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fantasia

Bewertungen

Insgesamt 46 Bewertungen
Bewertung vom 31.07.2025
Rückkehr nach St. Malo
Gestern, Hélène

Rückkehr nach St. Malo


sehr gut

Auf Spurensuche: Woher komme ich und wer bin ich?

Der Protagonist kehrt in sein Elternhaus zurück und betritt das Arbeitszimmer seines verstorbenen Vaters, das er und sein Bruder nie betreten durften. Kistenweise stapeln sich Akten und was viel spannender ist Briefe, Abschriften von Briefen, nur ein Fotoalbum will sich nicht finden. Wie ein Sog zieht ihn das alles an und er begibt sich auf Spurensuche nach seiner Familie und auch zu sich selbst. Kindheitserlebnisse werden präsent, die Frage, wie sein Vater zu dem wurde, was ihn später auszeichnete, ob er selbst ein guter Vater ist, warum über manches geschwiegen wurde …

Die Stammbäume am Ende des Buches sind hilfreich, ich musste häufig zurückblättern, um mich in dem umfangreichen Buch zurechtzufinden und die Namen einzuordnen.
Nach einiger Zeit gelingt das ganz gut und das Buch fesselt einem – man möchte wissen, was damals geschah, auch wenn man über 500 Seiten dafür lesen muss. Eine weniger umfangreiche Darstellung hätte ich mir gewünscht, andererseits wäre dabei einiges auf der Strecke geblieben.

Das Buch lebt auch durch seine Naturbeschreibungen, die gut die Stimmung in der jeweiligen Situation wiedergeben.

Bewertung vom 31.07.2025
Das Geschenk
Schoeters, Gaea

Das Geschenk


ausgezeichnet

Wenn Politik auf die Rüssel genommen wird … so gut
„Beim letzten Punkt zuckt Winkler zusammen. Nein, nein, nein. Heißes Eisen.“ Alles, aber auch alles läuft schief, nachdem die deutsche Regierung mit Winkler an der Spitze das Elfenbeingesetz verabschiedet hat. Als „Dank“ sind auf einmal 20.000 Elefanten in Deutschland und das Land ist mit all den Problemen konfrontiert, die sie mitbringen: Fressen, Wasser, Ausscheidungen, Paarung, invasivem Wuchs neuer Pflanzen und nicht zuletzt dem Zusammenstoß mit Autos und den daraus resultierenden Folgen für Mensch und Tier. Das ganze dann im Zusammenspiel mit den Mächtigen, der Politik und den damit verbundenen Intrigen und Spielchen. Machterhalt um jeden Preis, koste es was es wolle. Ähnlichkeiten mit aktuell oder ehemals regierenden Politikern sind rein zufällig…

Das wird alles so witzig beschrieben, dass man das Buch einfach nicht aus der Hand legen will und kann, bis man auch die letzte Seite verschlungen hat. Auch die Danksagung der Autorin zeugt von ihrem Witz. Da wird dem „Rudel“ gedankt oder „allen Tapferen“, die mit ihr während des Schreibprozesses zusammenleben müssen und „es auch diesmal wieder überlebt haben“.

Das Buch zeigt aber auch, wie leicht ein Gesetz verabschiedet wird, das zunächst mal den Tieren hilft, aber ein Land mit all den Problemen allein lässt, die sie evtl. mit sich bringen können. Ist ja alles weit weg… bis man eines Tages eines Besseren belehrt wird.

Ich habe das Buch, den Stil der Autorin genossen und will unbedingt mehr von der Autorin lesen.

Bewertung vom 21.07.2025
Dein Körper glaubt dir alles
Benson, Sven;Bingel, Ulrike

Dein Körper glaubt dir alles


ausgezeichnet

Wie positive Gedanken helfen und heilen können


„Dein Körper glaubt alles“- ein Sachbuch über die positiven Auswirkungen des Placebo-Effekts -vermittelt neue Erkenntnisse aus Forschung und Praxis, die auch sofort anwendbar sind. Gut gliedert erhält die Leserin/der Leser einen Überblick über die Aspekte, die im Buch behandelt werden. Dies geht von den Abläufen in Körper und Gehirn, über einzelne Erkrankungen bis hin zu Forderungen an die Politik.

