlich egozentrischen und etwas jämmerlichen Art nicht so recht sympathisch. Sie ist fast ausschließlich auf ihre eigenen Probleme fixiert und zeigt dabei wenig Rücksicht auf das Leben ihrer Freunde und Mitmenschen. Beinahe mehr als ihr fehlender Geschmackssinn sorgt sie die Teilnahme an der TV-Backshow, obwohl davon weder ihr Leben noch ihre Existenz abhängt. Nichtsdestotrotz macht Ivy einen absolut menschlichen Eindruck auf mich und wirkt authentisch. Carolin-Therese Wolff liest Ivys Kapitel mit viel Gefühl und gibt ihrer Stimme oft das passende Maß an Verzweiflung, Hoffnung und Nachdenklichkeit. Im Gegensatz zu Ivy ist mir der hilfsbereite, ruhige Arzt Noel auf Anhieb sympathisch. Allerdings fehlt der Figur in meinen Augen auch ein wenig Tiefe und er geht komplizierten Situationen offenbar gern aus dem Weg. An die Stimme von Mario Lucas im Hörbuch musste ich mich erst ein wenig gewöhnen und bin auch jetzt noch zwiegespalten. Einerseits passt die unaufgeregte Stimme ausgesprochen gut zu der ruhigen Art des Arztes, andererseits hätte ich mir Noel aber doch ein wenig lebhafter und energischer gewünscht.
Insgesamt liefert „Rosebay Hope – Irischer Winterzauber“ ein unterhaltsames Geschehen, das sich wunderbar als cozy Winterlektüre für zwischendurch eignet und den Plätzchenhunger anregt.

Bewertung vom 27.11.2025
In den Scherben das Licht
Korn, Carmen

In den Scherben das Licht


sehr gut

Von der Zweckgemeinschaft zur Wahlfamilie
Der Nachkriegsroman „In den Scherben das Licht“ von Carmen Korn erzählt von (unfreiwilligen) Neuanfängen und Veränderungen des Leben unterschiedlicher Generationen, aber auch von Freundschaft, Hoffnung und Liebe.
Erst einmal muss ich eines zugeben: So gern ich Carmen Korns Romane auch lese, für die Cover konnte ich mich noch nie begeistern. „In den Scherben das Licht“ bildet mit dem pastellfarbenen Cover auf dem ein tanzendes Paar aus der Vogelperspektive zu sehen ist leider keine Ausnahme.
Der Roman erzählt vom Leben im Wandel in der Nachkriegszeit zwischen 1946 und 1955. Im Mittelpunkt stehen dabei die ehemalige Schauspielerin Friede und die beiden Kinder/jungen Erwachsenen Gert und Gisela, die in deren Keller Obdach finden. Zudem sind auch noch Friedes ehemalige Liebhaber Palutke und Viktor Franke Teil des Geschehens, sowie Marta mit der Friede eine eigenwillige Freundschaft verbindet. Je weiter die Zeit voranrückt, desto lebhafter geht zu im Leben der drei Protagonisten, die in einer bunt gemischten Gemeinschaft nicht nur eine neue Familie finden.
Carmen Korn verfolgt auch in ihrem jüngsten Roman ihren unverkennbaren Schreibstil, der von vielen kurzen, mitunter auch unvollständigen Sätzen geprägt ist und dann und wann von einigen komplexeren Satzstrukturen unterbrochen wird. Ein Schreibstil der sich in meinen Augen wunderbar lesen lässt und immer eine kurzweilige, beinahe spannende Wirkung auf mich hat. Kleinere und größere Zeitsprünge komprimieren das Geschehen. Wobei der Roman keine stringente Handlung, sondern vielmehr den Lebensverlauf seiner Figuren über gut 9 Jahre mit allen Drehung und Wendungen begleitet. Manche Momente hätte ich mir etwas konkreter erzählt gewünscht. Spannend bleibt das Buch aber schon allein aufgrund der vielen unvorhersehbaren Aufs und Abs, der kleinen und großen Hoffnungen und Ziele, der vielen Zweifel und Enttäuschungen und der unzähligen kleinen Glücksmomente. Mit dem vergleichsweise offenen Ende bleibt auch noch ein wenig Raum für die eigene Fantasie, denn das Leben der Figuren geht weiter.
Leben heißt Veränderung und so durchlaufen die meisten Figuren, insbesondere die Hauptcharaktere eine deutliche Entwicklung. Oftmals gewährt Carmen Korn auch Einblicke in die Gefühlswelt, macht Hoffnungen, Schuldgefühle und (Selbst-)Zweifel der einzelnen Charaktere greifbar. Eine Ausnahme in puncto Entwicklung bildet dabei Friedes selbstgerechte Freundin Marta. Marta ist sich stets selbst die Nächste. Gisela beschreibt es im Roman sehr passend mit den Worten, dass Marta ihr Leben zu klein findet. Sie ist unzufrieden, fühlt sich verkannt und ungerecht behandelt und sieht sich damit absolut im Recht andere – insbesondere Friede – gnadenlos auszunutzen. Friedes ehemaliger Liebhaber Palutke erscheint sehr egozentrisch. Dass er Friede trotz unlauterer Mittel nie für sich allein gewinnen konnte, ist ihm ein Stachel im Fleisch. Mit zunehmendem Alter und Einsamkeit zeigt er sich oft ein wenig sentimental. Sein jüngerer Widersacher und Theaterkritiker Franke hat als Jude zwar mehrere Jahre im Ghetto Litzmannstadt überlebt, doch die seelischen Wunden heilen nur langsam und die Narben bleiben. Sein Weg zurück zu einer lebenswerten Existenz ist beschwerlich. Unterstützung findet er dabei unter anderem in Nast, einem Philosophie-Professor. Er ist wie ein guter Geist an vielen Stellen ein Bindeglied zwischen den Figuren und gibt zunächst Gisela und später auch Gert die Chance ihre Bildung und damit ihre Zukunftschancen zu verbessern. Friedes „Familienmitglieder“ Lulu und Robert tauchen erst später in der Handlung auf. Lulu hat es durch seine Homosexualität nicht nur in der Gesellschaft, sondern allem voran bei Vater und Brüdern schwer. Robert tritt stets gutmütig und weitgehend besonnen und ausgeglichen in Erscheinung. Auf ihn ist Verlass. Gisela und Gert haben im Krieg ihre Familien verloren und finden in Friedes Keller Obdach. Während die jüngere Gisela spürbar Bildung genossen hat und ebenso robust wie zielstrebig ihre Pläne verfolgt, wirkt Gert sehr gefühlsbetont und eher nachdenklich. Beide wachsen Friede im Verlauf der Jahre wie eigene Kinder ans Herz. Friede ist wohl diejenige, die sich am meisten entwickelt. Unmittelbar vor dem Krieg wusste sie ihr durchaus ausschweifendes Leben zu genießen, war dem Luxus und den Männern, die sie verwöhnten zugeneigt. Doch die entbehrungsreiche Nachkriegszeit und die Beziehung zu Gert und Gisela verändern ihre Weltanschauung und ihre Werte. Nach und nach übernimmt Friede Verantwortung und sorgt für andere statt sich selbst umsorgen zu lassen. Ihr Glück findet sie nicht länger vorrangig im Luxus, sondern viel mehr im Gemeinschaftsgefühl.
Insgesamt ein stark geschriebener Roman, der den Wandel im Leben vieler interessanter Charaktere in der Nachkriegszeit begleitet, vor allem in Sachen Freundschaft und Zusammenhalt – sehr lesenswert.

