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helena

Bewertungen

Insgesamt 34 Bewertungen
Bewertung vom 30.05.2025
Schauplätze der Weltliteratur

Schauplätze der Weltliteratur


gut

Weckte falsche Erwartungen, aber sehr ansprechend gestaltet

Dieses Buch hatte ich mit falschen Erwartungen zur Hand genommen. Ich hoffte auf eine tiefgehende Auseinandersetzung mit den geografischen, landschaftlichen und gesellschaftlich-politischen Orten berühmter literarischer Werke. Stattdessen liegt der Fokus des Buches auf der literaturwissenschaftlichen Interpretation mit Blick auf Orts- und Naturdarstellungen, also z.B. auf der Rolle, Funktion und Bedeutung etwa von Wetter- oder Landschaftsbeschreibungen innerhalb der Erzählstruktur. Diese Herangehensweise war für mich eher ernüchternd, da sie nicht meinem ursprünglichen Interesse entsprach.

Die Gestaltung des Buches ist dabei äußerst gelungen. Zu jedem der 73 ausgewählten Werke, die die letzten 100 Jahre Literaturgeschichte abdecken, gibt es eine Fotografie der Autor*innen und eine Kurzbeschreibung, ein Foto der Originalausgabe sowie visuelles Begleitmaterial wie Karten, zeittypische Fotografien, Gemälde oder Karten. Diese Elemente geben dem Buch eine hochwertige, fast museale Anmutung. Die Präsentation lädt zum Blättern und Stöbern ein und bietet einen interessanten visuellen Zugang zur Literatur.

Weniger gut gefiel mir die große Bandbreite der Buchvorstellungen, die von unterschiedlichen Autor*innen verfasst wurden. Das führte zu qualitativen Schwankungen im Stil und in der Lesbarkeit. Insgesamt hätte ich mir weniger Werke gewünscht, dafür aber eine tiefere Auseinandersetzung. So wirkte manches für mich schlecht greifbar. Zudem kannte ich nur ca. ein Drittel der Werke, so dass mir hier der Zugang fehlte und das Verstehen der Essays etwas erschwerte. Die unbekannten Werke weckten allerdings auch mein Interesse, sie zu lesen.

Fazit: Eine empfehlenswerte Lektüre für literturwissenschaftlich Interessierte – weniger für Leser*innen auf der Suche nach kulturgeschichtlichen oder reisebezogenen Einblicken in die Weltliteratur.

Bewertung vom 30.05.2025
Wie ein Foto unser Leben rettete
Klinger, Maya C.

Wie ein Foto unser Leben rettete


ausgezeichnet

Eine wahre Fluchtgeschichte für junge Leser*innen – bewegend, beeindruckend, lehrreich

Das Kinderbuch erzählt die wahre Geschichte der jüdischen Familie Mandil, die während des Zweiten Weltkriegs aus dem von den Deutschen besetzten Jugoslawien fliehen muss. Wir erleben die Flucht durch mehrere Länder, voller Angst, Hoffnung und überraschender Menschlichkeit. Die Geschichte basiert auf realen Ereignissen und wird kindgerecht, aber ohne Beschönigungen erzählt.

Die Familie (Eltern, ein fünfjähriger Sohn und eine dreijährige Tochter), in Novi Sad lebend und als Fotografen tätig, geraten mitten in die Wirren des Krieges, als sie ihre Großmutter in Zagreb besuchen, just in dem Moment, als Bombenangriffe beginnen und die Stadt unter deutsche Kontrolle gerät. Die anschließende Flucht führt sie mit dem Zug nach Italien, wo sie inhaftiert werden, aber nach einer Weile mit einem Lastwagen nach Albanien weiter reisen dürfen. Dort bleiben sie in verschiedenen Orten. Allerdings rücken die Deutschen immer weiter vor. Die Flucht, mit Eseln, geht nun weiter in ein albanisches Dorf und findet dort auch ihr Ende. Die Eltern müssen sich hier in einem geheimen Raum verstecken, während die Kinder draußen mit den anderen Kindern spielen können und die Tiere versorgen dürfen. Dieser Kontrast berührte mich sehr.
Letztendlich, nach Kriegsende, kehren sie wieder nach Jugoslawien zurück, um sich darauf in Israel anzusiedeln.