Jedes Kapitel wird mit einem Zitat zum Thema eingeleitet, das in gut lesbarem Stil Wissenswertes vermittelt. Blau unterlegte Wissensboxen erinnern ein bisschen an Schulbücher, sind aber hilfreich als Kurzinfo. Ein Glossar erklärt gut verständlich einige Fachtermini, auf weiterführende Literatur so wie Selbsthilfegruppen wird hingewiesen.

Das Buch verdient eine größere Leserschaft, da das Thema in der öffentlichen Diskussion oft zu kurz kommt. Wer mit dem Placebo- bzw. Nocebo-Effekt bislang wenig anfangen konnte, wird hier verständlich und fundiert eingeführt. Es ist schon spannend zu sehen, wie unsere innere Haltung messbare Auswirkung auf unser Wohlbefinden und den Verlauf von einigen Krankheiten haben kann. Es ist ein Ansatz, der Beachtung verdient.

Bewertung vom 15.07.2025
Treppe aus Papier
Szántó, Henrik

Treppe aus Papier


ausgezeichnet

Geschichte wohnt nebenan

„Treppe aus Papier“ von Henrik Szanto arbeitet mit der Metapher eines Hauses, das erzählt, was so alles im Lauf der Jahre in ihm passiert ist. Das ist eine ganze Menge wie auch schon der erste Satz verdeutlicht, der ein ganzes Kapitel, 3,5 Seiten ausmacht. Das muss man mögen – zunächst geht es stakkatohaft weiter.
Mir hat gefallen, dass sich das änderte und man den Gesprächen zwischen der jungen Nele und der 90-jährigen Irma Thon folgen konnte, die schon zur Zeit des Dritten Reiches hier lebte. Sie ist im Nationalsozialismus groß geworden, mit einer fragwürdigen Erziehungsmethode, Zwängen und Schuldgefühlen. Ihre Freundin war Jüdin, die mit ihren Eltern in der Wohnung lebte, in der jetzt Nele wohnt.
Parallel und manchmal gleichzeitig wird von den Bewohnern des Hauses damals im Vergleich zu denen heute erzählt. Das ist spannend und man kann dem ganzen gut folgen. Geschichte wird so greifbar. Das Buch zeigt auch, wie schwer es bisweilen auch heute ist, über die eigene Geschichte zu sprechen.

Bewertung vom 26.06.2025
Strandgut
Myers, Benjamin

Strandgut


ausgezeichnet

Vom Weiterleben

Benjamin Myers überzeugt in diesem Buch wie auch in seinem anderen Werk „Offene See“ mit seiner Sprache. Sensibel und bildhaft beschreibt er seinen Protagonisten - den 70-jährigen Bucky - der nach dem Tod seiner Frau vor sich hinlebt und erst nach der Einnahme von Schmerztabletten und einem zweiten Kaffee, den er „in sich hineingeschüttet hatte. Dann, erst dann, mochte er in Betracht ziehen, seinen Korpus aus den vier Wänden des kleinen, müden Hauses hinauszubewegen, das er seit vierzig Jahren sein Zuhause nannte.“ (S.13) Das Geld reicht nur für das Allernötigste, er hat keine Krankenversicherung - alles in allem trostlos.
Die Einladung zu einem Musikfestival in England trifft ihn unvorbereitet, er soll dort für eine gute Entlohnung seinen Song singen, den er als 17-Jähriger aufgenommen hatte. In England erwartet ihn Dinah, die trotz ihres alkoholabhängigen und bisweilen stehlenden, arbeitslosen Mannes und ihres in den Tag hineinlebenden Sohnes ihr Leben mehr oder weniger meistert. Er trifft auch auf Shabana eine indische Putzfrau, die still und leise jede Drecksarbeit verrichtet. Alle drei – vom Leben gezeichnet und auf ihre Weise getrieben – wirken wie vom Schicksal an Land gespültes Strandgut. Der Roman bildet nur wenige Tage ab, doch diese Begegnungen und die raue und imposante Kulisse der Nordsee verändern Bucky und die anderen.
Mit feinem Gespür zieht der Autor die LeserInnen in das Geschehen hinein. Bisweilen berührend traurig und wiederum voller Wärme, Menschlichkeit und Lebensmut - auch im Alter. Ein absolut lesenswerter Roman der leisen, nachhallenden Töne.