Bewertung vom 24.11.2025
Mayfair Ladys - Drei Junggesellen für Lady Beatrice (eBook, ePUB)
MacBride, Freda

Mayfair Ladys - Drei Junggesellen für Lady Beatrice (eBook, ePUB)


sehr gut

Romantik auf ungewohnten Wegen
„Drei Junggesellen für Miss Beatrice“ ist der Auftakt zu Freda MacBrides Regency-Romanreihe ‚Mayfair Ladies‘.
Als Kind hatte Beatrice einen furchtbaren Unfall und ist seitdem entstellt. Mittlerweile 27 Jahre alt, hat die Tochter des Earls of Conham sich mit dem Schicksal eine alte Jungfer zu bleiben längst abgefunden. Stattdessen findet sie großen Gefallen daran für ihre Geschwister und Freundinnen passende Gefährten zu finden. Dieses Talent bleibt nicht unbemerkt und so bittet die Dowager Marchioness of Bayne sie eines Tages passende Bräute für ihre drei unverheirateten Söhne zu finden. Für Lady Beatrice eine große Herausforderung, vor allem was den jüngsten Sohn Francis betrifft.
Das Cover mit dem jungen Paar umgeben von Blumen passt gut zur Atmosphäre dieser Regency Romance, obwohl das allgegenwärtige Rosa für meinen persönlich Geschmack ein wenig kitschig wirkt.
Sehr gefreut habe ich mich über die den kreativen Ansatz mit der im Vergleich zu vielen anderen Regency Romanen sehr unverbrauchten Thematik. Auch Freda MacBrides Schreibstil und vor allem ihre Wortwahl fügen sich, mit sehr wenigen Ausnahmen stimmig ins beschriebene Zeitalter ein und lesen sich wunderbar flüssig. Wer bei diesem Roman an eine slow-burn Story denkt, wird überrascht, denn bei knapp über 200 Seiten ist für slow einfach zu wenig Zeit. Doch auch das ist in Ordnung und durchaus erfrischend für das Genre. Ein wenig spice fehlt aber natürlich nicht und auch der Spannungsbogen steigt trotz des erwartungsgemäßen Endes kurz vor Schluss noch einmal dramatisch an. Hier überschlagen sich die Ereignisse regelrecht, während man vorher doch eher cozy unterwegs war.
Die Gestaltung der beiden Hauptcharaktere ist deutlich substanzieller als die der Nebencharaktere, die ein eher grobes Profil. Trotzdem komme ich beim Lesen nicht umhin den wenig präsenten Lord Conham mit seiner eher lockeren Einstellungen als sehr sympathisch wahrzunehmen, während es seiner Frau, wenn auch nicht aus böser Absicht - offenbar an jeglichem Feingefühl mangelt. Lady Bayne hingegen scheint durchaus mit viel Raffinesse im Hintergrund die Fäden zu ziehen. Allein ihr Auftrag für Beatrice ist sehr gewagt, verdeutlicht aber auch die Liebe zu ihren Kindern. Während seine Brüder eher etwas oberflächlich dargestellt sind, wirkt Francis auf spitzbübige Art überaus charmant. Aus dem Wissen um Beatrices Auftrag macht er sich zunächst einen großen Spaß, entwickelt jedoch schnell Gefühle für die nicht mehr ganz so junge Frau. Doch Francis hütet ein Geheimnis, das er bisher noch niemandem anvertraut hat. Beatrice liebt das gesellschaftliche Leben, obwohl sie in keinen Part der Gesellschaft so recht hineinzupassen scheint. Doch mit ihrer klugen, offenen und mitunter schlagfertigen Art gelingt es ihr immer wieder schnell neue Bekanntschaften zu machen und sie wird im Allgemeinen hoch geschätzt. Trotzdem leidet sie sehr unter ihrer Entstellung und reagiert ausgesprochen empfindlich. Francis ruft trotz des amüsanten Schlagabtausches in ihr eine bisher unbekannte Leidenschaft hervor, doch den Gedanken einen Ehemann zu finden hat sie schon längst begraben. Während beide in der Öffentlichkeit die gesellschaftliche Etikette wahren, verhalten sie sich bei heimlichen Zusammenkünften weitaus zwangloser.
Wer Regency Romance abseits der ausgetretenen Pfade sucht, sollte sich Freda MacBrides „Drei Junggesellen für Miss Beatrice“ nicht entgehen lassen. Ich bin gespannt zu erfahren, ob auch die weiteren Teile der „Mayfair Ladies-Reihe“ solch originelle Handlungsansätze verfolgen.

