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odile

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Insgesamt 76 Bewertungen
Bewertung vom 07.06.2025
Frau Appeldorn und der tote Kapitän
Nentwich, Vera

Frau Appeldorn und der tote Kapitän


sehr gut

Frau Appeldorn auf Mörderjagd

Bei einer kleinen Karambolage auf dem Parkplatz, E-Bike gegen Einkaufswagen, lernen sich Frau Appeldorn und Arne Clasen kennen. Obwohl eigentlich sie Schuld am Unfall hat, lädt er sie zum Essen ein. Der Abend im Restaurant verläuft so harmonisch und inspirierend, dass Mareike Appeldorn beginnt, sich in den charmanten Arne zu verlieben. Ihr Glück währt leider nur kurz, denn der ehemalige Kapitän Carlsen muss wegen dringender Familienangelegenheiten an die Ostsee reisen. Ein kaltblütiger Mörder verhindert seine Rückkehr. Die unglückliche Mareike Appeldorn verspürt den unwiderstehlichen Drang, dieses grausame Verbrechen aufzuklären. Das glaubt sie ihrem ermordeten Schwarm schuldig zu sein. Mit der schmerzhaften Fußverletzung, die sie sich bei der Karambolage zugezogen hat, kann sie allerdings kein Auto steuern. Sie benötigt einen Chauffeur, der sie vom Rheinland an die Ostsee bringt. Wer wäre dafür geeigneter als ihr Nachbar? Alican Büyüktürk verspürt nicht die geringste Lust auf eine neue riskante Mordermittlung. Aber was hat er einer Naturgewalt wie Frau Appeldorn entgegenzusetzen?

Vera Nentwich lässt ihre Amateurdetektivin Mareike Appeldorn in ihrem dritten Fall ermitteln. „Frau Appeldorn und der tote Kapitän“ führt sie und Nachbar Büyüktürk an die Ostseeküste.

Frau Appeldorn ist keine rheinische Frohnatur. Die ehemalige Chefsekretärin ist zielstrebig bis zur Sturheit, clever, dickköpfig und manipulativ. Aufgeben ist keine Option. Sie verfügt über große mentale Stärke, aber wenig Flexibilität. Wenn sie ihren Willen nicht bekommt, stampft sie gelegentlich mit dem Fuß auf, ohne sich bewusst zu machen, wie infantil das ist. Gefährlicher wird es, wenn sie unüberlegt losprescht und sich, aber auch andere in Gefahr bringt. Nachbar Alican Büyüktürk, emeritierter Germanistikprofessor, handelt überlegter, meidet Risiken, kann genießen und ist empathisch. In Auseinandersetzungen mit seiner Nachbarin zieht er meist den kürzeren.

Die Autorin schreibt flüssig und löst das Kopfkino aus. Der Leser atmet die salzhaltige Luft ein und schmeckt das leckere Fischbrötchen auf der Zunge. Es ist nachvollziehbar, dass Herr Büyüktürk seinen Urlaub in dieser schönen Region lieber genießen möchte als zu ermitteln. Der Kriminalfall erweist sich als ziemlich kniffelig und gefährlich. Es gelingt der Autorin einige Wendungen einzubauen, sodass die Auflösung am Ende überrascht. Das bzw. die Verbrechen werden aufgeklärt und alle offenen Fragen beantwortet.

Frau Appeldorns Ermittlungen haben mich gut unterhalten. Allerdings hätte mehr Humor und weniger Verbissenheit der Geschichte gutgetan. Ich bin gespannt, ob sich Nachbar Alican auf eine weitere Ermittlung einlässt, nach dem, was er einstecken musste.

Bewertung vom 03.06.2025
Die Toten auf Föhr
Johannsen, Anna

Die Toten auf Föhr


ausgezeichnet

Mord oder Suizid?

Carolin Schneider und ihre beiden Kinder werden tot in der Familienvilla auf Föhr gefunden. „Erweiterter Suizid“ lautet das abschließende Urteil der Flensburger Kriminalpolizei. Doch damit will sich der Vater der Toten, Roland Mattes, nicht abfinden. Der Staatssekretär besteht auf einer Obduktion der Leiche seiner Tochter. Da der Rechtsmediziner tatsächlich Hinweise auf Fremdverschulden findet, schickt Kriminalrätin Nielsen das Team von Lena Lorenzen auf die Insel Föhr, um den brisanten Fall neu aufzurollen.

Erneut lässt Autorin Anna Johannsen ihre erfahrene Inselkommissarin Lena Lorenzen ermitteln. In ihrem zwölften Fall stößt die erfahrene Polizistin auf noch mehr Widerstände als gewöhnlich. Sowohl der Witwer als auch die zuerst ermittelnden Kollegen begegnen Lena und ihrem Team mit Ablehnung, die sich beim Flensburger Kommissar Enno Moormann bis hin zu Feindseligkeit und unkollegialem Verhalten steigern. Ein Telefonat mit dem zuständigen Kriminaltechniker Jens Thamen gibt erste Hinweise auf grobe Ermittlungsfehler. Ein zögerlicher, stets an seine Karriere denkender Staatsanwalt Cornelsen, private Probleme innerhalb des Teams und Streit mit ihrem Mann Erck erschweren Lenas Arbeit zusätzlich. Nur ihre Chefin, die loyale Kriminalrätin Nielsen und ihr Freund, der frühere Kommissar Ole unterstützen sie neben ihren Teamkollegen Naja und Johann.