Bewertung vom 09.06.2025
Noch fünfzig Sommer mehr
Maury , Avril

Noch fünfzig Sommer mehr


sehr gut

Es gibt immer eine Chance
Wer möchte sich nicht mit zweiten Chancen beschäftigen bzw. auf sie hoffen, wie es der Untertitel dieses Buches zeigt. Die Hauptfigur Eleni ist von Verlusten betroffen und gezeichnet, aber sie kommt weiter und geht ihren Weg.
Ihre Mutter kam - als sie fünf Jahre ist - ums Leben, und Eleni wuchs bei ihren Großeltern auf. Inmitten der bretonischen Landschaft entwickelt sich das Geschehen und lässt die Leser spüren, welche Schicksalsschläge Eleni erdulden muss. Die Blumengrüße vor der Tür lassen sie dann letztendlich doch wieder ins Leben zurückfinden und wider Erwarten eine Liebe finden. Das ist schön beschrieben und berührt.
Ob das auch andere Leser auch berührt oder ihnen konstruiert erscheinen mag, lasse ich für andere Leser/innen offen. Mir hat das Buch - das in einem ansprechenden, flüssigen Schreibstil verfasst ist - ganz gut gefallen.

Bewertung vom 01.06.2025
Himmlischer Frieden
Wen, Lai

Himmlischer Frieden


gut

Jugend im Umbruch
„Himmlischer Frieden“ ist ein Buch, das man nicht so schnell aus der Hand legt. Zum einen ist es äußerst umfangreich, zum anderen beschäftigt einem die Auseinandersetzung mit Chinas Studentenbewegung und deren Niederschlagung. Der Tian’anmen-Platz - Platz zum Tor des himmlischen Friedens - war im Frühjahr 1989 durch Studenten besetzt worden, die für eine Demokratie eintraten.
Ein sehr aktuelles Thema, das Beobachtung finden sollte. Die Hauptfigur (autofiktional) ist in einem Arbeiterviertel - beengt und beäugt von Nachbarn - in Peking aufgewachsen und erlebt einen von der Kulturrevolution gebrochenen Vater, eine resignierte Mutter. Lediglich die Großmutter bietet ihr Halt; sie ist der Angelpunkt der Familie.
Sie entwickelt sich, interessiert sich für Literatur und erhält schließlich ein Stipendium, das ihr ein Studium an der Universität in Peking ermöglicht. Sie erlebt die Studentenproteste mit, bleibt dabei eher am Rand der Geschehnisse. Die Autorin gibt einen kurzen Überblick über den Kontext und die Forderungen der Studenten. Die Härte und Unerbittlichkeit des Staates, v.a. die Nacht, in der das Massaker stattfand, stellt sie eindrücklich dar.
Wichtiges Thema, das durch Kürze an Bedeutung gewonnen hätte und dadurch sicherlich einer größeren Leserschaft zugänglich wird.