Die Geschichte wird aus Sicht des Sohns erzählt. Die Gefühle des Jungen werden sehr überzeugend und mitfühlend beschrieben. Die wechselnden Stationen, das Verstecken, der ständige Orts- und Namenswechsel werden eindringlich geschildert. Es gibt viele berührende, spannende und durchaus auch beunruhigende Szenen. Die Lebensgefahr, unter der die Familie wiederholt stand, wird sehr deutlich. Die Flucht wird authentisch dargestellt, deutlich werden die Strapazen, aber auch die Freude über kleine Lichtblicke und Entspannungen.

Ein großer Pluspunkt des Buches ist die Darstellung solidarischen und mutigen Handelns: Die albanische Bevölkerung, selbst arm und bedroht, hilft der Familie auf bemerkenswerte Weise. Besonders der albanische Ehrenkodex „Besa“, der zur Hilfe für jeden Menschen in Not verpflichtet, unabhängig von Herkunft oder Religion, hinterließ einen bleibenden Eindruck. Dass dabei der Islam in einem positiven, menschlichen Licht gezeigt wird, gefiel mir sehr gut. Ebenfalls gefiel mir gut, dass tiefe Freundschaften unter den Familien entstanden.

Die Sprache des Buches ist sehr einfach gehalten, mit kurzen, klaren Sätzen. Das macht es gut geeignet für Kinder ab etwa 10 Jahren zum Selberlesen. Als Vorlesebuch schien es mir weniger geeignet, da die schlichte Sprache etwas monoton wirkte. Für jüngere Kinder, wie meine siebenjährigen, war es inhaltlich zudem noch zu belastend, schon die Anfangsszenen mit den Bombenangriffen und der spürbaren Angst überforderte sie.

Ergänzt wird die Erzählung durch originale Schwarz-Weiß-Fotos und Bilder, die der Geschichte zusätzliche Tiefe und Echtheit verleihen.

Fazit: Ein authentisches, spannendes, berührendes und wichtiges Kinderbuch, das die Themen Flucht und Solidarität auf kindgerechte Weise vermittelt. Besonders empfehlenswert für Kinder ab 10 oder 11 Jahren.

Bewertung vom 30.05.2025
Trust Me / Kodiak Echoes Bd.2
Pauss, Julia

Trust Me / Kodiak Echoes Bd.2


ausgezeichnet

„In Echo Cove werden die Dinge nicht besser“

Nach dem berührenden ersten Teil Kodiak Echos wollte ich sofort weiterlesen. Die Geschichte hatte mich bewegt, die Charaktere Brynn und Archer waren mir sehr ans Herz gewachsen – und natürlich wollte ich unbedingt erfahren, was wirklich mit Ada geschehen ist.

Im zweiten Band rücken nun Keira, Adas jüngere Schwester, und Finn, Brynns älterer Bruder, in den Mittelpunkt. Die beiden lernen sich zufällig bei einem One-Night-Stand kennen und begegnen sich kurz darauf in Kodiak Echo wieder. Zwischen ihnen entwickelt sich eine Anziehung, doch Keira kämpft stark gegen ihre Gefühle an. Gemeinsam machen sie sich auf die Suche nach dem wahren Mörder von Ada. Gleichzeitig gerät Keira zunehmend in Gefahr, da ein mysteriöser Unbekannter sie zu verfolgen scheint, auf erschreckend ähnliche Weise wie damals Ada.