Die Autorin schreibt gewohnt flüssig und sorgt für Spannung, die sich kontinuierlich steigert. Ihre Charaktere überzeugen erneut, wobei Naja und Johann dieses Mal eine ungewohnte Seite zeigen. Lange Zeit bleibt ein mögliches Tatmotiv eher vage und die eklatanten Fehler der zunächst ermittelnden Flensburger Kripo sind nicht nachvollziehbar. Doch nach einem weiteren Mordopfer und zahlreichen Verwicklungen wird der Fall logisch aufgeklärt und es gibt Antworten auf alle offenen Fragen.

Es hat Spaß gemacht, auf Föhr zu ermitteln. Der Fall war spannend und die Charaktere authentisch. Für meinen Geschmack hätten die privaten Befindlichkeiten der Kommissarin und ihres Teams gern eine etwas kleinere Rolle spielen können. Immerhin findet Lena eine Lösung für Ercks und ihre Probleme, Beruf und Familie angemessen gerecht zu werden.

Bewertung vom 01.06.2025
Post, Mord und Provinzgeflüster - Der Mörder ohne Adresse (eBook, ePUB)
Kaltenborn, Jill

Post, Mord und Provinzgeflüster - Der Mörder ohne Adresse (eBook, ePUB)


sehr gut

Wehe, wenn der Sensenmann kommt

Sully Morland hat schwere Zeiten hinter sich. Ein Glück, dass sich Tante Rose und ihre Familie um den unglücklichen Patensohn kümmern. Als radelnder Hilfsbriefträger im beschaulichen Luxemburg geht es dem ehemaligen Fallanalytiker allmählich besser. Bis er eines Morgens auf seiner Tour durch das idyllische Viertel Ënnergréngdall eine nackte Leiche findet. Es handelt sich um Jacques Eichner, den Bürgermeister, der da tot vor ihm liegt. Wie kam er ums Leben?

"Post, Mord und Provinzgeflüster - Der Mörder ohne Adresse" ist der Auftaktband zur neuen Krimiserie "Ein Fall für Briefträger Sully Morland" von Jill Kaltenborn. Es war mein erstes Buch der Autorin und meine Premiere als "Mordermittlerin" im Nachbarland Luxemburg.

Sully, der sympathische Aushilfsbriefträger mit dem originellen Namen, seine Eltern nannten ihn nach einer Pariser Metrostation, findet dank seiner Luxemburger Gastfamilie langsam wieder zurück ins Leben. Nach dem Tod seiner Frau Sara und der Suspendierung beim BKA ist er von Wiesbaden nach Gréngdall geflüchtet, um einen Neuanfang zu wagen. Ein Mordopfer zu finden, stört da gewaltig. Doch es kommt, wie ich bald vermutete: Der Kater bzw. Fallanalytiker lässt das Mausen bzw. Ermitteln nicht ...

Eine Mordermittlung in Luxemburg, das ist tatsächlich etwas Neues für mich. Um so schöner, dass die Autorin ein angenehmes Maß an Lokalkolorit in ihren Krimi einfließen lässt, sei es Sprache, Bräuche oder Kulinarisches. Ihre Charaktere wirken bodenständig und glaubwürdig. Deshalb ist bald klar, dass es sich bei dem rotäugigen Sensenmann, der einigen der Protagonisten erscheint, weder um ein Hirngespinst noch um eine mystische Erfahrung handeln kann.

Sully, Rose und Claire bei ihren heimlichen Ermittlungen zu begleiten, hat mir viel Spaß gemacht. Der Cosy Crime lädt zum Mitraten ein und tatsächlich bin ich als erfahrene Krimitante der Lösung nahegekommen. Das hat mein Lesevergnügen kaum gemindert. Der Fall wird restlos aufgeklärt und nebenbei ein unsympathischer Ehrgeizling in seine Schranken verwiesen. Die Gewalt ist einem Cosy Crime angemessen, der eher unblutig daherkommt und trotzdem spannend ist.

Ich vergebe gute 4 Punkte für den unterhaltsamen Auftaktband einer neuen Krimi-Reihe mit Potenzial. Beim nächsten Fall in Gréngdall bin ich gern wieder mit von der Partie.

Bewertung vom 30.05.2025
Marchfield Square (eBook, ePUB)
Whyte, Nicola

Marchfield Square (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Mörderische Mieter?
Als in der vornehmen Wohnanlage Marchfield Square ein Mord geschieht, entdeckt die Vermieterin Celeste van Duren als erste den Toten. Die 82-jährige alte Dame, die von einer schlimmen Hüfte geplagt wird, bekämpft ihre Langeweile mit einem Fernglas. Damit spioniert sie ihren Mietern nach und entdeckt Richard Gleads Leiche auf seinem Küchenfußboden. Während Celeste noch zögert den Mord zu melden, sie möchte schließlich ihr Hobby nicht preisgeben, alarmiert die heimkehrende Ehefrau Linda Glead die Polizei. Außer ihr scheint niemand Richard eine Träne nachzuweinen, denn er bewegte sich in zwielichtigen Kreisen. Außerdem verprügelte er regelmäßig seine Gattin, wofür ihn die gesamte Mietergemeinschaft verabscheute. Nachdem die Polizei ihre Untersuchungen beendet hat und das Spurensicherungsteam abgezogen ist, kehrt wieder Ruhe am Marchfield Square ein. Leider nicht für lange, denn bald wird Linda tot in ihrer Wohnung aufgefunden. Für die Polizei ist der Fall damit klar: Gattenmord mit anschließendem Suizid der von Gewissensbissen überwältigten Ehefrau. Diese These will Celeste nicht akzeptieren. Deshalb bezahlt sie zwei ihrer Mieter, den ehemaligen Krimiautoren Lewis und ihre clevere Putzfrau Audrey, für eigene Ermittlungen. Sie sollen beweisen, dass Linda keinen Suizid beging und ihren Mann nicht ermordete.