Bewertung vom 03.11.2025
Da, wo ich dich sehen kann
Schreiber, Jasmin

Da, wo ich dich sehen kann


sehr gut

Feinfühlig erzählt aber mit Luft nach oben
Bereits mit dem ersten Blick auf das Cover von Jasmin Schreibers Roman „Da, wo ich dich sehen kann“ breitet sich ein beklemmendes Gefühl in mir aus: Auf dem schwarzen Cover befindet sich im unteren Drittel eine sehr kleine, einsam wirkende Person in weiß. Darüber steht in großen Lettern der Titel in einem Farbverlauf von rot bis blassblau im Zentrum, drum herum ist durch das Universum angedeutet.
Von einem Tag auf den anderen verändert sich für die neunjährige Maja der Mittelpunkt ihres Universums: Ihre Mutter Emma ist tot – umgebracht vom geliebten Papa Frank, der Maja scheinbar mit Aufmerksamkeit überhäuft, manipuliert und instrumentalisiert hat. Emma indes wurde von ihm überJahre hinweg systematisch abschottet, erniedrigt und sowohl emotional als auch physisch gequält. Doch nicht nur Maja leidet nach der Tat unter dem Verlust ihrer Eltern, Ängsten und Schuldgefühlen. Auch für Emmas Eltern Per und Brigitte, sowie Emmas beste Freundin Liv und schließlich auch für Franks Eltern ist nichts mehr wie es mal war.
Das Thema ihres Romans ist Jasmin Schreiber eine Herzensangelegenheit, dass merkt man im gesamten Roman, aber auch mit Blick auf die Widmung. Denn sie hat eine solche Tat in der direkten Nachbarschaft erlebt.
In ihrem Buch rückt sie in den einzelnen Kapiteln immer eine andere Figur ins Zentrum und liefert dem Leser dabei erschütternde Einblicke in das Seelenleben der einzelnen Charaktere, die zwar alle anders mit der grauenvollen Tat und dem Verlust von Mutter, Tochter oder Freundin umgehen, aber allesamt äußerst verstört und traumatisiert sind und unter erheblichen Schuldgefühlen und Sprachlosigkeit leiden. Schreiber veranschaulicht weniger die Gewalt bzw. den Femizid an sich, als viel mehr die verheerenden Auswirkungen.
Der Roman ist nicht chronologisch aufgebaut. Stattdessen wechseln sich gegenwärtige Szenen, mit Rückblenden in denen u.a. auch die getötete Emma eine Stimme erhält und hypothetischen Szenarien ab, in denen sich die Charaktere ausmalen, wie Emma durch eine alternative Handlung oder Reaktion ihrerseits zu retten gewesen wäre. Zeitungsartikel und offizielle Dokumente, wie Gerichtsbeschlüsse verleihen dem Ganzen Authentizität. Für mich sind es insbesondere die „was-wäre-wenn-Kapitel“, die wirklich unter die Haut gegangen sind, denn sie offenbaren die Schuld- und Versagensgefühle Livs und der Eltern besonders deutlich. Dabei wirken sie für Außenstehende zwar nachvollziehbar gleichzeitig aber auch vollkommen irrational. Wo schon die Erwachsenen mit ihren Emotionen nicht umzugehen wissen, ist es für Maja besonders schwierig: Immer wieder wird sie von Todesängsten und Horrorvisionen heimgesucht und entwickelt ebenfalls das Gefühl versagt zu haben und die Verantwortung am Tod der Mutter zu tragen. Als wäre das alles nicht sowieso schon mehr als Maja ertragen kann, pochen die Großeltern väterlicherseits plötzlich auf das Sorgerecht. Inmitten des bürokratischen Wirrwarrs droht Maja nun völlig zu zerbrechen – und nicht nur sie. Das Geschehen und die Reaktionen der Charaktere sind vollkommen unvorhersehbar und sorgen damit für ein durchgängig hohes Spannungsniveau (obwohl das Wort Spannung unpassend wirkt).
Die Schilderungen mit Blick auf die verschiedenen Charaktere sind Jasmin Schreiber wirklich überragend gelungen und haben mich voll vereinnahmt. Dass sie dabei nicht in überschwängliche Sentimentalität abdriftet, sondern durch den personalen Erzählstil einen sehr realistischen Eindruck aber gleichzeitig auch eine gewissen Distanz zu den Charakteren schafft, mag ich besonders. Die Thematik verdient einfach den pietätvollen Umgang.
Ein paar kleine Schwachstellen hat das Buch in meinen Augen trotzdem. So haben sich besonders im letzten Drittel ein paar logische Fehler eingeschlichen und die Gewichtung der geschilderten Ereignisse hätte ich mir teilweise einen etwas anderen Fokus gewünscht. Gern hätte ich mehr über den Sorgerechtsstreit gelesen als lediglich die offiziellen Dokumente und auch der Klinikaufenthalt Majas wird nur kurz angerissen. Hier hätte ich mir weitere Details gewünscht. Livs Mutter hat dafür aus meiner Sicht zu viel Raum bekommen. Vor allem hat mich aber die recht einseitig negative Sicht auf Männer, die viele Charaktere zeigen, ein wenig gestört. Aufklärung über Femizide ist zweifelsfrei unerlässlich, darf aber nicht zu Schubladendenken führen. Die im Anschluss angeführten Hilfestellen – sowohl für Gewalt gegen Frauen, als auch für Gewalt gegen Männer – relativieren diese Kritik allerdings wieder.
Statt einer großen Handlung bietet „Da, wo ich dich sehen kann“ einen ergreifenden und tiefgehenden Blick auf Femizide und vor allem auf die Auswirkungen bei den Hinterbliebenen. Die reale Wirkung und die pietätvollen Schilderungen dieser Thematik machen den Roman überaus lesenswert und lassen kleine Schwächen in den Hintergrund treten.