Mit Keira hatte ich zunächst Schwierigkeiten. Schon im ersten Teil wirkte sie auf mich eher unsympathisch: schroff, verschlossen, misstrauisch. Doch im Verlauf der Geschichte gelang es mir, mich ihr anzunähern. Ihre verschlossene Art wurde durch ihre schwierige Vergangenheit und den Verlust ihrer Schwester nachvollziehbar, sodass ich zunehmend Mitgefühl für sie entwickeln konnte. Besonders gut gefiel mir ihre spürbare persönliche Entwicklung. Ihre inneren Konflikte und ihr emotionaler Reifeprozess wurden überzeugend dargestellt.

Finn ist ihr in mancher Hinsicht ähnlich: Auch er schützt sich aus Angst vor Verlust. Dennoch wirkt er deutlich zugänglicher – sympathisch, bodenständig und wie ein „sicherer Hafen“. Etwas zu klischeehaft fand ich allerdings die Darstellung seiner Rolle als „Retter“ – als "Prinz, der die Prinzessin erlöst". Dass er trotz Keiras ständiger Abweisungen an ihr festhält, war für mich zudem nicht immer ganz nachvollziehbar.

Ich hätte mir gewünscht, mehr von Archer und Brynn zu lesen, zumindest hatte Brynn ein paar kurze Auftritte. Die heimliche Hauptfigur war für mich Koda – die riesige, zottelige, stürmische Alaskan-Malamute-Hündin, die mit ihrer treuen und wilden Art das Herz aller gewinnt..:).

Erzählt wird abwechselnd aus Keiras und Finns Perspektive, ergänzt durch Adas Tagebucheinträge, die der Geschichte zusätzliche Tiefe verleihen. Der Schreibstil ist leicht und gut lesbar, passt sich den jeweiligen Figuren gut an. Gelegentlich empfand ich die Häufung von Schimpfwörtern als störend und auch die zwei spicy Szenen, hätte ich nicht unbedingt gebraucht. Ich war durchaus gefesselt, aber über einige Strecken kam für mich die Spannung doch zu kurz, obwohl die Handlung zügig voranschritt. Der Fokus lag vor allem auf der Liebesgeschichte und Keiras persönlicher Entwicklung, zudem konnte ich leider recht früh erahnen, wer hinter Adas Ermordung steckte – spätestens zur Mitte des Buches war es für mich ziemlich offensichtlich.

Es geht um Liebe, Vertrauen, Freundschaft und die Aufklärung des Mordes- vor der Kulisse Alaskas. Die beeindruckenden Landschaften, kulturellen Eigenheiten und gesellschaftlichen Herausforderungen waren atmosphärisch und interessant beschrieben. Themen wie die illegalen Wildabschüsse in Schutzgebieten, insbesondere der Bären, die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Einheimischen oder die langen, dunklen Winter gaben der Geschichte Aktualität und inspirierten mich, mehr über Alska zu erfahren.

Fazit: Band 2 fiel leider deutlich schwächer als Band 1 aus. Bei Band 2 konnten mich die Figuren nicht so stark berühren, die Geschichte war weniger komplex und fesselnd, die Spannung eher niedrig. Dennoch mochte ich die Rückkehr nach Kodiak Echo. Ich fühlte mich gut unterhalten und würde durchaus auch noch einen Band der Autorin lesen.

Bewertung vom 04.05.2025
Horror-Date
Fitzek, Sebastian

Horror-Date


gut

Humorvoll, klamaukig, spannungsarm

Fitzeks Bücher höre ich in der Regel als Hörbuch – stets gelesen von Simon Jäger, dessen Stimme ich äußerst gerne lausche. Auch dieses Mal war er der Sprecher, was für mich schon ein großer Pluspunkt war.

In der Geschichte springt Julius für seinen schwerkranken Freund Rafael ein, der sich über ein Datingportal für todkranke Menschen mit Nala verabredet hatte. Rafael, ein literarisch und philosophisch interessierter Mann, kann das Treffen krankheitsbedingt nicht wahrnehmen und bittet Julius, an seiner Stelle zu gehen. Nala, Psychologin und Eheberaterin, hat gerade ihre zweite Krebsdiagnose erhalten. Entsprechend angespannt, direkt und mit einer ordentlichen Portion Sarkasmus begegnet sie Julius, der selbst mehrere Start-ups betreibt und kurz vor seiner Hochzeit steht. Er ist das genaue Gegenteil von Rafael – mehr an Sport als an Tiefgründigkeit interessiert. Und so beginnen die Verwicklungen und Verstrickungen, die Julius zunehmend in ernsthafte Schwierigkeiten bringen...