Was zunächst wie das Hirngespinst einer exzentrischen alten Lady erscheint, entpuppt sich bald als richtig. Wie die Obduktion ergibt, wurde auch Linda getötet. Doch dieser zweite Mord verkompliziert den Fall erheblich. Während um Richard niemand trauert und Audrey sich bald fragt, wie dieser es vermieden hat, nicht schon viel früher umgebracht zu werden, hatte Linda keine Feinde.

Auf den ersten Blick wirkt Celestes Detektivgespann eher disharmonisch. Da ist Lewis, ein introvertierter Krimischriftsteller, der nach einem erfolgreichen Debüt, zwei Misserfolge verzeichnete und inzwischen als Recruiter arbeitet. Nachdem er seit fünf Jahren am sehr überschaubaren Marchfield Square wohnt, kennt er keinen einzigen der anderen Mieter. Das aktuelle Verbrechen will er als Inspiration für einen neuen Krimi nutzen. Audrey Brooks, Celestes Putzfrau und Mieterin, tickt ganz anders. Sie ist empathisch, hilfsbereit und sehr beliebt bei ihren Nachbarn. Als Reinigungskraft arbeitet sie noch nicht lange, sondern erst seit sie ihren alten Job aufgeben musste. Hängt das damit zusammen, dass Putzen eine therapeutische Wirkung auf sie hat? Audrey leidet unter finanziellen Schwierigkeiten, daher kommt ihr Celestes lukratives Angebot sehr gelegen. Außerdem will sie Linda Gerechtigkeit verschaffen.

Auch die übrigen Charaktere sind sehr überzeugend und lebendig, vom pensionierten Colonel bis hin zum ehemaligen Filmstar. Später stellt sich heraus, dass Celeste und ihr verstorbener Mann, die Mieter nach eher unkonventionellen Kriterien ausgesucht haben.

Nicola Whyte ist mit „Marchfield Square“ ein sehr überzeugendes Krimidebüt gelungen. Sie schreibt so bildhaft und anschaulich, dass man sich innerhalb des Platzes bald wie zu Hause fühlt und die Mieter zu kennen glaubt. Da aus der Perspektive der Amateurdetektive Audrey und Lewis, sowie ihrer Auftraggeberin Celeste berichtet wird, befindet sich der Leser immer auf dem aktuellen Stand der Ermittlungen. Mit Pfiffigkeit und Einfallsreichtum werden die Geheimnisse des Viertels gelüftet, die nicht immer etwas mit dem Verbrechen zu tun haben. Zahlreiche Verwicklungen führten mich wiederholt in die Irre und hielten die Spannung hoch. Es hat Spaß gemacht, mitzuraten und letztlich war ich von der Lösung überrascht, die ich so nur teilweise auf dem Schirm hatte. Das Verbrechen wird logisch aufgeklärt und Audrey und Lewis entpuppen sich als detektivisches Dreamteam, das viel mehr herausgefunden hat als die Polizei. Am Ende erwartet den Leser noch eine saftige Überraschung, über die ich nichts verraten werde.

Nicola Whyte hat einen spannenden Cosy Krimi mit Charme und Humor geschrieben. Die Geschichte war sehr kurzweilig zu lesen und hat mich hervorragend unterhalten. Ich hoffe auf eine rasche Fortsetzung und bin zuversichtlich, die Leute vom Marchfield Square bald wiederzusehen. Vielleicht lerne ich dann auch die abwesende Mrs. Scott und ihren Sohn Tom kennen? Und erfahre, wie es dem unglücklichen Muffin inzwischen ergangen ist.

Bewertung vom 19.05.2025
Prost, auf den Doktor
Kalpenstein, Friedrich

Prost, auf den Doktor


ausgezeichnet

In Brunngries ruht das Verbrechen nie

Auch Motorradfans schätzen die schöne bayrische Landschaft. So kommt es, dass sich die Nordlichter vom Hamburger Bikerclub "Und Tschüss" mit den Traunsteiner "MoDo’s!" nicht auf halber Strecke, sondern lieber im Chiemgau treffen. Das alljährliche Motorradtreffen steht an und soll auf der Sauwiese am Ortsrand von Brunngries gebührend gefeiert werden. Der örtliche Metzger John Parker und sein neuer Grillwagen liefern ein knuspriges Spanferkel und eine feuchtfröhliche Bikerparty steigt. Nach Mitternacht schleichen sich zwei der Teilnehmer heimlich nach Brunngries ins "KRAUSE", um dort bequemer als im Zelt zu nächtigen. Leider zahlt ein Biker für das bisschen Komfort mit seinem Leben.

"Prost, auf den Doktor" ist bereits der elfte Band der "Kommissar Tischler ermittelt"- Reihe von Friedrich Kalpenstein. Die Krimis sind leicht erkennbar an der hübschen Dackeldame Resi, die jedes Cover ziert. Ich finde, dieses Mal ist sie besonders gut getroffen. Wer würde nicht zu ihr in die Sprechstunde gehen? Die Bände sind unabhängig voneinander lesbar, aber wer einmal auf den Geschmack gekommen ist, kehrt immer wieder nach Brunngries zurück.