Bewertung vom 07.10.2025
Das Kamelienhaus
Bach, Tabea

Das Kamelienhaus


sehr gut

Kommerz vs. Nachhaltigkeit und jede Menge japanisches Flair
3,5 Sterne
„Das Kamelienhaus“ ist der Auftakt zu Tabea Bachs „Kamelienhaus-Saga“ und knüpft mit der nächsten Generation an „Die Kamelien-Insel-Saga“ an.
Nach langen Jahren der Abwesenheit kehrt Lucy nach ihrer Ausbildung und mit erster Berufserfahrung auf die Kamelieninsel zurück, um als zweite Geschäftsführerin in das Unternehmen ihrer Mutter Sylvia - das Kamelienhaus - einzusteigen. Als familiäre Umstände Sylvia an der geschäftlich so dringend notwendigen Japanreise hindern, springt Lucy kurzerhand ein. Nicht ahnend, dass die Reise zur Kamelienölmanufaktur ihr ganzes Leben verändern wird, denn sie verliert ihr Herz nicht nur an den sympathischen Finn, sondern auch an die beschauliche Insel Soshima und ihre Bewohner. Als sich ausgerechnet Finn als Vertreter eines Heuschrecken-Investors entpuppt, setzt Lucy alles daran das marode Unternehmen und damit die Insel zu retten.
Die wunderschöne Aufmachung des Romans fällt sofort ins Auge. Das Tiefrosa im spirituell anmutenden Farbschnitt und auf dem Umschlag erinnert an die Farbe einer bekannten Kamelienart. Im Zentrum des Cover erblickt man wie durch ein rundes Fenster die japanische Kamelieninsel – sehr passend denn schließlich handelt es sich hierbei um den zentralen Schauplatz des Romans.
Tabea Bach fasst den japanischen Geist mit enormer atmosphärischer Dichte in Worte. Obwohl ich noch nie in Japan war und mich bisher auch nicht sonderlich mit Land und Kultur auseinandergesetzt habe, konnte ich in diese andere Welt regelrecht abtauchen und habe unheimlich viel über das Land, die Menschen, Kultur und Traditionen erfahren. Leider ist das Verhältnis in meinen Augen allerdings nicht ganz ausgewogen, denn durch die intensiven Schilderungen kommt stellenweise die Handlung ein wenig zum Erliegen. Ein weiterer Kritikpunkt an einem Roman, dessen Lektüre ich insgesamt durchaus genossen habe, ist der etwas schleppende Start. Durch die vielen Personen, die bereits aus den „Kamelien-Insel“ Romanen bekannt bzw. mir leider unbekannt waren, musste ich häufig zur Personenübersicht zurückblättern, was meinen Lesefluss und die Freude im ersten Viertel des Buches doch ein wenig getrübt hat. Umso erfreulicher fand ich es, den Roman schließlich doch mit jeder Seite etwas mehr genießen zu können. Das Spannungsniveau ist überschaubar, was ich von der Autorin z. B. aus der großartigen „Rosenholzvilla-Saga“ durchaus anders gewohnt bin. Es gibt zwar einige dramatische Ereignisse, doch die meisten lösen sich vorhersehbar und unproblematisch in Wohlgefallen auf. Zwar zeigen die einzelnen Charaktere durchaus Kampfgeist, aber vieles fällt ihnen eben für meinen Geschmack doch etwas zu leicht in den Schoß und wirkt damit nicht unbedingt authentisch. Spannung ist hier also eher im Bereich der leichten Unterhaltungsliteratur gegeben, was ich zwar ein wenig überraschend, aber durchaus in Ordnung finde.
Viele Charaktere, allen voran Lucys Familie gehörten zur „Kamelien-Insel-Saga“, einige neue Figuren tauchen nur kurz in diesem Auftaktband auf und bekommen vermutlich erst in den Folgebänden eine größere Bühne. Als Protagonisten stehen Lucy und Finn im Mittelpunkt des Geschehens. Beide sind jung, ehrgeizig, großartig ausgebildet und haben sich Hals über Kopf ineinander verliebt. Doch obwohl Lucy ihre Gefühle für Finn nicht abstellen kann, büßt er bei ihr doch jegliche Sympathie ein, als sein beruflicher Auftrag klar wird. Während Finn seinem Auftraggeber durch den Kauf der Kamelienölmanufaktur den größtmöglichen Profit sichern soll, sucht Lucy nach einer nachhaltigen Lösung, um ökonomischen, ökologische und persönliche Interessen in Einklang zu bringen. Die Insel und ihre – liebenswert, aber etwas einfältig dargestellten Bewohner sind ihr innerhalb kürzester Zeit ans Herz gewachsen. Doch während sich in Japan deutlich ihr Gewissen zeigt, lässt sie es in der Heimat vor allem ihrer Mutter gegenüber mitunter ein wenig an Feingefühl mangeln und verfolgt eher egoistisch ihre Ziel. Dieser Gegensatz macht Lucy in meinen Augen zwar nicht sympathisch, aber zu einer interessanten und facettenreichen Protagonistin. Finn hingegen weiß, dass er bei Lucy nur eine Chance bekommt, wenn er sein Leben von Grund auf ändert. Ob dieses Wissen allerdings eine echte Änderung seiner inneren Einstellungen und Überzeugungen bewirken kann, bleibt abzuwarten.