Obwohl mir die Grundidee gut gefiel, ließ mich die Umsetzung etwas enttäuscht zurück. Ich wartete lange auf einen spannenden Moment, doch die Geschichte blieb über weite Strecken hinweg eher spannungsarm und etwas langweilig. Die Geschehnisse waren sehr konstruiert, oft unglaubwürdig und manchmal etwas drüber, zumindest für mein Humorverständnis..:) Die Geschichte bewegte sich zwischen unterhaltsamem Humor und überdrehtem Klamauk. Der Sprachwitz und die schlagfertigen Dialoge haben mich jedoch gut unterhalten. Auch die vertraute Kulisse – Berlin und das Berliner Umland – wie meist in Fitzeks Romanen, gefiel mir.

Die Figuren, abgesehen von Julius, Rafael und Nala, konnten nicht so recht mein Interesse wecken, sie waren auch sehr eindimensional und zum Teil doch zu skurill. Lange Zeit fragte ich mich zudem, warum Julius das absurde Spiel überhaupt so lange mitmacht, zudem es ihm wirklich an den Kragen ging. Ist er ein "verlogener Opportunist" oder ein "liebenswerter Trottel" (Aussprüche von Nala) Oder steckt noch etwas anderes hinter seinem Verhalten? Diese Frage wird erst gegen Ende beantwortet.

Kurz vor Schluss wird die Geschichte spannender und auch wendungsreich. Sie schlägt zudem einen ernsteren Ton an. Es wird berührend, traurig, bevor alles in ein lebensbejahendes, nachdenkliches Ende mündet.
Insgesamt blieb mir die Handlung aber zu spannungsarm und stellenweise zu überdreht. Dennoch – der Sprachwitz konnte mich immer wieder abholen und sorgte für heitere Momente und gute Laune.

Bewertung vom 04.05.2025
Happiness Falls
Kim, Angie

Happiness Falls


ausgezeichnet

Zwischen Verschwinden und Verstehen – spannend, tiefgründig, berührend

Der Roman spielt in einem Vorort von Washington zur Zeit des Corona-Lockdowns. Im Mittelpunkt steht eine fünfköpfige Akademikerfamilie mit südkoreanischen Wurzeln. Seit vier Jahren ist es vor allem der Vater, der sich um die Kinder und den Haushalt kümmert, während die Mutter ihrer beruflichen Laufbahn nachgeht. Die 20 jährigen Zwillinge Mia und John studieren. Der 14-jährige Eugene hingegen befindet sich im Autismus Spektrum und lebt zusätzlich mit dem Angelmann Syndrom. Er ist nicht sprechfähig und seine Motorik ist beeinträchtigt.
Eines Tages kehrt Eugene allein und ungewöhnlich aufgewühlt von seinem täglichen Spaziergang mit dem Vater zurück. Der Vater bleibt jedoch spurlos verschwunden.

Erzählt wird die Geschichte rückblickend aus der ganz subjektiven Perspektive von Mia. Drei Monate nach den Geschehnissen hält sie ihre Erinnerungen schriftlich fest. Mia ist hochbegabt und hat ihre Ecken und Kanten. Ihr Erzählstil ist analytisch, aber auch oft witzig. Da sie zudem sehr gesprächig ist, neigt sie zu Ausschweifungen. Die Autorin nutzt Fußnoten, um diese Abschweifungen zu strukturieren, allerdings war für mich nicht immer nachvollziehbar, warum einige Anmerkungen ausgelagert wurden und andere nicht. Anfangs verfolgte ich diese Fußnoten noch interessiert, später empfand ich sie eher als störend für den Lesefluss und las sie dann im Anschluss. Mia tritt als kritische, auch selbstkritische Erzählerin auf – eine Eigenschaft, die mir besonders gut gefiel. Ebenso konnte sie Emotionen glaubwürdig vermitteln, was ihr Tiefe verlieh und mich immer wieder berühren konnte.