Kommissar Tischler und sein Team sehen sich mit einem besonders kniffeligen Fall konfrontiert. Wer bringt schon seinen Hausarzt um? Doch die Ermittlungen fördern Erstaunliches zutage. An Tatverdächtigen besteht bald kein Mangel mehr. Wer wollte Sebastian Burgegger wirklich tot sehen? Wird die T(ischler) U(nd) F(ink)-Methode wieder zum Erfolg führen?

Friedrich Kalpenstein unterhält uns erneut mit einem spannenden Krimi, den er bildhaft, locker und mit einer guten Portion Lokalkolorit erzählt. Der Leser begleitet die Ermittler durch das idyllische Städtchen Brunngries und trifft neben den neuen Protagonisten, alte Bekannte wie den smarten Metzger Parker, das geschäftstüchtige, halbseidene Duo Tereza und Nori, den ambitionierten, korianderaffinen Wirt Horst-Erich, den korrupten Bürgermeister Gemeinwieser und Förster Ferstel mit meiner Favoritin Resi.

Eine meiner Lieblingsszenen ist folgende. Dackeldame Resi zeigt Dobermann Rambo, wo der Barthel den Most holt bzw. wer der erste Hund am Platz ist. Ohne Kampfhandlungen, allein dank ihrer umwerfenden Präsenz und Courage. Jawohl! Der Humor kommt auch sonst nicht zu kurz, ohne die Spannung zu beeinträchtigen.

Die Charaktere entwickeln sich weiter. So hat sich Polizeihauptmeister Felix Fink vom naiven Berufsanfänger zum tüchtigen Ermittler gemausert, dem bei diesem Fall sogar das entscheidende Puzzleteil auffällt. Dagegen ist der Kommissar nicht ganz wie sonst, was ich der Abwesenheit seiner Freundin Britta zuschreibe. Trotzdem löst er zusammen mit Fink den Fall wie gewohnt. Einige Wendungen haben mich vorübergehend in die falsche Richtung ermitteln lassen und das Warum war mir nicht klar, aber zuletzt wurde alles logisch aufgeklärt.

Anrührend fand ich eine der letzten Szenen, in der die Biker und Tischler das Mordopfer mit einem "Last Farewell" verabschiedeten.

Nach dem Krimi ist vor dem Krimi. In diesem Sinn werde ich in nächster Zeit öfters KRAUSES Biergarten aufsuchen. Bei einem Weißbier und einer korianderfreien Brotzeit prüfe ich dann, wie die Dinge in Brunngries stehen. Denn der nächste Fall wird (hoffentlich) nicht lange auf sich warten lassen.

Bewertung vom 15.05.2025
Aschesommer / Gruppe 4 ermittelt Bd.2 (eBook, ePUB)
Cors, Benjamin

Aschesommer / Gruppe 4 ermittelt Bd.2 (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Ein neuer Fall für Gruppe 4

Mit der Aufklärung der "Krähenmorde" ist der neuen Gruppe 4, einer Sondereinheit, die für die Aufklärung von Serienstraftaten zuständig ist, ein erster spektakulärer Erfolg gelungen. Bald sehen sich Mila, Jakob und ihr Team mit einer neuen Herausforderung konfrontiert. Professor Daniel Wissmer und eine seiner Studentinnen wurden auf grausame Weise ermordet. "Das Sterben hat begonnen" diese für die Ermittler am Tatort hinterlassene Botschaft lässt alle Alarmglocken läuten. Tatsächlich werden bald die nächsten Opfer des sogenannten "Aschemörders" gefunden. Die Gruppe 4 befindet sich in einer ungewohnten Situation. Es scheint offensichtlich zu sein, wer hinter den Morden steckt: Der manipulative, hochintelligente Psychopath Jan-Christian Bode, der mit Wissmer und dem nächsten Opfer, Richterin Elisabeth Wagner, noch eine Rechnung offen hatte. Doch der narzisstische Mörder ist seit acht Jahren in Weilersgrund, einer geschlossenen psychiatrischen Anstalt eingesperrt. Wer mordet für Bode? Wie konnte er einen Vollstrecker rekrutieren? Und wie kommuniziert er mit dem "Werkzeug" seiner Rache?

"Aschesommer" ist nach "Krähentage" der zweite Thriller aus Benjamin Cors Reihe "Gruppe 4 ermittelt" mit den Ermittlern Mila Weiss und Jakob Krogh. Die Bände können unabhängig voneinander gelesen werden.

Der Plot von Benjamin Cors neuem Thriller ist hochgradig spannend. Es scheint klar, wer hinter der aktuellen Mordserie steckt, doch dieses Wissen nützt den Ermittlern zunächst wenig. Der verdächtigte Psychopath befindet sich seit Jahren in einer geschlossenen Einrichtung, sicher verwahrt, ohne Besucher und von seinen Mitinsassen gemieden. Bode muss einen Helfer haben. Doch wer kann das sein? Er hat weder Familie noch Freunde und sicher keinen Freigang.

Die Gruppe 4 steht erneut unter Druck. Es sind allerlei Gerüchte im Umlauf, die den Fortbestand des Teams bezweifeln. Außerdem versucht Staatsanwalt Sattmann, die bisherige Doppelspitze auszuhebeln und Jakob Krogh allein zu befördern, gegen dessen Willen. Gerade jetzt sieht sich das Team mit einer Mordserie konfrontiert, die wenig Ermittlungsansätze bietet und gleichzeitig die Medien befeuert. Hinzu kommt, dass Staatsanwalt Sattmann ganz oben auf Bodes Abschussliste stehen dürfte.