Für Japanfreunde führt an „Das Kamelienhaus“ kaum ein Weg vorbei. Auch alle anderen Leser finden einen unterhaltsamen, toll geschrieben Roman vor, der meine zugebenermaßen recht hohen Erwartungen nicht gänzlich erfüllt, mir aber durchaus Lesefreude bereitet hat.

Bewertung vom 06.10.2025
Mein Freund Rilke
Garanin, Melanie

Mein Freund Rilke


sehr gut

Das WIE ist entscheidend
Mit der Veröffentlichung der Graphic Novel „Mein Freund Rilke“ hat sich für Autorin und Rilke-Fan Melanie Garanin ein Herzensprojekt erfüllt. Zwischen Biografie und Fiktion lässt sie den berühmten Dichter zu seinem 150. Geburtstag modern und voller Poesie auferstehen.
Journalistin Ellen recherchiert für einen Bericht über Rilke. Dass sie dem längst verstorbenen Dichter dabei jedoch persönlich begegnet, hätte sie sich nicht träumen lassen. Dass sie eine Affäre mit dem frauenliebenden Poeten beginnt erst recht nicht.
Das etwas ungewöhnliche Cover hat schnell mein Interesse geweckt. Die interessante Illustration zeigt die beiden Protagonisten Ellen und Rilke, sowie „Die Gazelle“ vor dem stilisiert dargestellten Grand Palais und spiegelt damit schon einiges vom Inhalt der Graphic Novel wider.
Die Orientierung auf den ersten Seiten fiel mir zugegebenermaßen noch etwas schwer, nach kurzer Zeit lässt sich die Struktur der Autorin jedoch deutlich erkennen. In unterschiedlichen Farbgebungen und Schriftarten unterscheidet sie zwischen rein biografischen Fakten aus Rilkes vergangenem Leben, der gegenwärtigen Bekanntschaft zwischen einem irrealen Rilke und der Journalistin Ellen, sowie Zitaten aus Rilkes Werken. Melanie Garanin fordert ihre Leser mit ihrem Werk durchaus heraus und lädt zum Mitdenken und zur weiteren Recherche (z. B. mithilfe von Zitatregister und Leseliste) über den Dichter ein. Eine gewisse Grundkenntnis über Leben und Werke des Protagonisten erleichtern die Lektüre erheblich. Dabei unterhält sie auf ausgesprochen niveauvolle Art und Weise. Mit knapp 180 Seiten handelt es sich bei „Mein Freund Rilke“ um eine recht umfangreiche Graphic Novel, die ich aber dank des interessanten Illustrationsstils und der teils recht humorvollen Dialoge – es ist einfach köstlich wie Ellen und Rilke oftmals aneinander vorbeireden – kaum aus der Hand legen konnte. Nur die Gliederung in drei Kapitel erschien mir unnötig oder hätte aufgrund der Länge ruhig noch weiter unterteilt werden können. Die unzähligen eingebundenen Zitate aus Rilkes Werken wirken in vielen Situationen passend und poetisch, in anderen herrlich deplatziert und zusammenhanglos eingeworfen – sehr treffend für die irrealen Wirklichkeit der Handlung und Rilkes Grundsatz, dass nicht das was, sondern viel mehr das wie entscheidend ist. Für den lebendig gewordenen Lyriker ist schließlich nicht wichtig was man ausdrückt, sondern wie man es ausdrückt.
Etwas störend habe ich beim Lesen manchmal Ellens oft abgehackte Sprechweise empfunden. Dabei gefällt die Entwicklung der Journalistin von der anfangs etwas unzufriedenen, wenig selbstbewussten und mittelmäßig engagierten Frau zu der viel lebendigeren und neugierigen Protagonistin, die sich nicht von Fassaden blenden lässt, sondern hinter die Dinge schaut ansonsten sehr gut.
Besonderen Spaß hat mir der etwas überraschende Schluss hinter Nachwort, Zitatregister und Leseliste gemacht. Denn der große Dichter ist nicht bereit einfach so von der Bildfläche zu verschwinden. Wie es allerdings weitergehen könnte, bleibt der Fantasie der Leser überlassen.
Insgesamt eine schöne, gehaltvolle Graphic Novel, die Rilkes Leben und seine Werke in gelungenen Worten, Zitaten und interessanten Illustrationen mit der modernen Welt verbindet. Nicht nur für Rilke-Fans eine spannende Lektüre.