Wir begleiten sie bei der Suche nach dem verschwundenen Vater. Dabei erfahren wir zunehmend mehr über die familiären bzw. persönlichen Hintergründe. Verschiedene Szenarien werden durchgespielt: Was könnte dem Vater zugestoßen sein? Ist ein Unglück geschehene? Hat er sich bewusst abgesetzt – und wenn ja, warum?

Gleichzeitig rückt Eugene immer mehr ins Zentrum der Geschichte. Es stellt sich die Frage: Wozu ist er trotz seiner Einschränkungen in der Lage? Was übersehen seine Mitmenschen vielleicht? Welche Fördermöglichkeiten gibt es, welches ungenutzte Potenzial steckt in ihm? Wie geht es ihm eigentlich wirklich?

Nach und nach werden Hintergründe aufgedeckt, vieles wird dabei subtil angedeutet oder vorweggenommen. Der Roman ist dadurch spannend und fesselnd geschrieben. Der Schreibstil ist sehr gut lesbar. Neben dem zentralen Vermisstenfall vermittelt das Buch psychologisches Wissen und regt zum Nachdenken an – besonders über Kommunikation, Sprache und Identität. Wie gehen wir mit Menschen um, die sich sprachlich nicht (gut) mitteilen können? Welche Auswirkungen hat das auf ihr Selbstwertgefühl? Auch die Glücksforschung nimmt Raum ein, da der Vater sich damit beschäftigte. Die Einblicke in seine Überlegungen fand ich sehr interessant, zudem auch Studienergebnisse eingeflochten wurden. Die inhaltliche Auseinandersetzung mit den Themen erfolgt oft sehr sachlich, was vielleicht nicht jedem Lesetyp zusagen dürfte. Mir gefiel es.

Besonders interessant fand ich zudem die Einblicke in den Umgang mit Autismus in den USA – sowohl gesellschaftlich als auch medizinisch oder strafrechtlich. Einige Aspekte recherchierte ich nach der Lektüre weiter, um sie besser einordnen zu können.

Auch das Thema Migration wird überzeugend dargestellt – insbesondere die Herausforderungen, mit denen Einwandererfamilien und ihre Kinder konfrontiert sind.

Ebenso eindrücklich ist die Schilderung der Belastungen und Herausforderungen, mit denen Familienmitglieder von Menschen mit Behinderungen zu kämpfen haben – sowohl Eltern als auch Geschwister. Schon der Debütroman der Autorin (Miracle Creek- ebenfalls sehr empfehlenswert) hatte mich in dieser Hinsicht sehr bewegt, und auch dieses Werk hat mich wieder sehr berührt.

Fazit:
Ein vielschichtiger, humanistischer Roman, der eine Vermisstensuche, ein Familienporträt und tiefgehende psychologische sowie philosophische Gedanken miteinander verwebt. Er ist spannend, zum Nachdenken anregend und emotional bewegend - und hinterlässt einen bleibenden Eindruck.

Bewertung vom 10.04.2025
The Surf House
Clarke, Lucy

The Surf House


sehr gut

Rasant in schönem Setting

Ein warmer Herbst in Marokko. Bea entscheidet sich spontan, ihren Modeljob hinzuschmeißen, da er sie nicht erfüllt und langweilt. Doch dann gerät sie in Marrakesch in eine schreckliche Situation mit fatalen Folgen. Sie findet unerwartete Hilfe durch eine Hotelbesitzerin, die ihr in ihrem kleinen Surfhotel am Meer Unterschlupf gewährt. Bald darauf wird Bea mit einem Gast konfrontiert, der seine verschwundene Schwester sucht und sie beginnt ihm zu helfen, da sie dringend Geld benötigt...