Benjamin Cors schreibt gewohnt flüssig und bildhaft. Er versteht es glänzend, das Kopfkino des Lesers zu aktivieren, was nicht immer schöne Bilder hervorruft. Seine Haupt- und Nebencharaktere überzeugen. Im Mittelpunkt stehen die Kommissare Jakob Krogh und Mila Weiss, Während er der geborene Teamplayer ist, neigt sie zu Alleingängen. Beide verbindet, dass sie Traumatisches erlebt haben. Der akribische Ludger, die quirlige Lucy, der toughe Tuure und die liebenswürdige Frauke, vervollständigen die Gruppe 4, die mir inzwischen ans Herz gewachsen ist. Es wäre schön, mehr über den Hintergrund der Teammitglieder zu erfahren.
Im Zentrum des Falls, wie die Spinne im Netz, agiert der ehemalige Paläontologieprofessor und Mehrfachmörder Bode. Der charismatische Psychopath, der aus Langeweile seine Mitinsassen in den Selbstmord treibt, erweist sich als hochintelligenter Planer und Manipulator. Seine Hybris zeigt sich u.a. darin, dass er seine Morde nach dem Vorbild der fünf großen Sterben der Erde, also durch Eis, Luft, Feuer, Wasser und Asche begehen lässt.

Mein Fazit
Obwohl der Urheber der Mordserie von Beginn an feststeht, liefert uns dieser Thriller spannende Action, die dank einiger cleverer Schachzüge bis zum Schluss anhält. Dann wird der Fall logisch aufgeklärt und lässt keine Fragen offen. Der Plot hält, was er verspricht und bietet kurzweilige Unterhaltung.

Mir hat gut gefallen, dass die Probleme von Krogh und Weiss nicht mehr so im Mittelpunkt stehen wie noch in "Krähentage". Dass ein psychopathischer Mörder die beiden als seine Gegenspieler auserkoren hat, verlangt ihnen das Äußerste ab, doch gemeinsam mit ihrem Team können sie Bodes Triumph verhindern. Gleichzeitig zwingt dieser Fall Mila und Jakob dazu, ihre Geheimnisse offenzulegen und sich so allmählich den Dämonen zu stellen.
"Aschesommer" endet mit einer kleinen Überraschung. Ich hoffe, da ist das letzte Wort noch nicht geschrieben und freue mich schon auf die Fortsetzung.

Von mir gibt es 4,5 Sterne und eine Leseempfehlung an alle Thrillerfans.

Bewertung vom 14.05.2025
Die unsichtbare Hand
Clark, Julie

Die unsichtbare Hand


ausgezeichnet

Trauma - Ist mein Vater ein Mörder?

Olivia Dumont verdient ihren Lebensunterhalt als Ghostwriter. Nach einigen erfolgreichen Jahren hat sie eine Verleumdungsklage in gravierende finanzielle Schwierigkeiten gebracht. Da kommt der Auftrag, für den Bestsellerautor Vincent Taylor ein Buch zu schreiben, gerade rechtzeitig. Nur die Tatsache, dass der Schriftsteller Olivias ungeliebter Vater ist, den sie seit vielen Jahren meidet, lässt sie zögern. Als sie erfährt, dass Vincent das seit fünfzig Jahren bestehende Geheimnis über den Mord an seinen Geschwistern Poppy und Danny lüften will, nimmt sie den Auftrag an. Sie ahnt nicht, worauf sie sich einlässt.

Mit „Die unsichtbare Hand“ ist Julie Clark eine spannende Mischung aus Familiendrama und Krimi gelungen. Die in den Jahren 1975 und 2024 spielende Erzählung hat mich rasch in ihren Bann gezogen. Clark erzählt in zunächst ruhigen Bildern, wie ein Trauma eine ganze Familie prägen, ja zerstören kann. Schon als Zehnjährige wird Olivia von ihren Mitschülern mit der Aussage konfrontiert, dass ihr Daddy seine Geschwister ermordet habe. Ein konventionelles Familienleben ist unter diesen Umständen nicht möglich. Die Ehe der Eltern zerbricht früh, Olivia landet schlussendlich im Internat. Die entstandenen Risse in der Vater-Tochter-Beziehung lassen sich nicht mehr kitten. Angetrieben von der Tatsache, dass dies die letzte Gelegenheit sein wird, die Wahrheit zu erfahren, Vincent ist an Lewy-Körperchen-Demenz erkrankt, stellt sich Olivia einer Situation, die sie über 20 Jahre lang vermieden hat.

Julie Clark schreibt präzise und bildhaft. Anrührend fand ich die Szene, in der Vincent Olivia, eine Schachtel voller Erinnerungsstücke an sie übergibt, die er gehütet hat. Dabei glaubte sie, dass er sie nicht vermisst hat.

Das langsame Erzähltempo, vor allem im Mittelteil, gibt dem Leser Zeit und Gelegenheit, die Protagonisten und die damaligen Umstände kennenzulernen. Der Autorin ist es sehr gut gelungen, die Atmosphäre einer Kleinstadt in den 1970er Jahren einzufangen. Die Geschichte wird auf zwei Zeitebenen und aus verschiedenen Perspektiven (Olivia, Vincent, Poppy) erzählt, was den Protagonisten Tiefe verleiht.