Bewertung vom 16.09.2025
No Way Home (deutschsprachige Ausgabe)
Boyle, T. C.

No Way Home (deutschsprachige Ausgabe)


sehr gut

Ein Strudel aus Manipulation, Lügen und Gewalt
„No Way Home“ ist für mich der erste Roman des Autors T. C. Boyle. Gerade eben den Roman beendet, bin ich mir noch unschlüssig, ob er mir nun gefällt oder nicht. Fesselnd finde ich ihn allerdings allemal.
Das Cover wirkt eher unscheinbar, passt aber inhaltlich gut zum Roman: Am rechten Rand des Buches sind verschwommen Gesicht und Arm einer Frau dargestellt. Dahinter sind offenbar die Wüste Nevadas und die Hochhäuser L. A. als Setting angedeutet.
Nach dem Tod seiner Mutter reist der junge Arzt Terry von L. A. nach Nevada um Beerdigung und Erbschaftsangelegenheiten zu regeln. Dort lernt er Bethany kennen, die nach der Trennung von Ex-Freund Jesse aktuell obdachlos ist. Die beiden verbringen eine gemeinsame Nacht miteinander und Bethany quartiert sich anschließend ohne Terrys Wissen im Haus seiner Mutter ein. Es entwickelt sich eine toxische Dreiecksbeziehung voller Selbstsucht, Lügen und Gewalt, denn auch Jesse kann nicht von Bethany lassen.
T. C. Boyle zeigt in seinem Roman auf eindrucksvolle Weise, welche Macht und welchen Einfluss die Liebe und die Eifersucht auf Menschen haben kann – und wie sie Leben in Trümmer legt. Es ist nicht die Handlung die mich an den Roman fesselt - an einigen Stellen hätte für meinen Geschmack ruhig ein wenig gestrafft werden können - sondern viel mehr das Bedürfnis die Protagonisten in ihrer Verblendung zu schütteln und ihnen das Realitätsbewusstsein zurückzugeben, insbesondere Terry. Boyles Schreibstil liest sich sehr gefällig, interessant sind vor allem die verschiedenen Sichtweisen von Terry, Bethany und Jesse auf ein und dasselbe Ereignis. Hier offenbaren sich auf faszinierende Weise Egozentrik, verschrobene Selbstwahrnehmung, vielleicht sogar Selbstbetrug und das bedenkenlose Streben nach dem eigenen Vorteil. Es zeigt sich aber auch, dass die Protagonisten aus zwei vollkommen verschiedenen Welten mit anderen Moral- und Wertvorstellungen kommen. Während Terry eigentlich ein sehr vernunftbezogenes, bodenständiges Leben führt, leben Bethany und Jesse in den Tag hinein. Manchmal ziemlich hitzköpfig und oft verantwortungslos, nehmen sie nur allzu gern jeden Spaß mit, der sich ihnen bietet. Dass jemand wie Jesse junge Menschen unterrichtet, ist meiner Meinung nach ein ziemlich erschreckender Gedanke. Ebenso erschütternd ist es aber auch, wie Bethany es immer wieder gelingt den eigentlich so rationalen Terry trotz aller einschneidenden Folgen immer wieder um den Finger zu wickeln und zu manipulieren.
„No Way Home“ watet weder als unterhaltsame feel-good Literatur noch mit großartiger Handlung auf, offenbart aber stattdessen eine ausgesprochen interessante Charakter- und Beziehungsstudie. Ziemlich befremdlich, aber eben doch greifbar und vor allem packend.