Bea war mir grundsätzlich sympathisch und ich konnte gut mit ihr mitfühlen. Sie ist noch jung, von ihrer Mutter erhält sie keine Unterstützung und sie versucht sich neu zu orientieren.Sie wirkte oft etwas naiv und neigte sehr dazu, unangenehme Wahrheiten zu verdrängen, was mich manchmal wirklich nervte. Die anderen Charaktere fand ich auch ganz interessant, insgesamt werden sie allerdings nicht sehr tief gezeichnet, was ich allerdings auch nicht erwartet habe, aber es ergaben sich ganz interessante Dynamiken und Beziehungsgeflechte.

Das Setting hat mir besonders gut gefallen. Die marokkanische Küste, umgeben von Surfern und Reisenden aus aller Welt, schafft eine lebendige Atmosphäre, in der verschiedene Kulturen und Weltanschauungen aufeinandertreffen. Über das Surfen wusste ich vorher nicht viel, aber die bildhaften Beschreibungen haben mir dieses Thema nähergebracht und mein Interesse geweckt. Ebenfalls gefielen mir die bildhaften Beschreibungen der marokkanischen Landschaft sehr gut.

Neben dem schönen Setting ist die Atmosphäre der Geschichte recht unheilvoll, was einen interessanten Kontrast schafft. Der Schreibstil ist dabei sehr flüssig zu lesen, das Erzähltempo, besonders am Anfang ist sehr rasant. Ständig passiert etwas, was das Miträtseln spannend macht. Die Spannung wird zudem durch kurze Kapitel und eingestreute Rückblenden hochgehalten. Allerdings wurde mir nach einer Weile, leider etwas zu schnell, klar, wem man nicht ganz vertrauen konnte. Dennoch gab es einige Wendungen, die mich überraschen konnten. Der Showdown war für meinen Geschmack etwas übertrieben und hinterließ ein schales, trauriges Gefühl, da viele Charaktere hier falsche Entscheidungen getroffen haben.

Insgesamt ist dieser Thriller eine gelungene Lektüre für zwischendurch, ideal, um abzutauchen und durch die Seiten zu surfen. :)
3,5

Bewertung vom 25.03.2025
Es geht mir gut
Anthony, Jessica

Es geht mir gut


ausgezeichnet

Amüsant und berührend

In diesem kurzen Roman wird die Ehe der Beckets beleuchtet. Es sind die 50er Jahre in den USA. Kathleen und Virgil sind seit 9 Jahren verheiratet und befinden sich in einer Krise. Beide erkennen, dass sie eigentlich in einer Lebenslüge leben, für sich selbst, aber auch in Hinblick auf ihre Ehe. Ihre Lebensträume stehen auf dem Prüfstand und sie werden gezwungen, den verschiedenen Wahrheiten ins Auge zu sehen.

Das las sich für mich amüsant und humorvoll, durchaus auch etwas skurill und schwarzhumorig. Gleichzeitig las es sich ruhig, besinnlich und auch traurig. Die Charaktere von Virgil und Kathleen wurden gut herausgearbeitet, es wurde deutlich, warum sie sich füreinander entschieden haben. Beide suchten Sicherheit und für sich den einfachsten Weg, sie scheuten das Risiko, die Anstrengung. Zugleich wird deutlich, wie oft sie dadurch falsche Entscheidungen getroffen haben, mit Konsequenzen, die sie eigentlich nicht wollten.

Die Komposition und das Setting des Romans gefiel mir gut. Es betrifft einen einzigen Tag und ist kompakt und pointiert geschrieben. Dabei psychologisch interessant, sowohl die Perspektive von Kathleen, als auch die Perspektive von Virgil erhält Raum. Insgesamt gibt es einige Überraschungen sowie ein offenes Ende, was mir gut gefiel.