Clarks Charaktere haben mich überzeugt. Sie wirken lebendig und authentisch. Vincent, der auf beiden Zeitleisten eine wichtige Rolle spielt, ist schwierig, schnell wütend, unsicher. Nach dem Tag X hält er das Leben bald nur noch mit Alkohol und Drogen aus. Tochter Olivia fordert die Wahrheit ein, muss aber erkennen, dass sie dieselbe Geheimnistuerei pflegt wie Vincent. Mein Liebling ist die kluge Poppy, die nicht versteht, warum Jungs nichts über Hauswirtschaft zu wissen brauchen und Schulleiter meist männlich sind. Eine Dreizehnjährige, deren Posterhelden, Frauenaktivistinnen, wie Gloria Steinem und Betty Friedan sind, die in den 1970er Jahren Furore machten.

Der Kriminalfall beschwört einige beklemmende Szenen, bis letztendlich nach einigen Wendungen ganz unspektakulär die Auflösung erfolgt.

Fasziniert hat mich an der Erzählung ihre Vielschichtigkeit. Wie entsteht ein Familientrauma und was bewirkt es? Wirkt es bis in die nachfolgenden Generationen? Wie zuverlässig ist unser Gedächtnis? Sind unsere Erinnerungen immer wahr oder möglicherweise durch Voreingenommenheit beeinflusst? Vincent hat damit naturgemäß Schwierigkeiten, da er an Demenz erkrankt ist. Aber auch Olivia muss erkennen, dass sie manches vergessen hat, sich an anderes falsch oder verzerrt erinnert. Dazu kommen das ungeklärte True Crime Thema und die spannende Vater-Tochterdynamik. Erwachsene spielen in diesem Buch, zumindest im Zeitstrang von 1975, eine Nebenrolle. Die Bühne gehört den Heranwachsenden.

Mich hat das Buch sehr gut unterhalten und ich empfehle es allen Fans von Familiendramen.

Bewertung vom 09.05.2025
Unheimliche Gesellschaft (eBook, ePUB)
Eckardt, Tilo

Unheimliche Gesellschaft (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Mann & Müllers zweiter Streich

1933. Nach monatelanger Funkstille erhält der litauische Übersetzer Žydrūnas Miuleris, den der Dichter Thomas Mann beharrlich „Müller“ nennt, einen Hilferuf aus der Schweiz. Der Nobelpreisträger fühlt sich in seinem Exil bedroht und bittet seinen „Watson“ vergangener Tage um Unterstützung. Trotz sehr begrenzter Mittel eilt Žydrūnas mit seinem Hund Ludwik nach Zürich. Dort angekommen, erzürnt ihn der banale Grund für Manns Sorgen: Die Folgen der rücksichtslosen Fahrweise seiner Frau Katia. Doch kaum beginnt Müller nach Frau Manns vermeintlichem Unfallopfer zu suchen, überstürzen sich die Ereignisse. Mit zwei Mordanschlägen auf seinen Hund Ludwik beginnt eine Serie bedrohlicher Ereignisse. Der Dichter und Hundefreund prophezeit: „Wer bereit ist, Hunde zu töten, würde wohl auch vor Menschen nicht haltmachen.“

„Unheimliche Gesellschaft“ ist nach „Gefährliche Betrachtungen“ der zweite Fall des Emittlerduos Žydrūnas Miuleris und Thomas Mann vom Deutsch-Schweizer Autor Tilo Eckardt. Die Bände können unabhängig voneinander gelesen werden. Das Einhalten der Reihenfolge erhöht aber den Lesegenuss.

Drei Jahre nach den verhängnisvollen Geschehnissen an der Kurischen Nehrung und ein Jahr nachdem Frau Bryls Villa Bernstein abgebrannt ist, befindet sich Thomas Mann, in dem von ihm prophezeiten und gefürchteten Exil. Die Gerüchte, dass die Gestapo Regimekritiker aus dem neutralen Ausland heim ins Reich entführen lässt, beunruhigen ihn sehr. Seine Frau sorgt sich um ihre Kinder, die ein geeignetes Druckmittel abgeben würden.

Thomas Manns Furcht vor Entführung ins Deutsche Reich war nicht unbegründet. Nur zwei Jahre später, am Abend des 9. März 1935, wird mit Berthold Jacob, einer der bekanntesten deutschen Journalisten und Pazifisten der Weimarer Republik, in Basel betäubt und über die Deutsch-Schweizer Grenze nach Berlin entführt.

Tilo Eckardt schreibt lebendig und bildhaft. Er passt seine Sprache dem Stil der 1930er Jahren an, was gut funktioniert. Auch das gemächliche Erzähltempo wirkt stimmig, könnte gelegentlich aber etwas flotter sein. Mühelos gelingt es dem Autor, die angespannte Atmosphäre im Mitteleuropa jener Zeit heraufzubeschwören.

Wie im ersten Fall stehen der Dichter und sein litauischer Übersetzer im Mittelpunkt der Geschichte. Žydrūnas wirkt reifer, er agiert nicht mehr so unbesonnen wie vor drei Jahren. Inzwischen ist er mit Dalia verlobt und scheint seinen Platz im Leben gefunden zu haben. Thomas Mann wirkt angeschlagen, weil er seine geliebte Heimat zurücklassen musste, als die Demokratie dort endete. Es fällt ihm schwer, sich im Exil zurechtzufinden. Eine Schlüsselrolle kommt in diesem Fall Müllers Hund Ludwik, dem riesigen kaukasischen Owtscharka zu. In den Nebenrollen überzeugen vor allem die Eidgenossen. Meine Favoriten sind Grittli, Dorli und Trudi sowie der aufrechte Lokomotivführer.