Bewertung vom 21.07.2025
Eine Prise Liebe / A Taste of Cornwall Bd.1
Herzog, Katharina

Eine Prise Liebe / A Taste of Cornwall Bd.1


sehr gut

Manchmal braucht es einen Perspektivwechsel
„A Taste of Cornwall – Eine Prise Liebe“ ist der behagliche Auftaktsroman zu Katharina Herzogs neuer Cornwall-Reihe: Für die erfolgreiche Londoner Restaurantkritikerin Sophie folgt plötzlich eine Katastrophe auf die nächste. Erst zieht ihre lebenslustige Mutter bei ihr ein, dann findet sie sich nach einer desaströsen Restaurantkritik mitten in einem medialen Shitstorm wieder, wird schließlich auch noch nach Port Haven „strafversetzt“ mit dem Auftrag das heruntergekommene Pub Smuggler’s Inn in ein Spitzenrestaurant zu verwandeln und ganz nebenbei lässt die pubertäre Tochter auch noch ihre chronisch schlechte Laune an ihr aus. Einzig Koch Lennox unterstützt Sophie im Umgang mit dem exzentrischen Personal und den verschrobenen Dorfbewohnern Port Havens.
Das hübsche Cover mit der außergewöhnlichen Teekanne auf blauem Hintergrund regt unmittelbar zum Schmunzeln an und deutet treffsicher auf das hin, was den Leser hier erwartet – ein unterhaltsamer Wohlfühlroman mit viel Cornwallflair, erfrischenden Charakteren und einer großen Prise Liebe.
Durch Katharina Herzogs bildlichen und atmosphärischen Schreibstil fühle ich mich beinahe nach Port Haven versetzt und kann den heruntergekommenen Pub quasi vor mir sehen. Auch die Figuren werden mit ihren verschiedenen Charakterzügen wunderbar dargestellt und sind teilweise sehr vielschichtig angelegt. In den insgesamt 360 Seiten, die sich locker-leicht runterlesen, werden so einige Themen angeschnitten: angefangen bei der Macht der Medien und vor allem Social Media, über Eltern-Kind-Beziehungen, Vorurteile, Neubeginn, Großstadt vs. Fischerdorf und natürlich die Liebe. Sehr eindrücklich sind mitunter auch die Gedanken und Gefühle beschrieben – allen voran bei Protagonistin Sophie, aber auch bei Lennox und dem geheimniskrämerischen Model Annabelle, um die sich der zweite Band der Cornwall-Reihe dreht. Kleine Spannungsspitzen hat der Roman durchaus zu bieten, schließlich tritt Sophie mehr als einmal ins Fettnäpfchen. Doch genretypisch und in Erwartung eines Happy-End bleibt das Spannungsniveau überschaubar.
Die Charaktere haben allesamt ihre Eigenheiten und sind teils liebenswert schrullig. Sophies exzentrische Mutter Tanya, die auf Feng-Shui, pflanzliche Behandlungsmethoden und ihren eigenwilligen Kater Thomas behütet, schenkt dem Roman so frische und amüsante Momente. Tochter Riley ist ein typisch mürrischer Teenager und von dem Umzug in die Einöde, in der es ihr schwerfällt Fuß zu fassen, alles andere als begeistert. Doch in ihrer großen Tierliebe und ihrer Hilfsbereitschaft, wenn es darauf ankommt, zeigt sich ihr gutes Herz. Sehr rätselhaft tritt Model Annabelle in Erscheinung, die kurz nach ihrer Restauranteröffnung und Sophies fataler Kritik von der Bildfläche der Öffentlichkeit in eine Privatklinik verschwindet. Sie erscheint jedoch weit weniger oberflächlich als es das gängige Klischee über die Glanz- und Glamourbranche vermuten lässt. Ich bin sehr gespannt, welche Geheimnisse sich im zweiten Teil offenbaren. Der gutmütige Koch Lennox meint es offensichtlich gut mit Sophie und ist bereit zu vermitteln. Zwischen den beiden ist weit mehr als nur ein Knistern auszumachen. Doch auch ihn verfolgen die Dämonen seiner Vergangenheit und die Sorge, ob Sophie Port Haven nicht bald wieder den Rücken kehrt. Sophie selbst ist in meinen Augen vor allem zu Beginn nicht uneingeschränkt sympathisch, was sie meiner Meinung nach nur authentischer macht. In London ist sie eine perfektionistische Karrierefrau, wie sie im Buche steht, die unter dem Shitstorm in den Sozialen Medien leidet und es braucht für sie einen Neubeginn in Port Haven um die wahren Werte in ihrem Leben zu erkennen und über alte Trauma hinwegzufinden. Zwar ist ihr Ehrgeiz auch hier ungebrochen, doch ihr Fokus und ihre Erkenntnisse verändern sich nach und nach immens und dann ist da auch noch Lennox, für den sie weit mehr als nur Freundschaft empfindet. Doch die Chance mit neuer Jobperspektive zurück nach London zu gehen lockt und ist allgegenwärtig.
Ein überaus gelungener Wohlfühlroman, der zwar nicht durch großen Tiefgang, dafür aber mit unheimlich liebenswert verschrobenen Charakteren, ganz viel Atmosphäre und jede Menge Liebe besticht – ein absolut lesenswerter Sommerroman mit viel Cornwallfeeling für eine wundervolle Auszeit vom Alltag.