Man wird durchaus auch angeregt, sein eigenes Leben auf den Prüfstand zu stellen..:)

Bewertung vom 25.03.2025
Mit dir, da möchte ich im Himmel Kaffee trinken
Lorenz, Sarah

Mit dir, da möchte ich im Himmel Kaffee trinken


weniger gut

Konnte mich nicht fesseln

Leider habe ich das Buch in der Hälfte abgebrochen, da mir das Interesse am Inhalt komplett abhanden kam.

Die Ich -Erzählerin Elisa wendet sich an Mascha Kaleko, deren Gedichte sie liebt, und berichtet ihr über ihr Leben, über Liebe (n), Freundschaft und ihre Gefühle. Sie ist ein Scheidungskind, die Mutter kann sie nicht ausreichend lieben und sich um sie kümmern, so dass sie einige Zeit in ein Heim geht. Zugleich gerät sie in die Punk- und Drogenszene und ist immer wieder, vor allem im trunkenen Zustand Opfer von sexuellen Übergriffen. Ihre Beziehungen sind geprägt von Bedürftigkeit, der fehlenden Mutter- und Selbstliebe. Sie eskalieren regelmäßig und sind anstrengend für alle Beteiligten. Einen Anker findet sie in verlässlichenen Freundinnen.

Es liest sich anekdotenhaft, immer wieder von philosophischen Gedanken und Reflexionen durchsetzt in einer oft poetischen, manchmal pathetischen, Sprache. Anfangs ist der Ton noch melancholisch, auf Dauer wurde es mir aber zu viel und zog mich herunter. Einige Situationen berührten mich und eigene schmerzhafte Jugenderlebnisse wurden aufgerührt. Einerseits wollte ich mich nicht mit eigenen erlebten Situationen konfrontieren, anderseits begann ich mich leider auch zu langweilen, da ich nichts wirklich Neues erfuhr und mich die aufgeworfenen Gedanken nicht anregen konnten.

Es liest sich sehr autobiographisch, ist aber nicht als Autobiographie ausgeschrieben. Ich gewann den Eindruck, dass hier im Rahmen eines Therapieprozesses die Kindheit und Jugend aufgearbeitet wurde, was natürlich absolut legitim ist. Nur leider konnte mich der Inhalt nicht wirklich fesseln. Schade.

Bewertung vom 25.03.2025
Reservoir Bitches
de la Cerda, Dahlia

Reservoir Bitches


ausgezeichnet

Aktueller Einblick in die Lebenswelt mexikanischer Frauen

In den 13 Kurzgeschichten stehen, oft junge, Frauen im Mittelpunkt. Arbeitsplätze sind rar und die Drogenkartelle (der 5.größte Arbeitgeber in Mexiko!) versprechen mehr Geld, was dringend zum Überleben gebraucht wird. Eine der Frauen ist die Tochter eines Drogenbosses, andere sind die Töchter hochrangiger Politiker, eine Frau versucht ihr Glück in einer Näherei an der Grenze zur USA, eine Frau kämpft mit ihrer Schwangerschaft. Man taucht in die jeweiligen Lebenswelten ein und ist nah dran an den Frauen. Alle kommen mit Gewalt, mit männlicher Gewalt in Berührung, nicht alle überleben es. Daneben erfährt man so einiges von der mexikanischen Kultur, über Tänze und Musik (es gibt am Ende eine Playlist), über Mythen und Legenden, über typisches Essen, Mode und vieles mehr.

Manche der sehr aktuellen und heftigen Geschichten sind miteinander verbunden, einige stehen für sich allein. Es liest sich spannend, emotional, tragisch, dramatisch, aber auch nüchtern und pointiert. Die Sprache hat mir sehr gut gefallen, da sie sehr dynamisch und nah an den Menschen ist. Jede der Geschichten mich wirklich tief beeindruckt, begeistert, berührt und erschüttert. Ich war traurig, als das Buch zu Ende war.