Bewertung vom 11.05.2025
Das Echo der Sommer
Labba, Elin Anna

Das Echo der Sommer


ausgezeichnet

Ein Volk zwischen zwei Welten

„Der See und der ertrunkene Wald sangen gemeinsam ihr Lied.“ (S.66), schreibt die Autorin Elin Anna Labba, nachdem die Landschaft für ein Staudammprojekt geflutet wurde. Man kann die mystische Stimmung spüren, sie nachempfinden, wenn man diese Zeilen und das Buch liest.
Menschen, die mit der Natur leben und mit ihr verbunden sind, wie Inga und ihre Familie, müssen erleben, dass wirtschaftliche Interessen über ökologischen stehen. Und man nicht auf sie und ihr Volk der Samen Rücksicht nimmt, ihre Bräuche und Riten, auch die Todesruhe missachtet werden. Interessant zu sehen, wie unterschiedlich die drei Frauen, ja das gesamte Dorf damit umgehen.
Versuche sich zwischen alter und neuer Welt zurechtzufinden, stoßen auf Ablehnung („Die natürlichen Eigenschaften der Lappen sind für die Sesshaftigkeit nicht geeignet.“, S.85), aber Ravdna gibt nicht auf, kämpft für ihre kleine Familie. Sie muss private Schicksalsschläge hinnehmen, kämpft gegen weitere Überflutung, selbst wenn es ihre ganze Kraft kostet.
Es kommen einige samische Wörter und Sätze vor, hier hätte ich mir bisweilen eine Erklärung gewünscht- andererseits passte es zu diesem gewaltigen Buch.

Bewertung vom 01.05.2025
Wie ein Foto unser Leben rettete
Klinger, Maya C.

Wie ein Foto unser Leben rettete


ausgezeichnet

Ein wichtiges Buch

Aus der Sicht des kleinen Gavra wird die bewegende Geschichte seiner Familie erzählt, die vor den Nationalsozialisten aus dem besetzten Jugoslawien bis nach Albanien geflüchtet ist und überlebt hat.
Dabei begegnen ihnen mutige Menschen, die sie verstecken und schützen. Hier wird vor allem die albanische, überwiegend muslimische Bevölkerung hervorgehoben, die aufgrund ihres Ehrenkodex´ die Gastfreundschaft als hohes Gut ansieht und sie lebt. Selbst große persönliche Risiken für das eigene Leben werden in Kauf genommen, um zu helfen.
Die Rolle der albanischen Bevölkerung im Zweiten Weltkrieg ist wenig bekannt, was diese Geschichte umso eindrucksvoller und lesenswerter macht.
Der kindgerechte Sprachstil des Buches, unterstützt durch Fotos und Zeichnungen, lädt zum Mitfühlen und Mitdenken ein – und spricht nicht nur Kinder und Jugendliche an.
Mit viel Feingefühl hat die Autorin ein wichtiges Buch verfasst, das eine große Leserschaft verdient.

Bewertung vom 14.04.2025
Das Licht in den Wellen
Mommsen, Janne

Das Licht in den Wellen


sehr gut

Sink or swim

Wer die Inselbücher (Die Reihe Friesencafé oder Inselbuchladen) von Janne Mommsen gerne liest, dem wird auch das neue Buch des Autors „Das Licht in den Wellen“ gefallen. Man kann auf Föhr und in New York in das Geschehen „eintauchen“ und das Leben auf der ruhigen Insel und dem Treiben der amerikanischen Großstadt mitverfolgen.
Ingma – die Hauptfigur des Romans- pendelt zwischen diesen Welten und gemäß dem Motto „sink oder swim“ kämpft sie und schwimmt sich frei. Unterstützt von guten Freunden, ihrer Familie und später dem Ehemann arbeitet sie sich mit viel Fleiß und Mut zur Spitzenköchin und Restaurantbesitzerin empor, die sogar die J.F. Kennedy bekochen darf.
Damit schafft der Autor ein starke Frauenfigur, deren Weg der Leser(wohl eher die Leserin) gerne mitverfolgt und miterleben will. Ihren Mut gibt Ingma später an ihre Nichte und Enkelin weiter, für die der amerikanische Traum wahr wurde bzw. wohl wahr werden wird. Der Stoff für weitere Folgen ist angelegt.
Ein Wohlfühlbuch, in dem auch der flüssige Stil gefällt.