Die Ereignisse aus der Rückschau des 101-jährigen Miuleris erzählen zu lassen, erweist sich erneut als kluger Schachzug. Längst ist Müllers fast kritiklose Verehrung Thomas Manns einer realistischeren, oft augenzwinkernden Sympathie gewichen. Mit Humor berichtet er für seinen Urenkel vom damaligen Geschehen, ohne den düsteren Hintergrund zu verschweigen. Der aufkommende Nationalsozialismus und seine weitreichenden Folgen schaffen eine angespannte Atmosphäre und erzielen auch in der Schweiz Wirkung.

Erneut vermischt Tilo Eckardt gekonnt Fakten und Fiktion Wir treffen Zeitgenossen des Dichters wie den Journalisten Konrad Heiden oder das Verlegerpaar Emmie und Emil Oprecht, das seinen Europa-Verlag gründete, um Exilautoren, eine Plattform zu bieten. Wir begleiten Mann & Müller in die „Pfeffermühle“ um ein Kabarettprogramm von Erika Mann mit Therese Giehse zu genießen. Gerade vor dieser Szene erleben wir mit, wie auch in der Schweiz ein selbst ernannter Gauführer versucht, die politischen Verhältnisse zugunsten von Sympathisanten des NS-Regimes zu beeinflussen
.
Am Ende des Buches klärt Tilo Eckardt, was bei diesem historischen Kriminalfall auf Fakten beruht und was Fiktion ist.

Auch Mann & Müllers zweiter Fall hat mich gut unterhalten. Ich vergebe 4,5 von 5 Sternen und eine Leseempfehlung an Fans von historischen Kriminalromanen und/oder Thomas Mann.

Bewertung vom 06.05.2025
Die Engel von Alperton
Hallett, Janice

Die Engel von Alperton


sehr gut

Ein etwas anderer Krimi

Die True-Crime-Autorin Amanda bittet ihre Agentin um ein neues Projekt, abseits ihres gewohnten Schemas „tote Blondine, ahnungslose Polizei, sich überschlagende Medien und feixender Psychopath“. Ihr Wunsch geht in Erfüllung. Das neue Buch soll von einer kleinen Sekte handeln, den „Engeln von Alperton“, deren Gemeinschaftsselbstmord vor 18 Jahren die Menschen verwirrte. Damals befreite die Polizei zwei Jugendliche und ein Baby aus den Fängen der Fanatiker, die sich für Engel in Menschengestalt hielten. Aktuell wird der gerettete Säugling, dessen Identität geheim ist, volljährig. Ein Interview mit ihm wäre der geniale Aufhänger für Amandas neues Buch. Blöd nur, dass ein anderer Autor Ähnliches plant. Ihr Rivale ist ausgerechnet Oliver Menzies, ein Journalistenkollege, mit dem sie noch eine Rechnung offen hat. Der Wettstreit beginnt.

„Die Engel von Alperton“ ist ein Roman der britischen Autorin Janice Hallett. Für mich war es das erste Buch der Autorin.

Amanda beginnt mit der Recherche für ihr Buch und versucht, das „Alperton Baby“ zu finden. Bald fallen ihr Diskrepanzen zwischen den Berichten und Aussagen auf. Können sich die Zeugen nach so langer Zeit nicht mehr korrekt erinnern oder steckt mehr dahinter? Trotz des Aufsehens, das der Fall seinerzeit hervorgerufen hat, wurde ungewöhnlicherweise bislang kein einziger True-Crime-Roman zu diesem Thema geschrieben. Während ihrer Recherchen stößt sie auf mysteriöse Todesfälle und ein befreundeter Hobbydetektiv fällt einem Wohnungsbrand zum Opfer. Mancher Interviewpartner mahnt sie zur Vorsicht oder warnt sie sogar.

Mit Amanda wurde ich nicht richtig warm. Von Beginn an entsteht der Eindruck, dass sie alles tut, um ihr Ziel zu erreichen, sei es schmeicheln, lügen oder drohen. Zu echten Beziehungen scheint sie nur bedingt fähig. Als beispielsweise ihre Bekannte Minnie auf ein Fake hereinfällt und beim Verlag in Ungnade gerät, schließt sich Amanda dem Boykott sofort an. Mit der Zeit erfährt der Leser Vorkommnisse aus ihrer Vergangenheit (u.a. Missbrauch), die manches erklären. Die anderen Charaktere bleiben blass.

Das Besondere an diesem Krimi ist die Herangehensweise der Autorin. Hallett stellt hier eine Erzählung zusammen, die ausschließlich aus WhatsApp- und Textnachrichten, Transkripten von Interviews, Haftnotizen, E-Mails, Dokumenten, Telefonprotokollen und Berichten besteht. Hinzu kommen ein paar Artikelentwürfe Amandas und die mal mehr, mal weniger launigen Anmerkungen der Transkriptorin Ellie. Das wirkt vor allem am Anfang neu und erfrischend. Was einerseits zunächst überrascht, ermüdet aber mit der Zeit und führt zwangsläufig zu vielen Wiederholungen. Dadurch kommt es zu Längen, die der Spannung und dem Lesefluss nicht gut bekommen. Auch die Vielzahl von Personen und Verwicklungen erweist sich im Nachhinein als nicht zwingend erforderlich. Der Schluss dagegen hat mich überrascht und nicht enttäuscht.