Bewertung vom 02.07.2025
Great Big Beautiful Life
Henry, Emily

Great Big Beautiful Life


sehr gut

Zwei Geschichten und die Frage nach der Perspektive
Der Stand-alone-Roman „Great big beautiful Life“ ist für mich der erste Roman der Autorin Emily Henry.
Die beiden Journalisten und Autoren Alice Scott und Hayden Anderson konkurrieren auf Little Crescent Island um den Auftrag die Biografie der einst ebenso so glamourösen wie skandalumwitterten Margaret Ives zu schreiben. Während Margaret den beiden während eines Probemonats nur sehr rudimentäre Einblicke in die Geschichte ihrer berühmt-berüchtigten Familie und ihres Lebens gibt, kommen sich die ungleichen Konkurrenten ungewollt nahe.
Das Cover des Romans ist in den knalligen Rottönen und den großen Schriftzügen mit Autorin und Titel zwar in meinen Augen ästhetisch nicht unbedingt ansprechend, aber ein absoluter Blickfang. Die beiden klein abgebildeten Protagonisten liefern bereits einen ersten Eindruck ihrer Charaktere und der fragmentierte Hintergrund spielt bereits auf Margarets Geschichte an. Nicht richtig stimmig erscheint mir allerdings der Titel – ja, das Leben im Allgemeinen ist sicherlich sehr vielschichtig und setzt sich immer aus den unterschiedlichsten, perspektivabhängigen Facetten zusammen. Auf die Leben der drei Protagonisten bezogen finde ich die Adjektive aber nicht wirklich treffend.
Emily Henry erzählt in ihrem Roman sowohl die romantische Liebesgeschichte von Alice und Hayden, als auch die tragische Familien- und Lebensgeschichte von Margaret. Margarets Geschichte ist weitgehend durch Alices Notizen dargestellt, während die sich entwickelnde Beziehung zu Hayden aus Alices Perspektive in Ich-Form erzählt wird. Emily Henry nutzt überwiegend kurze, einfache Sätze. Der Roman lässt sich entsprechend leicht und flüssig lesen. Während viele Passagen eindrücklich und atmosphärisch dicht erzählt sind, weist die Handlung an einigen Stellen kleinere Längen auf. Zum Schluss verliert sie dagegen meiner Meinung nach ein wenig an Intensität. Zwar gefällt mir die Grundidee, aber da sich die Ereignisse am Ende beinahe überschlagen, bleiben die (emotionalen) Auswirkungen erzählerisch ein wenig auf der Strecke.
Mit den ziemlich gegensätzlichen Charakteren lässt sich „Great big beautiful Life“ zweifelsfrei den Tropes opposite attracts, rival to lovers und grumpy meets sunshine zuordnen. Alice ist auf den ersten Blick eine sympathische, stets positiv eingestellte kleine Nervensäge. Oberflächlich ist sie dabei allerdings nicht, sondern interessiert sich stets für ihre Mitmenschen und versucht immer das Gute zu sehen. Obwohl ihr die Gefühle, die Hayden in ihr hervorruft nicht ganz gelegen kommen, wäre sie nur allzu bereit ihnen nachzugeben. Trotz ihres Optimismus bleiben aber auch ihr leidvolle Erfahrungen mitunter nicht erspart. Hayden ist nach außen hin eher ein brummiger Eigenbrötler. Doch wie so oft verbirgt sich hinter der rauen Schale ein weicher, sehr sensibler Kern. Wenn er einmal eine Entscheidung getroffen hat, meint er es ernst und auf ihn ist in jeder Hinsicht Verlass. Seine Gefühle für Alice bereiten ihm Angst und er versucht sein Möglichstes sie nicht zu nah an sich heranzulassen. Ein Verhalten, dass mich beim Lesen zeitweise ein bisschen gestört hat, denn eigentlich ist es dafür schon viel zu spät. Margaret hingegen ist ein echter Sturkopf und verfolgt ihre eigenen Pläne von denen weder Alice noch Hayden etwas ahnen. Bei den Berichten aus dem Leben ihrer berühmt-berüchtigten Familie und ihres eigenen gibt sie meist nur sehr fragmentarische Informationen preis. Nach den tragischen Ereignissen in ihrer Vergangenheit, hat sie sich vollständig vom Leben außerhalb ihres Anwesens zurückgezogen, sodass die Anwesenheit von Alice oder Hayden für sie bereits ein großer Schritt ist.
Obwohl der Roman insgesamt einige Schwächen aufweist, gefallen mir die Grundideen der beiden Handlungsstränge und ihre Verbindung miteinander. Sicher hat die Autorin das Potential nicht voll ausgeschöpft, trotzdem habe ich angenehme Lesestunden mit dem Roman verbracht.