Ich kannte nicht viel über Mexiko, aber nach der Lektüre wurde ich angeregt, mehr über Mexiko zu erfahren, über die Kultur, über die aktuelle politische und soziale Situation. Ich wollte wissen, wie relevant die Dinge sind, über die die Autorin schreibt. Das tatsächliche und ungeheure Ausmaß der Femizide, der Drogenkriege, der Korruption sowie der Armut erschreckte mich dann sehr.

Die Autorin selbst hat eine Freundin verloren und besonders die letzte Geschichte "Die Knochensammlerin" berührte mich überaus. "Mexiko ist ein frauenfressendes Monster. Mexiko ist eine Wüste aus Knochenstaub. Mexiko ist ein Friedhof aus rosa Kreuzen. Mexiko ist ein Land, das Frauen hasst." "...der Prozentsatz ungeklärter Frauenmorde ist in Mexiko extrem hoch. Um genau zu sein, liegt er bei 98 Prozent."

Unbedingt lesen!

Bewertung vom 20.03.2025
Schweben
Ben Saoud, Amira

Schweben


sehr gut

Fragen bleiben...

Die Klimakrise, die Erwärmung der Welt liegt hinter uns. Die Menschen leben in Siedlungen, die voneinander abgeschottet sind. Es gibt zwar Tauschhandel untereinander, der wird aber ohne Kontakt miteinander durchgeführt. Es ist nicht erwünscht, dass die Menschen unterschiedlicher Siedlungen miteinander sprechen. Jegliches Wissen über das Draußen ist verboten. Auch jegliche Erinnerungen an das Davor sind verboten. Ebenso ist Gewalt verboten, aber gerade unter den Jugendlichen gedeiht sie.

Im Mittelpunkt steht eine pfiffige junge Frau. Sie verdient ihr Geld damit, in dem sie andere Frauen nachspielt, so dass nach Trennungen die Eltern oder Partner Trost, oder was auch immer, finden. Für sie ist das eine Überlebensstrategie, da sie so nicht sie selbst sein muss. Sie weiß eigentlich auch nicht so recht wer sie ist, wie sie heißt und was sie eigentlich wirklich möchte.
Bei einem ihrer Aufträge gerät sie in eine Beziehung, in der sie sich verliert, in der sie verbleibt, obwohl die Beziehung ihr nicht gut tut und gewaltvoll ist.

In der Siedlung indess geschehen immer mehr seltsame Dinge, es entstehen Risse, es verschwinden Dinge oder tauchen auf. Es liegt eine gewisse Spannung in der Luft. Die Welt gerät scheinbar langsam aus den Fugen...

Die kompakte, in sich runde Dystopie konnte ich sehr flüssig lesen. Sie fesselte mich so sehr, dass ich sie in einem Rutsch las. Die Hauptfigur fand ich interessant gezeichnet. Es wird nachvollziehbar gemacht, warum sie in solch einer gewaltvollen und ungesunden Beziehung bleibt und es wird deutlich gemacht, wie Traumata sich auswirken können. Einige Szenen gingen mir sehr ans Herz. Ich mochte Juri, den jungen Mann aus dem Naturkundemuseum, der sie auf eine gute Weise liebt, den sie aber leider nicht zurück lieben kann.

Das Setting dieser Siedlung mit all den unmöglichen Vorkommnissen gefiel mir mir gut. Ich habe lange keine Dystopie mehr gelesen, so fand ich es sehr erfrischend. Zudem fand ich es spannend, dass nicht alles auf den ersten Blick erklärbar wurde. Allerdings haben sich mir manche Dinge gar nicht allein erschlossen, so hätte ich mich gern ausgetauscht. Die gesellschaftskritischen Anklänge hätte ich mir etwas deutlicher gewünscht. Insgesamt hatte ich den Eindruck, dass im Hauptfokus der Verbleib in einer toxischen Beziehung thematisiert wurde, also das individuelle Sein im Vordergrund stand.

Fazit: Fesselnde und berührende Geschichte einer traumatisierten jungen Frau in einem dystopischen Setting. Für Menschen, die interpretierbare und nicht ganz eindeutige Texte mögen.