Ich vergebe 3,5 Sterne.

Bewertung vom 05.05.2025
Ein Weg aus Tinte und Magie / Die Buchreisenden Bd.1
El-Bahay, Akram

Ein Weg aus Tinte und Magie / Die Buchreisenden Bd.1


ausgezeichnet

Einmal mit Alice im Wunderland Tee trinken?

Das unscheinbarste, schäbigste Geschäft in der Charing Cross Road in London hat noch nie ein Buch verkauft. Libronautic Inc. bietet seinem exklusiven Kundenkreis einen anderen besonderen Service. Wer mit Alice im Wunderland Tee trinken oder zusammen mit Frodo im „Tänzelnden Pony“ auf Aragorn warten möchte, dem wird hier geholfen. Sogenannte Libronauten ermöglichen Buchreisen gegen einen entsprechenden Geldbetrag und unter strengster Geheimhaltung. Libronauten? Das sind stets zwölf Männer, benannt nach Bibelgestalten und mit der Gabe der „Stimme“ gesegnet, die, ähnlich einem Männerorden, in der Charing Cross Road residieren. Mittels ihres Talents und dank Erstausgaben viel gelesener Bücher veranstalten sie spezielle Reisen. Der junge Adam ist seit seinem zweiten Lebensjahr bei ihnen aufgewachsen. Mittlerweile darf er seinen Mentor Gabriel auf Buchreisen begleiten. Heute geht es mit dem Gast Mr. Stevenson in John Polidoris „Der Vampyr“, zum ersten Mal unter Adams Leitung. Doch diese Reise geht gründlich schief, da der Kunde die Regeln verletzt. Nur mit Glück können sich die Beteiligten unbeschadet in die Realität retten. Für Adam folgt eine Kette von überraschenden Ereignissen, die sein Leben aus den Angeln heben wird.

„Die Buchreisenden - Ein Weg aus Tinte und Magie“ ist der Auftaktband zur neuen Dilogie von Akram El-Bahay. Erneut nahm ich sein Angebot eines magischen Leseabenteuers an und wurde nicht enttäuscht.

Der faszinierende Plot hat sofort meine Aufmerksamkeit geweckt und wie erwartet, wurde ich sozusagen in das Buch hineingezogen. Akram El-Bahay schreibt gewohnt gut und spannend. Mit seinen starken Bildern erschafft er eine wunderbare magische Welt, in der das Unmögliche machbar erscheint. Mit Urban Fantasy trifft auf Literaturklassiker könnte die Situation, in der sich Adam befindet, treffend beschrieben werden. Gerade noch sitzt er mit Gabriel gemütlich vor einem knisternden Kaminfeuer, atmet den Duft der alten Bücher ein und liest die Reisegruppe in die Geschichte. Nur wenig später, nach seiner zweiten gescheiterten Buchexpedition, hockt er in einem, von einem Kobold chauffierten Taxi, das auf der Flucht, durchs moderne London rast. Er entdeckt eine magische Welt mitten unter uns und wird auf eine Rettungsmission geschickt, die voller Rätsel und Gefahren steckt.

Adam ist ein junger Mann, Anfang Zwanzig, der zunächst naiv, ja beinah kindlich erscheint. Seine Herkunft wird nicht erklärt, nur dass er bei den Libronauten aufgewachsen ist, was seine Unbedarftheit erklärt. Er besitzt die „Stimme“ und scheint für zwei Protagonisten von besonderem Interesse zu sein. Gleich zu Beginn muss er einige schwere Schläge hinnehmen. Mein Favorit ist der taffe Kobold Luthin. Vor einiger Zeit aus einem unbekannten Buch entführt, findet er sich in unserer Welt sehr gut zurecht und liefert sich mit Adam teils neckische, teils bissige Wortgefechte. Elisa wiederum ist im gleichen Alter wie Adam, wirkt aber reifer. Auch sie verfügt über die „Stimme“, wenn auch untrainiert. Diese Fähigkeit ist also kein reines Männerding, obwohl die Libronautic Inc. diesen Eindruck erweckt. Die Libronauten erscheinen divers, nicht nur bezüglich ihrer Herkunft. Sind sie auf der Seite der Guten oder der Bösen?

Mit „Die Buchreisenden - Ein Weg aus Tinte und Magie“ hat der Autor neben einer rätselhaften Rettungsmission, die uns in Literaturklassiker, aber auch in Londoner Museen führt, eine Hommage an die Welt der Bücher geschrieben. Die zahlreichen erwähnten Titel und literarischen Anspielungen schaffen eine spezielle Atmosphäre, die mir sehr gut gefällt.

Die magische Abenteuerreise, führt uns in mehrere Buchklassiker, wo allerhand geschieht. Gegen Ende von Band eins nimmt die Erzählung nochmals an Fahrt auf. Die Ereignisse überschlagen sich und das Kopfkino läuft auf Hochtouren. Ein paar Fragen werden beantwortet, ein Rätsel gelöst, aber sehr Vieles bleibt leider offen.

Wer seine Nerven schonen will, kauft sich jetzt Band 1 und stellt ihn ungelesen ins Regal. Anfang Oktober wird das Buch dann hervorgeholt und gelesen. Mit dem dann Ende des Monats erscheinenden zweiten Band werden alle Fragen beantwortet.

Ich muss mich enttäuschenderweise noch 5 Monate gedulden. Von mir gibt es die volle Punktzahl und eine Leseempfehlung an alle Fantasy-Freunde.